Protocol of the Session on February 25, 2016

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich habe sie leider nicht präsent, würde sie aber gern nachliefern. Das würde ich Ihnen dann gern direkt zustellen.

Herr Abgeordneter, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, bei wie vielen dieser Jugendlichen, bei denen keine Ausbildungsreife vorliegt, dennoch ein Schulabschluss vorliegt.

Bitte, Herr Staatsrat!

Das will ich gern mitliefern.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet.

Recht auf Familie muss für Alle gelten – keine Einschränkung beim Familiennachzug für Geflüchtete! Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 2. Dezember 2015 (Drucksache 19/193) Wir verbinden hiermit: Asylpaket II unterstützen – Zuzug von Flüchtlingen nach Bremen begrenzen – Integration fördern! Antrag (Entschließung) der Fraktion der CDU vom 4. Februar 2016 (Drucksache19/260) sowie Durchsetzung der Ausreisepflicht von Serienstraftätern erleichtern Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 16. Februar 2016 (Drucksache 19/276)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Tagen hatte ich die Freude, Leoluca Orlando, den Bürgermeister von Palermo, zu treffen. Die sizilianische Stadt ist aus geografischen Gründen tagtäglich erster Ankunftsort für viele Tausend Verzweifelte, teilweise dem Tode nahestehende Kinder, Frauen und Männer, und viel zu oft kommen sie nur noch leblos an.

Wie reagiert Palermo? Die Stadt fordert eben keine Abschottung oder Reduzierung der vielen Schutzsuchenden. Die Menschen dort fordern nicht, Flüchtende auszusieben, und sie rufen nicht nach Frontex oder gar der NATO, um die Grenze zu schützen statt die Menschen. Nein, die Stadt Palermo und ihr Bürgermeister haben im letzten Jahr eine Charta verfasst, die fordert: Migration nicht als Problem begreifen, sondern internationale Freizügigkeit als unveräußerliches Menschenrecht verankern!

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde das visionär und innovativ. Charaktereigenschaften, die ich in der bundesdeutschen Debatte extrem vermisse. In der Diskussion hier werden vor allem die lauten Stimmen wahrgenommen. Das Hetzen der Wutbürgeraufmärsche, an deren Speerspitze sich nicht selten AfD-Funktionäre stellen und an denen allzu oft organisierte Nazis beteiligt sind, geht durch die bundesweiten Medien und darüber hinaus.

Die CSU will die Regierung, deren Teil sie ja selbst ist, auf Obergrenzen verklagen und bezichtigt sie der Herrschaft des Unrechts. Die AfD-Bundesvorsitzende schreckt nicht einmal davor zurück zu fordern, auf Flüchtende zu schießen, um sie fernzuhalten. Diese unfassbare Verrohung der Debatte muss allen Demokratinnen und Demokraten eine Warnung sein.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn pure Menschenverachtung salonfähig wird, eine Partei ungestraft Schießbefehle auf Schutzlose fordern kann, dann läuft hier etwas grundlegend schief.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es hat ein Überbietungswettbewerb eingesetzt darum, wer die meisten Abschiebungen fordert, wer das nächste Tabu bricht, wer das niedrigste Stammtischniveau bedient. Dieses Wettschreien ist brandgefährlich, wie die massive Häufung rassistischer Übergriffe auf Geflüchtete und auf ihre Unterkünfte zeigen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Damit will am Ende niemand etwas zu tun haben.

Wenn aber einst Unsagbares wieder sagbar wird, dann fallen auch andere Tabus. Wer Menschengruppen diskreditiert, ihre Würde relativiert und sie verbal attackiert, der leistet der physischen Umsetzung dessen Vorschub.

Der Vorschub kommt seit einiger Zeit von ganz oben, nämlich von der Bundesregierung. In aktionistischer Hektik werden Selektion, Isolation, Menschenunwürde und Deportation in Paket um Paket gepackt. Heute wird das zweite sogenannte Asylpaket im Schnellverfahren im Bundestag beschlossen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Deportation?)

Ist Englisch für Abschiebung! Das dritte Paket ist schon angekündigt.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das könnte man auch rügen!)

Ich hätte mir gewünscht, dass mit der gleichen Energie und Entschlossenheit für ausreichend Wohnraum, für genug Schul- und Kitaplätze für alle gesorgt worden wäre. Das ist seit Jahren überfällig.

