Protocol of the Session on March 16, 2016

Meine Damen und Herren, das ist wahrscheinlich richtig. Aber wir sind der Auffassung, dass, wenn Menschen ein Bildungsangebot nicht wahrnehmen können, dieses Bildungsangebot im Zweifel eben zu ihnen kommen muss.

(Beifall CDU – Abg. Frau Vogt (DIE LINKE): Ach, deswegen haben Sie das gesagt! Ich habe darüber gar nicht geredet!)

Deshalb werden wir im zukünftigen Bildungskonsens sehr darauf achten, dass wir alle Schularten, die bestehen, in den Blick nehmen. Es ist nun einfach einmal so, dass das Gymnasium neben der Grundschule die einzige Schulart ist, die bundesweit besteht, und es ist eine sehr erfolgreiche Schulart, wie die Anwahlzahlen in jedem Jahr wieder von Neuem zeigen. Deshalb werden wir darauf achten, dass auch diese Schulart entwicklungsfähig gehalten wird. Das gilt für uns qualitativ, und es gilt für uns im Zweifelsfall auch standortbezogen. – Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Vogt das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen, lieber Herr Dr. vom Bruch! Das erfordert natürlich eine Antwort. Ich habe Ihre Gymnasien- Schutz-Kampagne nur erwähnt, weil Sie hier hereingerufen haben, das sei Ideologie, längeres gemeinsames Lernen zu fordern.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ich habe nicht reinge- rufen!)

Doch, Sie haben reingerufen. Das haben hier auch alle gehört. Die nicken hier.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Stimmt! So ist es gewesen!)

Deshalb habe ich dann gesagt, die Höchstform der ideologischen Debatte war für mich die GymnasienSchutz-Kampagne. So etwas habe ich in den Jahren davor nicht erlebt.

Ansonsten habe ich hier gesagt, dass wir damals den Konsens nicht mitgetragen haben, weil wir für längeres gemeinsames Lernen gewesen seien. Das wird übrigens in allen erfolgreichen Bildungssystemen praktiziert, und zwar nicht nur in Skandinavien. Auch in allen anderen Ländern werden Kinder nicht so früh aussortiert und auf unterschiedliche Schulformen geschickt.

(Abg. Rohmeyer [CDU) : Solange Sie von Aussortieren reden, haben Sie überhaupt nichts verstanden! – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Es geht nicht um Aussortieren, sondern um das Fördern!)

Das leistet sich nur Deutschland, und deswegen ist Deutschland unter den Industrieländern das Land, in dem der Schulerfolg am meisten von der Herkunft der Eltern abhängt. Diese Ursachen kennen wir seit 25 Jahren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe hier aber gesagt, Herr Dr. vom Bruch, dass uns klar ist, dass diese Debatte 2008 nicht hier im Parlament verloren worden ist, sondern zum Teil auf der Straße. Deswegen sagen wir: Wenn es denn jetzt so ist, dass es in Deutschland, obwohl alle Fachleute und die Lehrkräfte und die Pädagogen sagen: Leute, lasst die Kinder doch möglichst länger gemeinsam zusammen!, nicht durchsetzbar ist, dann möchten wir als LINKE wenigstens die Grundvoraussetzungen sicherstellen, nämlich gleichwertige Bildungschancen für alle Kindern zu generieren. Wenn die CDU möchte, dass wir Gymnasien haben, und wir sie deswegen haben –

(Zuruf von Abg. Rohmeyer [CDU])

Herr Rohmeyer, brüllen Sie hier nicht herum! –, dann sagen wir als LINKE: Dann müssen im Gegenzug die Oberschulen in armen und insbesondere in den Brennpunktstadtteilen einfach entsprechend besser ausgestattet werden.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe von der CDU – Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Lasst uns schnell abstimmen!)

Ihre Gymnasien sind mir jetzt gerade völlig egal.

(Abg. Rohmeyer [CDU]: Aha, die sind Ihnen egal!)

Nein! Ich meine, in der Debatte, Herr Rohmeyer!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das sind unsere ge- meinsamen Gymnasien! – Unruhe)

Meine Güte! – Können Sie die einmal zur Ordnung rufen? Ich habe langsam die Nase davon voll, hier immer brüllen zu müssen.

Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass etwas mehr Ruhe einkehrt, damit Frau Vogt ihre Rede fortsetzen kann. – Bitte schön!

Ich führe hier gerade keine Debatte pro oder gegen Gymnasien.

Das war vorhin die Sache, von der ich gesagt habe, dass wir da als Partei kompromissbereit sind. Denn mir geht es am Ende des Tages darum, dass Kinder aus Stadtteilen, in denen die Migrationsquote hoch ist, in denen die Erwerbslosenquote hoch ist und in denen viele Alleinerziehende leben, irgendwann die Schulabschlüsse der Kinder auch dazu führen, dass die Kinder genauso qualitativ hochwertig und genauso oft in Ausbildung kommen wie Kinder in anderen Stadtteilen. Dafür machen wir als Partei Kompromisse mit. Deswegen streite ich mich mit Ihnen gar nicht über den Erhalt von Gymnasien.

Das ist doch eine künstliche Debatte, die Sie hier provozieren wollen. Den Bremer Westen, Herr Dr. vom Bruch, habe ich nur mit einem Wort erwähnt, nämlich mit dem Brandbrief bezüglich Inklusion. Sie haben das eben aufgeführt, weil Sie gern wollen, dass es da ein Gymnasium gibt, aber nicht, weil ich gesagt habe, der Bremer Westen sei ein Problem. Ich habe gesagt, wir haben eine Segregation, weil es in einigen Stadtteilen – das ist übrigens nicht nur der Bremer Westen, das lässt sich stadtweit erleben – zu Problemen führt, wenn Innenstadtgymnasien angewählt werden; übrigens nicht aus dem Grunde, weil Eltern so scharf auf Gymnasien sind, sondern weil sie finden, ihre Schulen in der Region haben zu viele Probleme. Das ist dann ein Problem für die Oberschulen, weil man da die 30 Prozent der Kinder über Regelstandard nicht hat.

Das betrifft nicht nur den Bremer Westen, sondern das betrifft viele Stadtteile in der Stadtgemeinde Bremen und auch in Bremerhaven. Das ist etwas ganz anderes! Sie haben eben versucht, den Blick auf diesen Stadtteil zu lenken, weil Sie da seit Langem ein durchgängiges Gymnasium fordern, aber ich habe den Bremer Westen hier nur im Zusammenhang mit der Inklusion erwähnt. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat Frau Senatorin Dr. Bogedan das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss mich jetzt erst einmal ein bisschen sammeln nach diesem kleinen hitzigen Ausflug, den wir gerade gehört haben, denn eigentlich habe ich mich sehr über diese interfraktionelle Initiative gefreut.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Als eine, die damals nicht dabei war und ein Stück weit vielleicht noch einen Blick von außen auf die damalige Entwicklung werfen durfte, erlaube ich mir eine Bewertung. Der Schulkonsens, der 2008 hier verabredet worden war, war eine historische Leistung. Denn nach jahrzehntelanger ideologischer Auseinandersetzung über die richtige Schulstruktur

und in der Folge eines fragmentierten Systems unterzeichneten 2008 SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU den Bremer Konsens zur Schulentwicklung. Vorausgegangen war, das ist für mich ganz wichtig, eine intensive Debatte im Fachausschuss Schulentwicklung der Deputation auch unter Einbeziehung der LINKEN und der FDP. Ich glaube, das war eine wichtige Voraussetzung, dass es diese intensive und sachliche Auseinandersetzung gab.

Die große Bedeutung aber des Schulkonsenses, den wir auch meiner Vorgängerin Renate Jürgens-Pieper zu verdanken haben, ergibt sich aus zwei Perspektiven. Da ist die Innenperspektive, das heißt, der Konsens hat den Schulen Sicherheit und Verlässlichkeit für ihre Arbeit gegeben. Statt permanenter Reibereien über die richtige Struktur konnte nun der Fokus auf die innere Schulentwicklung gelegt werden. Von außen aber, das kommt dazu, war es eine Zeit, in der in anderen Bundesländern der erbitterte Streit um G8, G9 tobte, der mitunter auf dem Rücken von Eltern und Schülern mit kurzfristigen Änderungen einmal in die eine, einmal in die andere Richtung vollzogen wurde. Viele Länder sind deshalb mittlerweile dem bremischen Beispiel gefolgt und haben einen breiten Konsens für ihre Schulstrukturreformen gesucht. Ich habe mich selbst in meiner Amtszeit ganz früh festgelegt, dass ich mich diesem Konsens verpflichtet fühle und dass ich mir wünsche, dass wir ihn über die nächsten zehn Jahre hinaus fortgeführt bekommen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Unsere Schulen brauchen Verlässlichkeit und Stabilität. Vor diesem Hintergrund sind dieser interfraktionelle Antrag und vor allem die gestrige gemeinsame PK ein wichtiges Zeichen für die Schulen und in die Schulen hinein, und das freut mich sehr.

