Diese Überweisungen waren in der humanitären Sprechstunde in Bremen und Bremerhaven häufig nötig, wie die Zahlen zeigen. In Bremen gab es 2013 bei 161 Personen, die die Humanitäre Sprechstunde aufsuchten, 83 Überweisungen an Fachärzte, in Bremerhaven liegt die Zahl sogar um ein Beträchtliches höher. Wir haben uns ein bisschen gewundert. In der Antwort des Senats heißt es, 2013 haben 321 Personen die Humanitäre Sprechstunde aufgesucht, davon gab es 328 Überweisungen an Fachärzte. Das kann man sich nur damit erklären, dass mehrfach Fachärztebesuche von ein und derselben Person nötig waren.
Insgesamt zeigt die Antwort des Senats auch, dass die Zahlen derjenigen, die die Humanitäre Sprechstunde aufsuchen, in beiden Stadtgemeinden steigen.
Daraus kann man einfach zwei Rückschlüsse ziehen, es gibt einen höheren Bedarf an Gesundheitsversorgung für Papierlose, und der große Anteil von Überweisungen zeigt auch den hohen Bedarf an fachärztlicher Behandlung. Ein Großteil der Personen benötigt also die fachärztliche Behandlung.
Schauen wir uns die Praxis an: Zeitweise hat die humanitäre Sprechstunde den Fachärzten, an die sie die Patienten überwiesen hat, ausgehandelte Entschädigungen überwiesen. Das findet jetzt nicht mehr statt. Jetzt ist die humanitäre Sprechstunde darauf angewiesen, dass Ärztinnen und Ärzte unentgeltlich behandeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Inanspruchnahme unentgeltlicher Angebote kann unseres Erachtens im Einzelfall eine Lösung sein, aber wir sind der Meinung, dass eine dauerhafte und flächendeckende Inanspruchnahme ehrenamtlicher Dienstleistungen keine Lösung ist, denn – das habe ich eingangs schon gesagt – Gesundheitsversorgung ist ein Grundrecht.
Das Asylbewerberleistungsgesetz gibt es auch her, Papierloser Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen. Nach Paragraf 1 AsylbLG sind die Personen, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten, anspruchsberechtigt, und Absatz 1 Ziffer 5 spricht dieses Recht auch denjenigen zu, die vollziehbar ausreisepflichtig sind Dazu gehören eben auch Menschen ohne Aufenthaltspapiere. Die Gesundheitsversorgung Papierloser ist also keine freiwillige Leistung, sondern eigentlich eine staatliche Pflichtaufgabe.
Die Einrichtung der humanitären Sprechstunden in Bremen und Bremerhaven war ein guter Anfang, den wir hier auch zu schätzen wissen. Der steigende Bedarf stellt die humanitären Sprechstunden aber vor die Situation, zunehmend auf die Bereitschaft zur kostenlosen Behandlung durch Fachärzte angewiesen zu sein, und es kommt durchaus vor, dass Engpässe bei der fachärztlichen Versorgung entstehen. Besonders Kinderärzte, Gynäkologen und Psychologen fehlen. Das kann dauerhaft so nicht aufrechterhalten werden.
Aus Sicht der LINKEN wäre es die beste Lösung, wenn die humanitäre Sprechstunde anonyme Krankenscheine vergeben würde. Die ärztliche Sprechstunde in der Zentralen Aufnahmestelle, in der ZASt, arbeitet mit Krankenscheinen, solange die Krankenkassenkarte noch nicht vorliegt. Unsere Anfrage nach einer möglichen Erteilung von Krankenscheinen auch an Papierlose hat der Senat verneint. Nach der Begründung des Senats sei es nicht möglich, Papierlosen einen Krankenschein zu erteilen, weil sie im Gegensatz zu Asylsuchenden keinen Aufenthaltsstatus hätten.
