Protocol of the Session on June 19, 2014

Mitteilung des Senats vom 10. Juni 2014

(Drucksache 18/1426)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Kück.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/1426, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Frau Senatorin, dass Sie darauf verzichten wollen, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, ich lehne mich nicht zu sehr aus dem Fenster, wenn ich sage, dass

es im Wissenschaftsbereich kaum ein Thema geben dürfte, das national und international die Hochschullandschaft so geprägt hat wie der Bologna-Prozess der letzten 15 Jahre. Im Jahr 1999 von einstmals 29 Staaten initiiert nehmen nunmehr fast 50 Länder am Streben nach einem einheitlichen europäischen Hochschulraum teil. Die übergeordneten Ziele, nämlich Förderung der Mobilität, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigungsfähigkeit, waren damals wie heute richtig und werden ja weitestgehend geteilt.

Mein eigenes Studium an der Ludwig-MaximiliansUniversität liegt ja nun schon ein bisschen zurück, aber die nächste Generation, so auch meine Tochter, hat international studiert, und ich bin persönlich häufig mit den Veränderungen in Berührung gekommen, sodass ich sagen muss, ich bin schon auch positiv überrascht, welche Möglichkeiten junge Menschen heute durch Internationalität haben.

Doch auch wenn man sich bei den Zielen relativ einig ist, bei der Wahl des eingeschlagenen Kurses kann eine solche Einigkeit nicht immer attestiert werden. Jeder kann sich wahrscheinlich noch an die bundesweiten Proteste von Studenten gegen zu hohen Leistungsdruck und zu wenig Freiheiten im Studium erinnern. Selbst auf der politischen Ebene – da schließe ich meine eigene Partei im Übrigen auch nicht ganz aus – ist die Reform zumindest in Teilen umstritten, und wie Sie vielleicht am Montag oder auch heute in den Zeitungen gelesen haben, fühlt sich laut einer repräsentativen Umfrage des Allensbacher Instituts mehr als die Hälfte der deutschen Bachelorstudenten nur unzureichend auf das Berufsleben vorbereitet.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion glaubt deshalb, dass es richtig war, das Thema erneut in das Parlament zu holen und den Verlauf, die Fortschritte und die weiterhin bestehenden Mängel des Bologna-Prozesses zu debattieren und den Prozess weiter zu begleiten.

(Beifall bei der CDU)

Persönlich finde ich die vorliegende Antwort sehr aufschlussreich, und ich möchte mich deswegen bei der Verwaltung auch bedanken!

Erfreulich finde ich für Bremen insbesondere, dass der Umstellungsprozess zumindest auf der operativen Seite als abgeschlossen angesehen werden kann. Praktisch alle Studiengänge der Bremer Hochschulen sind mittlerweile auf die neuen Abschlüsse umgestellt. Dies zu bewerkstelligen, ist eine immense Leistung, und dafür, dass das insgesamt so zügig und auch insgesamt relativ – ich betone dabei wirklich relativ – problemlos vonstattenging, gebührt den Hochschulen unser Dank, den ich im Namen der CDUFraktion hier auch offiziell aussprechen möchte!

Natürlich gab und gibt es Probleme, die man nicht kleinreden darf, aber es wird ja noch viel getan, und

die Antwort zeigt auch, dass man bei vielem auch aufpassen muss und nicht zu Übertreibungen neigen darf. Nehmen wir das Beispiel Beratungszahlen psychosozialer Beratungsstellen! Diese sind zwar angestiegen, aber wenn man berücksichtigt, dass die Zahl der insgesamt eingeschriebenen Studenten parallel ebenso gestiegen ist, relativiert sich das wieder.

Erstaunt bin ich, dass die Regelzeit von sechs Semestern an der Universität geradezu nur minimal überschritten wird; ein durchaus positives Ergebnis, das man angesichts der zahlreichen Kritiker nicht so unbedingt hätte erwarten können. Unsere Hochschulen müssen deshalb wohl auf einem richtigen Weg sein.

Lassen Sie mich aber auch noch einige Punkte aufgreifen, bei denen wir noch Handlungsbedarf sehen! Eine der größten Baustellen sehe ich nach wie vor in der Akzeptanz des Bachelors als einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Gerade im MINTBereich hört man hier heutzutage immer noch den Unkenruf, das seien nur Schmalspurakademiker. Bachelorabsolventen sind keine Akademiker zweiter Klasse, sondern brauchen attraktive Einstiegsbedingungen in die Berufswelt. Vieles hängt dabei sicherlich von der verbesserungsfähigen Kommunikationspolitik ab, weshalb ich Initiativen der Wirtschaft, zum Beispiel Pro-Bachelor, sehr begrüße.

