Zu den Fragen 1 und 2: Die Verordnungsrate von Ritalin in Bremen liegt nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen von 2013 im Bundesvergleich an dritter Stelle nach Rheinland-Pfalz und Hamburg. Mit 15,1 verordneten Dosen pro Tag liegt Bremen über dem Bundesdurchschnitt von 12,1.
Bundesweit sind erhebliche Unterschiede sowohl in der Diagnose als auch in der Verordnungshäufigkeit zu konstatieren. Die Gründe hierfür sind nicht rein medizinisch erklärbar. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in diesem Bereich zu einer Fehl- oder Überversorgung kommt.
Zu Frage 3: Der Senat sieht keine unmittelbaren Möglichkeiten, der gegenwärtigen Verschreibungspraxis entgegenzuwirken. Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom, ADHS, muss einerseits als ernsthafte Erkrankung mit der Notwendigkeit einer medikamentösen Intervention gewertet werden, andererseits erfordern die damit verbundenen häufigsten Phänomene, wie Unaufmerksamkeit und starker Aktivitätsdrang, auch andere medizinische sowie pädagogische/psychotherapeutische Ansätze. Die Änderung der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, G-BA, von 2010 stellt hier ein wichtiges Regulierungsinstrument der Verschreibungspraxis von Ritalin zum Schutz von Kindern und Jugendlichen mit ADHS dar. – Soweit die Antwort des Senats!
Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass es sich nicht um ein harmloses Medikament handelt und wir vor diesem Hintergrund sehr genau schauen müssen, weil dieses Medikament in die Gehirnchemie der heranwachsenden Kinder massiv eingreift.
Ich habe Sie eben so verstanden, dass der Senat keine Möglichkeiten sieht, die derzeitige Verschreibungspraxis zu verändern. Könnten Sie sich vorstellen, mit der Ärztekammer noch einmal über dieses Thema ins Gespräch zu kommen, um vielleicht mit der Ärztekammer gemeinsam zu überlegen, wie man eine höhere Sensibilisierung für dieses Thema hier in Bremen noch herstellen kann?
Ja, natürlich kann ich mir das gut vorstellen. Man muss ja jetzt aufpassen, wer in unserem System der Steuerung der Gesundheitsversorgung für welche Aufgabe zuständig ist. Die Ärztekammer ist es im Hinblick auf eine allgemeine Information, also im Sinne einer Fortbildung der Ärzte,
aber nach meinem Eindruck weiß inzwischen jeder, ob Arzt oder nicht, dass Ritalin ein großes Problem ist, weil die Berichterstattung über die Ritalin-Verordnung inzwischen doch sehr breit und sehr intensiv erfolgt ist, sodass ich davon ausgehe, dass es nicht so sehr ein Informationsproblem ist. Deshalb sind die anderen Instrumente der Steuerung durchaus von größerer Bedeutung. Das ist auf der einen Seite die Kontrolle der ambulanten Verordnung durch die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen, also in unserem Falle die KV Bremen, und auf der anderen Seite dann natürlich auch durch die Krankenkassen, die ja selbst eine eigenständige Analyse der Verordnungen durchführen, um dann gezielt diejenigen Kolleginnen und Kollegen zu identifizieren, die eine gesonderte individuelle Beratung brauchen. Im Übrigen hat der Gemeinsame Bundesausschuss – ich hatte das schon erwähnt – im Jahr 2010 bereits konkrete Auflagen formuliert, die erfüllt sein müssen. Anders als früher darf die Verordnung heute nur noch durch Fachärzte erfolgen. Sie ist nur noch möglich bei Kindern ab sechs Jahren. Das war vorher ja auch ein Riesenproblem, dass sehr junge Kinder solche Mittel bekommen haben. Die Diagnose darf sich auch nicht nur auf einzelne Symptome beziehen. Der Verlauf der Erkrankung muss dokumentiert werden. Es muss mindestens einmal pro Jahr ein behandlungsfreier Zeitabschnitt eingelegt werden, und ganz entscheidend ist, die Verordnung muss immer Teil einer Gesamtstrategie sein, wenn sich die anderen Maßnahmen, also vor allem die pädagogischen und psychotherapeutischen Maßnahmen, als unzureichend erwiesen haben. Das ist doch ein ganzes Auflagenpaket, das eigentlich die Wirkung haben sollte, dass es zu einer Trendumkehr kommt. Tatsächlich haben wir im Jahr 2013 erstmals, sowohl bundesweit als auch in Bremen, einen leichten Rückgang der Verordnungszahlen dokumentiert, auch wenn man, glaube ich, im Moment noch nicht sagen könnte, dass sie bereits einer Trendumkehr entsprechen würden.
