(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Deswegen sollte es der Wille der Verstorbenen sein, die Patientenverfü- gung!)
Das habe ich doch gesagt: Ein Kriterium ist der Wille des Verstorbenen! Für uns gibt es allerdings auch so etwas wie die soziale Würde. Das muss im Gesetzentwurf Berücksichtigung finden. Das ist unser Anliegen, und das war es. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der Debatte nur noch drei kurze Anmerkungen:
Ja, es stimmt: Es wird querbeet in der Gesellschaft über die Frage des Friedhofszwangs diskutiert. Auch in meiner eigenen Partei hat diese Debatte vor zehn Jahren stattgefunden, genauso wie es in Ihrer Partei ausweislich der Homepage Frau Garling gibt, die in Ihrer Fraktion eine andere Auffassung vertreten hat, als es in dem Gesetzesantrag am Ende zum Ausdruck gekommen ist. Deswegen wird in den Parteien diskutiert. Aber jetzt können Sie doch nicht mit Hinweis auf eine Debatte von vor zehn Jahren, als sich zwei CDU-Mitglieder für einen Weg entschieden haben, uns Denkverbote auferlegen! So denken zumindest wir als CDU-Fraktion nicht.
Zweite Bemerkung: Es wundert einen ja schon sehr, dass ausgerechnet so eine Verbotspartei wie die Grünen jetzt das Hohelied auf die Individualisierung singt.
Ich meine, eine Partei und eine Fraktion, die den Menschen bis auf den Fahrradhelm im Prinzip das gesamte Leben regulieren will,
singt jetzt sozusagen das Lied auf die Individualität des Einzelnen. Dann sollten Sie vielleicht ehrlicherweise auch einmal lernen, dass die Individualität des Einzelnen nicht unbegrenzt ist, sondern sie endet dort, wo die Individualität eines anderen verletzt wird! Ich bleibe dabei: Ich fühle mich in meiner Religionsfreiheit, in meiner Auffassung von der nachwirkenden Würde des Menschen über den Tod hinaus gestört, wenn ich nicht mehr weiß, ob ich über eine Wiese gehe, auf der vorher Urneninhalt verstreut worden ist, wenn ich nicht mehr weiß, ob im Garten des Hauses, das ich erwerbe oder in dem ich wohne, eine Urne mit sterblichen Überresten vergraben worden ist. Auch das ist Ausdruck von gesellschaftspolitischer Debatte. Die Rechte des Einzelnen sind durch ein Gesamtwohl und ein Gemeinwohl beschränkt. Immer dort, wo das verletzt wird, ist auch dem Einzelnen eine Grenze gesetzt, und die ist hier überschritten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der CDU)
Die dritte Bemerkung – das habe ich vorhin vorweg gesagt, weil ich schon wieder damit gerechnet habe, dass Sie es sagen –: Es ist einfach eine Form von Propaganda, die ich für völlig abwegig, für völlig überzogen und auch für unwürdig halte, dass Sie die Bestattungspflicht sozusagen in die Tradition des Nati
onalsozialismus stellen. Das ist einfach falsch! Dass wir eine Bestattungspflicht in Deutschland haben, ist nicht Ausfluss nationalsozialistischer Gesetzgebung, sondern ist gelebte kulturelle Tradition auf der Grundlage von jüdischem und christlichem Glauben. Die Kirchenfriedhöfe gibt es nicht erst seit den Nationalsozialisten, sondern es gibt sie trotz der Nationalsozialisten. Deswegen ist diese geschichtliche Klitterung falsch, Frau Dr. Schaefer!
Die letzte Bemerkung: Sie finden keine Antwort auf die Frage, wie man würdevoll mit den Menschen umgeht, auch nach ihrem Tod, weil sich die Frage natürlich nicht nur danach regelt, was der Lebende über seinen eigenen Tod hinaus verfügen darf. Er darf ja jetzt schon eine Menge verfügen. Er darf verfügen, dass er in einem Friedwald bestattet wird. Er darf verfügen, dass er anonym beigesetzt wird. Er darf verfügen, dass er seebestattet wird. Aber alles sind öffentlich definierte Orte von Bestattung und Begräbnis.
Er darf nicht verfügen, in seinem Garten beigesetzt zu werden. Er darf nicht verfügen, dass die Asche über der Weser ausgestreut wird. Er darf eben auch nicht verfügen, dass irgendjemand die Urne mit nach Hause nimmt, ohne dass garantiert ist, was über den Tag hinaus mit den sterblichen Überresten passiert.
Wenn Sie jetzt auch mit Schefold sagen, der Einzelne soll über den Tod hinaus über seinen Körper verfügen können, dann sage ich ganz ehrlich: Dann müssen Sie das querbeet durch alle gesellschaftlichen Debatten führen! Sind Sie denn auch bereit, in Deutschland die aktive Sterbehilfe zuzulassen? Wenn jemand verfügt, dass ihm aktiv beim Sterben geholfen werden darf, wollen Sie das dann auch in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen setzen?
Herr Dr. Kuhn, auch da gilt übrigens: Es gibt europäische Nachbarländer von uns, in denen das zulässig ist
und in denen sogar aktive Sterbehilfe für Kinder zulässig ist. Ich will so einen Staat nicht, das sage ich ganz deutlich!
