Protocol of the Session on April 23, 2015

An dieser Stelle muss ich ganz deutlich sagen:

Die Bedarfsprüfung bei der U-3-Betreuung muss weg! Die Senatorin hat dies im Bündnis für sozi alen Zusammenhalt im letzten Mai versprochen. Umgesetzt worden ist das bis heute leider nicht. Kinderbetreuung ist nun einmal die fundamentale Bedingung, um Bewerbungen schreiben zu können, um Bewerbungsgespräche führen zu können und um einen Job oder eine Ausbildung zu finden, um aus der Armut herauszukommen. Im Armutsausschuss - das muss ich hier deutlich sagen - fand leider nur unsere Fraktion diesen Schritt wichtig und richtig, aber nicht nur wir erachten ihn als wichtig, sondern auch die Wissenschaftler, die wir dazu gehört haben.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Nein, wir auch!)

Wir haben zur Bedarfsprüfung ein Minderheitsvo tum abgegeben. Dem haben Sie sich leider nicht angeschlossen, das ist nun einmal so.

Fast alle Expertinnen und Experten waren sich in

dem Punkt einig, dass die Losung „Arbeit hilft aus Armut“ heutzutage nicht mehr gilt. Im Armutsaus schuss wurde auch deutlich, dass die Auswirkungen der Hartz-Gesetze - also nicht Hartz IV, sondern Hartz I bis IV - deutlich zu spüren sind, weil sie für die Deregulierung am Arbeitsmarkt verantwortlich sind.

In Bremen nimmt die Anzahl der Aufstockerinnen

und Aufstocker weiter zu und liegt im Moment bei 30 Prozent der SGB-II-Bezieherinnen und -Bezie her, also derjenigen, die Hartz IV beziehen. 83 000 Bremerinnen und Bremer arbeiten in Teilzeit, 22 000 Bremerinnen und Bremer haben neben ihrem regulä ren Job noch einen Minijob, um über die Runden zu kommen. Mit 13 000 Beschäftigten in Leiharbeit hat Bremen die bundesweit höchste Leiharbeitsquote.

Dieses Projekt, die Agenda 2010 der damaligen rot

grünen Bundesregierung hat also keine Verbesserung für die Beschäftigten und die Erwerbslosen gebracht und gehört meines Erachtens auf den Müllhaufen der Geschichte.

(Beifall bei der LINKEN)

Zurück zur Landespolitik! Es ist in dem Ausschuss

sehr deutlich geworden, auch wenn die Ursachen für Verfestigung von Armut - sprich die Sozialgesetzge bung, die Arbeitsmarktgesetzgebung, aber auch die Steuerpolitik - im Bund zu lösen sind, gibt es eine Aufgabe, die originäre Landesaufgabe ist, nämlich Menschen, die armutsgefährdet sind oder in Armut leben, dazu zu befähigen, aus dieser Situation he rauszukommen. Das betrifft den gesamten Bereich frühkindlicher Bildung, Bildung, Ausbildung, Qua lifikation und Nachqualifikationen. Das heißt, auch in Bremen muss im Bereich der Arbeitsmarktpolitik deutlich umgedacht werden, wie deutlich geworden ist. Es geht nämlich nicht um ein Vermitteln nach dem Motto „Hauptsache in Arbeit“, weil wir alle wissen, dass das nicht mehr funktioniert. Vermittlung in Arbeit sollte sich auf armutsfeste und sozialver sicherungspflichtige Beschäftigung konzentrieren.

Kommen Sie bitte zum

Schluss!

Ich sage einen letz

ten Satz dazu, wir haben ja noch eine zweite Runde: Die Arbeit in den sozialen Berufen, die öffentlich finanziert wird, ist in den letzten Jahren besonders stark entwertet worden. Seit 2010 hat es hier ei nen enormen Reallohnverlust gegeben. Das heißt, die Haushaltsnotlage des Bundeslandes bestimmt auch das Einkommen in diesen enorm wichtigen Arbeitsfeldern. Es ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die die Betreuung von Pflegekindern, aber auch Bildungsbereiche betrifft. Wir sind der Meinung, dass sie endlich armutsfest entlohnt werden müssen. Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat

der Abgeordnete Herr Möhle das Wort.

Herr Präsident, meine sehr

verehrten Damen und Herren! Ein Anliegen treibt mich doch noch ein wenig um. Viele Redner ha ben hier vom Ausbildungsziel Abitur gesprochen. Ich sage, ja, das ist ein schönes Ziel. Ich bin aber begeistert, wenn ein Jugendlicher ein ordentlicher Handwerker wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf von der CDU: Ja!)

Auch das ist aus meiner Sicht ein sehr lohnendes Bildungsziel.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Absolut!)

Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Bil

dungsdebatten ausschließlich um die Frage kreisen, wie man an sein Abitur kommt, und nicht so sehr den Bereich betrachten, den ich eben angesprochen habe.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Es geht nicht um das Abitur! Es geht um die Bildungsun gerechtigkeiten!)

Ich glaube, da hätten wir doch noch Nachholbedarf.

Im Übrigen finde ich, dass man das, was der Bür

germeister mit seinem Bündnis tut, nicht einfach als Symbolik abtun sollte. Das finde ich nicht nur, weil ich den Bürgermeister schätze und auch in der gleichen Partei wie der Bürgermeister bin, sondern weil es richtig und wichtig ist, dass die Bürgermeister in den Städten, Kommunen und Gemeinden ganz deutliche Signale aussenden und sagen: Jawohl, in unserer Gemeinde, in unserer Kommune, in unse rem Bundesland oder in unserer Stadt ist Armut ein ausgesprochen wichtiges Thema.

(Beifall bei der SPD)

Allein für diese Aussage kann man sich schon

einmal bedanken: Fachlich, sachlich, inhaltlich ist meiner Meinung nach genau in den Bündnissen Et liches diskutiert worden, was uns weiterhelfen kann.

Ich würde mir wünschen, dass man nicht immer

nur sagt, was alles nicht passiert. Wenn ich die Liste darstellen und fragen würde, was wir eigentlich in dem Bereich soziale Hilfe und in dem Bereich Bil dung machen, könnte ich hier wahrscheinlich den ganzen Vormittag weiterreden, weil es eine Menge Projekte gibt, die eine gute und auch eine ordentlich finanzierte Arbeit machen. Ich sage nicht, dass man nicht immer auch noch mehr tun könnte, aber bei allem Respekt: Man muss auch einmal die Leistung, die derzeit geleistet wird, wahrnehmen. Das ist mir in den Diskussionen bisher ein wenig zu kurz ge kommen. Ich habe aber wirklich nicht den Ehrgeiz, das alles nachzuholen.

Ich glaube, das Argument, dass das, was ein Ex

perte, ein Wissenschaftler gesagt hat, wahr sein muss, trifft beileibe nicht zu. Man kann sich nicht einfach hinstellen und sagen, es sei richtig, dass den schwierigen Stadtteilen wie Gröpelingen Menschen die nicht wählten, weil sie das Gefühl hätten, für sie werde nichts getan. Das halte ich für eine ganz große Fehleinschätzung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, das hat er gesagt, aber ich halte es für falsch, was er gesagt hat! – Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Mit Verlaub, Frau Vogt, man kann sagen, das hat

der Experte gesagt, das stimmt. Ich finde aber nicht

richtig, was der Experte an der Stelle gesagt hat, es hat auch einige Aussagen von Experten gegeben, die man nicht unbedingt richtig finden muss. Das ist nicht schädlich, denn in einer solchen Anhörung, in einem solchen Verfahren geht es auch um Mei nungsbildung, um Lernen und Weiterkommen. Das finde ich nicht weiter tragisch. Ich will nur deutlich machen, dass ich ein bisschen mit der Schimäre aufräumen wollte.

Einer der meiner Ansicht nach bedeutendsten

Aspekte gerade auch in sozialpolitischer Hinsicht und auch im Hinblick auf die Armutsprävention, ist die Frage des Mindestlohns. Wir haben zum ersten Mal ein Mindestlohngesetz, das nach unten hin tat sächlich eine Grenze setzt und sagt: Bis hier hin und nicht weiter! Nun soll niemand glauben, ich meinte, dass man mit dem Mindestlohn in Reichtumsgefilde gerät, überhaupt nicht, aber das ist ein Schutz davor, in die absolute Armut abgedrängt zu werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn ich die zahllosen Einwände aus der Wirtschaft

höre, das sei das Ende der Wirtschaft, kann ich es nicht fassen. Ich betone noch einmal, am Ende des Tages hat die Wirtschaft in der Frage der Armutsbe kämpfung auch eine hohe Verantwortung. Warum werden nicht vernünftige Löhne gezahlt?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Warum muss man als Gesetzgeber sagen, wir ziehen

eine Grenze nach unten? Weil die Wirtschaft offen sichtlich nicht bereit ist, vernünftige Löhne von sich aus zu zahlen! Deswegen muss man das gesetzlich regeln, sonst bräuchten wir das nicht. Wenn ich mir all die Bereiche ansehe, Schlachterei oder wo auch immer, in denen unter unterirdischen Bedingungen gearbeitet wird, muss man mit Verlaub auch als Bundesregierung die Notwendigkeit der Kontrolle anerkennen. Das hat damit zu tun, dass es so viele in der Wirtschaft gibt, die versuchen, diese Gesetze zu umgehen. Wenn es die nicht gäbe, bräuchten wir die Kontrollen auch nicht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)