Protocol of the Session on January 22, 2015

Wer entsprechend dem Wahlvorschlag wählen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) wählt Herrn Dr. Steinbrück in die Funktion des Landesbehindertenbeauftragten.

(Einstimmig – Beifall)

Herzlichen Glückwunsch!

Sehr geehrter Herr Dr. Steinbrück, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen für die kommenden Jahre weiterhin so eine erfolgreiche Arbeit, wie Sie sie bisher geleistet haben. Herzlichen Dank dafür, und alles Gute!

(Beifall)

Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen

Antrag des nicht ständigen Ausschusses nach Artikel 125 der Landesverfassung vom 16. Dezember 2014 (Drucksache 18/1688) 3. Lesung

Die Bürgerschaft (Landtag) hat das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen in ihrer 24. Sitzung am 12. Juli 2012 in erster und in ihrer 72. Sitzung am 17. Dezember 2014 in zweiter Lesung beschlossen. Wir kommen jetzt zur dritten Lesung. Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe als Berichterstatter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine parlamentarische Tradition zumindest bei nicht ständigen Ausschüssen, ist es, dass der jeweilige Ausschussvorsitzende kurz über den Sach- und Streitstand Bericht erstattet. Ich möchte das auch in der gebotenen Kürze mit dem Verweis auf den Ihnen vorliegenden Abschlussbericht des Ausschusses tun. Im Kern hat der Ausschuss drei Komplexe diskutiert. Zum einen hat er sich über die volkswirtschaftliche und finanzwissenschaftliche Sinnhaftigkeit einer Austeritätspolitik ausgetauscht. Zum anderen hat er den Spielraum einer landesverfassungsrechtlichen Regelung zur Begrenzung der kameral zu tragenden Schulden ausgelotet und sich darüber ausgetauscht, wie mit den bremischen Besonderheiten einer staatlichen Schuldenbremse durch die bestehende Realunion zwischen dem Land und der Stadtgemeinde Bremen umzugehen ist. Völlig unabhängig davon, ob man das Prinzip der Austerität auf europäischer oder nationaler Ebene für ein angemessenes, geeignetes und schlüssiges Politikkonzept hält oder nicht, hat die Ausschussmehrheit aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber mit Artikel 109 Grundgesetz bindendes Verfassungsrecht geschaffen hat, welches dieses Prinzip für den Bund und die Länder auch bereits verbindlich einführt. DIE LINKE hält die Regelung des Artikel 109 für verfassungswidriges Recht, dazu wird die Kollegin Frau Vogt mit Sicherheit noch einige Ausführungen machen.

Das ganz überwiegende Ergebnis der durchgeführten Sachverständigenanhörungen war, dass die Schuldenbremse aus Artikel 109 Grundgesetz auch eine abschließende und verbindliche Regelung für die Haushaltsführung der Länder beinhaltet. Soweit der Landesverfassungsgeber eine eigene Norm schaffen will, kann diese nur deklaratorisch den Artikel 109 Grundgesetz übernehmen. Allerdings steht es dem Gesetzgeber zu, diese Regelung zu verschärfen oder mit ergänzenden Regelungen zu versehen. Der Ausschuss hat sich deshalb mit der Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU entschieden, die Regelung des Artikel 109 Grundgesetz wortidentisch in die Bremer Landesverfassung zu übernehmen.

Darüber hinaus bestand Einigkeit, eine denkbare Umgehung über Verschuldungsmöglichkeiten außerhalb des Haushalts auszuschließen. Der Ausschuss hat allerdings in seiner Gesamtheit auch gesehen, dass Bremen als Haushaltsnotlageland insbesondere bei seinen Einnahmen, aber auch bei vielen Ausgaben im Wesentlichen von Entscheidungen des Bundesgesetzgebers abhängig ist. Die zunächst von SPD und Grünen analog der rheinland-pfälzischen Landesverfassung vorgeschlagene Notwehrklausel musste fallen gelassen werden, da diese nicht mit den bindenden Regelungen aus Artikel 109 Grundgesetz zu vereinbaren war. Eine solche Notwehrklausel hätte für den Fall des bundesbedingten Wegfalls von Einnahmen – Stichwort Steuerreduzierungen – eine zeitliche Verschuldungsanpassungsphase vorgesehen, dasselbe gilt bei entsprechenden Ausgabenerhöhungen, die der Bund den Ländern aufbürdet. Dies ist wegen der vorher geschilderten Gründe, dass der Artikel 109 Grundgesetz eine abschließende Regelung enthält, nicht möglich gewesen.

