Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht der staatlichen Deputation für Bildung, Drucksache 18/1307, Kenntnis.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Positive Berichte über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind sehr ermutigend. Wir konnten sie in den letzten Monaten oft im Fernsehen sehen oder auch in der Zeitung lesen. Es wird gezeigt, wie sie sich bei uns eingelebt haben, Deutsch lernen, zur Schule gehen, eine Berufsausbildung machen und auch Freunde finden. Wir be
nötigen diese positiven Berichte, die uns ein wenig in die uns fremde Lebenswelt eines Flüchtlings schauen lassen und uns dabei auch für ihre besonderen Probleme sensibilisieren.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern hier ankommen, stehen gesetzlich unter unserem besonderen Schutz, egal woher sie kommen. Sie dürfen nicht ausgewiesen werden und müssen in unser Jugendhilfesystem aufgenommen werden – das machen wir ja auch gern –, das heißt auch, wir übernehmen für diese Jugendlichen nicht nur moralisch, sondern auch gesetzlich verpflichtet, soweit wie nötig und auch eben gesetzlich definiert, die Verantwortung.
Ich habe mich lange Zeit gefragt, ob es klug ist, einen Antrag zu stellen zum Thema „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wirkungsvoller vom Drogenmilieu fernhalten“, weil es dünnes Eis ist, auf das man sich mit solch einem Antrag begibt. Es ist weniger auch der Konsum von Drogen gemeint, sondern eher der Handel mit Drogen. Über Wochen habe ich mir Gedanken zu diesem Thema gemacht. Ich war auf Beiratssitzungen und ähnlichen Sitzungen, auf denen immer wieder betont wurde, wie wunderbar alles läuft. Es ist ja auch so, dass viele hoch motivierte Flüchtlinge zu uns kommen, doch ohne Bezugspersonen, ohne Deutschkenntnisse aus einer fremden Kultur und mit traumatischen Fluchterfahrungen im Gepäck fällt vielen unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen das Einleben in eine fremde Kultur doch enorm schwer.
Erstaunlicherweise kam dann der eigentliche Impuls, dieses Thema politisch aufzugreifen, aus den Reihen derer, die täglich mit diesen jungen Flüchtlingen arbeiten. Viele von ihnen fragen sich, was gezielt anders gemacht werden könnte, um die Jugendlichen schon vor den ersten Schritten ins Drogenmilieu, wo ihnen schnelles Geld in Aussicht gestellt wird, zu schützen. Wohl wissend, dass man mir und damit auch der CDU unterstellen könnte zu dramatisieren, habe ich die Impulse und Anregungen dieser Fachleute aufgegriffen und den vorliegenden Antrag für ein Konzept zum Schutz der Jugendlichen gestellt.
Zurzeit ist es so, dass für die Betreuer, die Vormünder und auch die Casemanager erst konkreter Handlungsbedarf entsteht, wenn schon etwas passiert ist. Vorher, also präventiv, gibt es, würde ich einmal sagen, bis auf das eigene Ermessen der genannten Personen nichts. Das kann dann in der Praxis sehr unterschiedlich aussehen. Ich habe die Betreuer einer Wohneinrichtung für jugendliche Flüchtlinge einmal gefragt, nach welcher Systematik sie denn im Kontakt mit den Jugendlichen vorgehen würden. Die Antwort war ein Schulterzucken mit dem Hinweis, dass sich im Kontakt automatisch Gespräche ergeben. Jeder Betreuer sei für acht bis zehn Jugendlich zuständig, die hätte er dann besonders im Blick. Mir ist wohl klar, dass eine zu starre Systematik in der Betreuung sehr
hinderlich sein kann, die Betreuung und jegliche Gesprächsinhalte aber quasi nur den Alltagsumständen und dem Zufall zu überlassen, finden wir falsch.
