Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Tschöpe! Sie haben in Ihrer Chronik noch einen Aspekt vergessen, als Sie die Versäumnisse des Verfassungsschutzes aufgezählt haben.
Nein! Es mag sein! Wir haben auch einmal eine RAF gehabt, bei der der Verfassungsschutz keine Lorbeeren geerntet hat. Wenn schon, dann auch richtig! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Für die CDU-Fraktion sind die Verfassungsschutzämter in den Ländern und beim Bund wichtige Instrumente der inneren Sicherheit in Deutschland, ich glaube, das haben einige Vorredner auch schon deutlich gemacht. Aus diesem Grund steht für uns die Existenz des Verfassungsschutzes im Gegensatz zu anderen Parteien, Frau Vogt, nicht zur Disposition.
Wenn Sie hier von einer Bespitzelung der Bevölkerung reden, dann muss ich doch den Verfassungsschutz an der Stelle einmal deutlich in Schutz nehmen, denn die hat es in dem Sinne nie gegeben.
Über den reden wir ja jetzt, wenn wir über Verfassungsschutz reden, sonst müssten wir ja über die Stasi reden!
Der Bericht des Untersuchungsausschusses zur Mordserie der NSU, Herr Dr. Güldner und Herr Tschöpe haben schon darauf hingewiesen, zeigt jedoch, dass es bei der Aufklärung der terroristischen Hintergründe dieser Gruppe massive Versäumnisse unter anderem auch bei den Verfassungsschutzämtern gegeben hat. Deshalb ist auch für uns von großer Bedeutung, die Rechtsgrundlagen, die Struktur, die Arbeitsweise und den Informationsaustausch untereinander im Verfassungsschutz deutlich zu verbessern.
Mit der heutigen Vorlage des Gesetzentwurfs über den Verfassungsschutz im Land Bremen trägt der Senat aus Sicht der CDU in Teilen diesen erforderlichen Änderungen Rechnung. Insbesondere die Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle bestimmter nachrichtendienstlicher Mittel, wie beispielsweise der Einsatz der sogenannten Vertrauenspersonen, wird von uns unterstützt. Wir erkennen auch an, dass das Landesamt für Verfassungsschutz – der Leiter ist gegenwärtig ja auch hier – in letzter Zeit sehr umfangreich seinen Informationspflichten in der Parlamentarischen Kontrollkommission, nachkommt, Herr Dr. Güldner hat auch darauf hingewiesen.
Ebenso können wir feststellen und nachvollziehen, dass der Senat beabsichtigt, den Verfassungsschutz in Bremen zukünftig innerhalb der senatorischen Dienststelle für Inneres und Sport zu organisieren. Damit können aus unserer Sicht die Arbeitsweise und
der erforderliche Informationsaustausch, daran hat es in der Vergangenheit ja einen deutlichen Mangel gegeben, zwischen den Sicherheitsbehörden im Rahmen der geltenden Gesetze am ehesten gewährleistet werden.
Die CDU-Fraktion hat allerdings Probleme mit Teilen der Formulierung in Paragraf 7 des Gesetzes über den Verfassungsschutz. In diesem Paragrafen geht es um die besonderen Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde, wie beispielsweise besondere Auskunftsbefugnisse auch auf inländische gewaltorientierte und verfassungsfeindliche Bestrebungen zu erweitern. Zu diesen Befugnissen gehören nach diesem Gesetz Aufklärung der Geldströme und Kontobewegungen sowie Auskünfte von Telekommunikations- und Teledienstleistungsunternehmen über den Aufenthaltsort, über Kommunikationsprofile und Beziehungen. Darüber sollen Erkenntnisse erlangt werden. Sicherlich sind das sehr sinnvolle Maßnahmen, die im Bedarf durchaus beispielsweise bei der NSU zu vernünftigen Zielen geführt hätten.
Die Formulierung in Paragraf 7 Absatz 1 Satz 2 beschränkt jedoch diese Befugnis ausschließlich auf durch „Hass gegen Teile der Bevölkerung, insbesondere gegen bestimmte nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppen“ motivierte gewaltorientierte Bestrebungen. Das ist auch völlig in Ordnung, es fehlt nur ein Teil der gewaltorientierten und auch politisch motivierten Gewaltkriminalität, nämlich aus dem rechtsextremen Bereich.
Diese Einschränkung bedeutet, dass nur der nationale islamistische Terrorismus und der gewaltorientierte Rechtsextremismus vom Gesetz erfasst werden, der gewaltorientierte Linksextremismus wird nicht von diesem Gesetz erfasst.
