Protocol of the Session on April 21, 2016

Ein Punkt ist noch: Beschleunigte Verfahren erwecken den Eindruck, dass sie besonders schnell wären. Auch das hat der Strafrechtsausschuss ausgewertet. Es stellte sich heraus, dass diese Verfahren nicht schneller durchgeführt werden als die übrigen. Man muss genau hinschauen. Wir fragen für Bremen: Wie können wir die besonders hohen Voraussetzungen dieser Verfahrensart in größerem Umfang herstellen?

Herr Abgeordneter, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie haben gesagt, dass die beschleunigten Verfahren nicht schneller als normale abgehandelt werden. Nach meiner Kenntnis ist es so: Wird ein Tatverdächtiger auf frischer Tat ertappt, kommt er in Hauptverhandlungshaft und innerhalb von sieben Tagen muss eine Gerichtsverhandlung anberaumt werden. Ist das nicht richtig?

Was ich gesagt habe, beruht auf einer bundesweiten Untersuchung. Der Strafrechtsausschuss hat ausgewertet, wie die Verfahrenslaufzeiten in Ländern mit mehr beschleunigten Verfahren und in solchen sind, wo es einen geringen oder gar keinen Anteil beschleunigter Verfahren gibt. Sie sind im Wesentlichen deckungsgleich. Diese These ergibt sich aus der Untersuchung.

Zur Frage der Hauptverhandlungshaft: Das klingt effektiv, man würde sofort denken: Oh, davon wollen wir Gebrauch machen! – Die Voraussetzungen für die Hauptverhandlungshaft sind hoch. Auch das ist untersucht worden. Davon wird fast nie Gebrauch gemacht. Wenn es möglich ist, einen Straftäter vorzuführen, wird die Hauptverhandlungshaft regelmäßig als unverhältnismäßig angesehen. Es gibt keine Automatik: Haft und beschleunigtes Verfahren. Wir kümmern uns jetzt um die konkreten Voraussetzungen für dieses Verfahren und versuchen das in Bremen zu effektivieren, aber die rechtlichen Voraussetzungen sind relativ schwierig.

Herr Abgeordneter Timke, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Gleichwohl, Herr Staatsrat, gibt es Bundesländer oder Städte, in denen die Hauptver

handlungshaft beziehungsweise die beschleunigten Verfahren mit großem Erfolg durchgeführt wurden, zum Beispiel Braunschweig. Dort gab es eine Arbeitsgruppe von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zur Beschleunigung der Verfahren, auch des beschleunigten Verfahrens. Dort sprach sich die Einführung des beschleunigten Verfahrens in Täterkreisen herum, wonach die Zahl der Straftaten in diesem Deliktbereich gesunken ist, weil nämlich die Strafe auf dem Fuße folgte. Ich finde es bedauerlich, wenn ich höre, dass Bremen und Bremerhaven als Hochburgen der Einbruchskriminalität gelten und hier kein einziger ausländischer Tatverdächtiger im Rahmen des beschleunigten Verfahrens abgeurteilt wurde.

(Unruhe Bündnis 90/Die Grünen)

Sind Sie der Auffassung, dass dieses Instrument in Bremen und Bremerhaven richtig genutzt wird?

25 Fälle kamen bei uns konkret in Betracht. Sie muss man sich jetzt im Grunde anschauen. Das kann ich Ihnen nicht pauschal sagen. Wir können uns diese 25 Fälle anschauen, aber die Voraussetzungen müssen in ihnen vorliegen. Sie können davon ausgehen, dass wir uns die Voraussetzungen genau ansehen, aufgeschlossen sind und versuchen, diesen Weg verstärkt zu gehen, aber es kommt immer auf die konkreten Fälle an.

Ich habe Ihnen beschrieben, welche Voraussetzungen erforderlich sind. Leider sind sie relativ schwer herzustellen. Deswegen wird auch bundesweit selten von dieser Verfahrensform Gebrauch gemacht. Wir versuchen das für Bremen und Bremerhaven zu effektivieren. Die Arbeitsgruppe sitzt daran. Wir versuchen die Voraussetzungen herzustellen, was nicht einfach ist.

Herr Abgeordneter, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sind Sie bereit, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in der Innendeputation vorzustellen?

Die Frage richtet sich an den Innensenator. Vielleicht können wir das im Rechtsausschuss machen.

Ich bin in der Innendeputation und würde es gerne dort behandeln, weil die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft, also die Polizisten, die Anträge stellen.

Ich bin gern bereit, näher darüber zu berichten.

Eine weitere Zusatzfrage wird gestellt durch die Abgeordnete Schnittker. – Bitte, Frau Kollegin!

Frau Abg. Schnittker (CDU): Seit wann sitzt diese Arbeitsgruppe zusammen, wann wurde sie eingerichtet?

Seit Jahresbeginn!

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die neunte Anfrage befasst sich mit dem Thema „Wie wird das Präventionskonzept Salafismus zukünftig finanziell unterlegt?“ und ist unterschrieben von den Abgeordneten Tuncel, Frau Vogt und Fraktion DIE LINKE.

Bitte, Herr Kollege Tuncel!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Welche finanziellen Mittel will der Senat in den kommenden zwei Jahren für das „Präventionskonzept gegen religiös begründeten Extremismus und Islamfeindlichkeit“ bereitstellen, und wie viele Stellen für Beratungsangebote könnten damit geschaffen werden?

Zweitens: In welchem konkreten Umfang sollen in den kommenden zwei Jahren Bundesmittel für entsprechende Projekte im Land Bremen eingesetzt werden?

Drittens: Ist damit aus Sicht des Senats eine bedarfsgerechte Finanzierung von wichtigen präventiven Projekten im Bereich religiöser Radikalisierung und Salafismus sichergestellt?

