Protocol of the Session on October 22, 2014

Gegenüber einem Altschuldenfonds bergen Zins

hilfen vor allem das Risiko: Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen? Bei einem Schuldenberg von rund 20 Milliarden Euro bedeutet jeder Prozentpunkt eine Mehrbelastung von rund 200 Millionen Euro im Jahr. Das ist nahezu ein Drittel der heutigen Zinslast. Einen derartigen Anstieg der Belastungen könnte Bremen beim besten Willen nicht verkraften. Es ist deshalb für Bremen von überragender Bedeutung, dass nicht nur eine bestimmte Summe für Zinshilfen festgelegt wird, es muss vielmehr auch ein struktu reller Mechanismus gefunden werden, um größere

Mehrbelastungen oder auch Mindereinnahmen ab zufedern. Dieser Mechanismus, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss – das ist betont worden, und man muss es immer wieder betonen – nachhaltig sein, er muss auch längerfristig ausgerichtet sein, und das ist sicherlich die größte Herausforderung für Bremen für die weiteren Verhandlungen.

Von zentraler Bedeutung ist zudem die Neuauftei

lung der Sozialkosten zwischen Bund und Ländern. Aus Bremer Sicht beklagen wir ja oftmals insbeson dere die Besteuerung am Wohnort und nicht am Arbeitsort. Diese Aufteilung benachteiligt Bremen sicherlich. Im Ergebnis sieht Bremen vor allem viel schlechter aus als es seiner Wirtschaftskraft entsprä che, aber, das müssen wir auch sehen, durch den Länderfinanzausgleich wird der Besteuerungsnachteil zu einem großen Teil aufgefangen. Das eigentliche Problem ist deshalb ein anderes: Der Länderfinanz ausgleich zielt vornehmlich auf eine Angleichung der Ländereinnahmen. Er berücksichtigt demgegenüber nur unzureichend die Ausgabenseite, nämlich die sehr unterschiedlichen Belastungen bei den nicht beeinflussbaren Sozialkosten.

Innerhalb des horizontalen Länderfinanzausgleichs,

das zeichnet sich ab, wird sich dieses Kardinalpro blem absehbar nicht lösen lassen. Umso wichtiger ist, dass der Bund innerhalb der vertikalen Finanz beziehungen einen größeren Teil der Sozialkosten trägt, die durch die Bundesgesetze bestimmt werden. Ab dem Jahr 2018, das ist angesprochen worden, soll dies insbesondere durch die Übernahme der Kosten der Eingliederungshilfe erfolgen, und in der neuerlichen Diskussion ist, ob stattdessen nicht ein höherer Anteil der Kosten der Unterkunft vom Bund übernommen werden.

Für Bremen könnte das, wenn man sich das Vo

lumen anschaut, vor allem das aktuelle Volumen, durchaus von Vorteil sein, aber wir haben natürlich die hohe Dynamik in den Blick zu nehmen. Wir müssen uns auch anschauen, dass es bislang doch noch sehr unklare Regelungen zum Verteilungsschlüssel der Eingliederungshilfe gibt, und hieran muss Bremen sicherlich arbeiten und rasch eine eigene Position beziehen.

Wichtig für Bremen, liebe Kolleginnen und Kol

legen, könnte zudem noch werden, dass die neuen Bundesländer eine stärkere Berücksichtigung ihrer Interessen und Probleme einfordern werden – denn sie haben auch Rückgänge zu verzeichnen –, und das könnte vielleicht insbesondere für die Kosten der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erfolgen. Wenn es dazu kommt, wird es für Bremen darauf ankommen, dass die Kriterien nicht mehr die Him melsrichtungen sind, sondern die Ausrichtung an strukturellen Problemen erfolgt.

Alles in allem zeichnet sich daher ab, dass es nicht

um die eine große Hilfe für die Altschulden gehen wird, es wird vielmehr um ein Maßnahmenbündel gehen, und das muss dann in der Summe ausreichen,

um Bremen Luft für die Gewährleistung gleichwer tiger Lebensverhältnisse zu verschaffen.

