Protocol of the Session on October 22, 2014

Ich bin mit unserem Bürgermeister unverändert

der Auffassung, dass der tote Mensch eben keine Verfügungsmasse ist. Das Gesetz, das Sie gleich miteinander beschließen werden, macht ihn aber zu einer Verfügungsmasse,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein! Nur von sich selbst!)

und zwar einerseits durch die eigene Entscheidung, aber eben andererseits auch durch die Entscheidung, die beispielsweise in die Religionsfreiheit anderer Menschen eingreift. Ich will es auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen: Ich bin gegen jede Form der Privatisierung der Bestattung. Ich kann mir auch überhaupt nicht erklären, warum die Koalition sich ausgerechnet in diesem Bereich für eine Privatisierung ausspricht.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in Deutschland ein über viele Jahre

bewährtes und erprobtes Verfahren, wie wir mit den sterblichen Überresten unserer Mitmenschen umge hen, und für diese galt im Prinzip bisher die Pflicht zur Beisetzung auf einem Friedhof, aber eben auch die Möglichkeiten zu alternativen Bestattungsformen, die sich in den letzten Jahren herausgebildet haben und die auch auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens gestoßen sind. Ich habe natürlich nichts gegen eine Bestattung im Friedwald. Ich habe nichts dagegen, dass wir auch über Kolumbarien reden. All das sind Bestattungsformen, finde ich, die aber noch eines mit der klassischen Erd- und Feuerbestattung gemeinsam haben, nämlich dass es vorgesehene Orte für die Trauer um die toten Menschen und für die Bestattung der sterblichen Überreste dieser Men

schen gibt. Auf diese besonderen Orte möchte die CDU-Bürgerschaftsfraktion eben nicht verzichten.

(Beifall bei der CDU)

So sehr ich in der bisherigen Debatte Respekt vor

der völlig gegenteiligen Auffassung hatte, ist die Wahrheit eigentlich, dass der ursprüngliche Antrag, mit dem der Senat aufgefordert worden ist, ein neues Gesetz vorzulegen, schon ein Kompromiss zwischen den Sozialdemokraten und den Grünen war, indem er eine zweijährige Aufbewahrungsmöglichkeit und danach die Pflicht zur Bestattung auf einem Friedhof vorsah. Das war das, worauf sich die Fraktionen geei nigt hatten, und das muss man an dieser Stelle auch noch einmal betonen. Das ist nun nicht aufgrund der besseren Einsicht aus der Welt geschaffen worden, sondern weil Sie ein Rechtsgutachten eingeholt haben, das Ihnen ganz eindeutig bestätigt hat, das es so nicht geht. Das Gutachten, das im Auftrag des Senats eingeholt worden ist, sagt nämlich ganz oder gar nicht. Entweder man gibt die Bestattung ganz frei und macht damit – um mit dem Bürgermeister zu sprechen – die sterblichen Überreste eines Men schen vollständig zur Verfügungsmasse oder aber man reglementiert es so, dass man sie eben nicht freigibt. Dieser Kompromiss, den Sie seinerzeit ge funden hatten, ist also verschwunden, in welcher Kiste auch immer, Herr Gottschalk.

Jetzt kommen Sie mit einem neuen Griff in die

Kiste. Sie spielen vor, dass mit dem von Ihnen jetzt vorgesehene Verfahren, nach dem das Verstreuen der Asche von sterblichen Überresten praktisch auf jedem Privatgrundstück in Bremen und Bremerha ven möglich sein soll, ein staatlich reglementierter Rahmen geschaffen worden sei, der die Würde der Toten achte. Ich halte auch diesen Vorschlag, liebe Frau Kollegin Dr. Schaefer, für einen faulen Kom promiss. Wenn Sie Ihr Gesetz genau lesen, werden Sie es auch selbst entdecken, die Bestimmungen, die Sie für die Kontrolle dieser Freigabe im Einzelnen reglementieren oder zu reglementieren beabsichtigen, sind viel umfangreicher als das, was Sie freigeben.

Wie soll das eigentlich in Zukunft sein? Wird es

in Bremen eine Urnenpolizei geben, die darüber wacht, dass nach Erteilung der Genehmigung das Verstreuen auch tatsächlich stattfindet? Was macht der Staat eigentlich, wenn er Kenntnis davon erhält, dass der Inhalt einer Urne nicht gemäß der Geneh migung verstreut worden ist oder wenn eine andere Fläche genutzt worden ist?

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Ersatzvornahme!)

Genau, dann erfolgt die Ersatzvornahme! In welcher

Weise erfolgt sie denn? Kommt dann Herr Mäurer zu mir nach Hause und verstreut den Inhalt der Urne auf meinem Grundstück, weil ich es nicht getan habe? Machen Sie sich doch nichts vor! Der Aufwand, die

Sanktionen, die Bedingungen und die Nebenbe stimmungen in Ihrem Gesetz zur Aufsicht, dass in Ausnahmefällen tatsächlich nur auf dem privaten Grundstück ohne Beeinträchtigung oder nur mit der Zustimmung des Nachbarn verstreut werden kann, ist doch für Bremen überhaupt nicht zu schul tern, und das wissen Sie genau. Am Ende steht die völlige Freigabe der Asche von Verstorbenen, weil es niemand kontrolliert, was Sie zu kontrollieren beabsichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bleibe dabei, ich finde es unwürdig, wenn die

Gefahr besteht, dass durch den Verzicht auf die Be stattungspflicht Urneninhalte auf Hundestreuwiesen verteilt, auf Obstwiesen verstreut werden können, oder auf einem von mir gekauften Grundstück, von dem ich gar nicht weiß, von wie vielen Menschen dort sterbliche Überreste verstreut worden sind. Ich finde, das greift in meine Freiheit als Mensch zu sehr ein, als dass ich Ihrem Gesetz heute zustimmen könnte.

