„Zwingend auszuschließen ist jedenfalls die Datenübermittlung an Staaten, wenn zu befürchten ist, dass elementare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden. Keinesfalls darf der Staat seine Hand zu Verletzungen der Menschenwürde reichen.“
Herr Röwekamp, wir können uns gern über die Sicherheitsarchitektur in Deutschland unterhalten, aber nicht, wenn die Grundrechte dabei so unter die Räder kommen wie beim BKA-Gesetz, das von der CDU im Jahr 2008 beschlossen wurde.
Ich würde mir wirklich wünschen, die CDU würde sich solche Urteile ein wenig zu Herzen nehmen. Im ganzen Antrag und übrigens auch in Ihrer Rede war nicht einmal die Rede von Grundrechten oder Bürgerrechten.
Zumindest im Antrag habe ich es nicht gefunden; vielleicht habe ich es bei Ihrer Rede eben überhört.
ob der CDU überhaupt klar ist, was es zu verteidigen gilt, wenn wir von innerer Sicherheit sprechen. Wenn ich mir die Karlsruher Urteile der letzten Jahre und die Reaktionen der Unionspolitiker darauf – zum Beispiel auch gestern – anschaue, muss ich deutlich sagen: Sie scheinen, liebe CDU, einen gewissen Hang zum Verfassungsbruch zu haben.
Für Sie scheint es etwas völlig Normales zu sein, wenn von Ihnen beschlossene Sicherheitsgesetze vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden, nach dem Motto „Ach ja, dann sind wir halt etwas zu weit gegangen, bessern wir halt nach.“ Das ist doch keine Einstellung! Was ist das für ein Umgang mit der Verfassung? Sie nehmen doch für sich in Anspruch, mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, und das sicherlich zu Recht. Warum bekommen Sie es dann bei fast keinem Gesetz hin, die Grenzen des Grundgesetzes zu achten? Warum muss sich die CDU eigentlich immer von Verfassungsgerichten zwingen lassen, die Grundrechte zu achten? Warum schafft es die CDU nicht, die Grundrechte aus eigener Überzeugung zu achten? Haben Sie sich das einmal überlegt? Haben Sie sich einmal gefragt, ob sich Ihre Grundeinstellung zum Verhältnis von Sicherheit und Freiheit – darum geht es im Kern – mit dem deckt, was im Grundgesetz steht? Ich komme in der zweiten Runde noch einmal darauf zurück. – Danke!
(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Röwekamp [CDU]: So einen Koalitionspartner hätte ich auch gern!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich konnte meine Ausführungen vorhin nicht beenden. Ich habe noch den einen oder anderen konkreten Punkt, auf den ich abschließend noch eingehen möchte.
Wir sind völlig bei Ihnen, die Zusammenarbeit nicht nur zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander, sondern auch im internationalen Bereich zu verbessern. Voraussetzung ist aber, wie bereits gesagt wurde, dass alle bereit sind, ihr Herrschaftswissen einzubringen und allen zur Verfügung zu stellen. Das betrifft die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ebenso wie die der Betäubungsmittelkriminalität und insbesondere des internationalen Terrorismus. Auch Europol muss dazu eingebunden werden.
Wenn ich noch einmal konkret auf Ihren Antrag zurückkommen darf, in dem Sie unter Punkt 1 d) fordern, das Know-how und die Ausstattung der Sicherheitsbehörden, insbesondere was Internetkriminalität betrifft, auf den neuesten Stand zu bringen beziehungsweise einheitliche Standards einzuführen, so heißt es „Butter bei die Fische!“ Dazu müssen Sie sagen, worin das bestehen soll, was in Bremen schlecht und in anderen Bundesländern besser läuft. Dann können wir über konkrete Sachverhalte sprechen und diese einbringen.
Außerdem schreiben Sie „Überprüfung von Rechtsvorschriften auf allen Ebenen“. Wie soll man sich das vorstellen? Wollen Sie jetzt zwei, drei Kollegen beauftragen, sich alles vor Augen zu führen, zu schauen, wo etwas gemacht werden kann? – Das ist völlig oberflächlich und unkonkret; da tappt doch jeder im Dunkeln. Gehen wir doch einfach von dem aus, was wir aus den Ereignissen in Köln gelernt haben. Da ist zu Tage gefördert worden, dass es im Sexualstrafrecht hie und da Lücken gibt, bei denen Handlungsbedarf besteht – ich sage nur: „Ein Nein muss reichen!“ Die Bundesregierung hat da etwas auf den Weg gebracht. Gleiches gilt für das Ausländerrecht. Auch da hat man gesagt, wir müssen die Abschiebevoraussetzungen erleichtern, die Strafrahmen herabsetzen und – darüber haben wir auch mit dem Innensenator diskutiert – die Abschiebepraxis bei Volljährigkeit verbessern. Das ist etwas Konkretes, etwas, worunter man sich etwas vorstellen und worüber man sich unterhalten kann.
Dann werfen Sie das Wort „Schleierfahndung“ in die Debatte. Eine verdachtsunabhängige Personenkontrolle ist mit uns Freien Demokraten nicht zu machen.
(Beifall FDP, DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Mit uns auch nicht!)
Wir haben eben ein Zitat aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts gehört. – So geht es nicht. Das ist Stammtisch, Sie streuen den Leuten damit Sand in die Augen.
