Protocol of the Session on December 18, 2014

Fazit: Es gibt keine wirksame Überprüfung der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, der Prozessund der Strukturqualität. Aus welchen Gründen diese Punkte so wichtig sind, möchte ich noch einmal kurz anhand von zwei Beispielen aus der Praxis, die sich mir in den letzten Jahren dargeboten haben, verdeutlichen.

Einem Kind wurde ein Marmeladenglas als Sammelbecher für Insekten für das Außengelände mitgegeben, mit der Bitte, dieses nur auf dem Rasen und nicht auf den Steinen zu benutzen. Es handelte sich um ein bald schulpflichtiges Kind im Alter von fünf Jahren und ein paar Monaten. Leider stürzte das Kind in das Marmeladenglas, wie es denn so passiert, und hatte das komplette Knie voller Glassplitter. Die Mutter wurde informiert und gebeten, das Kind abzuholen und zum Notarzt zu bringen. Da sie leider über kein Fahr-zeug verfügte, wurde ihr als Transportmittel – sie ist eine fünffache Mutter, die Transferleistungsbezüge bekommt – ein Bollerwagen angeboten; ein Taxi hätte sie sich nämlich nicht leisten können. Letztlich ergab, nachdem sich die Eltern an mich gewandt haben, meine Intervention, dass die Vorschriften der Unfallkasse sowie die Taxigutscheine, die natürlich kostenlos in solchen Fällen zur Verfügung gestellt werden, nicht im Kindergarten bekannt waren und auch die Inhalte der Unfallfortbildungen, die vor Kurzem in diesem Kindergarten erfolgt waren, nicht vermittelt worden sind.

In einem zweiten Fall wendete sich eine befreundete Familie an mich, weil in ihrer Schwerpunkt-Kita – das sind die Kitas, die Kinder mit besonderem zusätzlichen Förderbedarf betreuen, bei denen das Gesundheitsamt eine Entwicklungsverzögerung festgestellt hat – ständig, manchmal alle zwei Wochen, das Personal wechselte und keine Auskunft an die Eltern erteilt wurde, wer denn gerade ihre Kinder betreute. Bei meinen Recherchen, die ich übrigens auch der Behörde gemeldet habe,

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Oh!)

wurde offenbar, dass in dieser Kita mit einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet wurde. Die Zeitarbeitskräfte wurden ständig aufgrund mangelnder Zufriedenheit mit der geleisteten Arbeit ersetzt. Die Auswirkungen waren, und hier geht es um das eigentlich Fatale, dass eines dieser Kinder, das in diesem großen Kindergarten war, sich in psychiatrische Behandlung begeben musste, andere Kinder den ganzen Tag eingenässt herumliefen und mit wundem Po zu Hause in der Nacht nicht schlafen konnten, Kinder ihre vollen Brotdosen wieder mit nach Hause brachten, weil kein Erzieher die Einnahme des Frühstücks überwachte; es gab schließlich ein offenes Frühstückskonzept.

Das sind Beispiele aus der Praxis, zu denen ich Ihnen unter vier Augen natürlich auch die Einrichtungen benennen kann, die ganz klar aufzeigen, dass wir Defizite haben. Mehrere Eltern nahmen ihre Kinder üb

rigens später aus diesem Kindergarten heraus. Es war eine Kita, die nicht in einem sozialen Brennpunkt liegt, sondern sich in einem sehr gut situierten Stadtteil befindet.

Diese von mir beliebig verlängerbare Liste

(Glocke)

ich komme gleich zum Schluss –, ich könnte Ihnen an dieser Stelle noch mehrere Beispiele nennen, hat uns dazu gebracht zu sagen, dass wir einen Kita-TÜV brauchen, der solche strukturellen Defizite erkennt und behebt.