Diese Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Abgeordneter Tuncel! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Das Land und die Stadtgemeinde Bremen haben sich im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ um Projekte zur Prävention von religiös begründetem Extremismus erfolgreich beworben. Der Senat beabsichtigt in diesem Zusammenhang, im Jahr 2016 circa 40 000 Euro und im Jahr 2017 circa 60 000 Euro bereitzustellen. Mit dem Geld werden zwei Modellprojekte kofinanziert. Das eine trägt den Titel „Jugendarbeit in muslimischen und interkulturellen Lebenswelten“ – JAMIL – und wird vom Verein für akzeptierende Jugendarbeit verantwortet. Das andere heißt „Pro Islam – Gegen Radikalisierung und Extremismus“ und wird getragen von der Schura – Islamische Religionsgemeinschaft Bremen e. V. Ein Teil des Geldes fließt in die Einrichtung einer Fach- und Koordinierungsstelle „Religiös begründete Radikalisierung“.

Im Geschäftsbereich des Senators für Justiz und Verfassung sollen darüber hinaus in den nächsten beiden

Jahren jährlich bis zu 30 000 Euro für die muslimische Seelsorge und ein Deradikalisierungsprogramm im Justizvollzug bereitgestellt werden.

Zu Frage zwei: Aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ sind für den Schwerpunkt religiös begründete Radikalisierung in den Jahren 2016 und 2017 Bundesmittel in Höhe von circa 250 000 Euro vorgesehen. Im März hat das Bundeskabinett beschlossen, dieses Bundesprogramm deutlich aufzustocken. Das Land Bremen will sich um zusätzliche Mittel bewerben. Die Modalitäten zur Kofinanzierung sind noch nicht bekannt.

Das Beratungsnetzwerk kitab in Trägerschaft des Vereins für akzeptierende Jugendarbeit ist einer von vier Partnern eines bundesweiten Beratungsnetzwerkes und wird bis Ende 2016 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert. Die Fortsetzung der Finanzierung aus Landesmitteln ab 2017 ist für das Integrationskonzept des Senats angemeldet.

Zu Frage drei: Die Anschläge von Brüssel haben verdeutlicht, dass repressive Instrumente allein nicht ausreichen, um der wachsenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus wirksam zu begegnen. Es bedarf daher vermehrt präventiver Maßnahmen. Es wird seit diesem Jahr von den Präventionsprojekten „JAMIL“ und „Pro Islam“ flankiert. In der zweiten Hälfte 2016 werden zudem Teamer zur präventiven Arbeit an Schulen ausgebildet. Hinzu kommt das Bremer Präventionskonzept mit Deradikalisierungsangeboten in der Justizvollzugsanstalt. Für die bedarfsgerechte Finanzierung dieser präventiven Projekte sind zusätzliche Mittel im Haushalt veranschlagt. – Soweit die Antwort des Senats!

Herr Kollege Tuncel, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, Sie haben gesagt, Sie werden sich um Bundesmittel bewerben. 250 000 Euro, sagten Sie, stehen zur Verfügung. Wie viel wird Bremen beantragen?

Aus dem Kopf kann ich es für die einzelnen Projekte nicht sagen. Das können wir aber sicher in der Deputation nachliefern. Die 250 000 Euro waren auf Bremen bezogen.

Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Werden die beiden Projekte von Schura und VAJA, parallel arbeiten, oder gibt es Schnittpunkte, wo sich sie austauschen und miteinander arbeiten werden?

Unser Ressort koordiniert einen Arbeitskreis aus den Projekten, die sich um diese

Jugendlichen und Familien kümmern. Es gibt also ein niedrigschwelliges Beratungsnetzwerk, das fachlich zusammenarbeitet und von meinem Hause koordiniert wird. Darin sind auch die anderen Ressorts, die ich eben erwähne, mit ihrem Know-how vertreten. Wir arbeiten zusammen, sonst haben wir keine Chance, radikalisierten Tendenzen entgegenzutreten. Wir müssen eng zusammenarbeiten und uns austauschen.

Ganz wichtig: Die Menschen, Jugendliche wie Erwachsene, Freunde und Bekannte, müssen Vertrauen haben, sich an uns zu wenden, um Unterstützung zu bekommen. Das ist ein Balanceakt, den wir gehen müssen, weil wir möchten, dass Menschen sich vertraulich an Beratungsstellen wenden können. Der „Weserkurier“ hat berichtet, dass auch Schulen verstärkt die Sorge umtreibt, wie sie mit bestimmten Aussprüchen und Diskussionen umgehen. Dort sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Wir müssen heran an die jungen Leute, an die Lehrer, die Unterstützung brauchen. Das wird eine große Gemeinschaftsaufgabe.

Herr Kollege Tuncel, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, können Sie sagen, wie viele Menschen im vergangenen Jahr Beratungsangebote von kitab in Anspruch genommen haben?

Das kann ich nicht sagen, das können wir aber in der Deputation berichten. Da müssten wir bei kitab nachfragen.

Es gibt eine weitere Zusatzfrage durch den Abgeordneten Zenner. – Bitte sehr!

Die Frage, wie das in der Vorzeit in Anspruch genommen wurde, wurde schon gestellt.

Wird die Beratung evaluiert? Können wir irgendwann – in ein, zwei oder drei Jahren – feststellen, in wie vielen Fällen eine Beratung erfolgreich – so nenne ich es einmal – durchgeführt worden ist?

Das ist eine wichtige Frage. Wann immer wir europäische und Bundesmittel einwerben – das gilt auch für Stiftungsmittel –, sind wir gehalten, die Wirksamkeit solcher Projekte zu evaluieren. Schon aus purem Eigennutz schauen wir genau hin, welche Module und Modelle am meisten helfen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.