An diesem Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen,

sind wir noch lange nicht. Es zu erreichen, wird noch eine Menge harter Arbeit erfordern, und es wird auch kluger Allianzen bedürfen. Die Minis terpräsidentenkonferenz in Potsdam war aber ein erster, ein grundlegender Erfolg, und das macht Mut. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bürgermeister, ich bedanke mich für Ihren Be richt und möchte mich am Anfang gleich bei Ihnen, der Senatorin für Finanzen und Ihren Stäben für Ihre Arbeit in dieser für Bremen so zentralen Auseinan dersetzung bedanken!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Es freut uns natürlich sehr, dass Ihr Bericht bei aller

Vorsicht doch optimistisch ausfällt. Ich glaube, das ist das Verdienst vieler Beteiligter auch außerhalb Bremens, aber es zeigt eben auch, was wir schon in der Debatte über die Regierungserklärung im Juli deutlich gemacht haben: Das Land Bremen, vor allen Dingen diejenigen, die Verantwortung tragen, waren und sind gut vorbereitet für diese Verhandlungen. Wir haben klar formulierte zentrale Ziele, die sich aus unseren Interessen ergeben und in Bremen auf sehr breiten Konsens treffen. Das haben die vielen Veranstaltungen im letzten Monat und auch die ersten Redebeiträge hier und heute ja gezeigt.

Die Bürgermeisterin und der Bürgermeister sind

offensichtlich in der Lage, auch bei sehr unterschied lichen und wechselnden Meinungsbildungsprozessen einerseits die große Linie im Blick zu behalten und andererseits flexibel die Interessen anderer aufzu nehmen und so Unterstützung zu organisieren. Das ist genau der richtige Weg im Unterschied zu dem, was hier im Sommer eingefordert wurde: Wir sollten einen Plan erstellen und genau sagen, wann wir was machen. So funktioniert das nicht! Ich glaube, die Vorgehensweise des Senats und der beiden Bürger meister war gerade richtig, und es scheint so, als ob sich daher die ersten Erfolge auch einstellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aus dem Bericht von Herrn Böhrnsen geht hervor,

dass die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder nach intensiver Vorarbeit der Finanz

ministerkonferenz bei einigen wesentlichen Fragen schon sehr nahe beieinander sind. Der Soli wird auch über das Jahr 2019 hinaus erhoben, das ist für uns eine gute Nachricht. Was man mit dem Geld dann macht, dafür gibt oder gab es jedenfalls viele Vorschläge, das reicht von „Alles bleibt beim Bund“ über die Finanzierung von dringend notwendigen Infrastrukturmaßnahmen in allen Ländern bis hin zur Verwendung für einen Altschuldentilgungsfonds.

Nun scheint es mehrheitsfähig zu sein, dass er

zu wesentlichen Teilen in die allgemeine Einkom menssteuer eingebaut wird, da gibt es natürlich eine Reihe technischer Probleme, aber das möchte ich hier nicht erörtern. Der Effekt einer solchen Regelung ist schon angesprochen worden: Diejenigen Länder, die ohnehin bei der gegenwärtigen primären Steuerver teilung besser dastehen, werden dadurch noch mehr erhalten und natürlich umgekehrt. Das hat zur Folge, dass die Ausgleichssumme zwischen den Ländern im Finanzausgleich größer anstatt kleiner wird, wie die „reichen“ Länder ja gefordert haben, aber einen realen Vorteil haben diese Länder am Ende doch, mit dem sie dann auch nach Verhandlungen nach Hause kommen könnten. Deswegen glaube auch ich, dass dieser Vorschlag eher konsensfähig sein wird.

Diese Lösung hätte aber auch zur Folge, dass die

neuen Bundesländer, die in der primären Steuer verteilung nach wie vor am schlechtesten dastehen, strukturelle Hilfen erhalten sollten. Ich glaube, die Frage nach einer veränderten Fortsetzung des Auf baus Ost liegt dann auch auf dem Tisch. Ich habe aber verstanden, dass es auch darüber schon ein hohes Verständnis unter den Ministerpräsidenten gegeben hat.

