Protocol of the Session on December 11, 2013

Der Bund, so kann man unter dem Punkt „Solide Finanzen“ lesen, will Länder und Kommunen im Bereich Kitas, Schulen und Hochschulen um 6 Milliarden Euro entlasten. Das wären für Bremen, bezogen auf die Legislaturperiode, circa 60 Millionen Euro mehr, also jährlich ungefähr 15 Millionen mehr im Haushalt. Vielleicht kann es wegen der hohen Hochschuldichte hier im Land.

Es kann aber auch sein, dass diese zusätzlichen Milliarden des Bundes über zusätzliche Programme in die Kommunen oder in die Länder gelangen und zusätzliche Leistungen finanziert werden. Dann wäre die reine Entlastungswirkung noch geringer.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Wenn man sich ansieht, was auch bei der Finanzierung von Bildung und Hochschulen möglich gewesen wäre, so haben wir 15 Millionen Euro für den Kitaausbau, die Universitäten, die Hochschulen und die Schulen, haben aber allein schon an der Universität Bremen ein Defizit von 10 Millionen Euro im Jahr. Nimmt man die anderen Hochschulen hinzu, kommen noch einmal 3 Millionen Euro dazu. Wir haben an den öffentlichen Schulen zur Bedarfsdeckung der Inklusion und der Unterrichtsversorgung noch einmal zusätzliche Bedarfe in Höhe von 10 Millionen Euro.

(Glocke)

Mir ist völlig unklar, wie dieses Bundesland in den nächsten vier Jahren in diesen wichtigen Bereichen mit den dürftigen Beträgen auskommen will. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Vogt, ich habe mich gefragt, was Sie mit dieser Rede eigentlich beabsichtigen. Es ist doch völlig klar, dass sich DIE LINKE in einem Koalitionsvertrag, den SPD und CDU miteinander zu schließen gedenken, nicht wiederfindet.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist eine Erkenntnis, die alle anderen Parlamentarier schon vor dieser Debatte hatten, und Sie wohl auch. Auch die Öffentlichkeit hat übrigens diese Erkenntnis schon gehabt.

(Zuruf des Abg. R u p p [DIE LINKE])

Als Sie Ihre Rede gehalten haben, hat mich das ein bisschen an „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer wäre der schönste Partner im ganzen Land?“ erinnert. Die SPD hat sich nicht für die Variante mit Ihnen entschieden – wie ich meine, aus gutem Grund; das hat diese Rede noch einmal deutlich gemacht –, sondern es liegt ein Verhandlungsergebnis mit der CDU vor. Vielleicht sollte man sich das, was darin vereinbart worden ist, einmal genau anschauen. Aber wir wissen ja spätestens seit dem Interview von Frau Slomka, dass das Wesen eines Koalitionsvertrags vielleicht nicht allen vertraut ist, der LINKEN vielleicht auch nicht, weil Sie dankenswerterweise noch keinen Koalitionsvertrag haben schließen dürfen, müssen oder können.

Ich will Ihnen sagen, was ein Koalitionsvertrag ist: Das ist eine Verabredung – eine Verabredung! – verschiedener Parteien, wie sie ihr Regierungshandeln zu gestalten gedenken. Was dann konkret gemacht wird, sind das faktische Regierungshandeln und die Gesetzgebung des Bundestages aufgrund dieser Vereinbarung. Das heißt, man kann im Moment nur das bewerten, was man sich vorgenommen hat. Eine Aussage darüber, wie das am Ende hier in Bremen ankommt, kann man zurzeit nur mit Vorsicht treffen, weil dies zunächst einmal politische Absichten sind. Ich will trotzdem versuchen, Ihrer Darstellung dieses Koalitionsvertrags entgegenzutreten.

In diesem Koalitionsvertrag wurde ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro ab 2015, aber mit tariflichen Ausnahmen vereinbart. Ich finde, das ist ein riesiger gesellschaftlicher Fortschritt.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Mindestlohn wird 4,1 Millionen regulär Beschäftigten und 5 Millionen in Minijobs Beschäftigten, also rund 9,1 Millionen Menschen in Deutschland, ein zusätzliches Nettoeinkommen von umgerechnet 19 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das bedeutet Kaufkraft, das ist eine Investition auch in Wirtschaftswachstum, aber darum geht es gar nicht, sondern es geht darum, dass zum ersten Mal in Deutschland anerkannt worden ist, dass Arbeit eine Würde hat und dass sie nicht kostenlos zu erhalten ist, sondern dass ein Mindestlohn ein Mindestmaß an Sicherheit darstellen muss. Das ist eine Kernforderung, die in diesem Parlament zumindest von dieser Seite immer vertreten worden ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Warum Sie das jetzt madig machen, kann ich mir nur damit erklären, dass Sie nicht dabei sind.