Mein Fazit ist, dass die Betreuer in den Wohneinrichtungen mit sich anbahnenden Problemen und präventiven Überlegungen doch ziemlich alleingelassen werden. Es gibt keinen Plan, dem sie entnehmen könnten, auf was man bei der Kontaktaufnahme mit dieser Zielgruppe besonders achten sollte, um ihnen von Anfang an gezielte Unterstützung zu bieten. Es gibt auch dann keine Handlungsabläufe, wenn jemand anfängt, auffällig offensichtlich kriminell zu werden.
In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage vom letzten Dezember heißt es dazu, konkrete individuelle Hilfen für jugendliche Flüchtlinge, die ins Drogenmilieu abzugleiten drohen, werden prinzipiell auf den Einzelfall bezogen entwickelt. Was sich auf dem Papier noch gut liest, sorgt in der Praxis aber oft genug für Versäumnisse. Ohne feste Handlungsketten wird oft viel zu lange gewartet, und die Ausstiegs- und Umkehrmöglichkeiten der Jugendlichen reduzieren sich zusehends, zudem haben die Jugendlichen oft den Eindruck, dass alles halb so schlimm ist, weil eben lange nichts passiert ist.
Ohne die Situation dramatisieren zu wollen, muss es uns doch erschrecken, dass die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität erfasst wurde, im Vergleich zu anderen Jugendlichen erschreckend hoch ist. Ich möchte hier jetzt keine Zahlen nennen, aber es kommt auch noch eine Dunkelziffer hinzu. Ich kann mich einfach nicht damit abfinden und frage mich, was anders gemacht werden könnte. Nach meiner und auch unserer Auffassung muss ein Konzept entwickelt werden, das in der Umsetzung geeignet ist, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wirkungsvoller als bisher vom Drogenmilieu fernzuhalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben wieder einen Antrag vor uns liegen, der auf dem ersten Blick ganz gewiss von vielen gutgeheißen wird und auch gute Absichten hat. Auf dem zweiten Blick aber wird erkennbar, dass er sehr problematisch ist.
Der Antrag knüpft an die Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der CDU an. In der Anfrage ging es vor allem um strafpflichtig relevantes Verhalten, insbesondere Drogendelikte in den Jugendhilfeein
richtungen, in der ZASt. Ich möchte nicht verschweigen, dass unter anderem auch nach geschulten Ansprechpartnern für hilfesuchende, junge Flüchtlinge gefragt wurde. Im Wesentlichen aber ging es vor allem um das Vorkommen von Straftaten.
Die Antwort des Senats war sehr deutlich und hat bestätigt, dass die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge objektive Fluchtgründe haben, dass sie also nicht in erster Linie nach Deutschland und nach Bremen kommen, weil sie hier ungestört Straftaten verüben wollen.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN. – Abg. H i n - n e r s [CDU]: Das hat auch keiner behaup- tet!)
Die Fluchtgründe sind laut Verwaltung – das wird also nicht nur durch Studien belegt, sondern auch die Verwaltung beschäftigt sich mit den Fluchtgründen, was mich sehr gefreut hat – in der Regel Kriege, die politische und ethnische Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen, massive Gewalterfahrungen in Form von physischer, sexueller und psychischer Gewalt und sonstige Verletzungen von Kinderrechten wie drohende Zwangsheirat, Ausbeutung, Naturkatastrophen, aber auch Armut.
Zu diesen Fluchtgründen kommt noch eine Fülle von erschreckenden und traumatisierenden Erfahrungen hinzu, die die Flüchtlinge unterwegs erleben. Ich habe selbst mit einigen Beratungsstellen telefoniert – auch seitdem diese Kleine Anfrage vorliegt –, die gesagt haben, dass diese Jugendlichen im Durchschnitt bis zu zwei Jahren unterwegs sind, bis sie von ihrem Zuhause, ihrem Heimatort hier in Bremen ankommen.