Bisher geschieht es so, dass Eltern sich über den sogenannten Buschfunk in den jeweiligen Stadtteilen gegenseitig mitteilen, welche Kita in ihrem Stadtteil gut ist und welche man besser nicht besuchen sollte. Wir wollen, dass dies auf objektive Kriterien zurückgeführt wird, denn ein schlechter Ruf lässt sich natürlich auch kaum wieder verbessern, auch wenn er in der Zukunft nicht mehr gerechtfertigt ist. Deswegen brauchen wir objektive, klar nachvollziehbare Kriterien, die extern evaluiert werden

(Glocke)

ich komme zum letzten Satz –, damit wir den Eltern aber auch den Einrichtungen an der Stelle helfen, sich gegenüber ungerechtfertigten Vorwürfen vernünftig zur Wehr setzen zu können.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie den Antrag der CDU unterstützen würden. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren den Antrag, Qualität für Eltern sichtbar machen: Kita-TÜV einführen. Kita-TÜV, Technischer Überwachungsverein! Ehrlich gesagt, passt das aus meiner Sicht schon begrifflich überhaupt nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der Glaube, dass man ähnlich wie ein TÜV Kitas bewerten kann, in Gottes Namen, wie soll das denn eigentlich funktionieren? Es gibt Leistungsbeschreibungen, jeder der eine Kita betreiben möchte, muss eine Betriebserlaubnis aufweisen, wir haben unendlich viele Kontrollinstrumente.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Bei Pflege- heimen gibt es das auch!)

Man schafft aber überhaupt keine objektive Beurteilung der einzelnen Einrichtungen, das halte ich für ziemlichen Unsinn. Wir versuchen, dass die Qualitätsstandards flächendeckend in allen Kitas hochwertig sind, darum bemüht sich das Ressort, darum bemühen wir uns.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich finde, dass wir da schon ein riesiges Stück weitergekommen sind. Wenn ich mir die Geschichte mit dem Marmeladenglas anhöre – –. Ich weiß nicht, wie oft ich als kleiner Junge hingefallen bin, mir blutige Wunden zugezogen habe. War das aufgrund einer schlechten Erziehung? Nein, Unfälle kommen immer vor, das ist bedauerlich. Ich weiß auch, dass es einige Erzieherinnen gibt, die vielleicht nicht so richtig mit den Kindern zurechtkommen, auch das ist bedauerlich, aber das entscheidende Kriterium, ob Kindererziehung in der Kita funktioniert oder nicht, ist, ob die Erzieherinnen und Erzieher in der Lage sind, eine Bindung zu den Kindern herzustellen. Das ist das Entscheidende!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der nächste Punkt ist, ob es den Erzieherinnen und Erziehern gelingt, Lernen und Spaß zu verbinden. Ich habe manchmal das Gefühl – das habe ich hier im Haus auch schon gesagt –, dass wir mit der vorschulischen Bildung in den Kitas vielleicht manchmal ein bisschen über das Ziel hinausschießen. Ich habe irgendwann einmal gesagt, lasst die Kinder doch auch einfach einmal spielen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ich weiß, dass man für einen solchen Satz nicht immer Applaus bekommt.

(Zurufe der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen: Doch, doch! – Abg. Frau B ö - s c h e n [SPD]: Nicht immer, aber heute!)

Man bekommt immer Applaus, in Ordnung! Ich glaube, das ist die Wahrheit. Forscherecken in den Kitas sind schön und gut, aber wenn es den Kindern keinen Spaß macht, nützt die Forscherecke gar nichts, sondern man muss die Kinder mit Spaß an die Forscherfragen heranführen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist das entscheidende Kriterium, und nicht irgendwelche wie auch immer gearteten TÜV-Bewertungen.

(Abg. S c h m i d t m a n n [Bündnis 90/Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischen- frage. – Glocke)

Herr Kollege Möhle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidtmann?

Nein, ich möchte meine Rede jetzt zu Ende bringen. Der Kollege Dr. Schlenker hat mir gesagt, dass er gleich noch etwas über Hamburg sagen möchte, weil sie dort so etwas in der Art haben, deswegen erspare ich mir das jetzt.