Es gibt aber eben auch strukturelle Punkte wie die Regelstudienzeit, 64 von 67 Bachelorstudiengängen an der Uni laufen nur sechs Semester. Vielleicht muss man da auch noch einmal genau hinsehen, denn eine kurze Studiendauer ist zwar ein wichtiges Ziel, aber angesichts der eingangs zitierten Studie müssen wir im Parlament da vielleicht noch einmal hinsehen und die Sorgen der Studenten ernst nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Eine andere wichtige Baustelle sind für mich die Studienabbrecher. Die Erfolgsquote liegt in Bremen bei 72 Prozent. Ergo gibt es knapp 30 Prozent, die nicht so erfolgreich waren, aus welchen Gründen auch immer. Studienabbrecher hat es schon immer gegeben, aber gerade da muss die Datenlage noch etwas besser werden, und da sehe ich auch noch Raum für Verbesserungen.

Gefreut hat mich, dass es praktisch keine Probleme bei der Anrechnung von im Ausland erbrachten Leistungen gibt. Das hätte ich so gar nicht erwartet, das wird ansonsten nämlich häufig kritisiert. Allerdings ist es schwierig mit der Mobilität. Die Einmaligkeit vieler Studiengänge heutzutage hat das Problem, dass das Wechseln des Studienstandorts praktisch nicht mehr möglich ist, was für viele Menschen ein Problem ist. Auch da müssten wir noch einmal schauen, wie wir die Mobilität erhöhen können.

Über die Hälfte der befragten Absolventen aus den Jahren 2010 und 2011 zeigen sich in Bremen zufrie

den bis sehr zufrieden. Das ist angesichts dieser so häufig geführten Debatten hier im Parlament eigentlich kein so schlechter Wert, aber wir wissen alle, dass auch dort noch Luft nach oben ist. Deswegen darf man den Bologna-Prozess eben nie als völlig abgeschlossen ansehen, sondern muss permanent an seiner Optimierung arbeiten. Aus einer Studienstrukturreform muss eine Qualitätsreform werden, insbesondere hier in Bremen.

Bei aller berechtigter Kritik muss klar sein, zurückdrehen kann man den Bologna-Prozess nicht, auch da wären wir entschieden dagegen. Ich halte das Ziel eines näheren Zusammenrückens in Europa, gerade wenn es um die Zukunft der jungen Generation geht, für eine richtige und absolut unterstützenswerte Sache, die den Grundgedanken von Europa ja praktisch lebt, und deswegen lohnt es, sich auch weiterhin dafür einzusetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat, der Bologna-Prozess dauert schon relativ lange, er ist in Teilen erfolgreich, und über die Ziele sind wir uns, glaube ich, weitgehend einig. Zustimmen würde ich gerade nicht in Bezug auf die Anerkennungsprobleme. Ich bin ein bisschen verwundert, dass die Zahlen so waren, dass es kaum Fälle bei der Schlichtungsstelle gibt.

Meine eigene Empirie bei Bekannten, die studiert haben oder die noch studieren, ist innerhalb Deutschlands von Bundesland zu Bundesland eher so, dass es ein sehr großes Problem mit der Anerkennung von Studienleistungen gibt. Ich werde da noch einmal nachfragen.

Ich erkläre mir das einfach so, dass viele Studierende vor dem Weg zu einer Schlichtungsmöglichkeit, einfach schon frustriert sind und den Weg nicht weiter beschreiten. Ich glaube, dass eine Klärung dieser Problematik auch nicht allein auf der Landesebene erfolgen kann, sondern es wirklich eine Aufgabe für die nationale Ebene ist, auf der man sich darüber einigen muss, wie denn Studienleistungen anerkannt und wechselseitig auch gefordert werden.

Beim berufsqualifizierenden Abschluss des B.A. – da gebe ich Ihnen recht – haben die Studierenden das Gefühl, dass der B.A. sie nicht berufsqualifiziert. Auf der anderen Seite haben wir auch in der Wirtschaft die Anforderung, dass dieser Abschluss anerkannt wird. Es gibt, glaube ich, ein Feld, auf dem wir selbst auch als Arbeitgeberland tätig werden können, denn auch wir haben, glaube ich, die Problematik, dass wir den B.A. nicht so wirklich anerkennen, wenn es um die Einstellung in den höheren Dienst geht, zumin

dest habe ich da auch von Fällen in Bremerhaven gehört, und man müsste einmal nachfragen, wie das in der Verwaltung in Bremen ist.

Ich glaube, dass aber das wesentliche und drängendste Problem neben diesen Fragen die Studierbarkeit von Studiengängen darstellt, und da gibt es verschiedene Aspekte, die, glaube ich, benannt werden müssen. Ein Aspekt ist der Prüfungsdruck, der Prüfungsstress. Wir haben das heute in der Debatte gehört, als es um die Öffnungszeiten der Staats- und Universitätsbibliothek ging. Wir haben eine radikale Straffung der Lerninhalte, und das führt zu verschiedenen Effekten.