Herr Dr. Kuhn, ich schlage vor – wir sind ja noch in der Beratungsphase des Gesetzes, aus diesem Grund kann der Hinweis, den ich jetzt hier gebe, aufgenommen werden, um das Gesetz an dieser Stelle zu modifizieren, da es im Übrigen auch die einzige Kritik ist, die wir an diesem Gesetz haben –, auf den gewaltbereiten Linksextremismus, den wir zweifelsohne ebenfalls in unserer Gesellschaft zu beklagen haben, dazu braucht man sich nur die Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre anzuschauen, dürfen diese besonderen Auskunftsbefugnisse nach Paragraf 7 Bremisches Verfassungsschutzgesetz keine Anwendung finden.
fung von terroristischen und extremistischen Strukturen. Wir können allerdings überhaupt nicht nachvollziehen, warum diese nur Anwendung finden sollen auf die Bekämpfung des nationalen islamistischen Terrorismus – (Glocke)
ich habe schon die ganze Zeit darauf gewartet! – und gewaltbereiten Rechtsextremismus und nicht auch auf den gewaltbereiten Linksextremismus. – Vielen Dank! (Beifall bei der CDU)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um es kurz zu machen, der Kollege Dr. Güldner hat hergeleitet, weshalb wir einen Inlandsnachrichtendienst brauchen. Die Frage nach dem NSU-Untersuchungsausschuss bei den ganzen Abstimmungsproblemen, die es dort zwischen den Landesämtern und dem Bundesamt gegeben hat, ist, ob es eigentlich vernünftig ist, diese Kleinstaaterei weiter aufrechtzuerhalten.
Man hätte als Antwort auf die Kommunikationspannen, die unterbliebene Weitergabe von Daten und den nicht vorhandenen Austausch auch zu dem Ergebnis kommen können, wir streichen die Landesämter für Verfassungsschutz und gehen zu einem einheitlichen Bundesamt für Verfassungsschutz über, das dann regionale Stützpunkte hat. Das wäre im Übrigen auch nichts Ungewöhnliches, weil fast alle westeuropäischen Inlandsgeheimdienste und der nordamerikanische Inlandsgeheimdienst so strukturiert und organisiert sind. Das ist daran gescheitert, dass fast alle Innenminister – egal, ob sie rot oder schwarz waren – ihren eigenen Verfassungsschutz behalten wollten.
Ich halte das für eine vergebene Chance. Ich glaube, das war nicht klug, und ich glaube, dass wir als kleines Bundesland sehr ernsthaft darüber nachdenken müssen, ob man trotz dieser vergebenen gesamtstaatlichen Chance nicht weiter in die Richtung arbeiten muss,
Synergien zu nutzen und gegebenenfalls zu zentralisieren, vielleicht auch im Verbund mit anderen. Ich kann für mich und meine Fraktion sagen, ein eigenständiges Landesamt für Verfassungsschutz ist nicht Kern der bremischen Staatlichkeit, sondern man kann sich da auch etwas anderes vorstellen.
Zweiter Punkt – und das ist die Frage –, Frau Kollegin Vogt, Sie haben es angesprochen –: Wie kontrolliert man eigentlich einen Geheimdienst? Ich möchte das für mich ganz deutlich differenzieren. Ein Nach
richtendienst arbeitet gegenüber denjenigen, die er beobachtet, natürlich geheim. Das muss geheim sein, er darf sich aber niemals und in keiner Weise einer parlamentarischen, einer demokratischen Kontrolle entziehen.
Ich glaube, dieser Gesetzentwurf, wie wir ihn hier haben, beschränkt sich nicht, wie Sie es dargestellt haben, darauf, dass wir uns alle drei Monate treffen und dann berichtet wird, wir können natürlich auch jederzeit eine Sitzung einberufen, wir können jederzeit als PKK Mitarbeiter vorladen, die auskunftspflichtig sind.
Wir können Akten beiziehen, das heißt, das Einsichtsrecht und die Rechte der PKK sind schon sehr ausführlich, wir müssen sie nur nutzen, wenn wir einen Anlass dazu haben.
Mir geht es wie dem Kollegen Dr. Güldner, ich hatte in den letzten vier Jahren, seit der Bremer Verfassungsschutz neu aufgestellt worden ist, den Eindruck, dass wir ein hervorragend arbeitendes Landesamt haben, das von sich aus sehr proaktiv informiert hat, und ich habe für mich nicht das Bedürfnis verspürt, von diesen Befugnissen im Weiteren Gebrauch zu machen. Ich glaube, dass die PKK diesen Bremer Verfassungsschutz sehr gut kontrollieren kann, aber die Frage ist, und das ist sozusagen auch der Kernpunkt des Gesetzentwurfs, wie man eigentlich in Zukunft mit V-Leuten umgehen soll. In der Tat bleiben da noch Fragen offen. Es bleibt unter anderem die Frage offen: Muss nur das Beobachtungssubjekt demnächst durch die G-10-Kommission genehmigt werden, oder muss nicht auch der V-Mann-Einsatz im Einzelfall genehmigt werden? Ich würde solche Fragen gern auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren klären. Für mich ist das noch nicht abgeschlossen.
