Protocol of the Session on November 10, 2011

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich mache an dieser Stelle keinen Hehl daraus, dass wir deutliche Kritik am Handeln der Bundesregierung haben, wenn es um die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika geht. Das Handeln dieser Bundesregierung in der gesamten Frage des arabischen Frühlings hat dem Ansehen unseres Landes stark geschadet. Den außenpolitischen und innenpolitischen Irrflügen von Frau Merkel und Herrn Westerwelle sollten wir zeitnah ein Ende setzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist beschämend zu sehen, wie ein Land, dessen Bewohner selbst einmal, um einer Diktatur zu entfliehen, auf die Hilfe anderer Länder angewiesen waren, nun mit dieser historischen Verantwortung umgeht. Das UNHCR und die Menschen brauchen unsere Hilfe. Deutschland hat die Genfer Flüchtlings

konvention unterschrieben, und nun erwarten wir auch, dass Deutschland danach handelt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ob es des Antrags der LINKEN heute bedurft hätte, darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen, ich stelle nur noch einmal ganz deutlich fest: Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und die SPD stehen geschlossen hinter dem, was im Januar dieses Jahres beschlossen wurde. Punkt, Ende, aus! Dort gibt es auch keinen Interpretationsspielraum. Diese Regierungskoalition steht für eine humanitäre Flüchtlingspolitik, offene Einbürgerungspolitik und eine dauerhafte Integration der hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer. Unsere Haltung ist da klar und deutlich.

Das war die Botschaft in die eine Richtung, nun möchte ich aber auch dem Senat noch einiges mit auf den Weg geben. Die grüne Bürgerschaftsfraktion erwartet vom Senat, dass die Beschlüsse des Parlaments ohne schuldhaftes Zögern umgesetzt werden. Nun bedarf die Vorbereitung einer Bundesratsinitiative eines Vorlaufs und auch einer vorhergehenden Abstimmung mit – ich sage einmal – befreundeten Ländern, Sie wissen alle, was ich meine. Das ist uns bewusst, und das finden wir auch in Ordnung. Warum sich der Prozess nun aber in die Länge gezogen hat, dafür erwarten wir Grünen auch Erklärungen.

Das ist auch für uns der Grund, warum wir heute diesen Antrag der Linken in die Deputation für Inneres und Sport überweisen wollen. Wir wollen nämlich Innensenator Mäurer die Gelegenheit geben, über seine Anstrengungen in diesem Bereich, die es zweifellos gibt und die er sicherlich auch gleich hier in Teilen darstellen wird, ausführlich zu berichten, und gleichzeitig gemeinsam darüber beraten, wie sich Bremen in der bevorstehenden Innenministerkonferenz im Dezember einbringen soll. Es ist für mich selbstverständlich, dass es am Ende auch einen Bericht oder eine Mitteilung des Senats gibt, in der dann nachzulesen ist, was das Bundesland Bremen in dieser Thematik getan hat. Ich glaube, darauf können wir am Ende dieses Prozesses auch sehr stolz sein.

Eines möchte ich aber auch klarstellen: Wir setzen an dieser Stelle auch auf die Kraft der Argumente. Es ist leider so, dass die rot-grünen Regierungen im Bundesrat nicht immer die Mehrheit haben, das wird auch in Zukunft vielleicht nicht immer der Fall sein. Das Land Bremen hat aber gezeigt, dass es mit Bundesratsinitiativen, mit denen es unterlegen war – ich erinnere da beispielsweise einmal an die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften –, einen enormen bundespolitischen Diskussionsprozess angestoßen hat. Auch da setzen wir auf die Kraft der Argumente, und auch da glauben wir, dass sich am Ende die Argumente für die Menschen und für eine vernünftige Flüchtlingspolitik in ganz Deutschland durchsetzen werden. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Überweisung – ich nehme es vorweg – werden wir natürlich zustimmen. Ich möchte aber trotzdem noch einmal wiederholen, was ich am 27. Januar 2011 gesagt habe, nämlich dass es für uns ein wichtiger humanitärer Akt ist, Menschen, die sich in ihrem Heimatland gegen die totalitären Regime politisch zur Wehr gesetzt haben und flüchten mussten, eine Aufnahme in unserem Land zu ermöglichen. Dazu stehen wir nach wie vor.

