Protocol of the Session on December 9, 2015

Frau Linnert, für Sie sind die Aussagen der Ministerpräsidenten offensichtlich jetzt schon Commitment genug, um hier den Sparkurs zu verlassen. Das halten wir als Freie Demokraten für völlig unverantwortlich.

(Beifall FDP – Bürgermeisterin Linnert: Wie kom- men Sie denn darauf?)

Sie haben selbst im Haushalts- und Finanzausschuss sowie im Interview gesagt, dass Sie nachverhandeln wollen, wie es heute schon mehrfach zitiert wurde. Das ist ja wohl Aussage genug.

Selbst wenn wir der Sicht der Dinge folgen und von den 500 Millionen Euro im Jahr mehr ausgehen, ist Bremen damit noch lange nicht über den Berg. Wir haben jetzt schon Schulden in Höhe von fast 21 Milliarden Euro angehäuft. Ja, auch wir hätten uns eine Altschuldenregelung gewünscht. Die wird es in dem Fall nun leider nicht geben. Gerade deshalb ist es so

wichtig, Gerade deshalb sind uns ab 2020 wahrscheinlich die Hände gebunden, denn es gilt auch dann, das Neuverschuldungsverbot absolut einzuhalten. Davor können wir uns nicht drücken. Das ist in unseren Augen auch richtig.

(Beifall FDP)

Gerade in Bezug auf die Eigenständigkeit Bremens ist es absolut wichtig und richtig, daran festzuhalten, um das Ganze langfristig zu sichern. Wir können auch nicht davon ausgehen, dass die nächsten 15 Jahre so rosig bleiben. Wir können nicht davon ausgehen, dass die nächsten 15 Jahre derart niedrige Zinsen beibehalten werden wie im Moment. Sobald die Zinsen steigen, wird sich der Spielraum, den Sie sich ausmalen, verringern und komplett verschwunden sein, wenn wir Pech haben. Ganz abgesehen von der wirtschaftlichen Lage!

Wir wissen alle, wir haben Rekordsteuereinnahmen. Die Wirtschaft boomt. Wir diskutieren lange und immer wieder über Digitalisierung. Wir können nicht davon ausgehen, dass der mit der Digitalisierung einhergehende Abbau von Arbeitsplätzen automatisch kompensiert wird. Das wird so wahrscheinlich nicht passieren, vor allem nicht in Bremen, wo gerade Investitionen in den Mittelstand eben nicht vorangetrieben werden.

Herr Dr. Sieling, Sie sagten, dass Sie die schwarze Null des Bundes für Luxus halten. Das ist aus dem Mund eines dreifachen Vaters für uns einfach unverantwortlich und Wahnsinn! Es gibt die Verantwortung und die Verpflichtung, für uns, für unsere Kinder und Enkelkinder einen Start in eine faire Zukunft zu ermöglichen. Mit solch einem Berg Schulden kann das keiner.

(Beifall FDP)

Bremen ist jetzt schon bis über beide Ohren verschuldet. Fast 21 Milliarden Euro bürden Sie unseren Kindern und Enkelkindern auf. Das sind unfassbare 32 000 Euro pro Kopf. Frau Linnert, ganz ehrlich: Es ist an der Zeit, am Sparkurs festzuhalten und nicht, ihn zu verlassen. Vielleicht kann man vertrauenswürdig in Bremen bleiben, wenn Sie das dem Stabilitätsrat versichern können, wenn Sie heute dorthin fahren.

(Beifall FDP)

Auch wir haben uns mit Herrn Heinemann beschäftigt. Er hat noch etwas ganz Schönes gesagt, nicht nur das, was Sie zitiert haben, lieber Herr Eckhoff. Er hat auch gesagt, dass es nicht die Zeit ist: „Weihnachtsgeschenke sind nicht drin.“ Damit hat er recht!

(Beifall FDP)

Wir haben auch unsere Vorschläge, was mit dem Geld passieren sollte.