Stattdessen hat der Ausschuss den Weg gewählt, den Senat zu verpflichten, bei seiner Mitwirkung, bei der Mitwirkung Bremens an der Bundesgesetzgebung und den Angelegenheiten der Europäischen Union sein Handeln am Ziel der Einnahmesicherung auszurichten, das heißt, der Senat wird in Zukunft – das hat er sowieso immer zu tun, aber jetzt auch noch einmal verfassungsrechtlich gebunden – sagen, bevor er einer Steuersenkung oder einer Ausgabenerhöhung zustimmt, muss er erst einmal schauen, welche Auswirkungen das für die Einhaltung der Schuldenbremse in Bremen hat.

Der Ausschuss hat ebenfalls beschlossen, die Regelung der staatlichen Schuldenbremse auch für die Haushalte der Kommunen Bremen und Bremerhaven einzuführen. Dies folgt zum einen der bremischen Verfassungstradition, dass die Stadtgemeinde Bremen in personeller und inhaltlicher Realunion zum Land Bremen steht, zum anderen aber auch, dass die bisherigen mit dem Bund vereinbarten Konsolidierungsverpflichtungen gleichermaßen von den Stadtgemeinden und vom Land getragen werden und getragen werden müssen.

Um den Kommunen die Einhaltung der Schuldenbremse zu erleichtern, hat sich Bremen, übrigens als letztes Bundesland, mit eigenen Gemeinden dazu entschlossen, das Konnexitätsprinzip einzuführen. Mit Inkrafttreten der Schuldenbremse zum 1. Januar 2020 müssen dann neue, vom Land eingeführte Aufgaben der Kommunen auch durch das Land angemessen finanziert werden. Die vorliegenden Änderungen werden von der SPD, vom Bündnis 90/Die Grünen und der CDU getragen. DIE LINKE lehnt das aus den beschriebenen grundsätzlichen Erwägungen ab.

Ich möchte abschließend allen Ausschussmitgliedern für den kollegialen, sachlichen und zielgerichteten Diskussionsstil danken. Mein Dank gilt ebenso all denjenigen, die als Sachverständige oder aus der Verwaltung heraus den Diskussionsprozess bereichert haben. Herrn Weiß danke ich für die effiziente Ausschussassistenz. – Ich danke Ihnen für die gewährte Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Land Bremen hat im Jahr 2009 im Bundesrat den Neuregelungen zur staatlichen Schuldenaufnahme im Grundgesetz zugestimmt. Wir übernehmen mit der heutigen Abstimmung diese Regelung, die sogenannte Schuldenbremse, in die bremische Landesverfassung, und zwar in der Form, wie sie das Grundgesetz für die Länder vorsieht. Das ist aus unserer Sicht von hoher politischer Bedeutung und auch eine klare Aussage an unsere Partner in den andern Bundesländern und im Bund, aber der neue Artikel 131 a bis 131 c ist auch ganz rechtspraktisch die notwendige Grundlage für ein bremisches Ausführungsgesetz, das die Bürgerschaft dann in der nächsten Wahlperiode verabschieden wird.

DIE LINKE wird – das will ich jetzt schon sagen – dagegen stimmen, weil die Regelung nicht verfassungskonform sei, so schreibt sie in ihrer Begründung für die Ablehnung. Auf Deutsch soll das wohl heißen, sie sei verfassungswidrig.

Das ist ja immer starker Tobak.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Wenn Sie dieser Meinung sind, dann frage ich mich, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN: Warum hat Ihre Fraktion im Bundestag eigentlich fünf Jahre lang dann nicht das Bundesverfassungsgericht angerufen?

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Weil sie nicht berechtigt sind!)