Jeder weiß, dass die Schleierfahndung verfassungsrechtlich höchst problematisch ist. Bremen hat sie nicht, Nordrhein-Westfalen auch nicht, Berlin hat sie abgeschafft, und auch die Europäische Kommission steht ihr ablehnend gegenüber. Wenn sich so etwas rechtlich in dieser Form darstellt, können Sie nicht erwarten, dass Sie in der Innenministerkonferenz mit
Dann komme ich zu der beliebten Formulierung „Verschärfung von Strafandrohungen“, weniger Bewährung – Leute, wenn ich das immer höre! Wir haben eine unabhängige Justiz, die die Gesetze anwendet. Die Vorarbeit bei Polizei und Staatsanwaltschaft muss geleistet werden. Es muss zügig gearbeitet werden, die Aufklärungsquoten müssen steigen. Dann können wir die Täter vor das Strafgericht führen, wo schließlich die entsprechenden gerichtlichen Entscheidungen erfolgen. Die Vorarbeit ist das Entscheidende, nicht das Herumbasteln an irgendwelchen Gesetzen.
Für die Beschleunigung von Strafverfahren braucht man Personal. Ich hatte Ihnen vorhin schon vorgehalten: Auch Sie als ehemaliger Innensenator sind dafür mitverantwortlich, dass man über zehn Jahre die Personalausstattung von 2 600 Stellen nicht erreicht hat. Das war Ihre eigene Zielvorgabe, die Sie nicht erreicht haben!
Des Weiteren schreiben Sie, dass die Anwendung des Jugendstrafrechts bei Heranwachsenden begrenzt werden soll. Wir haben im Jugendstrafrecht eine Differenzierung zwischen Jugendlichen und Heranwachsenden bis 21 Jahre. Jetzt wollen Sie die Grenze von 21 Jahren vielleicht auf 18 herabsetzen? – Das hat sich über viele Jahre bewährt; da müssen wir nicht erneut Hand anlegen.
Zum Thema Gewalt gegen Polizeibeamte: Ich habe mir einmal die Statistik von 2011 bis 2015 herausgesucht. Ein Anstieg von 18,5 % ist natürlich eine ganz schlimme Entwicklung. Das bringt auch zum Ausdruck, dass die staatlichen Organe, insbesondere die Polizei, in ihrem Ansehen verloren haben. Das können wir nicht hinnehmen; da bin ich völlig bei Ihnen. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt und die auch diskutiert worden ist – im Saarland und in Hessen gibt es entsprechende Gesetzesüberlegungen –, ob wir über den Straftatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, bei dem das Ausführen einer Amtshandlung zum Beispiel durch Polizisten geschützt ist, hinaus einen Straftatbestand schaffen können, der bereits einen tätlichen Angriff unter Strafe stellt. Darüber kann man diskutieren, und das muss sorgfältig geschehen.
Ein Integrationsgesetz hat mit innerer Sicherheit vom Grundsatz her überhaupt nichts zu tun. Dabei geht es um Integration, um Leistung, die dem Ausländer gewährt werden soll. Das ist grundsätzlich richtig, aber den Schluss zu ziehen, dass dies etwas mit innerer Sicherheit oder mit Kriminalitätsbekämpfung zu tun hat, ist völlig deplatziert. Auch in anderen Ländern mit anderen Religionen weiß man, dass man andere Menschen nicht berauben, beklauen oder körperlich verletzen soll. Das sind Grundvoraussetzungen. Auch kein Deutscher bekommt in der Schule ein Strafgesetzbuch in die Hand, damit er sich zu Hause die Straftatbestände durchlesen kann.
Meine Damen und Herren, wir möchten im Ergebnis nicht, dass durch die Formulierung „Pakt“ ein Sicherheitsgefühl suggeriert wird, das es nicht gibt. Zweitens kann dieser Pakt ebenfalls keine Geldquelle sein. Sie werden nicht erreichen, dass sich die anderen Bundesländer oder der Bund – ich hatte das in der Innendeputation bereits den Innensenator gefragt – daran beteiligen. Bei der Ausstattung der Polizei zur Terrorismusfahndung halte ich dies für möglich. Das wäre ein konkreter Ansatzpunkt. Ansonsten muss man bei der Sachausstattung aber benennen, was man besser machen will.
Herr Zenner, entschuldigen Sie, Sie hatten die Möglichkeit, hier noch einmal zu reden. Sie können sich noch ein drittes Mal zu Wort melden, aber Sie sind deutlich über der Zeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe immer gedacht, Herr Zicht, eine Debatte dient dazu, sich auszutauschen und nicht Anträge zu verlesen. Deswegen kommt es sehr wohl darauf an, was man in einer Debatte sagt, und nicht nur darauf, was man aufschreibt.
Ich hätte mich vielleicht am Schluss melden sollen, damit Herr Zenner mit seiner gesamten Rede fertig wird, aber auch das, was er bisher gesagt, verleitet
mich zu der Aussage, Herr Zenner, dass Ihre Abwesenheit hier im Parlament bei der FDP offensichtlich nicht zum Erkenntnisgewinn geführt hat. Wer wie Sie heute noch behauptet, die Kriminalitätshäufigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund habe nichts mit deren unzureichender Integration zu tun, hat die Welt nicht verstanden.
Wenn Sie sich anschauen, warum Menschen und insbesondere junge Männer mit Migrationshintergrund häufiger Straftäter werden als andere, hat dies sehr viel damit zu tun, ob sie Zugang zu Bildung, zu Ausbildung haben, ob sie Anschluss an die Mitte unserer Gesellschaft finden und insbesondere, welche Perspektive wir ihnen bieten. Wenn man wie Sie – so verstehe ich das – immer sagt „Wir integrieren euch, wenn sicher ist, dass ihr bleibt“, funktioniert es nicht. Sobald die Menschen hier sind, müssen sie so schnell wie möglich in unser gesellschaftliches System integriert und dürfen eben nicht ausgegrenzt werden. Deshalb hat Integrationspflicht und Integrationsfähigkeit auch sehr viel mit innerer Sicherheit in Deutschland und nicht nur mit dem Lesen von Strafgesetzbüchern zu tun.