Protocol of the Session on July 17, 2014

zwei Jahren besprochen, dass die anonyme Spuren sicherung am Zentralkrankenhaus Reinkenheide gewährleistet werden soll. Ich persönlich bin davon ausgegangen, dass das schon lange umgesetzt ist, aber das ist nicht der Fall. – Deshalb gerade hierfür noch einmal herzlichen Dank für Ihre Anfrage!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das

Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss auch betonen, dass es eine gute Initiative war, diese Anfrage zu stellen. Es ist durchaus ein wichtiges Thema, und wir haben uns hier gerade mit dem Gewaltbereich schon häufiger auseinandergesetzt und auch immer wieder dafür gesorgt, die entspre chenden Institutionen trotz enger Haushaltslage zu unterstützen.

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung sind Straf

taten, bei denen wir davon ausgehen müssen, und das ist das Bestürzende, dass die Aufklärungs- und Verurteilungsquoten extrem niedrig sind. Wenn ich mir anschaue, dass es zum Teil wirklich nur vier oder fünf Prozent sind, dann ist das wirklich erschütternd. Das bedeutet ja, wenn in Bremen oder Bremerhaven 200 Fälle von Nötigung oder Vergewaltigung ange zeigt werden, dass hier ungefähr 2 000 bis 5 000 Fälle überhaupt gar nicht zur Sprache kommen und unter den Tisch fallen, das heißt also, es gibt nur einen winzigen Anteil, der überhaupt zur Anzeige kommt. Ich finde, das ist eine erschreckende Erkenntnis

(Beifall)

und steht auch in einem Zusammenhang, denn der Entschluss, eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung zur Anzeige zu bringen, ist ja mit Hürden bewehrt. Wir werden uns das hier noch einmal ge nauer ansehen.

Ich verweise noch einmal auf die Antwort des

Senats, es stimmt, wir haben keine Antwort bekom men, wie hoch die Verurteilungsquoten präzise sind, weil das alles laufende Verfahren sind und man es dann quasi auf einzelne Jahre heruntergebrochen hat. Wenn ich das aber in etwa herunterbreche und das Ergebnis als Zahl nehme, kommen wir auf sechs bis sieben Prozent. Das, finde ich, steigert ja nicht unbedingt die Neigung bei den Vergewaltigungs opfern, sich tatsächlich auf diesen Weg zu begeben.

Herr Hinners hat hier noch einmal betont, dass es

diese relativ neue Studie aus Niedersachsen gegeben hat, und da finde ich es auch ganz spannend, dass es wohl zwischen den Bundesländern extreme Unter schiede gibt. Bei den A-Ländern zum Beispiel gibt es durchaus sehr viel niedrigere Verurteilungsquoten,

und wir müssen uns natürlich schon damit beschäf tigen und genauer hinschauen, woran das liegt. Es gibt ja vielleicht durchaus auch mehrere Gründe, aber es gibt ja wohl auch Gründe und Ursachen, die in den Griff zu bekommen sind, weil es in anderen Bundesländern besser funktioniert.

Umso wichtiger ist es eben, einen Blick auf die

Dokumentation zu werfen, meine Kollegin Frau Böschen hat das schon angesprochen. Der Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen hat ja auch dargestellt, dass es gerade hier Lücken gibt. Diese Glaubwürdigkeitsbeurteilungen spielen ja insofern eine große Rolle, und diese dokumentierte Erstaus sage ist ja wesentlich dafür, und trotzdem ist Bremen dafür nicht entsprechend gerüstet. Die Transkription ist ja auch hier in vielen Fällen nicht ausreichend, und wenn die Opfer dann auch noch einmal unter dem Druck stehen, in einer gerichtlichen Verhandlung dem Täter gegenüberstehen zu müssen und nicht so etwas wie die Simultananhörung zur Verfügung gestellt bekommen, ist das eine weitere Hürde. Das halte ich in dem Zusammenhang für sehr wichtig, auch da ein Stück weiterzukommen und diese Be lastungsquote extrem zu reduzieren. Ich bin auch erstaunt gewesen, dass das in Bremerhaven nicht eingeführt worden ist. Ich hatte das auch immer als parallel verankert angesehen, aber es ist ja geradezu erschütternd, dass wir das da – –.

