Protocol of the Session on May 22, 2014

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/1315 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Meine Damen und Herren, es ist jetzt 17.30 Uhr. Die Debatte zum Tagesordnungspunkt 21 könnten wir noch führen. Im Anschluss rufe ich dann noch die Tagesordnungspunkte auf, zu denen keine Debatte vorgesehen ist.

Nach der Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) kommen wir noch zu einer Sitzung der Stadtbürgerschaft zusammen.

Salafistische Bestrebungen im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 18. März 2014 (Drucksache 18/1310)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 22. April 2014

(Drucksache 18/1357)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/1357, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Mäurer, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Hinners, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Medien taucht in der letzten Zeit immer wieder der Begriff Salafismus auf. Wer oder was verbirgt sich eigentlich dahinter?

Der Salafismus ist zunächst betrachtet eine ultrareligiöse Strömung innerhalb des Islam. Eine Minderheit der Salafisten allerdings folgt weltweit einer gewaltbereiten dschihadistischen Ideologie, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland unvereinbar ist, mit dieser Ideologie nämlich wird dazu aufgerufen, unter anderem mit Gewalt oder sogar mit militärischen Mitteln die Erweiterung und Verteidigung des islamischen Territoriums zu betreiben, bis der Islam die beherrschende Religion ist. Hierzu gehört nach Angaben des Senats das strikte Gebot, lediglich die Scharia als einzig geltendes Recht zu akzeptieren und alle anderen Staatsformen abzu

lehnen und zu bekämpfen, die nicht nach dieser Ideologie leben.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat die durch diese Ideologie auch in Bremen zunehmende Gefahr zum Anlass genommen, eine Große Anfrage an den Senat zu richten. Dabei waren insbesondere die Pressemitteilungen zu aus Bremen ausgereisten Personen in den letzten Wochen besorgniserregend, die angeblich an Kampfhandlungen in Syrien teilnehmen wollten.

Aus den Antworten des Senats geht hervor, dass salafistische Bestrebungen zum bundesweiten Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzämter erklärt worden sind. In Bremen werden laut Antwort des Senats etwa 360 Personen der salafistischen Szene zugerechnet, allerdings konnte der Senat unsere Frage zu den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen diesen Personenkreis mit Hinweis darauf, dass diese Daten im Justizressort nicht separat erfasst werden, nicht beantworten. Weswegen der Senat dabei nicht auf die vorhandenen Daten des polizeilichen Staatsschutzes zurückgegriffen hat, ist für die CDUFraktion allerdings unverständlich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nach Angaben des Senats sind insbesondere zwei Moscheen dem salafistischen Bestreben zuzuordnen, und zwar das Islamische Kulturzentrum Bremen, IKZ, und der Kultur- und Familienverein, KUF, ebenfalls in Bremen.

Zu den sogenannten Hasspredigten kann der Senat keine konkreten Angaben machen. Diese sollen eher in geschlossenen Räumen oder, wie der Senat darüber hinaus mitteilt, im Internet stattfinden. Wir konnten allerdings gestern dem „Weser-Kurier“ entnehmen, dass der in der islamistischen Szene bekannte Pierre Vogel in Bremen am 1. Juni eine Predigt abhalten will. In diesem Fall, darauf wurde auch im „Weser-Kurier“ hingewiesen, ist mit erheblichen Protesten zu rechnen. Pierre Vogel hat früher auch schon im IKZ gepredigt, er ist also in Bremen, wie gesagt, bekannt. Aus Sicht der CDU-Fraktion sollte der Senat alle rechtsstaatlichen Mittel in Anspruch nehmen, um solche Veranstaltungen in Bremen zu untersagen.

