Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten im Begründungstext der Anfrage extra geschrieben, dass die Informationen von den zuständigen Wehrbereichskommandos zu haben sind. Das Wehrbereichskommando Küste, dem die Jugendoffiziere organisatorisch unterstehen, ist nämlich auch für Hamburg zuständig. Dort wurde eine entsprechende Anfrage der Fraktion DIE LINKE detailliert beantwortet. Dafür musste sich der Hamburger Senat einfach nur an das Wehrbereichskommando wenden. Dort gibt es zeitnah und unbürokratisch entsprechende Daten. Der zuständige Jugendoffizier wird in der „taz“ vom 1. November 2011 dann auch wie folgt zitiert: „Es sei für ihn grundsätzlich kein Problem, die Daten herauszusuchen.“ Nach allem, was wir wissen, hat er recht, und der Senat scheint es gar nicht erst versucht zu haben.
Bei dem Gespräch mit Herrn Bürgermeister Böhrnsen letzte Woche wurde genau diese Frage auch thematisiert. Inwieweit muss eine senatorische Behörde Anfragen der Opposition oder auch der Regierungsfraktionen beantworten, wenn sie Informationen dazu von anderen Stellen suchen muss? Dort waren wir uns fraktionsübergreifend einig, das müssen die senatorischen Behörden, denn es ist Sinn einer Anfrage und ein Recht der Parteien, auch der Oppositionsparteien, diese Informationen zu erhalten. Offenbar nimmt sogar die Bundeswehr, wenn man diese „taz“-Antwort des Jugendoffiziers nimmt, das Recht der Landtage auf Informationen ernster als in diesem Fall die Bildungsbehörde.
Deswegen fragen wir noch einmal: Wie ernst nimmt die Koalition eigentlich die Rechte des Parlaments und der Oppositionen? Entweder werden unsere Anfragen unzureichend bearbeitet, weil wir hingehalten werden sollen. Dafür spricht in diesem Fall, dass die Bearbeitungszeit, inklusive Fristverlängerung, voll ausgeschöpft wurde und der Informationsgehalt gegen null geht, oder hier wird politisch entschieden, kritische Fragen aus der Bürgerschaft nicht ordnungsgemäß zu beantworten.
So oder so entsteht eine rechtsfreie Zone. Die Bundesregierung versucht, Nachfragen abzuwehren, der Bremer Senat sekundiert. Also ist in Bremen niemand für die Rekrutierungsoffensive durch die Bundeswehr zuständig. Alle schauen weg, und wenn DIE LINKE dann kritisch fragt, wird geschwiegen und gar nicht erst versucht, sich Informationen zu beschaffen. Sie hätten dann nämlich selbst gemerkt, dass Sie zumindest für das Jahr 2009 eine Auskunft hätten geben können. Diese hatte nämlich der Senat im März letzten Jahres selbst publiziert. Dass die Einsätze der Wehrdienstberater zentral und nach Ländern untergliedert dokumentiert werden müssen, wäre Ihnen dann wahrscheinlich auch aufgefallen.
Das, was Sie hier gemacht haben, klingt stark nach Missachtung der parlamentarischen Rechte. Wir werden dem Senat unsere Fragen sicherheitshalber noch einmal geben, und bitte fragen Sie dieses Mal nicht die Schulen, sondern die Bundeswehr direkt. Wenn die „taz“-Redaktion den auskunftsfreudigen Jugendoffizier an das Telefon bekommen kann, dann können Sie das auch! – Danke!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt, ehrlich gesagt, eine andere Debatte von Ihnen erwartet, Frau Vogt. Es ging Ihnen ja doch mehr um die Beziehung zwischen Senat und Parlament oder die Rolle des Parlaments. Zum Thema haben Sie nicht wirklich viel gesagt,
aber das haben Sie auch schon ziemlich populistisch in der Presse verarbeitet. Sie behaupten, die Bundeswehr indoktriniere schamlos an Bremens Schulen, schade, dass Sie dazu nichts gesagt haben!
