Protocol of the Session on November 20, 2014

(Drucksache 18/1573)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Meine Damen und Herren, gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Sehr geehrter Herr Senator, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schierenbeck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier und heute die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage Herausforderungen und Chancen des Klimawandels. Ich hoffe, dass das für die CDU nicht auch noch ein BlablaThema ist,

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Nein, das Thema nicht! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ihre Rede!)

sondern Sie die Ernsthaftigkeit des Themas erkennen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Seit vielen Jahren ist bekannt, dass steigende CO2Konzentrationen in der Atmosphäre zur Erderwärmung führen. Um die Folgen besser zu kennen und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu entwickeln, hat die Weltgemeinschaft weltweit Wissenschaftler damit beauftragt, Forschungsergebnis

se zu diesem Thema zusammenzustellen und in Botschaften an die Politik zusammenzufassen. Ich meine, meine Herren, auch für uns als Landes- und Stadtpolitikerinnen und -politiker ist es angemessen, sich diese Botschaften anzuhören und sich damit auseinanderzusetzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was sagt uns der UN-Klimabericht dieses Jahr? Ich nenne hier nur ein paar Fakten.

Es wird immer schwieriger, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Nur bei sehr strengem, man könnte sogar sagen: radikalem, Klimaschutz ist das noch zu schaffen. Die Gesamtmenge an CO2, die noch in die Atmosphäre geblasen werden darf, muss begrenzt werden, und zwar auf – Stand heute – insgesamt etwa 800 Gigatonnen. Wenn wir in diesem Jahr bei Emissionen von weltweit insgesamt circa 50 Gigatonnen pro Jahr angekommen sind, sehen Sie, wie uns die Zeit davonrennt. Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt umsteuern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Währenddessen steigt der Meeresspiegel weiter an, die Ozeane versauern, Arten sterben aus. Auch viele andere Aspekte des Klimawandels und seiner Folgen werden über Jahrhunderte bestehen bleiben selbst für den Fall, dass die Treibhausgasemissionen gestoppt werden. Deswegen brauchen wir auch Klimaanpassungsmaßnahmen, wobei – auch das sagt uns der Bericht ganz klar – Klimaanpassung teurer ist als Klimaschutz.

Die Minderung von Treibhausgasemissionen auf der einen Seite und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel auf der anderen Seite sind zwei Strategien, die sich gegenseitig ergänzen.

Nur so können die Risiken des Klimawandels reduziert und bewältigt werden. Nur eine radikale Senkung der Treibhausgasemissionen kann die Risiken verringern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Effektivität von Anpassungsmaßnahmen wird bei mehr Klimaschutz verbessert. Die Kosten und die Herausforderungen von Minderungsmaßnahmen werden langfristig reduziert. Zudem tragen Klimaschutz und Klimaanpassung weltweit zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Ohne radikalen Klimaschutz dagegen wird die Erderwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weltweit zu einem hohen bis sehr hohen Risiko schwerer, weit verbreiteter und irreversibler Klimafolgen führen.

Wir wissen nicht, wie es mit dem Klimaschutz weitergeht. Düstere Signale kommen aus Berlin. Deutsch

land wird die Klimaschutzziele verfehlen, Gabriel verweigert den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Gleichzeitig besteht aber auch Anlass zur Hoffnung, weil sich die USA und China erstmals zu einer Reduzierung ihrer Emissionen verabredet haben.

Was heißt das für Bremen und Bremerhaven? Für mich heißt das: Auch wir brauchen hier in unserem kleinen Bundesland eine komplementäre Strategie aus Klimaschutz und Klimaanpassung. Beide Themen finden Sie übrigens in unserem geplanten Klimaschutzgesetz. Klimaschutz braucht Verlässlichkeit, klare Ziele und ein Programm mit Klimaschutzmaßnahmen. Das haben wir, und das wollen wir weiterentwickeln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Klar ist aber auch: Der Klimawandel lässt sich im besten Fall abbremsen; er ist nicht mehr ganz zu verhindern. Deswegen brauchen wir zusätzlich eine Klimaanpassungsstrategie. Auch das wird in unserem Klimaschutzgesetz festgelegt werden.

Zum Thema Kosten hier nur ein Beispiel: Allein unser Küstenschutzprogramm kostet 250 Millionen Euro. Stellen Sie sich einmal vor, dieses Geld hätten wir für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung!