Ich bin allerdings etwas überrascht, dass Sie dem Innensenator hier – und zwar auch aus der eigenen Koalition – nicht so richtig trauen, sodass wir uns also hier in der Bürgerschaft quasi zwei Mal in einem Jahr damit beschäftigen müssen, dass der Innensenator nun auch seine Hausaufgaben macht. Ich lobe ihn nicht gern und auch nicht so häufig, aber mein Eindruck ist schon, dass er gerade bei diesem Thema ausgesprochen aktiv ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß – das wird der Innensenator hier vielleicht auch gleich bestätigen –, dass sich die Innenministerkonferenzen dieses Jahres, und jetzt auch im Dezember, permanent mit diesem Thema beschäftigt haben und auch in Zukunft beschäftigen werden. Von daher bin ich sicher, dass wir auch an der Stelle mit der neuen Situation in Nordafrika eine Lösung finden werden.

Ich möchte aber trotz allem noch kurz auf meine Vorredner eingehen! Herr Fecker, Sie haben eben gesagt: Das gesamte Handeln der Bundesregierung war schlecht. Soll ich daraus ableiten, dass Sie dafür gewesen wären, dass sich die Bundesrepublik Deutschland am Militäreinsatz in Libyen beteiligt hätte? Das würde mich dann doch schon sehr wundern, wenn das Ihre Intention ist.

Frau Hiller, Sie haben darauf hingewiesen: politische Mehrheiten in Bremen und im Bund nicht. Ich sehe das nicht so. Ich nehme selbst auch teil an Innenministerkonferenzen der B-Länder. Da ist mein Eindruck nicht der, den Sie hier versuchen wiederzugeben. Ganz besonders ist mir aber aufgefallen, was Frau Vogt gesagt hat: Sie haben den Begriff der BRD verwendet, Frau Vogt. Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob dieser noch zeitgemäß ist! – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Thema begleitet mich seit dem Jahr 2009. Ich erinnere daran, dass der deutsche Vertreter des UNHCR, Michael Lindenbauer, in Bremen gewesen ist und uns im Vorfeld in der Innenministerkonferenz gebeten hat – ich hatte damals den Vorsitz –, dieses Thema dort einzubringen. Ich bin eigentlich seitdem überzeugt davon, dass dieses Programm richtig, sinnvoll und notwendig ist. Leider, muss ich sagen, war die Resonanz im Kreis meiner Kollegen sehr verhalten.

Ich habe dann ein Jahr später, im Jahr 2010, auf der Innenministerkonferenz in Hamburg gemeinsam mit meinem Kollegen aus Berlin einen zweiten Anlauf gewagt. Das Ergebnis war dasselbe wie in Bremen, dafür gab es keine Mehrheit. Wir haben uns aber erfreulicherweise darüber verständigen können, dass 2 500 irakische Flüchtlinge aus Jordanien und Syrien aufgenommen werden. Wir haben uns im Folgejahr auch gemeinsam darüber verständigen können, dass wir uns um die iranischen Flüchtlinge aus der Türkei kümmern, das waren dann 150, und zuletzt noch einmal 150 Personen aus Nordostafrika. Unabhängig von diesen Einzelmaßnahmen haben wir dafür geworben, dass sich die Bundesregierung an diesem Programm beteiligt.

Wie nicht anders zu erwarten, werden wir dieses Thema auch auf der Innenministerkonferenz am 8. und 9. Dezember in Wiesbaden ansprechen. Ich kann Ihnen schon die Beschlussvorschläge vorlegen, die ich gemeinsam mit Rheinland-Pfalz dort zur Abstimmung stellen werde. Der erste Punkt lautet: Die Innenministerkonferenz spricht sich dafür aus, insgesamt mindestens 500 afrikanische Flüchtlinge in die Bundesrepublik aufzunehmen. Zweiter Punkt: Wir bitten die Bundesregierung, dem Programm nunmehr endgültig beizutreten und zu einem dauerhaften System zu entwickeln.

Ich hoffe, dass aufgrund der erfreulichen Entwicklungen in einigen Bundesländern dieser Appell nicht völlig im leeren Raum verbleibt. Es gibt ja sehr viele in diesem Haus, die auch zu den großen Bundesländern Verbindungen haben, und dort sind die Mehrheiten seit dem Jahr 2009 verändert. Es wäre deshalb sehr schön, wenn zum Beispiel NordrheinWestfalen oder insbesondere Baden-Württemberg auch einmal mit dabei wären und nicht nur sagen würden, ja, was wollen Sie aus Bremen! Deswegen hoffe ich, dass sich mit diesen neuen Mehrheiten die Situation verändert, und ich verspreche Ihnen, wenn drei Länder bereit sind, mit unseren Anträgen zu stimmen, dann starten wir auch eine Bundesratsinitiative.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist interfraktionell vereinbart, den Antrag zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres und Sport zu überweisen.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/98, Neufassung der Drucksache 18/82, zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres und Sport seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Für eine neue stichtagsungebundene Bleiberechtsregelung