(Beifall SPD)

Bremen hat mit dem Konsens die Zweigliedrigkeit des Schulsystems konsequent auf den Weg gebracht, und es sind mit unterschiedlichen Schularten zugleich unterschiedliche Lernangebote geschaffen worden, die bei aller Unterschiedlichkeit des Lernwegs aber dennoch ein Ziel gemeinsam haben, eine durch individualisierende Angebote erreichbare bestmögliche Bildung für alle Schülerinnen und Schüler, die in deren höchstmöglichen Bildungsabschluss mündet. Wenn wir nicht über Strukturen streiten, haben wir die Kraft, um die Verbesserung in Erreichung genau dieses Ziels fortzusetzen und unsere Kraft weiter hier zu investieren.

(Beifall SPD)

Wir wollen kein Kind zurücklassen, und das heißt für mich, dass wir alle nach ihren Möglichkeiten und Begabungen maximal fördern wollen. Hier nimmt

für mich die Evaluation eine wichtige Rolle ein. Ich wünsche mir eben keine Evaluation, die uns sagt, dass hier alles schön läuft. „Schönfärberei“ wurde eben gesagt. Nein, wir brauchen eine Evaluation, die uns echte Handlungsorientierung vermittelt. Ich begrüße daher, dass sich der Antrag nicht allein auf die Zweisäuligkeit unserer Struktur beschränkt, sondern auch die weiteren Bausteine der Schulentwicklung adressiert, allen voran natürlich die Inklusion.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Genau!)

Ich halte es aber auch für unabdingbar, wenn wir eine Evaluation wünschen, aus der wir konkretes Handeln ableiten können, dass sich jetzt nicht irgendwelche Wissenschaftler für sechs Monate in ihr Kämmerlein einsperren, sondern dass wir eine enge Beteiligung und Begleitung aller Betroffenen haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

In einem solchen Kreis müssen Zwischen- und Teilergebnisse diskutiert werden, damit wir die notwendige Handlungsorientierung entwickeln können. Es geht eben nicht nur um die Begleitung, sondern auch darum, dass diese Betroffenen in die Erhebung einbezogen werden. Wir brauchen die Perspektiven von Schülerinnen und Schülern, von Eltern und von Lehrern in dieser Evaluation.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Bei der langen Liste, die Sie mir und uns nun aufgegeben haben, und der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der zu bearbeitenden Themen wird es allerdings unumgänglich sein, dass wir mit unterschiedlichen Modulen in der Evaluation arbeiten, die einer gemeinsamen Rahmung folgen müssen und damit auch immer wieder gemeinschaftlich diskutiert werden. Die Vorarbeiten für eine Evaluation haben wir im Ressort längst begonnen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Echt?)

Auf der Basis des nun vorliegenden Antrags müssen wir hier das ein oder andere noch hinzufügen und ergänzen und vielleicht auch modifizieren. Eine Diskussion aber vor Auftragsvergabe in der Deputation halte ich dessen ungeachtet für ganz wichtig, denn wir brauchen eine klare Verständigung und ein gemeinsames Leitbild darüber, was wir an Erkenntnissen aus dieser Evaluation gewinnen wollen. Wir brauchen uns nicht auf den Inhalt, aber müssen uns gemeinsam auf den Rahmen und die Ziele verständigen.

Mir haben die ersten Monate meiner Amtszeit gezeigt, dass wir uns weniger im Klein-Klein von Einzelfällen in der Bildungspolitik bewegen sollten, denn dann fehlt meines Erachtens die Kraft für das Wesentliche.