Doch damit nicht genug! Wenn man sich den Bereich Arbeit und Soziales anschaut, so ist die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen vereinbart worden. Das stärkt die Tarifautonomie, das stärkt das Tarifsystem. Die stärkere Regulierung der Leiharbeit ist vereinbart worden. Erste Regulierungsversuche von Werkverträgen sind vereinbart worden. – Mir gehen sie noch nicht weit genug. – Alles geht in die richtige Richtung.

Auch das, was Sie zur Rentenpolitik gesagt haben, Frau Vogt, ist nicht richtig. Die Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen, ist für viele Beschäftigte der faktische Verzicht auf die Rente mit 67. Ich finde, das ist ein großer Erfolg, gerade für jene, die mit 16 Jahren anfangen, 45 Jahre lang gearbeitet haben und irgendwann nicht mehr können. Das, finde ich, ist eine richtige Weichenstellung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Wenn man dann weiter sieht, dass die Zeiten der Arbeitslosigkeit als Beitragszeiten angerechnet werden – Frau Vogt, wem hilft das denn? Das hilft vor allen Dingen den Menschen in den Regionen mit einer hohen Arbeitslosigkeit. Das hilft ganz konkret den Menschen hier in Bremen. Wenn Sie sagen, das sei nichts, und das vor dem Hintergrund der Sockelarbeitslosigkeit, die wir hier haben, dann müssen Sie mir das erklären. Das ist einfach nur Miesmacherei. Sie wollen sich einfach mit dem tatsächlichen sozialen Fortschritt, der da mit der CDU vereinbart werden konnte, nicht beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch eines sagen – Sie können da ja lachen ,Herr Rupp –: Auch für Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, für unsere Region, ist die Aufstockung des Eingliederungstitels der Bundesagentur für Arbeit um 1,4 Milliarden Euro mit einer Schwerpunktsetzung für die Zielgruppen Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose wichtig. Wenn uns das gerade vor dem Hintergrund unserer sozialen Lage hier in Bremen nicht massiv weiterhelfen kann, dann weiß ich es auch nicht! Das ist eine totale Verkennung der Wirklichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Man muss vielleicht weiter schauen, was noch vereinbart wurde. Wichtig für unsere Region ist nicht nur, wie man vonseiten des Staates mit Arbeitslosen um

geht, sondern zu fragen ist auch, wie man Arbeitslosigkeit vermeidet. Das setzt voraus, dass man gute Bedingungen für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze schafft. Was ist dazu sinnvollerweise in diesem Koalitionsvertrag vereinbart worden? Die Fortführung der sogenannten Stauchungskomponente bei den Investitionen in Offshore-Windenergie. Ohne die Vereinbarung dieser klaren Rahmenbedingungen wäre eine Bedrohung von Arbeitsplätzen im Cluster Windenergie gegeben. Das ist aber der Treiber von Blue-Collar-Jobs in Bremerhaven. Diese wären nicht nur ins Risiko gestellt worden, sondern wenn die Stauchungskomponente nicht verlängert worden wäre, dann wäre auch klar gewesen, dass dann kaum noch Leute in diesen Bereich investiert hätten.

Herr Rupp, Sie haben doch sogar gefordert, wir sollten uns kommunal beteiligen. Wenn die Fortschreibung der Stauchungskomponente nicht eine ganz klassische Wirtschaftsförderungspolitik für den Bereich von Produktionsarbeitsplätzen ist, dann weiß ich es auch nicht!

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Ist ja nicht alles schlecht!)

Dass Sie so darüber hinweggehen und sagen, die Zukunft Bremerhavens, die ganz stark von dieser Entscheidung abhängt, interessiere Sie überhaupt nicht, und alles, was da vereinbart worden ist, sei Mist, lässt nur darauf schließen, dass Sie es nicht gelesen haben.

(Beifall bei der SPD)

Man kann sich immer mehr wünschen. Aber Bremen ist sechstgrößter Industriestandort. Was braucht ein Industriestandort? Er braucht Infrastruktur. Die Koalition, die aller Voraussicht nach kommen wird, hat beschlossen, 5 Millionen Euro mehr an Bundesmitteln in die verkehrliche Infrastruktur zu stecken.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Milliarden!)