Interessanterweise hat der niedersächsische Landtag aber im Juni dieses Jahres beschlossen, den anonymen Krankenschein auch für Papierlose einzuführen. Er soll in der Vergabestelle, die wie die humanitären Sprechstunden in Bremen und Bremerhaven aufgebaut ist, geprüft und vergeben werden. Die Abrechnung erfolgt dann anonym über einen Fonds, die Kosten trägt das Land, oder wenn möglich, die Krankenversicherung. Eine mögliche Rechtsgrundlage hierfür bietet Paragraf 264 SGB V. Darin ist nämlich geregelt, dass die Krankenkasse für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, (Glocke)
Ich frage mich also, wenn es in anderen Bundesländern funktioniert – und damit komme ich vorerst zum Schluss –, warum das in Bremen nicht funktionieren kann. Die Minimallösung wäre auch hier möglich, nämlich Vereinbarungen mit den kassen- und zahnärztlichen Vereinigungen zu treffen, so hätten die behandelnden Ärzte eine Grundlage, und die humanitäre Sprechstunde müsste nicht jeweils neu verhandeln. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Frau Vogt eben schon deutlich gemacht hat, ist der ungehinderte Zugang zum Gesundheitswesen ein Grundrecht. Auch wenn einige Personen einen nach wie vor erschwerten Zugang haben, wird in Bremen doch in dieser Hinsicht einiges Gutes getan, und das freut mich.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle vor allem bei den vielen Ärztinnen und Ärzten, die ihre Arbeit auch kostenlos anbieten! Ohne sie würde dieses System der humanitären Sprechstunde nicht aufrechterhalten werden können.
Auch im Bereich der psychologischen und therapeutischen Beratung der Flüchtlinge sind wir auf viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer angewiesen und vor allem auch auf die Spenden, die sie eintreiben, um dieses System aufrechtzuerhalten. Wie wir wissen, ist Refugio die einzige Anlaufstelle in ganz Nordwestdeutschland, und sie ist vor allem die einzige kostenlose Stelle, um eine therapeutische Behandlung für Flüchtlinge zu bekommen. Ich denke, über Refugio müssen wir keine zwei Sätze verlieren, Refugio ist ein unverzichtbarer Teil Bremens.
Doch auch die ehrenamtliche Arbeit von Refugio stößt schon seit Jahren an Grenzen, es besteht Überlastung, und es können jetzt leider nur noch besonders schwere Fälle übernommen werden. Es ist zwar zu begrüßen, dass der Senat hier die institutionelle Förderung mit 25 000 Euro aufgestockt hat, aber auch das ist ehrlicherweise nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, vor allem vor dem Hintergrund der wachsenden Flüchtlingszahlen. So ist es leider auch nicht verwunderlich, dass Menschen laut Antwort des Senats vier bis sechs Monate auf einen Therapieplatz warten müssen. Das ist gerade bei schwer traumatisierten Menschen viel zu lang, meine Damen und Herren! (Beifall bei der CDU)
Der Senat muss daher gerade den Menschen, die im Ehrenamt dieses ganze System aufopferungsvoll am Leben erhalten, unter die Arme greifen. Bei Ihrer Antwort ist mir diesbezüglich Folgendes aufge
fallen: Gleich unter Frage 1 wird nach den Besucherzahlen gefragt, dort fällt vor allem auf, dass die Zahlen in Bremerhaven für das Jahr 2013 doppelt so hoch wie in Bremen waren. Wir haben in der Deputation für Gesundheit den Leistungsbericht des Gesundheitsamtes Bremerhaven bekommen, darin steht: Eine vom Amt gewünschte und bedarfsorientierte personelle Anpassung konnte nicht umgesetzt werden. Im Vergleich dazu wurden aber in Bremen die personellen Mittel bewilligt. Für mich deutet das darauf hin, dass wir in Bremerhaven beim Gesundheitsamt enorme Schwierigkeiten haben, wir kennen das ja auch schon aus einem anderen Bereich, nämlich dem Kinder- und Jugenddienst. Ich denke, dass wir uns nicht einfach hinstellen und sagen können, das sei Bremerhaven. Wir sind ein Bundesland, und die gesundheitliche Versorgung Bremerhavens ist auch unsere Aufgabe, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU und bei der LINKEN – Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Das ist ja eine tolle Erkenntnis!)
Ich habe noch eine Verständnisfrage zu Punkt 10. Auf die Frage nach den Kapazitäten bei den ärztlichen Sprechstunden in der ZASt antwortet der Senat: „Angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen werden die Kapazitäten der ärztlichen Sprechstunden bedarfsgerecht erweitert.“ Mehr steht dort nicht. Wenn wir uns die aktuelle Senatsvorlage vom 9. Dezember anschauen, Gesamtkonzept zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, dann steht dort aber, dass man sowohl kompensatorische als auch personelle Aufstockungen machen möchte, nämlich in Form von zwei befristeten Arztstellen und einer medizinischen Fachangestellten.