(Beifall bei der CDU)

Nach Angaben des Senats, ich hatte schon darauf hingewiesen, sind allein im Jahr 2014, also in den wenigen Monaten, bisher fünf Personen aus dem KUF nach Syrien ausgereist, um sich militärisch ausbilden zu lassen und dort an Kampfhandlungen teilzunehmen. Darüber hinaus sind aus Deutschland mehrere Hundert Personen in den letzten Monaten ausgereist, einige davon sind dort auch schon getötet worden. Für die CDU-Fraktion ergibt sich daraus eine große Gefahr nicht nur für die betroffenen Personen, sondern insbesondere auch für unser Land nach deren

Rückkehr, denn eine weitere religiöse Radikalisierung und Ausbildung dieser Personen an Waffen und Sprengstoff ist eine große Gefahr für unsere innere Sicherheit. Der Senat teilt dazu in der Antwort 11 auf unsere Anfrage mit, dass nicht auszuschließen ist, dass mit dem erlangten Wissen Terroranschläge in Deutschland, also demzufolge auch in Bremen, begangen werden könnten.

Die CDU-Fraktion fordert deswegen den Senat auf, deutlich besser als bisher auf die Gefahren des extremistischen Salafismus hinzuweisen. Darüber hinaus fordern wir den Senat auf, analog zu NordrheinWestfalen Beratungsstellen einzurichten, die einen Ausstieg aus der Salafismus-Szene ermöglichen sollen. Herr Senator, falls Sie diese Beratungsstellen nicht kennen, sie heißen Wegweiser!

In den Beratungsstellen sollen individuelle Lösungen für Aussteiger gefunden werden, und zwar im Zusammenhang mit den Sozialarbeitern, den Lehrern, den Berufsberatern, den Imamen und der Polizei. Das Projekt soll bei den Ursachen ansetzen und kein reines Aussteigerprogramm sein, denn die Gründe, warum junge Menschen vom extremistischen Salafismus angezogen werden, sind aus Sicht der CDU-Fraktion häufig im sozialen und familiären Umfeld der Betroffenen zu suchen und zu finden.

Die CDU-Fraktion erwartet vom Senat, dass in der Innendeputation über die ergriffenen Präventionsmaßnahmen und deren Erfolge berichtet wird. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, das ist zum Abschluss des Tages heute ein sehr ernstes Thema. Die Einordnung, und das kommt ja in Themen der Innenpolitik auch nicht so häufig vor, die der Kollege Herr Hinners vorgenommen hat, würde ich weitgehend teilen, auch in der Frage, wie gefährlich und bedrohlich dieses Phänomen eigentlich für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ist.

Wir haben heute in einer Bremer Tageszeitung einen Kommentar lesen können, in dem die Kommentatorin geschrieben hat, dass das alles mehr oder weniger ein Ablenkungsmanöver des Niedersächsischen Verfassungsschutzes sei, um von eigenen Problemen oder Fehlern abzulenken. Nun kann ich mir gut vorstellen, dass es eigene Probleme und Fehler des Niedersächsischen Verfassungsschutzes gibt, darüber will ich hier gar nicht sprechen, aber die Meinung – und wir sind leider in Bremen mit den zwei Zentren, die sich in Bremen befinden, von dem Phänomen des Salafismus in Deutschland sehr betroffen –, dass dieses Phänomen eine vernachlässigbare Größe sei, über die

man eben einmal mit Verschwörungstheorien spekulieren könne, zeugt, glaube ich, von relativ großer Unkenntnis über das, was sich in diesem Land so abspielt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es geht um Gewalt, Terror und um eine menschenverachtende Ideologie, die die Religion – so kommt es einem manchmal vor – nur als Vorwand nimmt, um patriarchale, autoritäre und gewalttätige Erlebnisse auszuleben. Es ist ja immer erstaunlich, wenn man einmal schaut, was das alles mit dem Islam zu tun hat, dass bei der Zahl der Selbstmordanschläge weltweit über 90 Prozent der Opfer Muslime sind. Die Muslime sind mit Abstand die größte Opfergruppe von Terroranschlägen weltweit. Es sind nicht etwa wir oder andere westliche Nationen, sondern die Muslime selbst stellen weltweit die meisten Opfer dieser Terroranschläge.

Man kann auch einen zweiten Aspekt betrachten, den Herr Hinners nicht angesprochen hat.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Herr Vogel!)