Erstens: Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass das Geld in die Schuldentilgung gesteckt werden muss. Wenn wir von 500 Millionen Euro ausgehen, sollten 250 Millionen Euro jährlich in die Schuldentilgung wandern, denn das ist der einzige Weg, um Bremen und die zukünftigen Haushalte generationengerecht aufzustellen.

(Beifall FDP)

Das gilt vor allem, wenn wir uns darauf gefasst machen, dass die Zinsen wieder steigen und sich auch Wirtschaftskrisen wiederholen können. Dafür müssen wir vorsorgen, denn das sind wir unseren nachfolgenden Generationen schuldig. Bis 2020 muss der Konsolidierungskurs ohne Wenn und Aber weiterverfolgt werden. Danach können wir dann endlich anfangen, von einer Schuldentilgung zu sprechen.

(Beifall FDP)

Zweitens: Die andere Hälfte der 500 Millionen Euro muss unbedingt für Zukunftsinvestitionen bereitgestellt werden. Noch ist Bremen fünftgrößter Industriestandort Deutschlands. Wir möchten nicht nur, dass es so bleibt, sondern wir wollen noch besser werden, denn wir waren schon einmal besser. Dafür benötigen wir vor allem Investitionen in Bildung, in Infrastruktur und damit allem voran in Arbeitsplätze.

(Beifall FDP)

Wenn wir beispielhaft rechnen, was man mit 250 Millionen Euro machen kann, dann kann man davon locker 1 500 neue Lehrer und 500 neue Polizisten einstellen. Am Ende bleibt noch genug für Infrastruktur übrig. Das gilt insbesondere, wenn wir das in die Wertschöpfungskette investieren. Wir benötigen zukunftsfähige Arbeitsplätze. Diese werden vor allem nachhaltig vom Mittelstand bereitgestellt. Darauf müssen wir uns konzentrieren.

(Beifall FDP)

Für die Menschen, die als Flüchtlinge oder Migranten zu uns kommen, können wir Integration am besten ermöglichen, wenn wir einen funktionierenden Arbeitsmarkt bereitstellen.

(Beifall FDP)

Wie gesagt, wir haben genügend Ideen, was man damit machen kann und wie man zukunfts- und generationengerecht und vor allem auch langfristig die Eigenständigkeit Bremens sichern kann. Wir glauben, dass uns der Kompromiss der Länder auf jeden Fall Luft zum Atmen gibt. Bis dahin gilt, dass wir den Gürtel in jedem Jahr ein wenig enger schnallen und an diesem Konsolidierungspfad festhalten müssen.

(Abg. Vogt [DIE LINKE]: Was denn nun: Investieren oder enger schnallen?)

Das ist absolut unsere Pflicht gegenüber unseren Kindern und gegenüber unserer Zukunft. Dafür ist die Zeit jetzt.

(Beifall FDP)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Er erläutert uns jetzt, wie das mit den gleichwertigen Lebensverhältnissen ent- steht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch drei kurze Bemerkungen!

Erstens: Es wurde viel vom Zinsrisiko gesprochen. Das ist ein Risiko. Wir wissen, dass wir auf die Höhe der Kreditzinsen relativ wenig Einfluss haben und dass diese steigen können. Vor allem, wenn wir Verträge mit dem Bund schließen, ist aber auch vergleichsweise sicher, dass wir in den nächsten Jahren für lange Zeit niedrige Zinsen für unsere Kredite festlegen. Das ist sozusagen ein Problem, das entstehen kann, aber noch nicht unmittelbar gegeben ist.

Wenn Sie sich die Entwicklung der Sozialhilfeausgaben in Bremen anschauen, dann haben wir ein gegenwärtiges Problem. Ich habe es schon einmal gesagt, die Schätzung, dass wir in den nächsten vier Jahren jedes Jahr 1,5 Prozent mehr haben, ist optimistisch. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozialressort sagen, wir müssen uns auf Steigerungen von vier bis sechs Prozent einrichten. Das ist ein ernsthaftes Haushaltsrisiko. Das ist jetzt gegeben und mit dem müssen wir uns jetzt auseinandersetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Dieses Risiko wird nicht durch Zuwarten minimiert, dieses Risiko steigt. Das heißt, wir müssen uns in den nächsten vier Jahren ernsthaft Gedanken machen, wie wir trotz Flucht und der dafür entstehenden Kosten die soziale Situation von Bremerinnen und Bremern verbessern. Dafür bedarf es sozialer Investitionen in nennenswerter Größenordnung.

