Protocol of the Session on February 24, 2016

Ein zweites Beispiel: Was ein gänzlich freier Handel mit Industrieprodukten bedeuten kann, demonstrierte gerade sehr eindrucksvoll – –.

(Glocke)

Ich lasse Sie nachher!

Ich werde Sie jetzt fragen, Herr Gottschalk! Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zicht zu?

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Das mit Herrn Zicht weisen wir entschieden zurück! – Heiterkeit SPD)

Nicht Zicht, nein! Herr Dr. Hilz!

Herr Dr. Hilz hat mir noch nicht ein einziges Mal eine Frage gegönnt. Ich lasse ihn jetzt auch warten.

Bitte schön, fahren Sie fort!

Ein zweites Beispiel: Was ein freier Handel mit Industrieprodukten bedeuten kann, demonstriert gerade sehr eindrucksvoll die chinesische Stahlindustrie. Wir hatten das Thema heute Morgen. Es ist anzumerken, dass die mittelständische Industrie in den südeuropäischen Ländern dieses Problem schon länger kennt.

Ein drittes Beispiel: TTIP soll ja gerade auch Standards für den Rest der Welt setzen. Das ist die strategische Ausrichtung. Dass Marktöffnungen nicht automatisch zu mehr Wohlstand führen, haben insbesondere die Entwicklungsländer zu spüren bekommen. Der Export hoch subventionierter Nahrungsmittel in afrikanische Länder boomt, und er zerstört dort die landwirtschaftlichen Strukturen. Im Gegenzug machen sich die Menschen deshalb auf den Weg nach Europa, weil sie zu Hause nicht genügend Arbeitsplätze finden.

Ein viertes Beispiel: TTIP soll ja – Frau Steiner hat das angesprochen – Freiheit bei den nicht tarifären Handelshemmnissen bringen. Was passiert aber eigentlich, wenn technische Normen nicht mehr vereinheitlicht sind, wie es bislang in Europa der Fall ist, sondern dem freien Kräftespiel des Markts überlassen werden wie in den USA? Die technischen Monopole von Apple und Microsoft lassen grüßen!

Frau Steiner, ich kann feststellen: Sie haben dieses Thema offensichtlich überhaupt nicht verstanden.

(Beifall SPD)

Es geht nicht um Vereinheitlichung, sondern um gegenseitige Anerkennung.

Alle diese Beispiele zeigen: Zu liberalisieren, zu deregulieren, Hemmnisse abzubauen und den freien Handel noch freier zu machen, ist nicht per se von Vorteil und ein Gewinn. Es kommt vielmehr auf das richtige Mischungsverhältnis von freien Marktmechanismen, Regulierung und Schutzvorkehrungen an.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Wir nennen das so- ziale Marktwirtschaft!)

Inwieweit bei TTIP am Ende ein gutes Regelwerk herauskommt und ob überhaupt etwas dabei herauskommt, wissen wir heute noch nicht. Das liegt nicht nur an den ärgerlichen Geheimhaltungsprozeduren, sondern auch an den schwierigen Verhandlungsmaterien. In 13 von 24 Kapiteln des angestrebten Vertragswerkes haben die Verhandlungsparteien bislang nur ihre jeweiligen Sichtweisen dargelegt. Die restlichen elf Kapitel sind noch nicht einmal richtig eröffnet worden.

Das betrifft übrigens auch eines der wichtigsten europäischen Anliegen, das gerade auch für Bremen von großer Bedeutung ist, nämlich die Öffnung der amerikanischen Beschaffungsmärkte für Produkte der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie. Ob es dort am Ende zu einem Durchbruch kommt oder sich wieder die amerikanischen Rüstungs- und Militärinteressen durchsetzen, steht noch völlig in den Sternen.

Es ist deshalb aber auch reines Wunschdenken, wenn heute schon behauptet wird: Wir brauchen TTIP unbedingt, weil es so und so viel Wachstum und so und so viel Arbeitsplätze gibt. Tatsächlich sind das bislang alles nur Hoffnungswerte, deren scheingenaue Berechnung nur politisches Marketing ist und vielleicht in die Papiere der FDP Eingang findet.

Gerade weil wir die Ergebnisse der Verhandlungen noch gar nicht kennen, sind deshalb zwei Punkte grundlegend wichtig. Erstens: Ob TTIP am Ende tatsächlich ratifiziert wird, darf nicht allein auf europäischer Ebene entschieden werden. TTIP muss als sogenanntes gemischtes Abkommen qualifiziert werden, das der Zustimmung der nationalen Parlamente unterliegt.

(Beifall SPD)

Deshalb freut uns, dass auch die Bundesregierung das so sieht und das auch die Position der CDU hier im Hause ist.

Zweitens, ich komme dann zum Schluss: Welche praktischen Folgen ein solches Abkommen haben wird, lässt sich überhaupt noch nicht absehen. Das Abkommen muss deshalb unseres Erachtens eine Klausel enthalten, die eine Kündigung erlaubt.

