Protocol of the Session on February 18, 2015

Ja, aber die Fragen waren eher ein wenig lapidar gestellt! Wenn man nun auf die Antwort eingeht: Die Antwort des Senats benennt zu Recht die besonders schwierige Lage, in der sich Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt befinden. Hier gibt es immer noch Vorurteile, Vorbehalte und Diskriminierung bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen. Viel erreichen könnte man aber mit einem Programm, das zum Beispiel migrantisch geführte Betriebe dabei unterstützt, dass sie Ausbildungsbetriebe werden, oder das Betriebe dabei unterstützt, mehr Ausbilderinnen oder Ausbilder mit Migrationshintergrund einzustellen. Ich finde, hier besteht dringender Handlungsbedarf. Das sind konkrete Dinge, über die ich gern einmal reden würde. Auf diese Probleme zielt die Anfrage von Ihnen, Herr Dr. vom Bruch, aber gar nicht ab, sondern sie zielt, und das wird nämlich auf mehr als den zweiten Blick schon deutlich, eher auf die Schulpolitik. Eigentlich sollte es Konsens sein, dass die Schulpolitik den Aufbruch zu einem besseren Schulsystem schaffen muss, mit dem höhere Abiturquoten auch in benachteiligten Stadtteilen möglich werden, mit dem alle Bildungsgänge erworben werden könnten und mit dem ein längeres gemeinsames Lernen vorgesehen ist. Ich habe den Verdacht, wenn man sich die Anfrage von Ihnen ansieht, dass Sie sich von dem Konsens, den Sie hier mit den anderen Fraktionen geschlossen haben, allmählich absetzen. Denn Ihre Anfrage ist meines Erachtens ein Versuch, diesen schulpolitischen Aufbruch für überflüssig zu erklären und umzudrehen. Ich finde, das ist bildungspolitisch unzeitgemäß und verkennt die Dynamik in der Produktionsentwicklung.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie nennen den schulpolitischen Aufbruch, bei dem Sie gar nicht beteiligt sind!)

Wir haben ja aber auch gesagt warum! Weil uns das nicht ausreichend genug war und wir genau die Befürchtung hatten, dass Sie sich nämlich wieder daraus verabschieden wollen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Deswegen sind Sie gar nicht dabei gewesen!)

Nein, weil Sie vorher verhindert haben, dass die Gymnasien mit hineingenommen werden, sonst wären wir auch dabei gewesen. Das wissen Sie auch.

Um es kurz zu machen: Diese Anfrage zielt vordergründig auf die berufliche Bildung und die Ausbildungssituation, aber im eigentlichen Sinn auf die Schulpolitik in Bremen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass sich die Zeiten geändert haben. Ein Zurück zu dem Zustand, in dem nur wenige Jugendliche aus bildungsnahen Familien Abitur machen und der Rest einfache Tätigkeiten machen will, ist unzeitgemäß und mit uns nicht zu machen. – Danke schön!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. vom Bruch, danke für die Belehrung. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass ich in meinem Beitrag Julian Nida-Rümelin eindeutig erwähnt habe. Das macht aber ja nichts! Die Frage, ob es Unsinn ist, jungen Leuten ein Studium zu empfehlen, haben Sie ja brüsk zurückgewiesen. Dazu möchte ich nur sagen, woher ich die Zahlen habe, weil Sie ja auch bestritten haben, dass es dafür eine objektive Grundlage gibt.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Solche An- merkungen sind ja völlig frei!)

Sie können sich dazu die Arbeitslosenzahlen aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit anschauen. Ich gehe davon aus, dass die Zahlen objektiv und valide sind. Sie können sich in Bildung auf einen Blick, der Studie aus dem Jahr 2014, die sich mit Bildung auseinandersetzt, anschauen, dass die Verdienstmöglichkeiten um 74 Prozent steigen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie spielen das eine gegen das andere aus!)

Jetzt hören Sie mir doch auch einmal zu, das habe ich doch vorhin auch gemacht!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Haben Sie nicht!)

Ich hoffe, Sie haben die Kraft dazu!

