Protocol of the Session on January 21, 2015

Es besteht die Situation, dass viele Eltern über

fordert sind, nicht alle, die überwiegende Mehrheit macht es gut und richtig, darüber freue ich mich auch, aber es gibt eben doch viele Probleme, weil es schon bei der Erziehung von Kindern hapert. Weil das so ist – dafür kämpfen meine Fraktion und ich jedenfalls –, müssen in den Stadtteilen, wo diese Probleme am größten sind, Bildungs- und Famili enzentren aufgebaut werden, und die Kitas müssen Aufgaben übernehmen, die sie sowieso schon haben, unter Berücksichtigung der Besonderheit in diesen Stadtteilen den Eltern dabei zu helfen, ihre Kinder vernünftig zu erziehen. Das ist übrigens auch sozial politisch eine wichtige und richtige Maßnahme, die aber letzten Endes auch hilft, Armut zu reduzieren, weil die Menschen eine Chance bekommen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir pers

pektivisch darüber nachdenken müssen, die Grund schulen in jenen Stadtteilen, die man ja kennt, besser auszustatten. Grundschullehrer sind teilweise an der Grenze dessen, was sie leisten können, weil die Schwierigkeiten – ich nenne einmal Verhal tensstörungen, die in dem Bereich eine große Rolle spielen – deutlich zunehmen. Man kann nicht so tun, als ob man das mit dem gleichen Personal und den

gleichen Kräften wie vor zehn oder fünfzehn Jahren hinbekommen könnte. Das Gleiche gilt für die Kitas in diesen Stadtteilen. Wir müssen eine vernünftige Ausstattung erreichen, damit die Mitarbeiter, die Er zieher, die Pädagogen und Psychologen in der Lage sind, ihre Arbeit vernünftig machen zu können. Dort sehe ich Handlungsbedarf, ich habe gelegentlich das Gefühl, dass wir uns bemühen müssen, in dem Bereich besser zu werden.

Im Übrigen ist aus dem Armutsbericht herauszu

lesen, das ergibt sich auch aus den Diskussionen in den Armutsausschüssen und -konferenzen, dass herausgefunden werden muss, welche Maßnahmen tatsächlich helfen können, Armut zu bekämpfen.

Wenn wir auf die Frage, wie verfestigte Lang

zeitarbeitslosigkeit aufgelöst werden kann, eine sozialpolitische Antwort finden sollen, dann können wir lange suchen. Das ist eine arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Frage. Da muss sich aus meiner Sicht die Wirtschaft – und die ist Gott sei Dank in den Diskussionen in den Armutsausschüssen auch im Rathaus beteiligt – ganz intensiv Gedanken darüber machen, wie sie ihren Beitrag dazu leisten kann. Das sage ich deshalb, weil ich ganz fest davon überzeugt bin, dass sich durch die Armutsentwicklung und durch die soziale Schieflage das politische Koordinatensys tem nach rechts verschiebt. Es verschiebt sich nach rechts und nicht nach links! Früher hat man immer gedacht, dass es automatisch irgendwann zu einer Linkstendenz führen würde, aber das ist nicht so.

Die Unzufriedenheit bei den Demonstrationen in

Dresden oder Leipzig und anderswo hat auch genau damit zu tun, dass für viele die Karriereerwartungen und Aufstiegschancen nicht mehr so realisiert wer den können, wie es vielleicht einstmals möglich war. Das führt zu einer ziemlichen dumpfen und, wie ich finde, auch nicht klugen Einschätzung der eigenen Lebenslage. Menschen, die dort demonstrieren, sind erst einmal ziemlich unglückliche Menschen. Man muss sich nur die Gesichter derjenigen anschauen, sie haben einen verschlossenen und, wie ich finde, gelegentlich hasserfüllten Gesichtsausdruck. Diese Menschen verlieren wir, wenn wir nicht darauf ach ten, dass die Gesellschaft insgesamt zusammenbleibt und gerechter wird, und dafür zu kämpfen lohnt sich allemal!

Meiner Meinung nach, gehen die Ansätze des

Senats in die richtige Richtung. Ich behaupte nicht, dass wir alles erreicht hätten, dass alles gut ist und es nichts zu diskutieren gibt, Frau Vogt, beileibe nicht! Es gibt noch viel Arbeit, aber man muss dann auch die Fragen stellen, die vielleicht dazu führen, Lösungen zu finden.