Die weitere Folge ist, und auch das ist schon ange

sprochen worden, dass die Idee, die wir in Bremen ja gemeinsam vertreten haben, nämlich den Soli für den Aufbau und Ausbau eines Altschuldentilgungsfonds der Länder insgesamt zu nutzen, in der ursprüngli chen Form vermutlich nicht mehr im Vordergrund steht. Der grundsätzliche Gedanke aber – und das ist jetzt die wichtige positive Nachricht –, dass bei Geltung der Schuldenbremse den am höchsten ver schuldeten Ländern geholfen werden muss, wenn wir an der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland festhalten wollen, dieser Gedanke ist offensichtlich konsensfähig geworden, und das ist in jedem Fall schon einmal ein sehr großer Erfolg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir müssen an ihm festhalten, aber wir müssen

natürlich bei den weiteren Gesprächen über die Ausgestaltung auch darauf achten, dass eine struk turelle Wirkung eintritt. Das heißt, so würde ich es formulieren, dass wir jedenfalls dauerhaft von der Zinslast befreit werden, die über den Durchschnitt der Länder hinausgeht. Dann kommt es natürlich sehr

darauf an, wie das ausgestaltet wird, welche Länder einbezogen werden, ob das nur Bremen und das Saarland sind, ob Berlin oder Sachsen-Anhalt dabei sind, all das ist dann sozusagen die Messlatte, an der wir gemessen werden und an der sich das orientiert. Natürlich muss es Regelungen geben, die das für uns besonders schmerzhafte Zinsrisiko aufnehmen, das heißt, es muss eine dynamische Regelung geben, und ich bin davon überzeugt, dass Bremen in den nächsten Wochen und in den nächsten Monaten auch an Lösungen arbeiten wird, die diese Idee dann auch in praktikable Vorschläge umsetzen.

Ich glaube, andere Fragen haben für die Minister

präsidenten offenbar noch keine so große Rolle ge spielt wie diese Punkte, die ich gerade angesprochen habe, oder sie waren noch nicht einigungsfähig. Sie sind damit aber noch keineswegs zur Seite gelegt worden. Natürlich muss erst noch mit dem Bund geredet werden, und natürlich ist die Interessenlage dort ganz anders. Die besonderen Fragen des hori zontalen Länderfinanzausgleichs, den ja noch zwei Länder beklagen, waren auch noch nicht direkt auf der Tagesordnung. Es ist also klar: Nichts ist ver einbart, bevor nicht das Ganze vereinbart ist, und Bremen tut gut daran, all die Fragen, bei denen wir besondere Interessen haben, nicht vorschnell fallen zu lassen, sondern natürlich möglichst lange auf der Tagesordnung zu halten, also, die Gesamtbetrachtung aller Finanzbeziehungen zwischen Bund und Län dern, die Einbeziehung der kommunalen Finanzen in den Länderfinanzausgleich, die Beibehaltung der gesonderten Einwohnerwertung für die Stadtstaaten. Das ist natürlich ein zentraler Punkt, er ist ja immer noch auf der Tagesordnung.

Wer die lange Liste von 20 Punkten, die Herr

Röwekamp erwähnt hat, sieht – –.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Seiten! Zwan zig Seiten!)

Ja, 20 Seiten, sehr umfangreich! Ich glaube aber, Herr Röwekamp, vieles von dem, was dort aufge schrieben wurde, auch als strittig aufgeschrieben wurde, wird am Ende nicht unbedingt in jedem Fall eine Rolle spielen. Meine vorsichtige Prognose ist, dass die Kernfragen des horizontalen Länderfi nanzausgleichs am Ende nicht mehr eine so große Rolle spielen werden, und für Bremen ist das, auch wenn wir dann den einen oder anderen Wunsch fallen lassen müssen, vielleicht auch gar nicht das Schlechteste, wenn es so kommen sollte.

Am Ende wollte ich noch sagen, auch über eine

Entlastung der Kommunen durch die Übernahme von Sozialleistungen durch den Bund ist schon geredet worden. Es gab ja die Vereinbarung und klare Zusage, dass durch ein Bundesteilhabegesetz die Länder bei den Eingliederungshilfen für behinderte Menschen entlastet werden sollen. Jetzt wird alternativ eine Entlastung bei den Kosten der Unterkunft diskutiert,

es ist auch vom Bürgermeister dargelegt worden, dass Bremen durchaus an dieser Variante Interesse haben könnte, obwohl auch die andere Regelung wegen der Dynamik bei den Kostensteigerungen bei der Eingliederungshilfe nicht zu unterschätzen ist. Das muss man am Ende abwägen, ich bin dafür offen. Wir sollten dabei allerdings nicht vergessen, dass den behinderten Menschen und ihren Verbän den mit dem Teilhabegesetz eine große, einheitliche bundesweite Lösung versprochen worden ist. Das muss dann auch kommen, auch wenn wir uns für die andere Lösung entscheiden! Das müssen wir im Blick behalten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist gut, ich freue mich