(Zuruf der Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/ Die Grünen])

Ja, trotzdem! Ich finde es ganz wichtig, dass wir

das natürlich auch dort haben.

Der andere Punkt ist die Transparenz über die

Möglichkeit, dass und wie das überhaupt funktioniert, das muss man sich ja auch erst einmal anhören. Ich habe im ersten Moment auch überlegt, wie anonyme Spurensicherung denn funktioniert, was man machen muss, welche Schritte es dabei gibt, wie man sie sich vorzustellen hat und wie anonym sie denn wirklich ist. Nachdem ich mir dieses Verfahren angesehen habe, denke ich aber, dass es eine sehr gute Möglichkeit ist, dort tatsächlich ein Stück weiterzukommen. Diese Projekte müssen wir ausbauen und unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da weist die Anfrage der CDU natürlich auch auf

einen weißen Fleck hin.

In dieser Dokumentation beziehungsweise Aus

wertung und Studie wird ja auch zum Teil gefragt – es gab ja eine Änderung in der Rechtsprechung, wenn man noch einmal weit zurückblickt –: Warum ist es denn so, dass die Zahl der Verurteilungen sinkt und die der Anzeigen steigt? Das ist ja ein völlig widersprüchlicher, paradoxer Vorgang. Es ist auch angesprochen worden, dass es mit Personalressourcen zu tun haben kann – ich sage das hier ganz bewusst,

dass es damit zu tun haben kann –, aber auch da mit, wie man die Ressourcen für bestimmte Dinge einsetzt. Da fände ich es sehr spannend, weiter zu schauen, wie Bremen das im Einzelnen tatsächlich macht, und ich wäre sehr dafür, dass wir da diesen Bereich stärker durchleuchten, um es auch ein Stück weit abstellen zu können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr ge

ehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt auf die wenigen Punkte konzentrieren, in denen die grüne Fraktion Handlungsnotwendigkeiten sieht, aber vorher noch einmal ganz kurz das Thema des Dunkelfeldes auf greifen!

Es ist vollkommen richtig, dass uns das Ausmaß

dieses Dunkelfeldes doch schon Sorge bereiten muss. Wir kennen die Diskussionen um Dunkelfelder in der Innenpolitik immer wieder – das ist auch ein bisschen das Blicken in eine Glaskugel –, aber bei sexueller Nötigung und Vergewaltigung, das muss man ganz deutlich sagen, haben wir es mit so klassischen De liktfeldern zu tun, dass wir aus Erfahrung wissen, dass das Dunkelfeld wesentlich größer ist. Wir haben es mit Tätern zu tun, die nicht wahllos umherirren, sondern wir haben in der Regel eine Täter-OpferBeziehung, wo die Opfer ihre Täter kennen, sei es aus der Familie, aus dem Bekannten- oder aus dem Kollegenkreis. Da gibt es natürlich eine besondere Hemmschwelle für eine Anzeige, wie wir sie auch bei anderen Deliktfeldern haben. Ich glaube, schon deswegen ist es sehr sinnvoll, sich dem Thema Dun kelfeld auch noch einmal zu widmen.

Auf die vielen Punkte, die in Bremen auch schon

vorbildlich gemacht werden, möchte ich an dieser Stelle auch nicht weiter eingehen, das sogenannte Bremer Modell, die Sonderzuständigkeiten, die Op ferorientierung, alles das ist schon benannt worden. Aus Sicht der Grünen gibt es fünf Punkte, die wir gern weiter diskutieren wollen und in denen wir eine etwas andere Position haben, als der Senat sie darstellt, das muss man so deutlich sagen.

Der eine Punkt ist die Rolle der Videovernehmung.