Bei unseren Bemühungen, die Teilhabe zu orga

nisieren, gerade im Bereich der Sozialpolitik, war die blaue Karte ebenso hilfreich wie das Vorhaben, dass jetzt der Bremen-Pass kommen soll. Es gibt ei niges, was getan wurde und hilfreich ist, lösen kann

es das Problem aber nicht, jedenfalls nicht einfach aus der Sozialpolitik heraus! – Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Prä

sident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte nimmt genau den Verlauf, den ich vorhergesagt und auch befürchtet habe. Statt sich auf die Fragen zu konzentrieren, welchen Erfolg die Politik der rot-grünen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen eigentlich bei der Armutsbe kämpfung hat, führen wir hier eine Debatte darüber, ob die Wirtschaft ihrer Verantwortung gerecht ge worden sei, und es wird der Ruf nach Umverteilung zwischen Arm und Reich laut. Bremen und Bremer haven haben kein Problem mit Reichtum, Bremen und Bremerhaven haben ein Problem mit Armut, darüber möchten wir mit Ihnen debattieren!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Das hängt aber zusammen, Herr Röwekamp!)

Die Eltern reicher Kinder haben kein Problem damit, ihren Kindern einen ihren Begabungen, Leistungen und Fähigkeiten entsprechenden Schulabschluss zu organisieren.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Die Kinder reicher Eltern haben kein Problem

damit, einen Berufsabschluss zu erreichen, die Kin der reicher Eltern haben den Zugang zu dem, was Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen betrifft. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir diesen Zugang auch Kindern zukommen lassen können, die eben nicht in bildungsaffinen und reichen Familien auf wachsen, sondern von Armut betroffen sind! Darum muss sich doch die Debatte über den Armutsbericht kümmern, sie soll keinen Sozialneid schüren, sie soll Lösungen für die Kinder bieten, die nicht in den Genuss von gerechten Bildungschancen kommen!

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist ehrlicherweise eine Umverteilungs debatte auch überhaupt nicht die richtige Antwort.

Ich will mich auch gar nicht in das Ablenkungs

manöver begeben zu fragen, Herr Möhle, hat die Wirtschaft eigentlich genug Arbeitsplätze zur Ver fügung gestellt? Ich sage: ja! Es hat in den letzten Jahren in Bremen eine Vielzahl von neuen auch sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen ge

geben, aber sie haben das Problem der Armut nicht beseitigt, weil es dieser Regierung nicht gelungen ist, die Menschen, die langzeitarbeitslos sind, für die neuen Beschäftigungsangebote zu qualifizieren. Dass diese Menschen immer noch in der Arbeitslo senstatistik sind, liegt nicht in der Verantwortung der Wirtschaft, meine Damen und Herren, sondern das ist das Ergebnis des politischen Fehlverhaltens dieses Senats! Das ist die Wahrheit des Armuts- und Reichtumsberichts!

(Beifall bei der CDU)

Politischer Erfolg bemisst sich auch nicht daran,

was man getan hat, meine sehr verehrten Damen und Herren! Politischer Erfolg bemisst sich daran, was man erreicht hat. Nun schauen wir uns ein mal an, was Sie den Menschen 2007 und 2011 bei Abschluss der Regierungsvereinbarungen und der Koalitionsverträge versprochen haben. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag von Rot-Grün aus 2007: „Die zunehmende Armut in vielen unserer Stadtteile bedroht das soziale Gefüge. Hier werden wir alle Möglichkeiten nutzen, um dieser Entwicklung entge genzutreten. Die Zukunfts- und Entwicklungschancen der Kinder dürfen nicht von der sozialen Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern abhängig sein“.

