Bevor der Vorwurf erhoben wird: Mir geht es tatsächlich um Fälle, die Geldwäsche und Steuerbetrug im Ansatz haben, nicht um international agierende Firmen, die das alles rechtmäßig machen. Wir brauchen endlich eine schwarze Liste, auf der all die Länder stehen, die sich dem automatischen Austausch von Kontodaten verweigern. Wir müssen die Liste auch nutzen, um Geschäftsbeziehungen mit dort angesiedelten Banken zu unterbinden.
Herr Präsident, lassen Sie mich, der ich sonst kurz rede, noch den letzten Satz ausführen. Wir schlagen Ihnen heute ergänzend zum Antrag der CDU eine Fülle weiterer Maßnahmen vor, auf die ich teilweise eingegangen bin. Wir halten aber auch den Antrag der CDU, lieber Kollege Eckhoff, der sich maßgeblich auf die Ergebnisse der Finanzministerkonferenz stützt, die Bürgermeisterin Linnert aktiv mitgestaltet hat, für inhaltlich korrekt und werden ihm zustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass ein Land, das eigentlich für seinen Kanal berühmt ist,
(Bürgermeisterin Linnert: Oder für seine Briefkästen! – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Briefkästen an sich sind nicht kriminell! – Abg. Frau Böschen [SPD]: Oder für seinen Rum!)
einmal für seine Papiere berühmt wird, hätte so schnell auch keiner gedacht. Wie sich herausstellt, geht es eigentlich nicht um Papiere, sondern um sogenannte Briefkastenfirmen, Firmen also, die keinem realen Geschäftszweck dienen, meistens von Strohleuten geleitet werden und bei denen es nicht einmal ein Büro gibt, sondern eben nur einen Briefkasten.
Hier wurde erstens gesagt, nicht alle Briefkastenfirmen dienten illegalen Zwecken, Steuerhinterziehung, Steuerflucht oder Geldwäsche. Das mag stimmen. Vielleicht gibt es Start-ups oder Bereiche, in denen man für kurze Zeit so eine Firma haben kann. Aber eigentlich ist es andersherum: Briefkastenfirmen werden planmäßig zum Zwecke der Steuerhinterziehung, der Geldwäsche und Verschleierung von Vermögensverhältnissen gegründet. Ich bin überzeugt, dass das der wesentliche Grund ist, Briefkastenfirmen in Panama oder woanders im Ausland zu gründen. Deshalb bin ich der Meinung, dass der überwiegende Teil der Briefkastenfirmen mehr oder weniger kriminellen Zwecken dient und wirksam bekämpft werden muss.
Das Gute daran ist, dass dieses Geschäft bislang weitgehend legal ist. Wenn es legal ist, also im Rahmen von Gesetzen erfolgt, dann hat man auch die Chance, die Gesetze so zu ändern, dass es nicht mehr legal ist, Firmen zum Zwecke der Steuerflucht, der Geldwäsche und Verschleierung von Vermögen zu gründen. Insbesondere die Politik, Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker, der Gesetzgeber
sind gefragt, diesen Zustand zu ändern. Das sind wir hier in diesem Saal, meine Damen und Herren, der Bundestag, das Europäische Parlament und die internationalen Verbindungen zu anderen Städten. Wir haben die Möglichkeit. Niemand hindert uns daran, diese Dinge abzustellen. Daraus ergibt sich die Verantwortung, es auch zu tun.
Nun ist über den Umfang gesagt worden: 300 000 Briefkastenfirmen allein bei einer Kanzlei. Interessant ist darüber hinaus, wie hoch der Schaden eingeschätzt wird, der durch solche Geschäftspraktiken entsteht. Ich habe Zahlen gefunden: zwischen 100 und 200 Milliarden Euro jährlich allein in Deutschland. Wenn nur die Hälfte davon stimmt, 50 Milliarden, würde das für Bremen nach dem Königsteiner Schlüssel 500 Millionen Euro bedeuten, und der in diesem Saal meistgehörte Satz – „Wir sind Haushaltsnotlageland“ – hätte sich erübrigt.