Ich will hier aber auch klarstellen: Wir sind gegen jegliche Form von Werbung der Bundeswehr an Schulen, und natürlich dürfen Schulen nicht zum Rekrutierungsbüro der Bundeswehr werden, aber diese Gefahr besteht auch nicht.
Sie sprechen den Verdacht aus, dass die Bildungsbehörde eng mit der Bundeswehr zusammenarbeiten würde oder es eben ignoriert und nicht für wichtig genug erachtet und die Bundeswehr walten kann, wie sie möchte. Gewiss ist das Interesse der Bundeswehr bestimmt auch da, in welcher Form auch immer, sich stärker in die Schulen einzubringen, aber dieses Interesse erkenne ich nicht beim Bildungsressort. Bremen hat gerade keinen Kooperationsvertrag, wie wir lesen können, mit der Bundeswehr, wie zum Beispiel Baden-Württemberg oder das Saarland, und ein solcher Vertrag ist auch nicht geplant. Es gibt auch keine regelmäßigen Treffen zwischen dem Ressort oder der Landesregierung und der Bundeswehr, und das ist auch gut so!
Wenn im Rahmen von Berufsorientierung oder im Politikunterricht Jugendoffiziere eingeladen werden, dann muss das, wie bei jedem anderen Thema auch, vernünftig vor- und nachbereitet werden, und es muss gewährleistet sein, dass Jugendoffiziere kein einseitiges, die Armee und militärische Aufgaben verharmlosendes Bild zeichnen. Wenn neben dem Unterricht Veranstaltungen angeboten werden, sollte die Teilnahme freiwillig sein.
Veranstaltungen! Wenn die Schule das Thema im Unterricht behandelt, ist es natürlich nicht freiwillig, aber wenn externe Veranstaltungen angeboten werden oder im Rahmen einer Projektwoche, dann sollten diese freiwillig sein.
Es liegt im Übrigen im Ermessen der Lehrkräfte, welche externen Informationsquellen in die unterrichtliche oder berufsorientierte Arbeit einbezogen werden, und für Veranstaltungen – auch das können wir der Antwort des Senats entnehmen – entscheiden sich die Schulleitungen selbstständig im Rahmen der Eigenständigkeit von Schule. Wir konnten gestern auch lesen, es ist gängige Praxis an den Schulen, dass auch Friedensvertreter eingeladen werden.
Wir trauen den Lehrkräften und Schulen die Neutralität und das verantwortungsvolle Handeln in diesen Fragen auch zu, und das sollten Sie auch tun, meine Damen und Herren von der LINKEN! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Als ich die Antwort auf die Anfrage gelesen habe – das muss ich schon sagen –, war ich überrascht, dass wir hier im Land Bremen tatsächlich keine Daten haben, und das kritisiere ich genauso wie Sie, Frau Vogt. Ich war auch sehr erstaunt darüber, dass dies vom Senat damit begründet worden ist, dass die Schulleitungen im Rahmen der Eigenständigkeit der Schulen – so wie Sie, Herr Güngör, es ausgeführt haben – nach Paragraf 9 Bremisches Schulgesetz über solch einen Einsatz befinden können, ohne darüber die Behörde zu informieren. Ich finde, dass das Ergebnis dieser Beantwortung nicht zufriedenstellend
und ein Verweis auf die Eigenständigkeit der Schulen auch nicht befriedigend ist. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Ich finde, die Selbstständigkeit der Schulen darf keine Entschuldigung dafür sein, dass Daten darüber nicht erhoben werden, das muss ich schon sagen, und keinerlei Kenntnis über den Umgang mit der Bundeswehr in den Schulen hier im Land Bremen vorliegt. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass die Information über die Bundeswehr im Unterricht verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist, es ist also nicht verfassungswidrig. Die Bundeswehr ist einfach durch das Grundgesetz legitimiert, das muss ich auch so deutlich sagen.
Allerdings möchte ich auch betonen, dass eine gezielte Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler in eine bestimmte Richtung verfassungsrechtlich unzulässig ist.
