Protocol of the Session on May 22, 2014

Ich eröffne die 60. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien.

Die interfraktionellen Absprachen können Sie dem Umdruck der Tagesordnung mit Stand von heute, 9.00 Uhr, entnehmen.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Fragestunde

Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen 19 frist- und formgerecht eingebrachte Anfragen vor.

Die Anfrage 2 wurde inzwischen vom Fragesteller zurückgezogen.

Die erste Anfrage trägt die Überschrift „Auswirkungen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zum Streikrecht und zur Tarifübernahme für Beamte“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Tuncel, Frau Vogt und Fraktion DIE LINKE.

Bitte, Frau Kollegin Vogt!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie bewertet der Senat die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. Februar 2014, wonach die Besoldungsgesetzgeber in Bund und Ländern verfassungsrechtlich gehindert sind, die Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklung abzukoppeln, wie sie in den Tarifabschlüssen zum Ausdruck kommt?

Zweitens: Wie bewertet der Senat die Feststellung im selben Urteil, dass verbeamtete Lehrkräfte außerhalb der hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind und deshalb gemäß europäischer Rechtsprechung das Streikrecht haben?

Drittens: Welche Informationen hat der Senat darüber, bis wann die Bundesregierung die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Anpassung der deutschen Rechtslage an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und an die Europäische Menschenrechtskonvention vollziehen will?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Die von den Antragstellern zitierte Aussage des Bundesverwaltungsgerichts findet sich le

diglich in der Pressemitteilung des Gerichts vom 27. Februar 2014. In den Urteilsbegründungen selbst wird die einschlägige und bekannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zitiert; danach stehe den Besoldungsgesetzgebern bei der Bemessung der Besoldung ein Gestaltungsspielraum zu, dabei seien wiederum die Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst in den Blick zu nehmen. Der Senat sieht aufgrund dieser Entscheidung keinen besoldungsrechtlichen Handlungsbedarf.

Zu Frage 2: Die von den Fragestellern implizierte Feststellung hat das Bundesverwaltungsgericht gerade nicht getroffen, es hat vielmehr einen Widerspruch zwischen den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Beamtenrechts, wie sie in Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes zum Ausdruck kommen, und den Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt. Dieser Widerspruch sei durch den nationalen Gesetzgeber aufzulösen, bis dahin verbleibe es bei dem umfassenden Streikverbot für Beamtinnen und Beamte.

Zu Frage 3: Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie zunächst die seit Kurzem vorliegende vollständige Begründung des Urteils abwarten will. Weiterhin ist bekannt geworden, dass die Klägerin im Ausgangsverfahren auch das Bundesverfassungsgericht anrufen wird und deshalb eine endgültige Klärung der Rechtslage noch nicht angenommen werden kann. Die weiteren Überlegungen der Bundesregierung sind dem Senat nicht bekannt. – Soweit die Antwort des Senats!

Frau Kollegin Vogt, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, es sind ja noch andere Verfahren bezüglich der Übernahme der Tarife für Beamte auf Bundesebene anhängig. Ist der Senat an den Verfahren in irgendeiner Art und Weise beteiligt?

Bitte, Frau Bürgermeisterin!

Nein, daran sind wir nicht beteiligt. Es gibt eigene Verfahren in Bremen, in denen wir Beklagte sind. Wir haben eine Regelung getroffen, dass nicht alle klagen müssen, sondern nur Musterklagen erfolgen, und das läuft im Einvernehmen. Natürlich werden wir abwarten, was die Gerichte entscheiden. Aber noch einmal: Der Senat bleibt bei seiner Rechtsauffassung.

Es gibt kein Urteil irgendeines Gerichtes oder auch keine anderen Rechtsprechungen, die uns oder dem Gesetzgeber auferlegen, Haushalte aufzustellen und zu beschließen, die eine Eins-zu-eins-Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamtinnen und Beamten beinhalten, das wäre meiner Meinung nach auch ein völlig unzulässiger Eingriff in das Haushaltsrecht. Wir sind gehalten, die Alimentation so zu treffen –

die Alimentation der Beamten erfolgt in einem anderen Rechtsgebiet –, dass sie sich im Rahmen der allgemeinen Einkommensentwicklung bewegt, und das tun wir auch.

