Protocol of the Session on February 25, 2016

ten Herrn Schulz. Ich finde, auch er hat recht. Wenn man sich die neuesten Ergebnisse der BertelsmannStudie ansieht, dann ist es nicht so, dass die Völker Europas etwas gegen den Zustrom von Flüchtlingen haben. Eine Million Flüchtlinge ist für Europa bei 508 Millionen Einwohnern in Wahrheit überhaupt kein Problem, wenn nur jede nationale Regierung auch bereit wäre, ihren Beitrag dazu zu leisten.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Deshalb ist Europa nicht wegen seiner Völker in Gefahr, nicht wegen der Menschen, die hier leben und überwiegend sagen, wir sind bereit, das Flüchtlingsproblem solidarisch in Europa zu lösen, sondern es ist in Gefahr, weil einige – nämlich die überwiegende Anzahl, 20 von 28 – nationale Regierungen der Auffassung sind, dass es hier nicht um Europa, sondern ausschließlich um ihre nationalen Interessen und ihren nationalen Populismus geht.

Das ist die Krise, die wir zurzeit in Europa in der Flüchtlingsdebatte haben.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, ALFA)

Solange das so ist, müssen wir – das soll mein letzter Beitrag in der ersten Runde sein – natürlich auf der einen Seite darauf hoffen, dass die Regierungen Europas auf ihr Volk hören und nicht auf irgendwelche nationalistischen Interessen ihres Landes. Wir müssen aber auch darauf hoffen, dass beispielsweise am 7. März 2016 die Regierungschefs zu einer gemeinsamen Verabredung kommen, wie sie mit den Flüchtlingen umgehen können. Bis dahin müssen wir, weil wir als Deutsche besonders betroffen sind, darüber nachdenken, welche verantwortbaren nationalen Regelungen wir finden können, die auf der einen Seite die gute Tradition und das unverrückbare Gut der Hilfe für Menschen in Not gewährleisten und auf der anderen Seite unsere Gesellschaft aber eben nicht überfordern. Deswegen werben wir hier heute für das Asylpaket II. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, ALFA)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Aulepp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zuerst auf den Antrag der CDUFraktion eingehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU stellt wieder einen Antrag, der auf die beschränkenden und repressiven Maßnahmen im Hinblick auf die aktuelle Zuwanderung bezogen ist. Dieses Mal ist es allerdings nicht das Einzige, was wir an diesem Antrag kritisieren. Sowohl aus dem Antrag selbst als auch aus dem Zeitpunkt seines Entstehens und insbesondere der begleitenden Presse

arbeit der CDU-Fraktion geht so deutlich wie nie hervor, dass es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, nicht darum geht, die Probleme konstruktiv anzugehen, sondern darum, einen Keil in die Koalition zu treiben. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist vergeblich! Das wird Ihnen nicht gelingen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist aber nicht nur vergeblich, sondern auch bedauerlich. So deutlich wie in den Eingangsbemerkungen der Rede von Herrn Röwekamp ist es in der Pressearbeit nicht herausgekommen, dass wir gemeinsam daran arbeiten wollen, uns an der Lösung der Probleme und Herausforderungen zu beteiligen. Ich wünsche mir, dass wir das tatsächlich umsetzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die CDU, so war zu lesen, will die Koalition zu einem Bekenntnis zu einem Kompromiss der Großen Koalition im Bund zwingen. Wir lassen uns von der Opposition nicht zwingen, meine Damen und Herren – ich denke, das ist in diesem Haus schon das eine oder andere Mal deutlich geworden –, und schon gar nicht zu einem Bekenntnis zu einer Einigung, zu der wir nicht als SPD-Fraktion der Bürgerschaft, nicht als Landes-SPD und schon gar nicht als Koalition gekommen sind. Das ist nicht unsere Einigung. Das ist die Einigung der Bundesregierung. Schon allein deshalb lehnen wir Ihren Antrag hier ab.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Hinzu kommt – ich habe es schon gesagt –, dass in Ihrem Antrag wieder die repressiven Anteile am sogenannten Asylpaket II in den Vordergrund gestellt werden und nicht der Aspekt, dass Zuwanderung bei gelingender Integration eine große Chance und ein Gewinn für die Gesellschaft sein können und auch sein werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die Verabredung zu dem in Ihrem Antrag unter Drittens angesprochenen Integrationsgesetz, das auch Asylpaket III genannt wird, enthält viele positive und für uns und für unseren Koalitionspartner begrüßenswerte Ideen, integrationsfördernde Maßnahmen und Hilfe sowohl für die betroffenen Menschen als auch für Länder und Kommunen, die diese Menschen aufnehmen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass diese Ideen und Maßnahmen konkretisiert und umgesetzt werden. Dafür werden wir bremischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns einsetzen und vehement streiten. Da weiß ich mich auch an der Seite unserer Bundestagsabgeordneten.