Milliarden, Entschuldigung! 5 Millionen Euro wären in der Tat wenig. – Klar ist: Die Bedingungen sind noch nicht definiert, der jeweilige Adressat und der Verwendungszweck sind noch nicht definiert, aber es sollen 5 Milliarden Euro in die verkehrliche Infrastruktur investiert werden. Vielleicht können wir uns in dieser Debatte darauf einigen. Natürlich liegt es an uns allen, sowohl an den Vertretern der CDU als auch der SPD, aber auch an den Grünen und der LINKEN, dass wir uns im Bund dafür stark machen, dass von diesen 5 Milliarden Euro ein gehöriger Anteil für Investitionsprojekte auch nach Bremen kommt. Ich kann Sie nur bitten, daran mitzuwirken und nicht abseits zu stehen!

(Beifall bei der SPD)

Sehr konkret hingegen ist die Vereinbarung zur Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben. Wenn es das Bundesteilhabegesetz geben wird – das ist fest vereinbart –, dann werden 5 Milliarden Euro jährlich an die Kommunen überwiesen werden. Rechnerisch wären das 50 Millionen Euro. Das wird Bremen bei der Entlastung des Sozialhilfeetats massiv helfen.

(Beifall bei der SPD)

Sehr konkret ist auch die Vereinbarung zur Aufstockung der Städtebauförderung um 600 Millionen Euro auf dann 700 Millionen Euro. Vor allen Dingen wird das Teilprogramm „Soziale Stadt“ aufgewertet werden. Das sichert – da brauchen wir uns überhaupt nichts vorzumachen! – überhaupt erst die dauerhafte Fortführung der WiN-Projekte, die wir in dieser Stadt dringend brauchen. Dafür, dass das mit der CDU zu erreichen gewesen ist, gebührt ihr Dank und Anerkennung. Danke, dass Sie das mitgemacht haben. Ich finde, es ist eine großartige Leistung, dass wir in Bremen weiterhin WiN-Projekte machen können!

(Beifall bei der SPD)

Last, but not least, Frau Vogt, kann man in jedem Kuchen die Nuss finden, oder man kann in jedem Heuhaufen eine Nadel finden, wenn man lange genug gräbt. Zur Finanzierung der Aufgaben von Ländern und Kommunen ist vereinbart – ich lese einmal vor –, in der laufenden Legislaturperiode weitere 6 Milliarden Euro in die Bereiche Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen zu investieren.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Das habe ich ja eben gesagt!)

Das sind 1,5 Milliarden Euro pro Jahr Das bedeutet nach rein rechnerischer Anwendung des Königsteiner Schlüssels 15 Millionen Euro mehr für Kitas, Schulen und Hochschulen im Lande Bremen. Zugegebenermaßen – das fand ich in Ihrer Darstellungen am sachlichsten – wissen wir nicht, woran die Investitionen gebunden sind, welche Programme es geben wird, ob es Investitionen in Ganztagsgebäude gibt oder ob die Schulsozialarbeit fortgeführt wird. Alles das wissen wir nicht.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, dann kann man es auch schlecht kommentieren!)

Aber klar ist, dass für Aufgaben in diesen Bereichen in Bremen unter der neuen Koalition 15 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen, die den Bremerinnen und Bremern zugutekommen. Das ist auch nicht nichts; das ist ganz schön viel.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch Folgendes sagen: Für viele Menschen in Bremen enthält dieser Koalitionsvertrag Verbesserungen ihrer alltäglichen Lebenssituation. Den Gebietskörperschaften eröffnet er mehr Handlungsmöglichkeiten. Meines Erachtens ist er ein guter Kompromiss für die Bremerinnen und Bremer. Klar ist aber auch: Er ist nicht das SPD-Wahlprogramm. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Röwekamp, Fraktion der CDU, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Vogt, ich hätte mir gewünscht, dass wir den Fokus der Auswirkungen des Koalitionsvertrags nicht in unseren parteipolitischen Gräben suchen, sondern dass wir die Debatte eher darüber führen, was Bremen davon hat, welche Chancen und Risiken sich für Bremen aus den Verabredungen der beiden großen Parteien ergeben, die, vorbehaltlich des positiven Mitgliederentscheids der SPD, beabsichtigen, die neue Bundesregierung zu stellen. Natürlich können wir hier tagelang darüber streiten, welche gesellschaftspolitischen Vorstellungen unsere Parteien voneinander trennen, aber viel entscheidender ist doch zu beurteilen, ob das, was in Berlin verhandelt worden ist, für Bremen gut ist, ob sich daraus für uns gute Chancen ergeben oder ob es eher schlecht ist. Ich sage für die CDU-Bürgerschaftsfraktion: Das, was in Berlin verhandelt worden ist, birgt für Bremen riesige Chancen, und es ist gut für unser Bundesland, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)