Dann zu dem Punkt, wer vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheidet! Dazu gibt es eine Statistik der Berufsunfähigkeitsversicherung. Wenn junge Leute sich überlegen, was sie einmal werden sollen, welchen Beruf sie bis zur Rente mit 77 –

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: 77 schafft man nur im Par- lament!)

77 wäre jetzt ein bisschen sehr lang! –, mit 67 ausüben sollen, dann macht es doch Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, ob man diesen Beruf bis dahin überhaupt ausführen kann oder ob man vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden muss, was man bis dahin verdienen kann und wie die Chancen aussehen, nicht vorzeitig arbeitslos zu werden. Insofern finde ich, dass Jugendliche sich sehr wohl schlau verhielten, wenn sie so handeln würden. Auch wenn Sie das falsch finden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zweiter Punkt: Gibt es einen Ausbildungsnotstand? Man muss vielleicht nicht den harten Ausdruck wählen, den Frau Vogt eben gewählt hat, aber zu sagen, dass wir hier in Bremen einen ausgeglichenen Ausbildungssaldo hätten, Herr Dr. vom Bruch, das ist nun wirklich auch Unsinn. Diesen ausgeglichenen Ausbildungssaldo haben wir doch nur deswegen, weil ein Drittel der Jugendlichen – für den Jahrgang 2013/ 2014 sind das 1 250 Menschen, Frau Böschen hat auch darauf hingewiesen – im Übergangssystem ist, also nicht in der Ausbildung hier in Bremen angekommen ist. Da kann man doch nicht behaupten, hier sei alles in Ordnung!

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Hat er doch gar nicht gesagt!)

Im Hochschulbereich haben wir für eine bundesweite Ausweitung der Studienplätze gesorgt, damit alle, die studieren wollen, auch studieren können. Arbeits- und Ausbildungsplätze werden aber nach wie vor in der Wirtschaft geschaffen, nicht in einer Jugendberufsagentur. Es ist somit die Wirtschaft, die dann gefordert ist, diesen Ausbildungsbedarf zu befriedigen. Ich bleibe dabei, es ist die Wirtschaft, und wenn ich mir das Handwerk anschaue – Frau Böschen hat es gesagt, es hat sich teilweise neu aufgestellt und bemüht sich um die Jugendlichen –, dann finde ich das gut und richtig. Wir müssen aber dennoch darüber nachdenken, wie es denn dazu kommen kann, dass im Handwerk 38 Prozent der Jugendlichen eine Ausbildung abbrechen und es in anderen Bereichen sehr viel weniger sind. Im Studium kommen letztendlich sogar 82 Prozent zu einem Hochschulabschluss. Ich finde also, dass wir weiter darüber reden müssen. Warum wollen die Menschen nicht in die Gastrono

mie? Das hat natürlich etwas mit den Arbeitsbedingungen und dem Gehalt zu tun, das ist doch vollkommen klar. Das hat auch etwas mit den Arbeitszeiten zu tun.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Natürlich! – Glocke)

Ich glaube, dass wir uns darüber durchaus gemeinsam – ich bin bereit dazu – auseinandersetzen müssen, wie die Bedingungen in diesen Bereichen künftig aussehen sollen, damit junge Menschen Chancen haben, Lust haben, Spaß haben, diese Ausbildungswege zu wählen, und damit auch glücklich werden und entsprechend Geld verdienen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich sagen, dass aus meiner Sicht die Gleichwertigkeit zwischen dualer und beruflicher Bildung nicht nur eine Floskel ist, sondern ein Auftrag, an dem wir alle gemeinsam zu arbeiten haben, und zwar in beiden Bereichen, sowohl in der akademischen Bildung als auch in der beruflichen Bildung. Es ist doch völlig klar, dass es darum geht, beides im Einklang weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der SPD)

Zur beruflichen Bildung! Die berufliche Bildung basiert auf dem Berufskonzept. Wir haben schon gesagt, dass es international sehr anerkannt ist und viele es haben und entwickeln möchten. Entscheidend ist die institutionelle Verbindung zwischen Betrieben und Schulen. Es gibt ein Gesetz, das genau dieses Miteinander regelt. Wir wissen aber auch, wenn auf der Grundlage des Berufskonzepts Ausbildungsberufe konzipiert werden und die Berufsschule stattzufinden hat, dass in den einzelnen Ausbildungsbereichen einiges im Argen liegt.