Frau Kollegin, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Neben den Verfahren, die in Bremen anhängig sind, gibt es ja drei oder vier Verfahren – genau weiß ich das jetzt nicht – vor unterschiedlichen Obergerichten in Deutschland. Wenn die Rechtsprechung dahingehend eindeutig würde oder wird, sieht der Senat dann die Notwendigkeit, die nur teilweise erfolgte Tarifübernahme für die Beamten im letzten Jahr rückwirkend zu revidieren?

Bitte, Frau Bürgermeisterin!

Wir schauen uns immer an, was die Gerichte entscheiden. Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung über die Frage, ob der Haushaltsgesetzgeber gezwungen ist, jeweils völlig unabhängig von der Höhe der Tarifergebnisse sie eins zu eins auf die Beamten zu übertragen, höchstrichterlich entschieden wird und wir keine obergerichtlichen Entscheidungen aus anderen Bundesländern für Bremen handlungsgleich umsetzen.

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Hinners!

Dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat ja noch einen zweiten Teil, nämlich den, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen aufgefordert werden, darüber nachzudenken, ob alle Beamten in der Kernverwaltung in Zukunft vom Streikrecht ausgenommen werden sollten oder nicht. Sie nicken schon, Sie wissen, welchen Teil dieses Gutachtens ich meine. Macht sich der Bremer Senat Gedanken darüber?

Bitte, Frau Bürgermeisterin!

Ja, natürlich machen wir uns Gedanken. Es ist ja so, die Tatsache, dass es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst attraktiv ist, verbeamtet zu werden, und dass das als ein Teil des Vorteils auch nicht nur real bewertet wird, sondern es für die Beschäftigten real ist, verbeamtet zu werden, hat dazu geführt, dass sich die Verbeamtung in den letzten Jahren weit über den Kernbereich der hoheitlichen Aufgaben hinaus ausgeweitet hat. Das Problem hat der Bund, das haben aber auch die Länderregierungen. Damit geht einher – das war ja auch das Problem, weswegen geklagt wurde –, dass damit gleichzeitig diejenigen, die ver

beamtet sind, auf ihr Streikrecht verzichten müssen. Man kann nicht nur die Vorteile haben und die Nachteile nicht.

Das Urteil sagt natürlich sehr klar, dass die deutsche Praxis, weit über den hoheitlichen Bereich des Staates zu verbeamten, doch sehr fragwürdig ist, weil damit so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihr Streikrecht verzichten müssen. Die saubere rechtliche Lösung, so wie wir sie sehen, ist, dass man mit der Verbeamtungspraxis vorsichtiger ist, was sich ja viele Regierungen schon immer vorgenommen haben.

(Beifall bei BIW)

Da höre ich Applaus.

Das Leben ist aber manchmal anders, als man geplant hat. Wenn man sagt, dass der Staat ein attraktiver Arbeitgeber sein soll, der junge Menschen an sich zieht, die Lust haben, Karriere zu machen, die sich für das Gemeinwesen einsetzen, dann ist die Frage, ob ich verbeamtet werde oder nicht, schon eine wichtige für die Berufsentscheidung, insofern gehen wir da auf einem schmalen Grat. Ich denke aber auch, dass sich das zuspitzt und so nicht bleiben kann. Die Frage war, ob sich der Senat Gedanken macht, ich hoffe, ich konnte deutlich machen, dass wir uns welche machen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Das reicht mir zunächst erst einmal!)

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die zweite Anfrage wurde inzwischen vom Fragesteller zurückgezogen.

Die dritte Anfrage bezieht sich auf Ritalin-Verordnungen für Kinder und Jugendliche im Land Bremen. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Ahrens, Frau Grönert, Frau Neumeyer, Röwekamp und Fraktion der CDU.

Bitte, Frau Kollegin Ahrens!

Wir fragen den Senat:

Wie beurteilt der Senat die im Bundesvergleich deutlich über dem Durchschnitt liegende Verordnungsrate von Ritalin im Land Bremen?

Wie schätzt der Senat die Auswirkungen der hohen Verordnungszahlen von Ritalin auf Kinder und Jugendliche ein?

Welche Möglichkeiten sieht der Senat, der gegenwärtigen Verschreibungspraxis entgegenzuwirken?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Senator Dr. Schulte-Sasse.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2: Die Verordnungsrate von Ritalin in Bremen liegt nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen von 2013 im Bundesvergleich an dritter Stelle nach Rheinland-Pfalz und Hamburg. Mit 15,1 verordneten Dosen pro Tag liegt Bremen über dem Bundesdurchschnitt von 12,1.