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 3. November 2011 (Drucksache 18/103)

Wir verbinden hiermit:

Eine wirksame Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 9. November 2011 (Drucksache 18/113)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Sehr geehrter Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hintergrund unseres Antrags ist natürlich, dass die Altfallregelung am 31. Dezember ausläuft und wir befürchten, dass auch in Bremen einige Menschen, die den Aufenthaltsstatus auf Probe erhalten haben, dann wieder in die Duldung zurückfallen; es ist ihnen bereits von der Ausländerbehörde mitgeteilt worden. Wir möchten diesen unsicheren Zustand für diese Menschen gern aufheben.

Hintergrund ist folgender: Während andere Länder wie Spanien, Belgien oder Frankreich zum wiederholten Mal Regulierungen für Personen ohne Pa––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

piere durchgeführt haben, hapert es in Deutschland sogar an einer Bleiberechtsregelung für Menschen, die hier lange Zeit ohne gesicherten Aufenthalt gelebt haben. Gemeint sind damit Menschen, die eine Duldung oder einen ähnlich prekären Aufenthaltsstatus haben. Sie sind nach der geltenden Rechtslage ausreisepflichtig, können aber aus diversen Gründen nicht abgeschoben werden. Ihre Abschiebung wird aber trotzdem immer wieder ausgesetzt, das ist sogar der offizielle Rechtstitel für die Duldung. Das kann eine Woche sein, das können aber auch sechs Monate sein, und das Ganze kann sich über Jahre hinziehen.

Bundesweit leben 87 000 Menschen mit einer Duldung, in Bremen immer noch 2 013, und der Großteil dieser 2 013 geduldeten Personen lebt bereits über sechs Jahre hier. In Bremen sind das sogar 72 Prozent dieses betroffenen Personenkreises, nämlich 1 450 Menschen. Der Anteil der langjährig Geduldeten ist in Bremen damit weit höher als der Bundesdurchschnitt, dieser liegt nämlich bei 58 Prozent.

Bremen kann also nur ein starkes Interesse an einer wirksamen Bleiberechtsregelung haben, denn das jahrelange Leben auf Koffern belastet die psychische und physische Gesundheit der Betroffenen, und besonders die Kinder leiden unter der Unsicherheit, die eine Duldung mit sich bringt. Sie sind hier sozialisiert, bekommen aber permanent signalisiert, dass sie kein Recht haben zu bleiben und ihre Anwesenheit eben nur geduldet wird.

Es hat bisher einige Bleiberechtsregelungen für Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus gegeben, sie haben sich aber bislang alle als unzureichend erwiesen. Die gesetzliche Altfallregelung, die Paragrafen 104 a und 104 b Aufenthaltsgesetz, aus dem Jahr 2007 sollte 60 000 Menschen in Deutschland eine Perspektive geben. Tatsächlich haben aber nur 22 000 Menschen über diese Regelung einen gesicherten Aufenthalt im Rahmen der Altfallregelung erhalten.

15 000 Menschen haben eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe und müssen bis Ende dieses Jahres nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt mindestens überwiegend gesichert haben, ansonsten verlieren sie ihre Aufenthaltserlaubnis wieder. In Bremen hatten am 30. Juni 433 Personen diese Aufenthaltserlaubnis auf Probe, weil sie nur Bemühungen nachweisen konnten, Arbeit zu suchen. Sie sind einfach besonders gefährdet, ab dem 1. Januar 2012 wieder in die Duldung zu fallen, obwohl sie im Schnitt seit über zehn Jahren hier leben. Wenn also die bestehende befristete Bleiberechtsregelung zum Ende des Jahres ausläuft, werden viele derjenigen, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe hatten, zurück in die Duldung fallen.

Davon sind leider insbesondere Familien betroffen, da für sie die Sicherung des Lebensunterhalts einfach schwieriger ist als für Alleinstehende. Für sie gibt es nach dem Stichtag der Altfallregelung, 1. Juli

2007, keine weitere Möglichkeit mehr, einen regulären Aufenthaltsstatus zu bekommen. Nur Jugendliche zwischen 15 und 21 Jahren können nach dem neuen Paragrafen 25 a Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis bekommen oder eben gut qualifiziert Geduldete nach Paragraf 18 a Aufenthaltsgesetz.