Unzweifelhaft gehören auch Kenntnisse und Einstellungen über die Möglichkeiten der Friedenssicherung und die Erziehung zu Friedensliebe zu den Kernaufgaben von Bildung und Erziehung an Schulen. Wir Grüne vertreten die Auffassung, dass die Behandlung solcher existenziellen Fragen wie denen nach Krieg und Frieden nicht einseitig der Bundeswehr überlassen werden dürfen.
Wir sind der Ansicht, dass die Schülerinnen und Schüler ein Recht darauf haben, umfassende und differenzierte Informationen zu erhalten, um sich selbst eine Meinung zu bilden. Wir wollen deshalb, dass andere Institutionen, zum Beispiel Friedensorganisationen, Freiwilligendienste, die wir hier im Land Bremen auch haben, eingeladen werden, wenn die Bundeswehr in die Schule kommt.
Wir Grüne, das möchte ich noch einmal betonen, lehnen die einseitige Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler beim Thema Friedensbildung durch die Bundeswehr an den Schulen ab. Ich habe keine Erkenntnisse darüber, Frau Vogt, dass dies geschieht, das glaube ich auch nicht.
Ich denke aber auch, dass es trotzdem wichtig ist, dass auch die Eltern darüber informiert werden, wenn die Bundeswehr an die Schule ihrer Kinder kommt, und darüber, welche Aktivitäten auch geplant sind. Das kann ich auch als Mutter sagen und nicht nur als Bürgerschaftsabgeordnete, das habe ich mit vielen anderen auch besprochen und diskutiert. Das hat mir bei Ihren Ausführungen ein bisschen gefehlt, wobei Frau Vogt keine sachliche Diskussion geführt, son
dern eher eine Kritik an der Antwort auf die Anfrage hier vorgetragen hat. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir dieses Thema vielleicht in der Deputation noch einmal vertieft erörtern, zum Beispiel die Fragen – das wurde auch angesprochen und ist in der Antwort auf die Große Anfrage klar und deutlich gesagt worden –, es gibt einen verpflichtenden Unterricht, daran müssen alle teilnehmen. Ich denke, es muss vertieft erörtert werden, ob die verpflichtende Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Veranstaltungen und Angeboten der Bundeswehr während des Unterrichts tatsächlich erforderlich ist, inwieweit man zukünftig mit der Informationspflicht gegenüber den Eltern zu den geplanten Veranstaltungen umgehen wird, und welche Möglichkeiten bestehen, dass bei Besuchen von der Bundeswehr auch andere Referenten mit anderen friedensethischen Ansätzen eingeladen werden. Ich finde es aber auch wichtig, weil das auch nicht aus der Anfrage hervorging, wie das eingegrenzt wird. In welcher Schulform wird die Bundeswehr eingeladen, bei welchen Klassenstufen und so weiter? Diese Fragen müssen meiner Meinung nach schon erörtert werden. Genauso, wie die Bundeswehr im Grundgesetz legitimiert ist, verpflichtet das Grundgesetz auch den Staat zu Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern, und deshalb müssen diese meiner Meinung nach ungeklärten Fragen noch einmal vertieft erörtert werden. Ich hoffe, dass wir uns dieses Themas in der nächsten oder übernächsten Deputationssitzung annehmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man könnte der Fraktion DIE LINKE auf den ersten Blick eigentlich dankbar sein, dass sie ein wichtiges Thema, nämlich Bundeswehr und Sicherheitspolitik an den Schulen, mit dieser Großen Anfrage thematisiert hat. Ein zweiter Blick unter Zuhilfenahme des Internets verrät allerdings, worum es Ihnen in Wahrheit geht: Bereits im Januar dieses Jahres hat der Bundesvorstand der LINKEN die Landtagsfraktionen aufgefordert, ich zitiere, „mit Anfragen dafür zu sorgen, dass die Infiltration“ – eine bemerkenswerte Formulierung! – „der Bundeswehr an Schulen öffentlich gemacht wird, und Anträge zu stellen mit dem Ziel, dass der Anwesenheit der Bundeswehr an Schulen die gesetzliche Grundlage entzogen wird.“
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Hört, hört! – Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Der Beschluss ist in bezeichnender Weise überschrieben mit den Worten „Bundeswehr raus aus Schulen“. Das ist genau das, worum es Ihnen geht, und das wollen wir hier heute auch klar herausstellen! (Beifall bei der CDU – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Genau! Wir wollen keine Bun- deswehr an Schulen!)