(Beifall bei der CDU)

Sie schaffen einen Ordnungsrahmen, den zu über

wachen Sie nicht in der Lage sind, und ich unterstelle einfach einmal, Sie sind auch gar nicht dazu bereit, das ist pure Augenwischerei. Am Ende wird sich Frau Dr. Schaefer mit ihrem Ansinnen vollständig durchsetzen, dass Angehörige nach Verfügung des Verstorbenen den Inhalt einer Urne zur freien Ver fügung behalten, weil niemand kontrollieren kann, was sie wirklich damit machen. Deswegen halte ich meine ursprünglichen Bedenken aufrecht.

Ich finde, Sie streuen Sand in den Augen der Men

schen, entweder bekennen Sie sich zur vollständigen Privatisierung, oder Sie sagen wie die CDU und der Bürgermeister, wir sind der Auffassung, das ist nicht der richtige Weg. Alles dazwischen ist weder Fisch noch Fleisch, es ist Augenwischerei! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat

das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, es ist vielleicht nicht so verwunderlich, dass ich doch noch einmal auf das eine oder andere von Ihnen vorgetragene Argument eingehen möchte. Sie sagen, mit der neuen Regelung fühlen Sie sich in Ihrer Freiheit eingeschränkt. Ich glaube, es fühlen sich sehr viele Menschen, die eben umgekehrt mehr Freiheit bei dem Ort und der Aus wahl der Bestattung haben wollen, in ihrer Freiheit und in ihrem Freiheitsdenken eingeschränkt, dass sie sich an diese alten traditionellen Vorgaben halten

müssen, dass Bestattungen nur auf dem Friedhof stattfinden dürfen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der Tote ist keine Verfügungsmasse. Ich glaube,

der Tote hat auch das Recht, wenn er es zu Lebzei ten so dokumentiert hat, über seinen Tod hinaus zu verfügen und selbst zu bestimmen, was mit seinen Überresten passieren soll.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das Einbalsamieren ist nach Ihrem Gesetz auch nicht möglich!)

Ich finde es schwer zu akzeptieren – das haben

Sie beim letzten Mal auch schon gemacht –, dass Sie sagen, das Gesetz greift in die Religionsfreiheit ein. Ich finde, es entsteht ein verzerrtes Bild, wenn immer so getan wird, als stünden auf der einen Seite die Atheisten, die die komplette Freiheit anstreben, nach dem Tod die Asche ausstreuen zu lassen, und auf der anderen Seite stünden Menschen mit einer Konfession, die das ablehnten. Ich gehöre auch ei ner Konfession an, ich bin evangelisch, und ich bin trotzdem dafür, dass man die Freiheit haben sollte, den Beerdigungsort selbst zu bestimmen. Es gibt in meiner Fraktion ganz viele, die einer Religion an gehören und trotzdem sagen, die Menschen sollen selbst bestimmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich finde, man darf keine Glaubensdiskussion führen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das habe ich auch gar nicht getan!)

Das hat gar nichts damit zu tun, Atheisten wollen vielleicht genauso nach wie vor auf einem Friedhof bestattet werden wie auch religiös geprägte Men schen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Über Religi onen habe ich gar nicht geredet!)

Doch, Sie haben gesagt, es greift in die Religionsfrei heit ein. Sie sagen, dass Trauer und Bestattung nicht vollständig privatisiert werden dürfen. Ich meine, die Trauer ist erst einmal sowieso sehr privat. Das Wort Privatisierung klingt für mich so, als ob man über ein Unternehmen spricht. Ich finde, dass die Trauer privat ist und dass eine größere Freiheit – ein größeres Angebot bei den Bestattungsorten – nicht dazu führt, dass die Trauer privatisiert wird.

Ich möchte noch einmal etwas zu den Kontroll

möglichkeiten sagen. Wie ist es denn jetzt, gibt es jetzt eine Urnenpolizei? Wieso ist es denn möglich, dass Menschen jetzt schon das Gesetz umgehen können? Es ist doch so, dass bei einer Einäscherung im Ausland auch keine Urnenpolizei anwesend ist und kontrolliert.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie wollen es also nicht kontrollieren!)

Ich kann Ihnen aktuelle Bremer Beispiele nennen,

nach denen Menschen gesagt haben, die Asche soll im Ausland ausgestreut werden. Sie haben brav die Formulare ausgefüllt, und niemand vom Zoll hat beim Grenzübertritt im Kofferraum nachgeschaut, und letztlich wurde die Asche im eigenen Garten ausgestreut.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wollen Sie es denn kontrollieren oder nicht?)

Es ist jetzt schon so, dass nicht kontrolliert wird.