Ein Effekt ist – und der wird in der Tat von den Studierenden, wie ich finde, auch zu Recht kritisiert –, dass es wenig Freiraum im Studium gibt. Das Stichwort der zweiten, der verschärften Oberstufe macht die Runde. Wenn man, wie ich das getan habe, noch das Staatsexamen macht und mit Studierenden gemeinsam im Vorlesungsraum oder in Seminaren war, die den Bachelorstudiengang belegt hatten, dann war man schon über die Quantität der Leistungen verwundert, die sie bringen mussten, und über die Qualitätseinbußen, die sie aufgrund der Quantität, die sie leisten mussten, doch hinnehmen mussten. Es sind ganz viele, klein gestückelte Leistungen, die man erbringen muss. Das ist nicht nur für die Studierenden ein Aufwand, es ist ebenso ein Aufwand für diejenigen, die die Prüfungen abnehmen. Ich glaube, da müssen wir noch einiges tun und mehr Freiräume schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Möglichkeit, Freiräume zu schaffen, wäre aus meiner Sicht, die Beantwortung der Frage, ob die Regelstudienzeit einzelner Studiengänge nicht etwas verlängert werden muss, um das Studium zu entzerren. Das sollte man sich in der Tat anschauen. Ich glaube aber, dass man insgesamt, wenn man die Aspekte betrachtet, den Fokus auf die soziale Situation der Studierenden legen sollte.

Wir haben einerseits die Situation, dass wir eine höhere Studierneigung haben. Das finde ich auch sehr positiv. Das führt eben auch dazu – und das ist auch politisch von uns gewollt –, dass immer mehr Menschen anfangen zu studieren, die sich das nicht allein durch das Elternhaus leisten können. Diese Menschen sind also abhängig davon, eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium auszuführen. Sie sind unter anderem aber natürlich auch vom BAföG abhängig. Das bedeutet auf der einen Seite, dass ein größer Prüfungsdruck, eine Komprimierung der Inhalte dazu führt, auch die Semesterferien – die ja keine Ferien mehr im üblichen Sinn sind – nicht zur Erwerbsarbeit zu nutzen, sondern eben für Praktika und andere Arbeiten.

Das andere Problem ist, dass es für Studierenden aufgrund der BAföG-Abhängigkeit auch notwendig

ist, das Studium in der Regelstudienzeit abschließen zu können. Das ist ein weiteres Argument, gewisse Studiengänge ein Stück weit zu strecken.

Ich glaube, dass ein richtiger Schritt mit der BAföG-Übernahme gegangen worden ist. Ich komme an dieser Stelle zum Thema BAföG, weil der Bund hier die Verantwortung übernommen hat. Die BAföG-Mittel sollten wir wissenschaftspolitisch dazu nutzen, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu verbessern.

Ich glaube aber, dass dem Bund an der Stelle, und da möchte ich auch die Wissenschaftsministerin auf der Bundesebene kritisieren, ein Fehler unterlaufen ist. Der Bund hat zwar die BAföG-Zahlung übernommen und die BAföG-Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten angeglichen, wenn man sich aber die Energiekosten oder die Miethöhe für studentischen Wohnraum anschaut – nicht nur in Bremen haben wir das Problem –, hat er da keine Anpassung vorgenommen.

Man muss sagen, die Perspektive, dass es erst im Wintersemester 2016/2017 zu einer Erhöhung des BAföGs kommen soll, ist eine sehr späte Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden. Dieses Verhalten ist, glaube ich, hauptsächlich für den Druck verantwortlich, in dem sie sich befinden. Ich glaube, damit erklärt sich dann eben auch der Anstieg der Beratungen bei der psychologischen Beratungsstelle.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Gleich- zeitig Regierung und Opposition!)

Ja, man ist immer beides, und in erster Linie bin ich Wissenschaftspolitiker. Ich nenne die Probleme, ich spiele hier aber nicht!

(Beifall bei der SPD)

Ich kann ja auch einmal die Opposition, die an anderer Stelle die Regierung ist, kritisieren. Ihre Methode mit dem Deutschlandstipendium, sozusagen an der Stelle noch die Begabten besonders zu fördern, aber nachweislich eigentlich nur das Geld zu einem großen Teil für die Verwaltung auszugeben und dann eben auch die Benachteiligung bestimmter Schichten weiterzugeben, indem eben besonders Menschen gefördert werden, die sowieso schon vom Elternhaus gefördert werden und viel Geld bekommen, ist meiner Ansicht nach nicht die richtige Antwort auf die sozialen Probleme der Studierenden.

(Beifall bei der SPD)

Insofern ist es schön, wenn wir vereint dafür kämpfen, dass die BAföG-Mittel zum einen vernünftig eingesetzt werden, um die Grundfinanzierung der Hochschulen und damit auch die Studienbedingungen zu verbessern, und wir zum anderen vielleicht doch dazu

kommen, die BAföG-Erhöhung schneller vorzunehmen, als sie bisher geplant ist. Zumindest wäre das ein Wunsch, den ich an dieser Stelle hätte. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau G r o - b i e n [CDU]: Da tränen einem ja die Au- gen! Da heult man mit!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt, Fraktion DIE LINKE.