Ich habe auch noch eine zweite Frage: Welche Möglichkeiten gibt es denn bei den szenetypischen Delikten, die dort jetzt geregelt sind, mit Straflosigkeit? Ist es eigentlich so klug, wie es in diesem Gesetzentwurf geregelt ist, oder sollte man sich vielleicht an das anlehnen, was Nordrhein-Westfalen in seiner Verfassungsschutznovelle geregelt hat? Das ist noch nicht entschieden.
Frau Vogt, wenn Sie Vorschläge haben, sind wir sehr offen dafür, diese Vorschläge noch einmal zu besprechen, weil es klar ist, dass V-Leute im Regelfall Kriminelle oder Extremisten sind, sonst wären sie gar nicht in der Szene. Ich muss mir also Gedanken machen, denn ich darf sie nicht enttarnen, weil sie sich szeneadäquat verhalten müssen, aber ich darf ihnen keinen Freibrief ausstellen. Ich bin gern bereit, diese Balance noch einmal mit Ihnen zu diskutieren, wie wir das umsetzen können. Zur Fragestellung, welche Anforderungen man sowieso an die V-Leute und
Als Letztes können wir gern auch noch einmal, wenn Sie Vorschläge haben, Frau Vogt, über die Befugnisse der PKK sprechen. Man kann sich auch überlegen, ob die PKK nicht eigentlich das Gremium ist, das den politischen Wahlbeamten, nämlich den Verfassungsschutzpräsidenten, auswählen müsste. Man kann über all diese Dinge nachdenken. Wenn Sie Vorschläge haben, sind wir dafür sehr offen.
Ich möchte noch eine Sache sagen, Herr Kollege Hinners, es ist so ein bisschen ein Mantra, das Sie vor sich hertragen, dass hier Linksextremismus und Rechtsextremismus identisch, symmetrisch seien. Diese Debatte hatten wir gestern beim Bericht zum Rechtsextremismus, wir haben sie heute. Ich kann noch einmal sagen, Gewalt gegen Menschen und Sachen sind Vergehen und gegebenenfalls Verbrechen und gehören verfolgt. Ich sage aber für mich – und ich glaube, dass das auch eine weitverbreitete Position in meiner Partei ist –, eine Geisteshaltung, ein System, das menschenverachtend ist, ist etwas anderes als fehlgeleitete Leute, die Verbrechen begehen. Deshalb habe ich ein massives Interesse daran, dass der Verfassungsschutz sich gegen diejenigen ausrichtet, die menschenverachtend unterwegs sind, und das sind hier extremistische Salafisten und Neonazis, und diese Problemlage greift der Gesetzentwurf hier auf. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann direkt an Herrn Hinners anknüpfen, weil ich in meinem ersten Redebeitrag genau dort aufgehört habe, wo das Problem ist, dass der Verfassungsschutz nicht straftatbezogen observiert, weil das die Aufgabe der Polizei wäre. Er ermittelt nicht aufgrund von Straftaten, sondern er überwacht bestimmte Gruppen selbstständig.
Sie haben eben gesagt, hier wird niemand aus der Bevölkerung bespitzelt, und das ist nicht wahr! Es gibt gerade aktuelle Beispiele. Andrea Röpke, eine Journalistin aus Niedersachsen, wird deswegen observiert, weil sie Artikel über Neonazis schreibt.
(Abg. H i n n e r s [CDU]: Nein, sie wird nicht observiert! Sie sollten es wissen! Sie wird beobachtet!)
Sie wissen auch, dass unser Innendeputierter, Herr Dr. Rolf Gössner, gerichtlich anerkannt jahrzehntelang unrechtmäßig überwacht wurde. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Vom Bundesamt, ja, das ist mir klar! Das ist durchaus eine unangenehme Situation, weil die Betroffenen das in dem Moment wissen und alle, die mit dieser Person zu tun haben oder mit ihr befreundet sind. Das ist nicht witzig und soll hier bitte nicht verharmlost werden! Das ist für den Einzelnen eine ganz unerträgliche Situation, weil er nicht einmal weiß, ob vielleicht sein Toilettengang hier zur Disposition steht. So ist das, man weiß ja nicht, mit welchen Methoden man observiert wird. Das ist das Problem bei Geheimdiensten.
Ich möchte aber noch einmal zum Kern zurückkommen! Die beiden Personen, von denen ich eben geredet habe, haben keine Straftaten begangen. Sie wurden aus rein politischen Gründen überwacht, und zwar ohne dass es jemals einen Anlass gegeben hätte, einen konkreten straftatbezogenen Anlass, ohne dass es jemals ein gerichtliches Verfahren oder ein Ermittlungsverfahren bei der Polizei gegeben hätte. Diese Leute sind überwacht worden, und da finde ich auch den Widerspruch, wenn man sich anschaut, was bei der NSU-Affäre an die Öffentlichkeit gekommen ist: Die NSU konnte unter Mitwirkung und Observation von V-Leuten Morde und Überfälle begehen. Ich finde, das ist immer noch ein Widerspruch, der nicht gelöst ist, weil das nämlich ein grundsätzlicher Charakter von Inlandsgeheimdiensten ist.