Soweit zu den Herausforderungen des Klimawandels. Auf die Chancen möchte ich gleich noch eingehen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Gottschalk das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Klimaschutz sollte selbstverständlich vorgehen. Aber wenn wir uns das realistisch anschauen, wissen wir auch: Das Klima wird sich wandeln, und dieser Klimawandel wird erhebliche Änderungen und Herausforderungen mit sich bringen.

Sinn dieser Großen Anfrage war es, einen Ausblick zu bekommen, welche Herausforderungen bestehen, wo wir stehen und was wir als Nächstes tun müssen. Ich bedanke mich zunächst für die Antworten auf diesen umfangreichen Fragenkatalog. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen: Ja, viele wichtige Informationen sind enthalten, aber wenn es darum geht, genauer zu bestimmen, wo wir stehen, bleibt notgedrungen noch vieles vage. Das ist nicht überraschend; denn es geht hierbei um die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen, um die Veränderung von Produktionsund Wertschöpfungsketten. Es geht um Zeiträume von 50 und mehr Jahren. Dies alles im Voraus zu prognostizieren, ist schwierig. Wir wissen auch, dass wir mit der aktiven Anpassung an einen Klimawan

del vor einer historisch neuen Aufgabe stehen. Die Menschheit musste sich zwar schon immer anpassen, dass sie sich aber die Aufgabe stellt, auch aktiv werden zu wollen und dies in so langen Fristen, ist eine Herausforderung, die es in dieser Art und Weise noch nie gegeben hat.

Zudem – das müssen wir auch sehen – stehen wir noch ganz am Anfang dieser Herausforderungen, die wir zu meistern haben. Insofern stellt sich für mich vor allem die Frage: Was sind die nächsten Schritte?

Wir haben mit dem Deichbau begonnen, wir haben hier in Bremen mit dem Programm zum Starkregen begonnen. Das heißt, wir geben erste Antworten auf Entwicklungen, die sich sehr frühzeitig abzeichnen oder sich genau abschätzen lassen. Damit stehen wir aber auch vor der Frage, welche die nächsten Bereiche sind, die wir angehen müssen. Hierbei sollten wir nach meiner Überzeugung auch auf die Studien von nordwest2050 zurückgreifen. Dort hat man bereits vertieft Untersuchungen durchgeführt. Wir sollten diese auswerten, um Prioritäten für uns zu finden. Denn eines ist klar: Aufgrund der Breite der Maßnahmen werden wir Schwerpunkte setzen müssen.

Mein Eindruck dabei ist, dass wir uns den Bereich der Häfen und den Bereich der Logistik, die beide für uns sehr wichtig sind, besonders anschauen müssen. Der Bereich der Häfen wird durch das steigende Wasser sicherlich am ehesten betroffen sein. Zudem werden wir das Stadtklima aufgreifen müssen; denn hier sind die Auswirkungen mit am frühesten zu befürchten.

Damit stellt sich auch die Frage: Mit wem sollte Bremen kooperieren? Der Klimawandel ist ja kein lokales Ereignis, sondern die Herausforderungen reichen weit über unsere Region hinaus und betreffen unseren gesamten Planeten. Insoweit habe ich etwas vermisst. In der Beschreibung der Erarbeitung einer Klimaanpassungsstrategie für Bremen werden ausschließlich Bremer und Bremerhavener Akteure genannt. Ich denke, wir müssen uns auch ganz intensiv der Frage stellen, mit wem wir in der Region kooperieren und mit wem wir im Konzert mit den norddeutschen Ländern, aber auch mit dem Bund kooperieren müssen.

Wir müssen auch fragen: Von wem kann Bremen in diesem Prozess lernen, und wie kann dieser Lernprozess organisiert werden? Die Auswirkungen des Klimawandels werden sich andernorts schon erheblich früher zeigen. Zu erwarten ist das insbesondere auch für die Niederlande, die über große historische Erfahrung mit den Herausforderungen des Meeres verfügen. Ich denke, wir sollten sehr genau anschauen, was wir von unseren Nachbarn in diesem Bereich lernen können.

Wir sollten uns hinsichtlich des Stadtklimas fragen, wie man damit umgeht, wenn es hier wärmer wird, wenn sich hier die Fauna, der Bestand an Kleintieren, ändert. Die Temperaturen, die wir dann haben

werden, gibt es heute in anderen Regionen bereits. Wir sollten uns anschauen, welche Erfahrungen wir von dort herüberholen können.