Lassen Sie mich am Rand bemerken, man kann in Ihrer Anfrage und den dargestellten Hintergründen noch etwas exemplarisch erkennen: Der in Ihrer Partei traditionell so stark verwurzelte Zentralismus funktioniert auch gute 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch fast perfekt. Um im Bild zu bleiben, Sie können nach Berlin melden: Auftrag ausgeführt!
So weit zu den Formalien, die Sie hier auch eben in Bezug auf die Beantwortung der Großen Anfrage so kritisiert haben! Ihre Große Anfrage ist im Gegenzug nämlich im Grunde nichts anderes.
Dabei geht es Ihnen erkennbar gar nicht um sachliche Erkenntnisse und Diskussionen. Ihre Anfragen auch zu anderen Bereichen der Bundeswehr sind so angelegt, dass sie die Behörden und die Bundeswehr maximal beschäftigen und in der öffentlichen Wahrnehmung möglichst nachhaltig diskreditieren. Dazu gehört, dass Sie mit Ihren Initiativen bewusst Fehlinformationen streuen, nach dem Motto, irgendetwas wird immer hängen bleiben; zum Beispiel bei dieser: Jugendoffiziere betreiben ausdrücklich keine Werbung oder zweckgebundene Informationen, zum Beispiel für den Beruf des Soldaten, denn dafür gibt es ausdrücklich Wehrdienstberater, sondern sie betreiben politische Bildung, insbesondere auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik, einem Feld, das in den Schulen ansonsten häufig eher unterbelichtet ist.
Sie aber versuchen, mit begrifflichen Tricks Diskussionen und Informationen in Werbung umzudeuten, und das ganz gezielt und absichtsvoll!
In Ihrer Großen Anfrage suggeriert DIE LINKE absichtlich ein weiteres Missverständnis, und wir hätten uns diesbezüglich, wie auch in anderen Bereichen, eine offensivere und klarere Beantwortung der Großen Anfrage durch den Senat vorstellen können. Diese fällt, wie ich meine, tatsächlich sehr schmallippig und blass aus, wenn auch in der Sache vielleicht nicht falsch. Die Koalition hat hier eine Gelegenheit ausgelassen, sich anerkennend und positiv zur Arbeit der
Bundeswehr mit den Schulen zu äußern und sich damit vor die Jugendoffiziere und ihr Wirken zu stellen.
Sie von der hier links sitzenden Fraktion bringen aber die Arbeit der Jugendoffiziere in den Zusammenhang mit der Aussetzung der Wehrpflicht und einer tatsächlich vorhandenen oder vermeintlichen Rekrutierungslücke, wie Sie es nennen.
Wahr ist demgegenüber, dass Jugendoffiziere bereits seit 1958 ihre Arbeit – übrigens durchgängig und ohne Verteilen von Werbematerial – durchführen, es sind zurzeit 94 an der Zahl. Sie haben sich in den Schulen und Organisationen dabei – entgegen dem Eindruck, den Sie erzeugen wollen – hohen Respekt für eine Arbeit erworben, die ganz häufig den Bereich der Bundeswehr im engeren Sinn verlässt und in den Bereich der Sicherheitspolitik und der allgemeinen Politik hineinreicht. Indem sie diese Diskussion anregen und Politik erklären, machen sie eine Arbeit, die eigentlich eine Aufgabe der Politik selbst ist. Wir haben allen Grund, uns dafür zu bedanken!