Vier sogar! In Ordnung, im Senatsbericht stehen nur zwei! Das sind jedenfalls Informationen, die in der aktuellen Vorlage so nicht enthalten sind. Das verwundert, deswegen möchte ich vor diesem Hintergrund gern wissen, ob und wie viele Menschen nun beim Gesundheitsamt eingestellt werden und wie die Kapazitäten beim Gesundheitsamt aktuell aussehen, ob sie an ihre Grenzen stoßen oder diese bereits überschritten worden sind. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, dass es in unserer humanitären Verantwortung liegt, Flüchtlingen und Asylsuchenden eine würdige Unterbringung und Versorgung zu gewährleisten. In Bremen und Bremerhaven ist die Gleichbehandlung von Flüchtlingen und Einwanderern in der Gesundheitsversorgung sichergestellt. Mit der Einführung der Versichertenkarte im Land Bremen hat sich die gesundheitliche Versorgung verbessert.
Die Berechtigten können bei Bedarf ambulante und stationäre Behandlungen in Anspruch nehmen. Damit wird die Bürokratie abgebaut und hohe soziale Folgekosten durch die Behandlung von nicht frühzeitig behandelten chronischen Krankheiten können vermieden werden. Auch die Antwort des Senats zeigt, dass das Bremer Modell zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden ein Erfolg ist, und die Übernahme des Bremer Modells wird derzeit in verschiedenen Bundesländern stärker diskutiert.
Es ist richtig, die Krankheit kennt keinen Status. Unabhängig vom Status wird die Zielgruppe parallel zur humanitären Sprechstunde durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und in Krankenhäusern versorgt. Ich sage es ganz deutlich, allen Menschen, auch Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus, muss der Zugang zur medizinischen Versorgung erleichtert und sie muss gewährleistet werden.
Die Antwort des Senats macht deutlich, wie groß die Anteilnahme in der Bevölkerung an den Schicksalen derer ist, die unter dem derzeitigen System leiden. An dieser Stelle bedanke ich mich bei den Ärzten, Beratern, Fachpersonen und bei den Menschen, die Schutzsuchende begleiten, für ihr Engagement.
Ich sage aus Sicht der SPD-Fraktion, wir möchten auch weiterhin die medizinische Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Bremen und Bremerhaven stärken. Sie dürfen nicht nur bei Notfällen behandelt werden, sondern sie haben ein Recht auf umfassende medizinische Versorgung. Gerade Asylsuchende leiden aufgrund ihrer Vorgeschichte häufig unter psychischen und physischen Symptomen,
die behandlungsbedürftig sind. Die nicht sachgerechte Einschränkung der medizinischen Behandlung auf sogenannte Notfälle führt häufig erst zu einer Ausbildung massiver lebensbedrohlicher Krankheiten. Nur durch eine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung können solche Zustände verhindert werden. Genau das hat das Land Bremen erkannt und eigene Verantwortung übernommen.
Im Bundeshaushalt 2015 konnte die Bundesregierung zusätzliche finanzielle Mittel für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen bereitstellen. Dies ist ein erster Erfolg, weitere Schritte sind jedoch dringend notwendig. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen, die vor Krieg, Not und Vertreibung zu uns flüchten, sind uns in Bremen willkommen.
Wir wissen, dass viele Asylsuchende und Flüchtlinge bereits bei ihrer Ankunft in Bremen gesundheitliche Probleme haben. Häufig handelt es sich um körperliche und seelische Folgen von Krieg, Inhaftierung und Folter oder von dem Erleben der Flucht als solche. Insbesondere die gravierenden seelischen Folgeprobleme der unterschiedlichen Formen existenzieller Bedrohung werden häufig noch zu leicht übersehen, und das muss sich ändern.
Zusätzlich müssen wir beachten, dass auch das Leben in Gemeinschaftsunterkünften eine Reihe von gesundheitlichen Auswirkungen hat. Hier spielen Fragen des Platzes, der Ernährung und der Hygiene eine Rolle. Für Kinder und Jugendliche ist es für ihre weitere gesundheitliche Entwicklung entscheidend, dass sie altersgerechte Ansprechpersonen und Freizeitmöglichkeiten erhalten. Vorsicht ist geboten – das hört sich an wie ein ganz kleines Problem, aber das ist etwas, worauf wir auch achten müssen –, wenn Kinder zu Dolmetschern für ihre Eltern werden. Das passiert schnell, lernen doch Kinder eine fremde Sprache viel schneller und werden eben, weil sie so gut Deutsch sprechen können, leicht in sie überfordernde Positionen gebracht. All das sage ich, um zu zeigen, dass die gesundheitliche Versorgung etwas
ist, das wir noch viel breiter betrachten müssen, als es nur auf die reinen medizinischen Angebote zu beschränken.