Dass Sie, meine Damen und Herren, insbesondere und allein in diesem Punkt die Leistungskürzungen, zu deren verfassungsrechtlicher Bedenklichkeit ich von hier aus schon Stellung genommen habe, herausnehmen, ist bezeichnend, aber nicht verwunderlich. Das macht uns die Ablehnung des Antrags noch leichter.

Ich will trotzdem auf ein paar Aspekte eingehen, weil wir hier noch weitere Anträge zu debattieren haben. Ich will gar nicht auf die Integrationsgebühr eingehen, die vermutlich das Schicksal der Praxisgebühr, und das berechtigterweise, teilen wird, weil es ein bürokratisches Monstrum ohne irgendeine Auswirkung ist,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

sondern ich will zunächst etwas zu den von der CDU in ihrem Antrag auch explizit genannten sicheren Herkunftsstaaten sagen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Länder werden nicht sicher dadurch, dass man behauptet, sie seien es, und auch nicht dadurch, dass sich von dort aus viele Menschen auf den Weg nach Europa machen. Sie werden auch nicht dadurch sicher, dass wenige Menschen aus diesen Ländern ein Aufenthaltsrecht bekommen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Die Menschenrechtslage in den Maghreb-Staaten ist prekär. Zum Beispiel steht dort Homosexualität unter Strafe. Ich will nicht ins Detail gehen. Ich will nur noch einmal betonen, dass ich dem Präsidenten des Senats und unserem Bürgermeister deshalb sehr dankbar bin, dass er diesbezüglich eine klare Position vertritt und sich auf Bundesebene weiterhin für sachgerechte und menschenrechtskonforme Lösungen und gegen aktionistische Scheinlösungen einsetzen wird.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer löst überhaupt nicht die realen Probleme, die wir aktuell mit Staatsangehörigen dieser Länder haben.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: So ist es!)

Die Frage ist nicht, ob die Länder sicher sind. Die Frage ist auch nicht, wie schnell die Verfahren abgeschlossen sind. Die Frage ist die der tatsächlichen Rückführung von ausreisepflichtigen Personen und die Rücknahme der ausreisepflichtigen Personen. Dieses Problem gehen wir mit unserem, dem Koalitionsantrag an. An dieser Stelle werbe ich deshalb für die Unterstützung unseres Antrags!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte etwas zum Familiennachzug sagen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Ermöglichung eines gemeinsamen Familienlebens im Exil grundsätzlich eine humanitäre und eine integrationspolitische Aufgabe. Deshalb ist im Juli letzten Jahres auf sozialdemokratische Initiative hin der aufenthaltsgesetzliche Familiennachzug richtigerweise auch auf subsidiär Schutzbedürftige ausgeweitet worden,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

auch vor dem Hintergrund, dass sich angesichts der weltpolitischen Lage auch diese Menschen länger und womöglich über Jahre in Deutschland aufhalten werden.