(Beifall DIE LINKE)

Zweitens: Es ist immer gesagt worden, wir müssen uns an Verträge halten, die wir bis 2020 gemacht haben. Wir müssen auf jeden Fall auf einen Punkt kürzen, den es nicht mehr gibt. Jetzt haben sich aber die Verhältnisse verändert. Wenn es gar nicht mehr notwendig ist, auf eine bestimmte Summe zu sparen, darf man auch darüber nachdenken, diese Beträge wieder zu ändern.

Drittens, Das geht insbesondere an Frau Lencke Steiner, ich will es nur noch einmal erwähnen: wenn ich einmal in die Lage komme, meinen Kindern etwas zu vererben, vererbe ich ihnen ungefähr 500 000 Euro Schulden. Das ist in Ihrem Sinne ein eklatanter Verstoß der Generationengerechtigkeit. Gleichzeitig bekommen sie zwei Häuser. Ich finde, das ist eine Denkweise, die wir uns hier auch angewöhnen müssen. Wir dürfen nicht nur Schulden im Blick haben. Wir müssen auch wissen, jeder durchschnittliche Bremer hat mindestens 50 000 Euro Guthaben, wenn man die privaten Vermögen einrechnet. Ihm gehören sozusagen wahrscheinlich auch 50 000 bis 60 000 Euro von Bremen, denn Bremen ist nicht kaputt. Einfach immer nur die Schulden in den Vordergrund zu schieben, ist einfach blöd. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Jetzt ist das Maß voll, ehrlich!)

Ich freue mich, dass ich es geschafft habe, bei der CDU das Maß voll zu machen. – Vielen Dank!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Bremen ist überschuldet, wenn man das als Konzern sieht! Das wissen Sie, Herr Rupp! – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Nein, das weiß er nicht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Buhlert, hier vorn geht es weiter!

(Beifall SPD)

Ich möchte gern zu drei Punkten etwas sagen.

Erstens: Bremen hat immer darauf gesetzt, verlässlicher Partner zu sein. Wir haben mit dem Stabilitätsrat Vereinbarungen getroffen. Diese werden wir bis 2019 auch auf der Basis dieser Vereinbarungen einhalten.

(Beifall SPD)

Zweitens, wir stehen vor sehr großen Herausforderungen, die mit der Zuwanderung, mit den Flüchtlingen verbunden sind. Das ist allen Ländern und dem Bund bekannt, und es gibt eine Diskussion darüber, wie man dem begegnen muss und kann. Es ist jedem klar, dass damit die bislang geplanten Haushalte, insbesondere auch die des Bundes, der bis Ende 2015 in Deutschland mit bis zu 800 000 Flüchtlingen rechnet, so nicht haltbar sind.

Der dritte Punkt betrifft die Frage des langfristigen Umgangs mit unseren Schulden. Dazu ist einiges gesagt worden, beispielsweise, ja, natürlich alles Til

gung, Perpetuum mobile und dergleichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns einmal klarstellen, worum es geht! Schulden und Kredite sind nicht von ihrer absoluten Höhe her das Problem. Wenn wir 22 Milliarden Euro Schulden haben, ist es etwas anderes, als wenn der Bund Schulden in dieser Höhe hat. Es geht um die relative Belastung. Das Ziel, das wir haben müssen, ist, mittel- und langfristig die relative Belastung aus diesen Schulden abzusenken. Wer sich nicht näher mit dem Thema Finanzen befasst, der weiß dafür eigentlich nur eins, weil er das aus seinem Privatleben auch so kennt: Wenn ich einen Kredit habe, muss ich ihn zurückzahlen, sonst habe ich oder haben meine Nachkommen ihn bis zum jüngsten Gericht als Verpflichtung.