Der Senat bezog sich in der Antwort auch ganz konkret auf die Vermutungen, dass einige dieser Jugendlichen vielleicht mit dem Ziel des Drogenmissbrauchs oder Drogenhandels einreisen könnten. Der Senat stellt aber fest, dass das nur Vermutungen sind, die jeglicher Grundlage entbehren. Der weitaus überwiegende Teil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hat keinen Kontakt zur Drogenszene in Bremen. Im Klartext: In der Anfrage aufgebaute direkte Verknüpfungen zwischen Einreise, Unterbringung in der ZASt und strafrechtlichen Delikten wie auch dem Drogenhandel entbehren jeglicher Grundlage.
Ich möchte aber nicht falsch verstanden werden, oder wir sollten uns nicht missverstehen! Drogenbesitz, Drogenhandel an oder durch Jugendliche muss bekämpft werden,
wo auch immer das in der Gesellschaft stattfindet! Diese Bekämpfung kann aber nicht auf Grundlage der Unterstellungen oder vagen Vermutungen über Zusammenhänge erfolgen, schon gar nicht, wenn man damit anderes im Sinn hat.
Die gleichen Andeutungen und Unterstellungen, Frau Grönert, entfalten sich auch in Ihren Forderungen. Die Maßnahmen, die Sie in Ihrem Antrag fordern, sind offen repressiv, zum Beispiel Platzverweis, Kontaktverbote oder Sperrstunden in Wohneinrichtungen, und ob mit solchen Maßnahmen eine Integration gelingen kann, die Sie mit Ihrer guten Absicht ja erreichen wollen, würde ich ganz stark in Zweifel ziehen.
Meine Damen und Herren, aus integrationspolitischen, aber auch psychosozialen und rechtlichen Gesichtspunkten können wir mit derzeit verfügbaren Ressourcen keine wirklich vollkommen befriedigende Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge erreichen, das gebe ich zu. Die Versorgung dieser Jugendlichen bedarf weiterhin Verbesserungen und vor allem Stabilisierungen.
Die Unterbringung der Jugendlichen in der Gemeinschaftsunterkunft, in der ZASt darf sich nicht in die Länge ziehen, nur im Notfall, was aber in der Steinsetzerstraße immer wieder der Fall ist. Nach wie vor benötigen wir aber weitere zivilgesellschaftliche Träger, die in der Lage sind, die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge anzunehmen, und Pflegefamilien, die die familiäre Versorgung sicherstellen.
Ich komme zum Schluss! Ich meine, wir müssen weiter an diesen Fragen arbeiten und dabei aber menschlich und wahrhaftig bleiben. Ich glaube, Ihr Antrag leistet keinen Beitrag dazu. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Antrag der CDU. Dieser Antrag kriminalisiert unbegleitete minderjährige Flüchtlinge! Der Antrag der CDU stellt die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge unter Generalverdacht
Richtig! Das werde ich genau auf diesen Antrag beziehen, und ich werde diesen Antrag mehrfach zitieren! Sie müssten Ihren Antrag aber ja auch kennen oder zumindest einmal lesen!
(Abg. Frau S a l o m o n [CDU]: Kennen wir auch! – Abg. H i n n e r s [CDU]: Deswe- gen ja! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wir können aber nicht so böse denken wie an- dere!)
Die Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der CDU, „Wie werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterstützt, damit sie nicht in die Drogenszene geraten?“, vom 11. Februar 2014 macht deutlich, ich zitiere: „Der weitaus überwiegende Teil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hat keinen Kontakt zur Drogenszene in Bremen.“
Diese Antwort des Senats passte aber nicht in das Konzept der CDU, deswegen stellte die CDU-Fraktion im März 2014 den Antrag „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wirkungsvoller vom Drogenmilieu fernhalten!“. Zu Recht haben wir jetzt im Vortrag gehört, dass Sie Zweifel hatten, ob Sie das Richtige tun, ob das der Realität entspricht. Trotzdem aber haben Sie diesen Antrag gestellt, den wir heute debattieren.