Auch in Deutschland sind es keineswegs Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund, die sozusagen ganz vorn in dieser Bewegung zu verorten sind. In Bremen ist es nicht nur der erwähnte Herr Vogel, sondern wir haben hier in Bremen auch Vertreter ohne Migrationshintergrund, die praktisch die Karriere des Kleinkriminellen nach der Konvertierung zum Islam mit der Karriere des religiös erleuchteten Kriminellen, der sich den Islam zum Vorwand nimmt, getauscht haben. Auch das muss man sich sehr differenziert anschauen.

Ich kann sehr gut verstehen, dass die muslimischen Gemeinden in Bremen, die muslimischen Bürgerinnen und Bürger und ihre Organisation, die SCHURA, wegen dieses Phänomens auch zu Recht sehr besorgt sind. Sie sind nicht nur besorgt, weil der schlechte Ruf sozusagen trotzdem auf sie übertragen wird, ohne dass sie sich an diesen Aktionen beteiligen, sondern auch, weil sie unmittelbar selbst betroffen sind.

Ein gutes Beispiel ist die Ausreise nach Syrien. Wir hatten ja mehrere Fälle in Bremen, die direkt mit dem Kultur- und Familienverein im Zusammenhang stehen, in denen junge Menschen – einer von ihnen stand mitten im Abitur – praktisch nach einem halben Jahr des Besuchs dieser Moschee plötzlich in den syrischen Bürgerkrieg ausgereist sind. Wie es dort zugeht, darüber kann man sich sehr gut in allen Medien und anderen Quellen informieren.

Die entsprechenden salafistischen Organisationen arbeiten zusammen mit einer Organisation, die sich im syrischen Bürgerkrieg ISIS oder ISIL nennt, der Islamische Staat im Irak und Syrien beziehungsweise Islamische Staat im Irak und der Levante. Wie diese

Organisation denkt, kann man daran sehen, dass sie neulich ein Pressekommuniqué verfasst hat und El Kaida, der sie eigentlich früher zugewandt war, beschuldigt hat, ein viel zu nachlässiges und viel zu angepasstes Konzept gegenüber dem Westen zu verfolgen. Daran kann man ungefähr eine Einordnung vornehmen, um wen es sich handelt. Ich glaube, ein Problem ist, wenn man auf diese Auftritte von Pierre Vogel und anderen so reagiert, dass man glaubt, man könne alles durch Verbote regeln oder möglicherweise durch Platzsperren. Im Stadtamt kann man es dann vielleicht beurteilen, wie es mit dieser Veranstaltung ist, das vermag ich hier nicht zu beurteilen, aber auf Dauer wird es schwierig sein, wenn man nicht auf Aufklärung, auf Information und enge Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden oder Schulen setzt. Hier spielt im Übrigen der neue Religionsunterricht möglicherweise eine gute Rolle,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

in dem wir versuchen, alle Religionen, alle Menschen und alle Schüler zusammenzubringen und nicht auseinanderzubringen und keinen separaten Islamunterricht und christlichen Religionsunterricht zu machen, sondern einen gemeinsamen Religionsunterricht. Ich glaube, das wäre ein Beitrag, mit dem wir in Bremen sehr viel erreichen könnten. Das bringt auf Dauer wahrscheinlich mehr als Verbote und der Versuch, der Situation nun mit rechtlichen Mitteln Herr zu werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Ich höre die Glocke, Herr Präsident, ich komme zum Schluss! Ich möchte Ihnen als letzten Satz nur einen nachdenklichen Gedanken mit auf den Weg geben. Lassen Sie uns einmal überlegen, wenn wir uns in diesem Punkt so einig sind, warum eigentlich einige im politischen Spektrum in Deutschland die ähnliche Form, nämlich den Wahhabismus in Saudi-Arabien, wo genau die gleichen Dinge passieren, so einschätzen, dass man dorthin Waffen exportieren kann und mit diesem Land hervorragend zusammenarbeiten kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)