Wir sind auch aus diesem Grund gehalten, diesen Praktiken ein Ende zu machen: nicht nur, weil sie kriminell sind und großen moralischen Schaden anrichten, sondern auch, weil sie dem Gemeinwesen in Bremen konkret fehlen, was uns daran hindert, Sinnvolles zu tun. Deshalb sind wir doppelt gefordert, etwas dagegen zu unternehmen.
Richtigerweise ist gesagt worden, wir müssen auf drei Ebenen handeln: international, in Europa und national. Ich würde gern eine vierte Ebene hinzuziehen und fragen: Was können wir in Bremen machen? Als klar wurde, dass Haven Höövt möglicherweise oder wahrscheinlich einer Briefkastenfirma gehört, haben wir eine Anfrage gestartet, um herauszubekommen, ob wir anhand der Grundbücher in der Lage sind, festzustellen, ob andere Briefkastenfirmen im Land Bremen auch Immobilien, Grundstücke oder was auch immer besitzen und ob das nicht eine Möglichkeit ist, solchen Praktiken auf die Spur zu kommen. Wir sind auf die Antwort gespannt.
Ich habe auch gefunden, dass einer der wesentlichen Kritikpunkte, die Deutschland auf Rang 8 der Steueroasen katapultiert, bundesweit der ist, dass es bei Grundbüchern keinen gemeinsamen Datenaustausch gibt, keine gemeinsame Software, kein öffentliches Grundbuch. In anderen Ländern ist das gang und gäbe. Was öffentlich und transparent sein muss, wem in Deutschland welches Grundstück und welche Immobilie gehört, wäre ein interessanter Beitrag zur Frage, wie man Geldwäsche bekämpft.
Das ist ja das Interessante, Herr Hinners. Vielen Leuten fällt eine ganze Menge Dinge ein. Die Liste
denkbarer Maßnahmen ist lang. Wir müssen über alle nachdenken und wahrscheinlich die meisten von ihnen realisieren. Wenn wir eine vergessen, gibt es ein Loch, durch das sie ausbüxen, und Steuerflucht, Geldwäsche und so weiter gehen weiter. Deshalb haben auch wir einen Beitrag geleistet, eine Liste denkbarer Maßnahmen aufgelistet. Ob unser Antrag verabschiedet wird oder nicht, ist eines. Ich bitte aber alle Beteiligten, die Vorschläge ernsthaft zu prüfen. Ich melde mich gleich noch einmal. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns alle einig, dass Steuerhinterziehung weiterhin entschieden bekämpft werden muss. Wir müssen auch dagegen wirken, dass Sitzverlagerung ins Ausland dazu führt, dass Steuern bei uns vermieden werden.
Was bei der Veröffentlichung der Panama-Papers herauskommt, erwarten wir gespannt. Die drei vorliegenden Anträge zeugen allerdings von viel Aktionismus und wenig Effizienz.
Briefkastenfirmen – das wissen Sie, es wurde schon mehrfach gesagt –, sind nicht automatisch illegal, sie stehen auch nicht automatisch mit illegalen Geschäften in Zusammenhang. Wer eine Briefkastenfirma besitzt, ist nicht automatisch ein Steuerhinterzieher. Die Vorverurteilung, über die wir hier mehrfach gehört haben, führt zur Umkehrung der Unschuldsvermutung. Jeder hat das Recht, sein Vermögen vor der Öffentlichkeit zu verdecken, denn einen staatlichen Anspruch auf totale Transparenz gibt es nicht. Wir Freien Demokraten wollen ihn auch nicht.
(Beifall FDP – Heiterkeit SPD – Unruhe DIE LINKE – Abg. Gottschalk [SPD]: Damit kommen Sie jetzt! Was ist mit den 700 Millionen? – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Es gibt aber kein Recht auf Steuerhinterziehung!)