Soweit die Fragen, die mich beim Lesen der Antworten beschäftigt haben. Klar ist für uns, dass uns dieses Thema langfristig beschäftigen wird. Es wird wichtig sein, dass wir eine Strategie haben, wie sie jetzt erarbeitet wird. Ich wünsche mir, dass wir diese Strategie schon in ihrem Entstehungsprozess diskutieren, um zu sehen, wo Schwerpunkte gesetzt werden, und dass wir auch in der Deputation hierüber diskutieren. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Rupp das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage, die sich damit beschäftigt, welche Auswirkungen der Klimawandel auf Bremen und Bremerhaven hat, enthält Dinge, die meines Erachtens nicht neu sind, aber konkretisiert sie. Wir wissen nicht genau, wie sich das Klima entwickelt, aber alle Studien sagen: Es wird wärmer. Die interessante Frage, wie warm es werden wird, kann man heute nicht beantworten. Wir wissen, wir werden wärmere Tage haben, aber wir wissen noch nicht genau, wie sich das auf Bremen auswirken wird. Das hat mein Vorredner schon gesagt. Unmittelbar bedrohlicher ist für mich die Tatsache, dass bestätigt wird: Wir werden mit einer Zunahme von Starkregenereignissen, Wind und Ähnlichem rechnen müssen. Das ist etwas, was Bremerinnen und Bremer auch heute schon subjektiv fühlen. Meines Erachtens zeigt die Statistik schon heute, dass Regenereignisse, Windereignisse, also Stürme, an Anzahl, vor allen Dingen aber an Intensität zunehmen.

Regenereignisse betreffen uns einerseits, wenn sie hier stattfinden, wenn hier die Keller volllaufen und hier die Kanalisation überflutet wird. Deswegen muss man auch hier investieren, damit wir in unserer Stadt in der Lage sind, den Regen sozusagen zu verarbeiten. Diese Starkregenereignisse betreffen uns andererseits möglicherweise auch, wenn sie viel weiter im Süden stattfinden; denn der Regen, der im Süden niedergeht, kommt unter Umständen über die Weser hier in Bremen an.

Das Rückhaltevermögen in den Bergen sinkt. Ich mir nicht so sicher, ob wir nicht irgendwann einmal bei Schneeschmelze, wenn sie deutlicher ausfällt, wenn die Starkregenereignisse in den Bergen nicht mehr zurückgehalten werden können, dann zufällig der richtige Wind weht, Flut haben und von Norden ein richtiger Orkan bläst, auch hier die Situation haben werden, dass das Wasser wieder über un

sere Deiche kriecht – insbesondere dann nicht, wenn wir der Meinung sind, wir müssen die Weser bis Bremen noch ein Stück tiefer ausbaggern als vorher.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Alle Indizien sprechen dafür, dass das keine gute Idee ist und dass man das möglicherweise besser lässt.

Wir müssen uns sozusagen vor dem Regen hier und vor dem Regen anderswo schützen. Daran führt kein Weg vorbei. Dass wir dafür die Deiche erhöhen und entsprechende Vorrichtungen bauen müssen, dass wir ein Stück weit vor Hochwasser geschützt sind, ist klar. Daran wird gearbeitet.

Dass der Hafen ein besonders Problem ist, sieht jeder ein. Den Hafen vor Wasser zu schützen, geht nicht. Dann wäre es kein Hafen mehr. Also muss man sich überlegen, wie man das macht. Auch da sehe ich noch nicht die richtige Lösung. Das ganze Ding einfach schwimmend zu bauen, wird auch nicht gehen. Die Herausforderung ist groß.

Ich bezweifele, dass wir mit den Anstrengungen, die wir bisher leisten, schnell genug sind. Meine Befürchtung ist, dass die Situation schneller schlimmer wird, als wir dagegen ankämpfen. Ich befürchte auch, dass bei der Frage: Was machen wir?, die Frage des Geldes eine Entscheidende ist und wir möglicherweise gar nicht die investiven Mittel haben, uns ein Stück weit auf die sichere Seite zu legen, sondern wir nur das Notwendigste tun können und hoffen, dass es schon gutgeht. Das ist eine Strategie, die langfristig nicht aufgeht.