Wir haben jetzt schon von mehreren Kolleginnen und Kollegen gehört, dass diese ein besonderes Instrument ist, das die Polizei mit sehr viel Erfolg im Bereich von Straftaten gegen Kinder einsetzt, weil man nämlich sagt, dass dadurch dem Kind erspart wird, mehrfach über die Erlebnisse sprechen und immer und immer wieder diese Traumatisierung darstellen zu müssen. Wenn wir aber sagen, dass das für Kinder genau das richtige Mittel ist, dann ist es eben auch sinnvoll, das im Bereich der Vergewaltigung einzusetzen, weil sie eine solche schwere Straftat ist und dort eine

ähnliche Traumatisierung stattgefunden hat, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich finde, wir müssen noch einmal in der Deputa

tion für Inneres darüber reden, vielleicht gemeinsam mit der Polizei, reden, wie nun die Realität ist, denn es gibt da unterschiedliche Aussagen, die man zu einanderbringen muss. Wir halten das für sinnvoll. Das Gleiche gilt auch für die vorhin schon mehrfach angesprochene Simultanvideoübertragung. Auch diese kennen wir aus dem Bereich der Straftaten gegen Kinder, und auch das ist aus unserer Sicht ein Bereich, in dem man die Arbeit verbessern kann, indem man es den Opfern erleichtern kann, Anzei ge zu erstatten und auch eine Aussage zu machen. Lieber Herr Senator Mäurer, wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie auch dazu weitere Ausführun gen machen würden!

Die Verurteilungsquote ist hier auch schon ange

sprochen worden, und in der Tat habe auch ich, als ich das gelesen habe, mir Gedanken gemacht und fand, dass es natürlich sehr komplexe Sachverhalte sind, bei denen es auch immer Situationen gibt, in denen Aussage gegen Aussage stehen, wo vielleicht die Beweislage nicht ausreichend ist. Das ist vielleicht ein möglicher Erklärungsansatz, der aber der Fraktion der Grünen nicht ausreicht. Ich glaube, auch da ist der Senat gefordert, sich für diese aus unserer Sicht essenzielle und wichtige Frage die Zeit zu nehmen – ob nun in der Forschungsarbeit oder mit eigenen Mitteln, das lasse ich jetzt einmal dahingestellt! –, um sich noch einmal diesen Zusammenhang an zuschauen, wie es überhaupt dazu gekommen ist, denn eines ist doch klar: Wenn wir aufgrund der ohnehin schon geringen Anzeigebereitschaft eine geringe Verurteilungsquote haben und dazu noch ein enorm hohes Dunkelfeld, dann befinden wir uns doch in einer Situation, in der man schon fast von einer Straffreiheit sprechen muss, und das können wir definitiv nicht akzeptieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Bei einem Punkt möchte ich mich auf gar keine

Seite schlagen, aber ich möchte die Verfahrensdauer geklärt wissen. Wenn man sich mit den einschlägigen Beratungsorganisationen unterhält, die hier im Hohen Haus eine sehr hohe Wertschätzung genießen, zum Beispiel mit dem Notruf für vergewaltige Frauen, dann gibt es nach ihren Aussagen eine sehr große zeitliche Distanz zwischen der Anzeige und der Eröffnung des Hauptverfahrens, sie sprechen dabei von circa drei bis fünf Jahren. Der Senat beantwortet in seiner Großen Anfrage das Ganze mit dem Hin weis, dass er diese Zahlen nicht habe. Nun gut, das eine sind Erfahrungswerte, das andere sind nicht

vorhandene Zahlen. Auch das, glaube ich, müssen sich der Senat und auch wir uns noch einmal sehr genau anschauen, denn es ist doch vollkommen klar: Wenn wir zwischen der Erstattung der Anzeige und der Eröffnung des Gerichtsverfahrens am Ende einen solch langen Zeitraum haben, dann ist das keine Förderung des Anzeigeverhaltens, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Bleibt abschließend das Thema der anonymen