Wenn in so einer zentralen Frage die Meinung besteht, dass das verfassungswidrig sei, würde ich das erwarten. Ich glaube, es handelt sich bei Ihnen doch mehr um wohlfeile Propaganda als um wirklich rechtspolitisch begründbare Überzeugungen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Sie ist nicht klageberechtigt!)

Sie sagen, dass das im Widerspruch zu den Anforderungen an einen sozialen Rechtsstaat stehen würde, aber es wird, glaube ich, immer Ihr Geheimnis bleiben, wie wir diesen Kernbestand der Rechtsstaatlichkeit in Artikel 1 bis 20 und damit die Bürgerinnen und Bürger besser schützen, wenn wir immer mehr Schulden machen. Das wird Ihr Geheimnis bleiben, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Wir beschließen heute eine Selbstbindung des Parlaments, die schon deswegen, weil es eine Selbstbindung ist, die Haushaltsrechte des Parlaments nicht beschneidet, das ist ja ein anderer Vorwurf. Eine solche Selbstbindung gab es übrigens bisher auch schon mit der Regelung, dass Schulden nur in der Höhe der Investitionen erlaubt sind. Ich habe nicht gehört, dass einmal jemand gesagt hätte, diese Selbstbindung sei verfassungswidrig. Sie war es nicht, und die heutige ist es auch nicht, weil wir sie uns ja selbst auferlegen. Diese Regelung, die ich eben genannt hatte, Investitionen gleich Schulden, hatte über viele Jahre ihre Chance in Deutschland, diese Chance haben wir vertan, und deswegen kommt es jetzt zu einer klareren und strikteren Selbstbindung, die wir uns geben.

Die Schuldenbremse wird ja manchmal in die Schublade Neoliberalismus gesteckt, nach meiner Auffassung ist das ganz und gar falsch. Was wir heute beschließen, ist Keynes, allerdings der ganze und nicht nur der halbe Keynes der sogenannten Keynesianer: Der Staat darf und soll in einer schwierigen Zeit, vor allen Dingen in einer Konjunkturkrise – das schreiben wir in unsere Landesverfassung hinein –, Schulden aufnehmen, um gegen die Krise agieren zu können, um sie nicht noch weiter zu verschärfen, sondern um etwas dagegen unternehmen zu können. Wir sagen ausdrücklich, dass wir diese Regelung wollen. Das ist Keynes.

Der Staat muss aber diese Schulden in guten Zeiten – und das ist der ganze Keynes – dann auch wieder zurückführen, das ist doch der Kern der Sache, denn ein Staat, der von Krise zu Krise immer mehr Schulden aufhäuft, sie aber nie zurückzahlt, ist dann am Ende nicht mehr voll handlungsfähig. Um diese Handlungsfähigkeit ging es Keynes damals aber in dieser schwierigen Situation, und das ist auch der Kern

dessen, was wir heute mit der Schuldenbremse auch wollen, nämlich handlungsfähig zu bleiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist schon vom Kollegen Tschöpe dargelegt worden, dass wir nach der Diskussion mit den eingeladenen Experten zu der Überzeugung gekommen sind, von zusätzlichen Ausnahmetatbeständen, wie es Rheinland-Pfalz formuliert hat, Abstand zu nehmen. Wir Grünen waren offen dafür, das zu prüfen, das schien uns eine Möglichkeit, von vornherein sozusagen nachträgliche Diskussionen, was möglich ist und was nicht, zu klären, aber wir sind davon überzeugt worden, dass das nicht sinnvoll ist, und nach den kritischen Einwänden sind wir auch mit der heute gemeinsamen gefundenen Formulierung sehr einverstanden.

Wir haben auch auf die Debatte reagiert, ob es nicht, wenn man eine Schuldenbremse einführt, auf der anderen Seite auch eine Einnahmesicherung geben muss, und ich darf noch einmal zitieren, was Kollege Tschöpe referiert hat. In Artikel 131 c soll es heißen: „Der Senat ist verpflichtet, bei seiner Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung und in Angelegenheiten der Europäischen Union sein Handeln am Ziel der Einnahmensicherung und der aufgabengerechten Finanzausstattung des Landes und seiner Gemeinden auszurichten.“ Das ist ohnehin die Praxis dieses Senats und der Koalition, aber wir wollen es als Verfassungsgrundsatz hineinschreiben, und wenn man sich die Debatte seit dem Jahr 2009 anschaut, dann wirkt die Schuldenbremse ja auch schon in diese Richtung.