Ich glaube, wenn wir über solche Fragen diskutieren, müssten wir uns viel eher überlegen, was eigentlich in Zukunft auf die Kitas zukommt. Die Herausforderungen sind relativ schwierig. In einigen Stadtteilen sind das klassische Modell KiTa Bremen oder die Kita insgesamt einfach nicht mehr tragbar. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die zusätzlichen Aufgaben in sozial schwierigen Stadtteilen zukünftig organisieren, und dann sind wir bei den Familienzentren. Aus meiner Sicht sollten wir viel eher darüber diskutieren und nachdenken, wo eigentlich die Zukunft der Kitas hinführt, als einen Kita-TÜV einzuführen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Zweites finde ich auch richtig übel, dass man mit solch einer Forderung nach einem Kita-TÜV so tut, als könne man objektiv bewerten. Des Weiteren bringt man dann, wenn man sagt, das ist eine gute, eine schlechte oder eine mittelmäßige Kita, die Einrichtungen gegeneinander auf. Das finde ich überhaupt nicht in Ordnung, sondern ich möchte, dass wir eine Kita-Landschaft haben, wo man ein Kind ruhigen Gewissens in jede Kita bringen kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, dass das auch zu erreichen ist und dass man, wenn man jetzt so vorgibt, als gäbe es keine Diskussionen über die Qualität – –. Meine Güte, ich bin auch im Betriebsausschuss von KiTa Bremen vertreten, dort wird oft darüber nachgedacht, wie man die Qualität verbessern kann. Wenn man mit Herrn Dr. Schlepper von der Bremischen Evangelischen Kirche spricht, stellt man fest, wie sehr sie darüber nachdenken, wie sie die Qualität positiv verändern können. Natürlich ist die Frage der Qualität sehr wichtig, aber sie ist nicht einfach messbar, sondern da muss man eine Diskussion führen und schauen, wie man das schaffen kann. Es wäre ebenfalls schön, wenn in den Kitas mehr Männer arbeiten würden, auch das haben wir hier schon häufiger gesagt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das wäre nämlich auch ein Kriterium. Dann muss man aber den Erzieherberuf auch aufwerten und über die Bezahlung und das Image nachdenken, das sind dann alles Aspekte, die vielleicht mit der Qualität zu tun haben, die man aber politisch entscheiden und begleiten muss und die nicht durch einen TÜV, oder wie auch immer geartet, aufklärbar sind.

Wir lehnen den Antrag aus diesen von mir, wie ich finde beziehungsweise hoffe, überzeugend dargelegten Gründen ab.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage noch einmal, wir haben eine gewaltige Aufgabe vor uns, und ich denke, dass wir gar nicht so schlecht dastehen. Dass es einzelne problematische Fälle gibt – auch in der Altenpflege –, will ich nicht abstreiten; das gibt es überall, weil einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Tätigkeit schlicht und einfach nicht können.

Aber was ich an dieser Stelle zumindest noch erwähnen will, ist, dass die allermeisten Erzieherinnen einen richtig guten Job in den Einrichtungen machen. Dafür sollte man sich schlicht auch einmal bedanken.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Tuncel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bremer CDU hat im Kita-Bereich anders als in einigen anderen Bereichen schon einmal gute Ideen. Der Vorschlag mit dem Kita-TÜV gehört aber nicht dazu.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die CDU fordert, dass die Qualität der Kitas überprüft werden soll. Die CDU stellt sich das durch unangekündigte Begehungen vor. Es gibt Bereiche, da machen unangekündigte Kontrollen Sinn, beim Zoll zum Beispiel. Beim Warenhandel findet vieles unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Da bleibt Schmuggel unentdeckt, wenn es keine Kontrolle gibt. Warum solche Instrumente auch bei Kitas nötig sein sollen, ist mir absolut schleierhaft. Kitas sind quasi öffentliche Einrichtungen. Allein dadurch gibt es gewissermaßen eine Kontrolle.