(Beifall DIE LINKE)

Stattdessen verpackt die Bundesregierung zynische Scheinlösungen und verkauft diese Kleingeistigkeit als den großen Wurf. Das Grundrecht auf Asyl knüpft sie an die Residenzpflicht. Für Menschen aus willkürlich als sicher definierten Ländern wird das Asylrecht quasi ausgehebelt. Ihr Antrag soll von nun an innerhalb einer Woche abgelehnt und abgehakt werden.

Das sogenannte Asylpaket müsste also zutreffender Asylverhinderungspaket genannt werden. Die Menschen aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten sollen sich nach dem Willen der Bundesregierung zwar physisch auf dem Bundesgebiet befinden dürfen, mehr aber auch nicht. Sie sollen keinerlei Kontakt zur Gesellschaft aufbauen, Integrationsbemühungen sind ihnen gar verboten. Sie sollen nach der berühmt-berüchtigten deutschen Ordnungsliebe künftig fein säuberlich in separate Isolationslager aussortiert und systematisch von hier entfernt werden,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Was ist das für eine Sprache?)

als seien Sie ein störender Stachel im Fleisch.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Was ist das für eine Sprache hier?)

Bei derartiger Ausgrenzung ist auch die Bremer CDU immer ganz schnell, wie sie auch jetzt wieder mit ihren vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten in ihrem Antrag fordert.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Was wollen Sie uns mit Ihrer Sprache eigentlich sagen?)

Herr Hinners, ganz ruhig!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das hat mit Ruhe nichts zu tun! Das ist unglaublich!)

Herr Bürgermeister Dr. Sieling hat mit Verweis auf die Menschenrechtslage der Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien eine Absage erteilt. Das finden wir inhaltlich richtig.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Lage in der von Marokko besetzten Westsahara wird ja später noch diskutiert. Bremens Klarheit setzt sich positiv von Herrn Kretschmanns Ausverkauf der Menschenrechte ab.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Grünen in Bremen tun dies auch!)

Der Punkt der angeblich sicheren Herkunftsstaaten wäre im Übrigen eine Chance für die Bremer CDU gewesen, die hehren Worte von gestern zu Menschenrechten konkret umzusetzen. Ich bin gespannt, wie Sie sich später zu dem Antrag äußern.

Sie schreiben in Ihrem Antrag von Missbrauch gesundheitlicher Abschiebehindernisse. Aus meiner Sicht ist das eine pauschale Diskreditierung, Kolleginnen und Kollegen. Psychische Erkrankungen sollen Ihrem Willen nach Abschiebungen nicht mehr entgegenstehen. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Sprechen Sie doch einmal mit Refugio, einer Einrichtung, die auch von Ihnen aus diesem Haus Lob erfährt, über die Auswirkungen Ihres Vorhabens, oder hören Sie auf Fachleute, die nicht gerade unter dem Verdacht stehen, linksradikal zu sein oder eine Sprache zu benutzen, die Ihnen, Herr Hinners, nicht gefällt,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: So wie Sie, oder was? Sie als Fachfrau?)

wie die Bremer Psychotherapeutenkammer. Sie schreibt in einer Stellungnahme, das Asylpaket stelle psychisch Kranke unter Generalverdacht, ihre Krankheit nur vorzutäuschen, obwohl 40 Prozent von ihnen bereits Suizidgedanken oder -versuche getätigt haben. In Bremen wird ziemlich genau die Hälfte der Menschen im Duldungsstatus aufgrund von gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben. Für einen Teil dieser über 1 000 Personen ist das Asylpaket eine reale Gefahr, weil sie nach fachfremder Definition der Bundesregierung nicht mehr sterbenskrank und damit abschiebungsfähig sind. Die Kammer kritisiert, dass es praktisch unmöglich sei, wie im Gesetz vorgeschrieben, innerhalb einer Woche eine ärztliche Stellungnahme zu bekommen. Das von der CDU hier so gelobte Gesetz verhindert die Berücksichtigung teils schwerwiegender Krankheiten.

Was das bedeutet, wissen die Dienstälteren von Ihnen vielleicht noch. Bis zum Jahr 2011 griff die Bremer Ausländerbehörde auf Ärzte zurück, die mit sämtlichen medizinischen Gutachten – so pries man sich selbst – zur Reisefähigkeit kranke Flüchtlinge gesundschrieben. Es ging um schwer traumatisierte Personen. Herr Hinners, Sie waren damals auch hier in der Bürgerschaft.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Mein Name ist vom Bruch, nicht Hinners!)

Herr Hinners sitzt direkt hinter Ihnen!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Gut!)