Schauen Sie sich das Schicksal der einzigen Partei an, die nur Steuersenkungen auf ihr Programm geschrieben hatte: Was ist aus dieser Partei geworden? Wie sinnvoll und vernünftig wird die Diskussion über die Weiterführung des Solidaritätszuschlags geführt? Es gibt zwar Streit darüber und verschiedene Vorschläge, wofür man ihn verwenden soll, aber dass er notwendig ist angesichts der Anforderungen für das Jahr 2020, stellt doch niemand mehr ernsthaft infrage. Also die Debatte um Steuern hat sich dadurch verändert, nach unserer Auffassung zwar nicht ausreichend, da muss noch mehr gemacht werden, aber schon in die richtige Richtung, und das ist eine vernünftige Wirkung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Am Ende der Ausschussarbeit haben wir dann noch das Problem erörtert, ob die Bestimmungen der Schuldenbegrenzung ab dem Jahr 2020 auch entsprechend für die beiden Kommunen Bremerhaven und Bremen gelten sollen, genauso, wie es jetzt schon bei der Vereinbarung bis zum Jahr 2019 ist. Wir sprechen uns ganz klar und eindeutig dafür aus, wir zwischen dem

Land und der Stadt Bremen ohnehin verfassungsrechtlich eine Realunion haben, und im Verhältnis zwischen uns und dem Bund agiert das Land ohnehin immer als Einheit mit beiden Städten, und wir werden von den Verhandlungspartnern auch immer so angesehen.

Wir haben es in den Debatten aber so verstanden, dass die Seestadt Bremerhaven ab dem Jahr 2020 in ihren Entscheidungen dann vielleicht noch abhängiger von den Entscheidungen anderer, also des Bundes und des Landes, sein wird. Deswegen haben wir im neuen Artikel 146 Landesverfassung ausdrücklich den Grundsatz formuliert, dass sich die Finanzausstattung der Kommunen nach den ihnen übertragenen Aufgaben richten muss. Wie diese Regelung dann funktioniert, müssen wir dann noch genauer in den kommenden Jahren in dem Ausführungsgesetz formulieren.

Ich möchte dabei aber heute schon zu bedenken geben, dass das Verhältnis zwischen dem Land Bremen und der Stadt Bremerhaven nach meiner Wahrnehmung heute weitgehend partnerschaftlich ausgestaltet ist und auf Verhandlungen beruht – Stichwort freieste Kommune Deutschlands – und je mehr wir engmaschig in Rechtsvorschriften regeln, desto näher rücken wir dann zwangsläufig dem Thema Kommunalaufsicht. Wir Grünen möchten gern grundsätzlich beim partnerschaftlichen Verhältnis zwischen dem Land und beiden Kommunen bleiben, und dafür, glaube ich, ist die vorgeschlagene Formulierung des neuen Artikels 146 Landesverfassung eine gute Grundlage.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen wird für die Änderung der Landesverfassung stimmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den geflügelten Worten „gut Ding will Weile haben“ könnte man ja heute einen Schlussstrich unter diese Debatte ziehen, die auf Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion ja bereits im Jahr 2010 ihren Anfang genommen hat. Damals hatte die CDU-Bürgerschaftsfraktion hier im Parlament beantragt, ein Neuverschuldungsverbot in die Landesverfassung aufzunehmen, damals haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen dies in der ersten Debatte darüber noch aus ganz unterschiedlichen Erwägungen komplett abgelehnt. Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir mit der Diskussion erneut begonnen, und am Ende steht jetzt

ein Vorschlag zur Änderung der Landesverfassung, der zu 99 Prozent dem ursprünglichen Antrag der CDU-Fraktion entspricht.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist ja höhere Mathematik, Herr Rö- wekamp!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen, dass wir unserer eigenen Initiative heute selbstverständlich uneingeschränkt unsere Zustimmung erteilen.