Deswegen ist das Argument, wir verleiten Menschen zu Illegalität, indem wir sie zwingen, das im Ausland zu machen, eine Scheindebatte, meine Da
men und Herren! Ich will, dass sich die Menschen daran halten. Wer das nicht tut, der verhält sich nicht nur gesetzeswidrig, der verstößt meiner Ansicht nach gegen den grundgesetzlich gewährten Schutz der Würde des Menschen auch nach seinem Tod. Deswegen kann man nicht sagen, dass, weil es 5 oder 9 oder wie viel Prozent auch immer machen, wir es legalisieren müssen. Wenn wir all das legalisieren würden, was 5 oder 9 Prozent unserer Bevölkerung machen wollen, dann hätten wir einen anderen Staat, den ich nicht will, Herr Dr. Kuhn. Deswegen bin auch gegen dieses Argument.
In der Andacht heute Morgen hat Propst Schomaker vielleicht auch im Hinblick auf unsere heutige Debatte aus dem achten Psalm den fünften Vers zitiert und besprochen, der da heißt – –.
Wenn man der Auffassung ist, dass, wie wir mit Menschen umgehen, auch Ausdruck von christlicher Tradition ist, dann kann man vielleicht auch hier einmal einen Bibelvers zitieren und nicht immer nur irgendwelche Öko-Gutachten, um das einmal so deutlich zu sagen!
Propst Schomaker hat heute Morgen gesagt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst? Ich sage für die CDU-Fraktion: Der Mensch, an den ich denke, auch nach seinem Tod, das ist nicht irgendein Gegenstand, den ich in den privaten Lebensbereich Einzelner entlasse. Die Würde des Menschen ist Ausdruck der Kultur im Umgang mit unseren lebenden wie auch unseren toten Menschen. Deswegen lasse ich diese Privatisierung von Bestattungskult eben nicht zu. Bestattung ist nicht privat, Trauer ist privat.
Urnenkult auf Kaminsimsen oder sonst in Gärten oder in irgendwelchen Gartenfiguren ist für mich nicht Ausdruck der Kultur unseres Landes. Deswegen lehnen wir diese Vorstöße ab. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch drei kurze Anmerkungen:
Erstens: Herr Erlanson, den Hinweis gerade auf die soziale Dimension des Bestattungswesens finde ich sehr wichtig. Deshalb haben wir das auch in unserem Antrag gehabt. Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage: In diesem Fall könnten wir uns bei einer weitergehenden Liberalisierung natürlich nicht darauf beschränken, zu fragen: Ist denn dort der letzte Wille geäußert worden? Hier müssen wir andere Vorkehrungen treffen. Da bin ich ganz bei Ihnen. Das ist auch unsere Überzeugung. – Punkt eins.
Punkt zwei: Herr Röwekamp, bevor Sie den Untergang des Abendlandes und unserer Gesellschaftsstruktur beschwören – das ist das, was mich wundert –: Wenn man die Konsequenz Ihrer Ausführungen, in denen Sie sagten, ich will mir den Ort des Trauerns nicht nehmen lassen, weiterdenkt und wenn Sie das konsequent meinen, müssten Sie sagen: Das Recht zur Seebestattung muss abgeschafft werden.
Das Recht, sich anonym bestatten zu lassen, muss abgeschafft werden. Das sind Sachen, die Sie im Grunde genommen fordern. Sie gehen eigentlich noch einen Schritt weiter. Dazu frage ich mich: Mit welchem Recht – bei aller auch Ihrer weltanschaulichen, religiösen und sonstigen Überzeugung – sagen Sie eigentlich einem Menschen, der auf See bestattet werden möchte, der anonym bestattet werden möchte oder dessen Asche wunschgemäß an einem anderen Ort verstreut werden soll: „Dein Wille interessiert mich nicht. Es gibt Interessen Dritter. Die gehen vor!“? Mit welchem Recht sagen Sie das eigentlich?
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wir reden über die Rechte Dritter!)
Wenn Sie etwas über Verfügung über Tote beklagen, dann ist das die Fremdverfügung. Wir sagen: Wir binden es an den Willen. Und Sie sagen. Der Wille interessiert mich nicht.
Ein dritter Punkt: Ehrlich gesagt, Herr Röwekamp, diese Sache, sich hierhin zu stellen und zu sagen, ich will nicht, dass ich über Wiesen gehe, von denen sich
dann Totenasche an meinen Füßen befindet, und diese Bilder, die Sie hier verbreiten: Das ist dieser Sache nicht angemessen!
Wir haben in unserem Antrag – und Sie werden ihn gelesen haben – die Aufforderung an den Senat, sehr gründlich zu prüfen, sehr sorgfältig zu prüfen, wo Orte sein könnten, an denen außerhalb der gängigen Friedhöfe ein Verstreuen möglich sein könnte. Dies ist eine komplexe Rechtsmaterie. Es hilft uns in keiner Weise, das auf diese banale Weise in dieses Licht zu rücken. Das sollten Sie nicht machen! – Danke!