Diese Forderungen enthalten die Anträge von CDU und FDP nicht. Das ist leider auch nicht das Einzige, was an ihnen fehlt. Darauf werde ich aber in der zweiten Runde noch näher eingehen. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn kurz darauf verweisen, dass Freihandel aus grüner Sicht kein Teufelszeug ist. Wer, wenn nicht wir in Bremen, weiß um die Bedeutung des Handels und gerade des Exports für die Entwicklung unseres Gemeinwesens? Viele Länder in der Welt brauchen den Handel, profitierten davon und tun es noch heute, insbesondere Deutschland.

Anspruch grüner Politik ist es, die Vorteile und den Nutzen des internationalen Handels der Allgemeinheit zugutekommen zu lassen. Im 21. Jahrhundert muss Handel dazu beitragen, die großen Herausforderungen unserer Zeit, die Klimakrise und die Ressourcenverschwendung, die grassierende Armut und die Vielzahl gewalttätiger Konflikte zu lösen, anstatt sie weiter zu verschärfen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sind für eine Handelsvertiefung, sofern diese eine Wirtschaft fördert, die auch ökologischen und sozialen Zielen dient.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wirtschaft braucht einen starken politischen Rahmen. Internationale Handels-, Investitions- und Produktionsstrukturen brauchen eine freiheitliche Ordnung, in der die Einzelnen geschützt werden und alle nach den gleichen fairen Spielregeln teilhaben können.

Der Schutz des Verbrauchers und faire Spielregeln, das verbinden wir Grüne nun am allerwenigsten mit TTIP. Die Transatlantic Trade and Investment Partnership wird seit 2003 in einer Art Hinterzimmerdiplomatie zwischen den USA und der Europäischen Union verhandelt. Heute sind wir endlich so weit, dass Mitglieder des Deutschen Bundestages Einsicht in die Verhandlungsunterlagen nehmen können. Die Ausgestaltung dieser Akteneinsicht erinnert aber mehr an die Aushöhlung der Demokratie als an die Wahrnehmung der Rechte frei gewählter Abgeordneter.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Letzten Endes ist es eben diese Intransparenz, die schon verdächtig ist und aufmerken lässt. Bürgerrech

te schützt man nicht in dunklen Hinterzimmern, sondern in der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Die Schiedsgerichte sind ein weiterer Kritikpunkt. Eine Art Paralleljustiz soll nun das klären, wofür in Deutschland und der EU ordentliche Gerichte zuständig sind. Einen internationalen Gerichtshof versuchen uns seit Wochen auch Sigmar Gabriel und die EUHandelskommissarin Cecilia Miles als Antwort auf die Kritik an den umstrittenen Schiedsgerichten zu verkaufen. Doch löst ein solcher Gerichtshof nicht das Grundproblem der Schiedsgerichte in TTIP. Sie schaffen zusätzliche Rechte für internationale Investoren, ohne sie gleichzeitig in die Pflicht zu nehmen. Mit diesen Schiedsgerichten werden am Ende auch rechtliche Standards in unserem Land abgesenkt. Dagegen werden wir uns energisch zur Wehr setzen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Damit bin ich bei meiner liebsten Stelle im FDP-Antrag angekommen. Es lebe das Chlor-Huhn! In den USA werden Schlachthähnchen mit dem Ziel der Desinfektion einer Chlorung unterzogen.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Das interessiert uns jetzt brennend!)

Nicht Moorhuhn! Das ist das, was Sie auf dem Rechner spielen. Wir verstehen uns!

Diese Chlorung von Hühnchen findet die Bremer FDP so richtig,

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Das passiert bei uns üb- rigens mit dem Trinkwasser!)

dass es das kleine putzige Chlor-Huhn sogar in einen Bürgerschaftsantrag geschafft hat. Ich weiß nicht, ob Sie, werte Kollegen der FDP, das Chlor-Huhn demnächst zum offiziellen Maskottchen machen. Ich weiß aber, warum dieses Hähnchen gechlort werden muss. Ihr Huhn kommt aus der industriellen Massentierhaltung. Es hatte nie eine Chance, eigene Abwehrstoffe zu entwickeln, und muss daher entkeimt werden. In den USA und der EU ein Grund mehr, aus der Massentierhaltung auszusteigen!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Herr Abgeordneter Fecker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Dr. Hilz?

Ich würde gern im Zusammenhang vortragen, Herr Kollege Dr. Hilz, Sie können sich mit dem Rest gleich wieder anfreunden!

Aber seien wir ehrlich, das Chlor-Huhn ist ein schönes Symbol und nicht mehr!

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Aber auch nicht pas- send!)

In der Tat gibt es dazu vielfältige Einschätzungen. Am Ende aber wird man anerkennen müssen, dass deswegen keine akute Gesundheitsgefährdung vorliegt.