Protocol of the Session on July 17, 2014

Zwangsbehandlungen verhindern – PsychKG

Änderung aussetzen!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

vom 8. Juli 2014

(Drucksache 18/1473)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr.

Schulte-Sasse.

Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf

des Senats in ihrer 60. Sitzung am 22. Mai 2014 in erster Lesung beschlossen.

Wir kommen zur zweiten Lesung.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete

Brumma.

Herr Präsident, meine Damen

und Herren! Heute werden wir in zweiter Lesung das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten beschließen. Diese Änderung wurde notwendig, da das Bundesverfassungsgericht Landesgesetze wie in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz zur medika mentösen Zwangsbehandlung für verfassungswidrig erklärt hat. Wir wollen mit dieser Änderung auch hier im Land Rechtssicherheit schaffen.

Der vorliegende Entwurf wurde in mehreren Ver

anstaltungen ausgiebig diskutiert. Es gab hierzu eine schriftliche Anhörung der Betroffenen und Träger. Hier gab es natürlich Ablehnung, Zustimmung und Anregungen. Abgelehnt wurde die Änderung zum Beispiel von den Psychiatrie-Erfahrenen, sie würden es gern sehen, wenn der Maßregelvollzug in ein separates Gesetz ausgegliedert wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Zwangsmaßnahmen werden von dieser Orga nisation ebenfalls abgelehnt.

Einige Anregungen aus der Anhörung haben wir

allerdings aufgenommen, Sie finden sie im Ände rungsantrag der Koalition. Wir wollen das Gesetz befristen. Den Landesbehindertenbeauftragten wollen

wir in die Besuchskommission einbeziehen, und wir haben das Angebot gemacht, eine Begleitgruppe für den gesamten Umsetzungsprozess zu schaffen. Wir als Koalition machen das schon länger, dass wir die ganze Diskussion eng begleiten. Das ist aus unserer Sicht sinnvoll und auch transparent.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt einige Voraussetzungen für eine Zwangs

maßnahme. Sie darf nur von der ärztlichen Leitung einer Einrichtung angeordnet werden. Letztlich muss das Betreuungsgericht die Zwangsmaßnahme genehmigen, beim Maßregelvollzug das Landgericht. Es muss alles lückenlos dokumentiert werden. Es ist nicht möglich, dass die Einrichtung die Zwangsmaß nahme anordnen kann. Das Gericht ist nach dieser neuen Regelung die vom Bundesverfassungsgericht geforderte neutrale Instanz. Zwangsmaßnahmen sind zulässig zum Eigenschutz, bei einer Gefahr gegenüber Dritten, oder dem Patienten fehlt die Ein sicht zur Behandlung. Es muss aber stets begründet werden, und es ist wirklich eine höhere Hürde für das Durchführen einer Zwangsbehandlung.

Zur Gefahrenabwehr sind auch einfache Ärzte

berechtigt, die Maßnahme durchzuführen, es muss allerdings detailgetreu dokumentiert und auch be gründet werden. Wir als Koalition wissen, das sind Eingriffe in die Freiheitsrechte von Personen, auf der anderen Seite steht allerdings das Schutz- und Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit. Das ist für uns ein Abwägungsprozess und ein Ritt auf der Rasierklinge. Wir haben als Politiker beide Seiten zu beachten.

Den Gesetzentwurf der LINKEN lehnen wir ab,

denn wir handeln nicht nur aus ökonomischen Grün den, und wir wollen die Verweildauer für Patienten in psychiatrischen Einrichtungen auch nicht erhö hen. Die Begleitung der Patienten ist in unseren Einrichtungen Standard. Allerdings muss der Schutz der Bevölkerung durch uns höchstmöglich gewähr leistet werden, und das ist nicht nur ökonomisch zu betrachten. Wir wollen den Zustand der jetzigen Rechtsunsicherheit beenden, wegen dieser ist ein Anstieg der Zwangsbehandlungen zu beobachten.

Ich habe es gehört und weiß, einige Patienten

sind froh, dass hier Rechtssicherheit geschaffen wird und auch klare Regelungen getroffen werden. Deshalb bitten wir Sie, den Gesetzentwurf und die Änderung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu unterstützen! Wir meinen, das ist mit den zusätzli chen Maßnahmen ein gelungener Kompromiss für die weitere Versorgung der Kranken. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin rufe

ich auf Frau Kollegin Dr. Kappert-Gonther.

Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die

Grünen): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Außerhalb des Protokolls: Ich werde nie wieder leugnen, dass es Kampfradfahrer gibt, das aber nur am Rande!

(Heiterkeit)

Die Frage nach viel oder wenig Zwang in der Psy

chiatrie entscheidet sich nicht an einem Gesetz, son dern an den Behandlungsangeboten. Es muss unser aller Ziel sein, Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie so gering wie irgend möglich zu halten. Um diesem Ziel näher zu kommen, müssen die Behandlungsan gebote individueller und personenbezogener werden, und auch dafür werden wir uns weiter einsetzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Allerdings ist die Vorstellung einer Psychiatrie

ständig und zu allen Zeiten ganz ohne Zwang eine Utopie, eine Utopie, die ich sehr sympathisch finde. Mir gefällt auch der Sound und die Haltung des Änderungsantrags der LINKEN, aber es ist eine Utopie, der wir auch mit hervorragenden Behand lungsangeboten zumindest derzeit nicht entspre chen werden können. Deshalb brauchen wir auch für die Situationen, in denen Behandlungen gegen den natürlichen Willen der Patienten vorgenommen werden, zu deren Schutz und zum Schutz Dritter Rechtssicherheit. Es ist notwendig, die Gesetze, die diese Rechtssicherheit regulieren, so gut wie irgend möglich zu machen, und in diesen Gesetzen muss man natürlich ganz sorgfältig die Menschenwürde und die Menschenrechte beachten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Gesetz, das diese Umstände regelt, unter denen

Menschen, die in der Psychiatrie behandelt werden, Medikamente gegen ihren Willen verabreicht bekom men, wird Gesetz zu Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke genannt. Hilfen und Schutz maßnahmen für psychisch Kranke, eben nicht nur Einschränkungen, so steht es eigentlich im Gesetz, kurz PsychKG, werden in jedem Bundesland selbst ständig geregelt. Dass wir dies novellieren müssen, darauf hat der Kollege Brumma schon hingewiesen.

Nun liegt uns die entsprechende Novelle in zweiter

Lesung vor. Nach Auffassung von uns Grünen kann diese Gesetzesnovelle nur ein Zwischenschritt sein zu einem deutlich besseren Gesetz, aber sie ist im merhin ein Schritt in die richtige Richtung. Das neue Gesetz schützt die Rechte von Patienten besser, es ist hoffentlich verfassungskonform, das zumindest sagen die Juristen. Das muss es auch sein, das ist ja das Ziel dieser Novelle.

Was die Patientenrechte deutlich besser schützt, ist

der sogenannte Richtervorbehalt, der nun in dieses Gesetz aufgenommen wurde. Für mich ist das ein entscheidender Punkt, der Kollege Brumma hat es erläutert: Wenn ein Arzt eine Zwangsmedikation anordnet, dann muss ein Richter befragt werden, ob das so auch in Ordnung ist, und das ist natürlich eine erheblich höhere Hürde als vorher. Nun muss man schauen, ob sich auf Dauer bewährt, wie es jetzt geplant ist. Diesen Schutz aber halten wir für richtig, das ist gut so!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Auch die Besuchskommission wurde mit dem