Sie haben einzelne Punkte bereits genannt: Es sind die Ausbildungsqualität und die Vergütung. Es gibt mehrere Punkte, über die gesprochen werden muss, und das betrifft auch die Schulen. Schulen haben dort auch eine Aufgabe, der sie vielleicht nicht immer in dem Umfang gerecht werden, wie es sein müsste. Trotzdem sollten wir das Berufsbildungssystem an dieser Stelle nicht schlechter reden als es eigentlich ist.

Es gibt noch 500 000 junge Menschen, die regelmäßig diesen Ausbildungsweg wählen. Im Land Bremen sind es circa 16 400, die diesen Weg wählen, die genau in das Berufsbildungssystem, in das duale Ausbildungssystem einmünden wollen.

Ich möchte noch etwas sagen! Das Land Bremen steht mit seinem Berufsbildungssystem in der Bewertung durch die deutsche Wirtschaft immer zwischen Platz eins und drei. Das kann man einfach auch einmal zur Kenntnis nehmen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im nächsten Schritt kann man darüber reden, worin man besser werden muss, damit wir auf den ersten Platz rücken. Es ist auf den Abbau von Ausbildungsplätzen hingewiesen worden. Ja, das ist ein reales Problem, vor dem wir im Bundestrend stehen, vor dem stehen wir auch in Bremen. Hier muss man sagen, dass Bremen beim Rückgang der Ausbildungsplätze unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Dort sind wir also auch besser, und das basiert aus meiner Sicht darauf, dass es hier eine sehr gut organisierte Zusammenarbeit zwischen den Kammern, der Jugendberufsagentur und den Gewerkschaften gibt. Wir tun also für das berufsbildende System sehr viel.

Trotzdem können wir uns dem Trend der Höherqualifizierung und dem Wunsch danach nicht verweigern, das stellen wir fest. Damit müssen wir uns gesellschaftspolitisch auseinandersetzen. Das kommt auch daher, dass die Unternehmen gern Höherqualifizierte nehmen. Sie integrieren gern dual Studierende in ihr Unternehmen. Das ist eine Konkurrenz für die duale Ausbildung. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie man diese Konkurrenzsituation zukünftig gestaltet.

Aus meiner Sicht ist es ein Fehler, davon auszugehen, dass nicht ein Großteil dessen, was Menschen im dualen System lernen können, zumindest wenn es mit Fortbildungen kombiniert werden würde, einem Bachelorabschluss an einer Hochschule entsprechen kann. Das ist eine Frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Jetzt davon zu sprechen, dass der Trend zur Höherqualifizierung etwas ist, das irgendwie fälschlich erzeugt wird, finde ich falsch. Das teile ich nicht. Wenn wir in Bremen sagen, dass wir eine höhere Abiturquote haben, das haben wir in der Antwort auf die Große Anfrage auch angeben können, dann muss man sehen, dass im gesamten Bundesgebiet einen Trend zum höheren Schulabschluss gibt. Das ist aber doch kein Argument gegen eine duale Ausbildung. Wer sagt denn, dass man mit einem Abitur nicht genauso gut in das duale System einmünden kann. Ich finde, wir fangen an, einen falschen Zungenschlag in die Diskussion zu bringen, denn auch mit dem Abitur kann man am dualen System teilnehmen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Habe ich gesagt!)