Das war Ihr Versprechen an Ihre Wählerinnen

und Wähler und an alle Menschen in Bremen und Bremerhaven. Welchen politischen Erfolg haben Sie eigentlich gemessen an diesem Versprechen erzielt? Wir wissen zwischenzeitlich, dass nirgendwo in Deutschland die Herkunft der Eltern so sehr über den Bildungserfolg der Kinder entscheidet wie in Bremen. Nirgendwo in Deutschland haben Kinder aus sozialschwachen Verhältnissen schwierigere Voraussetzungen dafür, einen Bildungsabschluss zu bekommen. Nirgendwo in Deutschland geht es Kindern aus bildungsfernen Schichten schlechter als in Bremen, meine Damen und Herren! Das ist das Ergebnis Ihrer achtjährigen rot-grünen Politik hier in Bremen und Bremerhaven. Sie haben auf der ganzen Linie versagt, und das ist die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben versprochen, arbeitsmarktpolitische

Maßnahmen stärker auf die Zielgruppen zu kon zentrieren, die besondere Unterstützung brauchen, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Was lesen wir im Armuts- und Reichtumsbericht des Senats, siebeneinhalb Jahre nach Abgabe dieses Verspre chens? Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Arbeitslosigkeit ist unverändert mit 60 Prozent der höchste in der ganzen Bundesrepublik Deutschland, und er hat sich seit 2007, seit Abgabe Ihres Verspre chens, nicht gebessert. Er ist sogar noch schlimmer geworden, meine Damen und Herren! Langzeitar beitslosigkeit ist immer noch das größte Armutsrisiko, das wir in Bremen und Bremerhaven haben, auch

wenn Sie den Menschen vor sieben Jahren das Gegenteil versprochen haben. Nichts von dem, was Sie gemacht haben, hat den Langzeitarbeitslosen in Bremen und Bremerhaven geholfen! Niemand von denen hat einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Das ist das Ergebnis Ihrer rot-grünen Sozialpolitik nach sieben Jahren!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben den Menschen 2011 versprochen, dass

Sie sich beispielsweise auf diejenigen konzentrie ren wollen, die als kinderreiche Familien oder als Alleinerziehende besonders armutsgefährdet sind. Was sagt der Armutsbericht des Senats aus? Nir gendwo in Deutschland sind Kinder ein so hohes Armutsrisiko wie in Bremen. Was ist das eigentlich für eine Botschaft für die Gesellschaft? Kinder sind in Bremen gleichbedeutend mit Armutsgefährdung, meine Damen und Herren! Das ist das Ergebnis Ihrer Politik nach sieben Jahren rot-grüner Regierung, nach sieben Jahren des Versprechens. Sie wollten die Schere zwischen Armen und Reichen schließen, Sie haben die Lage der Armen in Bremen aber nicht verbessert, Sie haben sie verschlimmert. Dieser Ar muts- und Reichtumsbericht ist die Bankrotterklärung der Sozialpolitik dieses Senats.

(Beifall bei der CDU)

Als der Bürgermeister letztes Jahr in seiner Neu

jahrsansprache den Menschen in Bremen und Bre merhaven erneut das Versprechen gegeben hat, die Armutsbekämpfung zum Hauptanliegen seiner persönlichen Politik zu machen, da haben wir alle gedacht, jetzt kommt es zu einer Aufbruchsstim mung, jetzt wird wirklich etwas erreicht, jetzt wird das Thema zur Chefsache. Nach einem Jahr, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist festzustellen, dass es viele Anhörungen, viele Gespräche, viele Sit zungen, viele Arbeitskreise gegeben hat, aber es hat noch keine einzige Verbesserung für die Menschen gegeben, die in Armut in Bremen und Bremerhaven leben. Nicht eine einzige, nicht einem geht es besser als vor einem Jahr! Das passiert, nachdem der Bür germeister etwas zur Chefsache erklärt hat.

Nun könnte man ja zynisch sein und sagen, zum

Glück hat er noch nicht mehr Angelegenheiten zur Chefsache erklärt, ansonsten hätten wir in vielen anderen Bereichen genauso katastrophale Ergebnisse. Nein, meine Damen und Herren, das sage ich nicht! Mich treibt es um, dass außer Lippenbekenntnissen zu dem Thema „Wir wollen die Schere schließen und den Armen helfen“ in Bremen sieben Jahre lang nichts passiert ist. Das ist eine Bankrotterklärung für eine rot-grüne Landesregierung, meine Damen und Herren, und das muss an dieser Stelle gesagt werden!

(Beifall bei der CDU)

Wenn der Bürgermeister in seiner diesjährigen