Viele internationale Organisationen nutzen Briefkastenfirmen und ähnliche Konstrukte, da sie für ihre Geschäftszwecke Rechtssicherheit bieten. Allein die Weltbank hat 2015 420 Millionen US-Dollar über Briefkastenfirmen in sogenannten Steueroasen abgewickelt. Mehrere Landesbanken – die Bremer nicht, aber die HSH Nordbank zum Beispiel, nutzen Briefkastenfirmen.
Auch Reeder, die – Herr Eckhoff hat es angesprochen – zum Beispiel unter panamaischer Flagge fahren, brauchen eine Domizilgesellschaft im Land.
Genau, in Panama. Also eine Briefkastenfirma in Panama. Das alles, meine Damen und Herren, ist völlig legal. Die moralische Bewertung darf weder Politik noch Rechtsprechung leiten. Wir leben in einem Rechtstaat, das ist gut so.
(Unruhe Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Es gibt kein Recht auf Steuerhinterziehung!)
Aber lassen Sie mich konkret zu Ihren Anträgen kommen, angefangen mit dem der CDU. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie wollen, dass Steuerpflichtige jede wirtschaftliche Beziehung zu Unternehmen in Offshore-Staaten darlegen müssen. Das bedeutet, dass jeder, der etwas von so einem Unternehmen kauft oder ihm verkauft, eine Dienstleistung ausübt oder einkauft, dies darlegen muss. Später sprechen Sie sogar von „anzeigen“. Wozu soll dieser Bürokratismus gut sein? Wer soll das von behördlicher Seite bearbeiten? Das ist unverhältnismäßig und verhindert das, was Sie doch wollen: Verhinderung von Steuerhinterziehung. Dafür ist dieses Mittel nicht geeignet. Das gilt genauso für die Anzeigepflicht für Banken, die, wie Sie sagen, „entsprechende Geschäftsbeziehungen“ vermitteln.
wollen Sie deutschen Banken Geschäftsbeziehungen zu sogenannten passiven Finanzunternehmen in Steueroasen, zum Beispiel den US-Bundesstaaten Nevada, South Dakota, Wyoming und Delaware, untersagen. Dazu gehören übrigens alle von mir angesprochenen Briefkastenfirmen der Weltbank. Sie wollen Geschäftsbeziehungen zu legalen Unternehmen untersagen. Bei so etwas machen wir nicht mit.
Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern untersagen und es unter Strafe stellen, legale Steuersparmodelle zu entwerfen. Legales Steuersparen ist nicht zu beanstanden.
Außerdem setzt der deutsche wie jeder andere Staat Anreize durch Steuersparen, weil dies das beste politische Steuerungsinstrument überhaupt ist. Wohnungsbau, erneuerbare Energien, Familie und Ehe – für all das gibt es legale Steuererleichterungen.
(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn ich mich an die Gesetze halte, brauche ich nichts zu entwickeln!)
Der Antrag der Linken schlägt zum Teil in die gleiche Kerbe, wird aber insbesondere in Punkt 2 deutlich konkreter. Herr Rupp, sehen Sie es uns nach, aber mit uns Freien Demokraten ist die Abschaffung der Abgeltungsteuer oder eine wirtschaftsfeindliche Quellenbesteuerung nicht zu machen.
Bei aller Debatte über Panama sollten wir das Problem der europäischen Steueroasen, das Steuerdumping innerhalb der Europäischen Union, in den Fokus nehmen. Wir brauchen nicht erst über den Atlantik zu schauen, um die Probleme der Steuervermeidung zu sehen. Es ist kein Geheimnis, dass Firmen ihren Hauptsitz nach Irland, Malta, Gibraltar, Zypern oder die Kanalinseln, Belgien oder Luxemburg verlegen, um Steuern zu sparen. Hier sehen wir Freien Demokraten das größte und wichtigste Übel. Während kleine und mittlere Unternehmen unter der hohen Steuerlast ächzen, können Großkonzerne wie Starbucks, Google, Amazon oder Ikea mühelos ihren Hauptsitz ins europäische Ausland verlagern.