Das duale System hat aber den ganz besonderen Vorzug, dass es sich an alle jungen Menschen wendet. Es wendet sich an die jungen Menschen mit Ab

itur, es wendet sich aber genauso an die Menschen, die mit anderen Kompetenzen und nicht mit Abitur dort einmünden. Es wendet sich also auch an diejenigen, die ohne Schulabschluss, mit einfacher und erweiterter Berufsbildungsreife dort einmünden möchten. Wenn wir die gesamte Bandbreite derjenigen, die ins duale System einmünden wollen, in den Blick nehmen, dann haben wir natürlich als Berufsschulen auch eine besondere Verantwortung gerade der Gruppe gegenüber, die erst einmal auch im dualen System weiter zu lernen hat. Das heißt, wir müssen seitens der Schulen dafür werben und daran arbeiten, dass die Sprachförderung besser wird – das ist so, wir müssen dort etwas tun –, wir müssen aber auch dafür werben und daran arbeiten, dass junge Migranten stärker in die berufliche Bildung aufgenommen werden. Wir müssen uns hier mit den Unternehmen ins Benehmen setzen dass sie das verstärkt machen. Das ist eine Gruppe, die sich aus meiner Sicht im dualen System viel zu wenig wiederfindet.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Genau!)

Wir haben als Schulen aber auch die Aufgabe, unsere Beratung zu verbessern. An dieser Stelle bin ich ausgesprochen froh, dass wir jetzt die Jugendberufsagentur haben, denn wir müssen darauf hinweisen, dass man gleich nach einem Schulabschluss in das duale System einmünden kann, und da ist mir die Quote von 11,3 Prozent auch zu niedrig, Herr vom Bruch. Dort haben wir noch Luft nach oben, auch dort können wir im direkten Übergang besser werden. Man muss nur sehen, dass diese Quote – das haben Sie in der Tabelle auch gesehen – bei uns wieder gestiegen ist. Sie war schon auf 9,8 Prozent gefallen, sie ist jetzt wieder gestiegen. Ich glaube, wir sind auf einem richtigen Weg, aber die Beratung muss an der Stelle verbessert werden.

Wir müssen in dem Zusammenhang auch deutlich machen, gerade wenn wir auch Höherqualifizierte in das duale System mit einbinden wollen, dass man mit dem mittleren Schulabschluss, mit der erweiterten Berufsbildungsreife, auch mit der einfachen Berufsbildungsreife und mit Beschäftigungszeiten eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung erwirbt. An der Stelle – und da muss ich Ihnen widersprechen, Frau Vogt – haben wir ein Marketingproblem. Wir müssen die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems viel mehr in den Vordergrund stellen und viel deutlicher machen, dass die duale Berufsausbildung genauso ein Pfad in die Erwerbsarbeit, aber auch in einen akademischen Bildungsweg ist. Da, glaube ich, können wir insgesamt besser werden, da gibt es aber auch ein gemeinsames Interesse an dieser Stelle zu arbeiten.

Jetzt noch einmal zu dem Punkt, ob unser duales System gut ausgestattet ist oder nicht! Die Frage haben wir beantwortet. Wir haben bundesweit mit dem Nachwuchs von Lehrkräften ein Problem. Wir haben

im Land Bremen, glaube ich, einen sehr guten und vernünftigen Weg mit unseren Seiteneinstiegen aufgebaut, das heißt, wir können relativ gut dafür Sorge tragen, dass wir die Fachkräfte, die wir brauchen, rechtzeitig bekommen. Dass die Luft dünn ist, wissen wir, das wissen wir bundesweit, die Konkurrenz ist groß. Deswegen haben wir an dieser Stelle die individuellen Wege entwickelt. Sie werden dafür Sorge tragen, dass wir die Lehrkräfte bekommen, die wir auf lange Sicht brauchen.

Ich kann Ihnen sagen, im Land Bremen spielt die berufliche Bildung eine wichtige Rolle, und ich kann Ihnen auch sagen, daran werden wir weiter arbeiten. Sowohl mit der Bremer Vereinbarung, mit der Jugendberufsagentur, als auch mit der Ausbildungsgarantie, haben wir, glaube ich, richtige Instrumente, um das Berufsbildungssystem noch besser mit dem allgemeinbildenden System zu verknüpfen, damit die berufliche Orientierung zu stärken, um dann dafür Sorge zu tragen, dass dieses System sich gut weiterentwickeln kann. -Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1702, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Bericht des Petitionsausschusses Nr. 34 vom 29. Januar 2015