Wenn man weiß, dass die Tagesdosen in Berlin, einer Großstadt, bei 9,8 liegen und in Bremen bei 15,1, dann glaube ich nicht, dass die Kinder in Bremen in einem um so viel höheren Maße an ADHS erkrankt sind. Kann es sein, dass der gesellschaftliche Druck, vielleicht auch über die Schulen, hier in Bremen besonders hoch ist und man an der Stelle etwas versucht?
Ich versuche, eine Erklärung dafür zu finden, weil Sie ja auch gesagt haben, dass es nicht an der medizinischen Indikation abzulesen ist.
Herr Senator, habe ich Sie richtig verstanden, dass Ritalin nicht zu verteufeln ist, es aber sehr bedacht, sehr behutsam, mit sehr viel Überlegung und als Teil eines Gesamtpaketes zu verabreichen ist?
Habe ich Sie auch richtig verstanden, Herr Senator, Sie gehen nicht davon aus, dass Schule hyperaktiv macht?
Nur eine kurze Einschätzung: Wie schätzen Sie die Kooperationsbereitschaft zwischen Ärzten und Kinder- und Jugendpsychologen in diesem Bereich ein?
Das ist schwierig zu beantworten. Nach meiner Kenntnis, so weit ich es weiß, ist sie gut. Das ist aber sicher eine Frage, die man noch einmal gesondert untersuchen könnte. Mir sind zumindest keine Klagen über eine mangelnde Kooperationsbereitschaft vorgetragen worden oder bekannt.
Warum sind die Perinatalzentren des kommunalen Klinikverbundes GeNo und der kommunalen Klinik Reinkenheide bisher nicht auf der Qualitätsplattform des Gemeinsamen Bundesausschusses vertreten?
Welche Vorteile sieht der Senat darin, eine bundesweite Transparenz bei der Qualität der Versorgung von Frühgeborenen zu schaffen?
Plant der Senat, sich an der Plattform zur Qualität der Versorgung von Frühgeborenen zu beteiligen, und wenn ja, wann?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Gemäß der Vereinbarung des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen haben die Perinatalzentren des kommunalen Klinikverbundes GeNo Bremen und der DRK-Kliniken Bremerhaven, deren Perinatalzentrum ist untergebracht im kommunalen Klinikum Reinkenheide, auf eine freiwillige Teilnahme in der Optionsphase B verzichtet und werden in der verpflichtenden Phase C ihre Daten in den nächsten Monaten über das AQUA- Institut der Qualitätsplattform des G-BA zur Verfügung stellen. Dies wurde in der Sitzung der Fachgruppe der Neonatologen am 13. August 2013 auf Landesebene beraten und einvernehmlich so entschieden.
Zu Frage 2: Der Senator für Gesundheit sieht die Vorteile der zentralen Internetplattform in einer umfassenden Information und Orientierungshilfe für werdende Eltern und einweisende Ärzte sowie in der Vergleichbarkeit und Transparenz der Daten.
Zu Frage 3: Beide Zentren haben ihre Daten entsprechend der Phase A auf ihrer Homepage veröffentlicht und damit ihre Verpflichtung gegenüber dem G-BA erfüllt. – Soweit die Antwort des Senats!
Herr Senator, diese Plattform ist ganz einfach von der Anwendung her zu handhaben, und wenn ein bremischer einweisender Arzt oder auch bremische werdende Elternteile ihre Postleitzahl eingeben, wissen Sie, welche Klinik dann empfohlen wird?
Ich habe mich gefragt, ob Sie das wussten. Sind Sie deshalb, gerade weil Oldenburg und nicht eine bremische Klinik empfohlen wird, der Meinung, dass es schon sinnvoll gewesen wäre, bereits in der Optionsphase an dieser Plattform teilzunehmen?
Darüber kann man tatsächlich streiten. Tatsache ist, dass es in Deutschland in diesem Bereich ungefähr 200 Kliniken gibt, die neonatologisch aktiv sind, und weniger als 50 Prozent haben an der Optionsphase teilgenommen. Sie sehen daran also, dass die Entscheidung der beiden Bremer Landeskliniken, also der DRK-Klinik in Bremerhaven und die GeNo-Klinik hier in Bremen, keinen Ausnahmefall darstellt. Ich kann Ihnen nun nicht im Detail die einzelnen Gründe dafür nennen, ich vermute einmal, dass die Aufbereitung dieser Daten, um sie dann zu veröffentlichen, gerade im jetzigen Umbauprozess der GeNo ein nicht ganz einfaches Problem des Handlings darstellt.