Ich sage ganz deutlich: Dass Menschen ohne dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland nicht auch noch ihre Frauen und ihre Kinder in diese unsichere Situation nachholen sollen, ist vom Grundsatz her richtig. Wenn aber Väter und Ehemänner für sehr lange Zeit nicht in ihre Heimatländer und zu ihren Familien zurückkehren können – das ist Voraussetzung für subsidiären Schutz –, dann ist es auch integrationspolitisch sinnvoll, das Familienleben hier zu ermöglichen, und zwar zur gesamtgesellschaftlichen Integration aller in Deutschland, in Bremen und in Bremerhaven lebender Menschen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Es ist auch aus humanitären Gründen sinnvoll, um zu verhindern, dass sich vermehrt Frauen und Kinder auf den lebensgefährlichen Fluchtweg machen. Natürlich kann man sagen, die Einzelfälle, in denen Männer darauf warten, ihre Kinder zurückzuholen und sich das erübrigt hat, weil Frau und Kind auf der Flucht ertrunken sind, sind Einzelfälle. Aber, meine Damen und Herren, jeder Einzelfall ist einer zu viel. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieser Nachzug auch aus humanitären Gründen eine sinnvolle Angelegenheit ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ganz abgesehen davon geht es nicht nur darum, welche negativen Folgen ein solches Gesetz möglicherweise haben wird, sondern insbesondere und vorrangig um die Frage: Welche positive Auswirkungen hat es denn? Da überhaupt nicht klar ist, wie sich das auf Zugangszahlen auswirken wird, kann ich nur sagen: Der Schaden wird den Nutzen voraussichtlich deutlich überwiegen.

Wir werden trotz dieser Haltung der bremischen SPD den Antrag der LINKEN hier heute ablehnen. Weil wir uns auf Bundesebene nicht durchgesetzt haben, weil diese Woche entsprechende Bundesgesetze in

der parlamentarischen Beratung sind und voraussichtlich beschlossen werden,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Gerade angenommen! – Abg. Röwekamp [CDU]: Gerade eben, ja!)

beschlossen worden sind, werden wir sie als geltendes Recht in Bremen auch umsetzen. Auch das habe ich hier schon wiederholt gesagt. Trotzdem werden wir uns politisch weiter zum Recht auf Familie bekennen und uns dafür einsetzen. Dazu müssen wir aber den Senat nicht eigens auffordern. An dieser Stelle ist Ihr Antrag durch die politischen Abläufe und die Zeitabläufe auf Bundesebene überholt.

Als letzten Aspekt möchte ich die Frage der erleichterten Ausweisung straffälliger Ausländer ansprechen. Hierbei ist mir und meiner Fraktion wichtig zu betonen, dass unser Rechtsstaat – dies habe ich ebenfalls bereits gesagt – auf Straftaten eine klare und eindeutige Antwort hat, die für alle Menschen gilt und durchgesetzt werden muss und wird. Wenn Tat und Täterschaft endgültig festgestellt sind, wird die notwendige und angemessene Rechtsfolge verhängt und vollstreckt. Wenn Menschen, die bei uns Schutz suchen, diesen ausnutzen, um hier Straftaten zu begehen, haben wir darauf eine klare Antwort: Wer die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlichdemokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen.

(Beifall SPD)

Das ist der Fall, wenn jemand unbeirrt Straftaten in einem Ausmaß begeht, die die Verhängung erheblicher Strafen erforderlich gemacht haben, und das, meine Damen und Herren, werden wir konsequent durchsetzen. Wir werden aber natürlich nach wie vor rechtsstaatlich in jedem Einzelfall sorgfältig schauen und prüfen, was die richtige Entscheidung ist. Daran arbeitet unsere Ausländerbehörde gut, sachgerecht und richtig, aber es ist völlig klar, wer unseren Schutz in einer Weise missbraucht, dass wir ihn versagen müssen, der bekommt diesen Schutz versagt.

(Beifall SPD)

Richtig ist natürlich auch, dass es bei Bewährungsstrafen sehr hohe Hürden gibt, da gerichtlich festgestellt worden ist, dass es eine positive Sozialprognose ist. Wenn es allerdings trotz dieser Sozialprognose so sein sollte, und es diese Möglichkeit geben sollte, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung trotzdem gefährdet ist, dann wird dieses Gesetz natürlich auch gesetzeskonform angewandt werden.

Zuletzt möchte ich noch einmal darauf hinweisen – und auch Herr Röwekamp hat darauf hingewiesen –, dass es in dieser Debatte wichtig und auch mir am

wichtigsten ist, zu betonen, dass wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland und in unseren beiden Städten gewährleisten müssen und dafür die Voraussetzungen schaffen müssen. Das ist gelingende Integration von Anfang an und für alle Menschen, unabhängig davon, wie lange sie schon in Bremen und Bremerhaven leben.

(Beifall SPD und CDU)

Herr Röwekamp, Sie sagten, die Integrationskraft unserer Gesellschaft habe Obergrenzen.

(Glocke)