Flüchtlinge stellt sowohl das Jugendhilfesystem als auch das Schulsystem vor große Herausforderungen.
Durch die kontinuierlich hohe Zahl – und das weiß ja auch die Fraktion DIE LINKE – besteht die Problematik weiterhin. Das sagen wir auch, wir stellen uns der Problematik, und wir wollen nicht die Zahlen beziehungsweise die Situation beschönigen, sondern wir arbeiten an diesem Thema, wie ich hoffe, gemeinsam. Dies gilt auch für die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, und wir müssen gemeinsam diese große Anstrengung leisten, um das Wohl der erheblich angestiegenen Zahl von Flüchtlingskindern zu gewährleisten. Um die erreichten Qualitätsstandards der Jugendhilfe und Schulen zu halten und zu verbessern, ist eine Erweiterung der Platzzahlen deshalb unumgänglich und dringend erforderlich.
Im Oktober vergangenen Jahres wurde mit den Qualitätsstandards für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bremen, Erstkontakt und Unterbringung begonnen. Seit Januar dieses Jahres wurde eine Redaktionsgruppe aus Teilnehmern aus dem Casemanagement und der Amtsvormundschaft des Jugendamtes Bremen, aus dem Jugendamt Bremerhaven, den spezialisierten freien Trägern der Jugendhilfe, dem Bremer und Bremerhavener Integrationsnetz Fluchtraum, proCura Kids beim Deutschen Roten Kreuz sowie unter erweiterter Mitwirkung der Bildungs- und Innenbehörde eingerichtet. Diese Konzeption wurde notwendig, da durch den quantitativen Zuwachs der Zielgruppe nicht nur neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch neue Träger auf diesem Feld tätig geworden und verlässliche Verfahrensabsprachen zwischen den beteiligten Diensten von großer Bedeutung sind. An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch der ZASt, großen Dank aussprechen für ihr Engagement, für ihr Interesse und ihre aktive Mitwirkung!
Auch bei der steigenden Zahl muss es weiterhin das Ziel bleiben, die jungen Menschen möglichst umgehend bei einer geeigneten Person, bei einer geeigneten Einrichtung oder Wohngruppe unterzubringen. Das Jugendamt ist unmittelbar nach ihrer Ankunft in Bremen für die Minderjährigen zuständig und benennt eine fallführende Fachkraft. Eine therapeutische Behandlung setzt eine individuelle, selbstbestimmte, freiwillige Entscheidung der betroffenen Jugendlichen voraus. Für eine akute Behandlung ist der Zugang über REFUGIO oder das Kinderschutzzentrum sichergestellt.
Bis zur gerichtlichen Bestellung eines Amtsvormunds werden durchschnittlich sechs Wochen benötigt, darüber hinaus ist ein Casemanagement für diese jungen Flüchtlinge verantwortlich. Die Casemanager haben stets das Kindeswohl im Blick. Abhängig
von der individuellen Situation der Minderjährigen wird versucht, sie schnellstmöglich in entsprechenden Jugendhilfeeinrichtungen unterzubringen.
Die Einrichtungssituation ist allerdings mehr als angespannt. Wir müssen dringend neue Plätze schaffen, das haben auch meine beiden Vorrednerinnen gesagt. Die Behörde ist dabei, und dies geschieht vor allem bei betreuten Wohnformen und bei PiB durch den Ausbau von Übergangs- und Vollzeitpflegestellen.
Die Behörde hat bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, die zu Verbesserungen für die jungen Flüchtlinge führen sollen. Mit verschiedenen Trägern von Jugendhilfeeinrichtungen wurde eine Ausweitung bestehender Angebote verhandelt. Es werden weitere Standorte geprüft, um dort Plätze für Minderjährige und begleitete Flüchtlinge bereitzustellen. Dort, wo es die individuelle Situation der Minderjährigen ermöglicht, bietet sich in Einzelfällen auch eine Bildung von betreuten Wohngemeinschaften oder eine Betreuung bei Pflegeeltern an. An der Einführung eines standardisierten Clearingverfahrens wird seitens der Verwaltung gearbeitet, und das ist notwendig und wichtig. Gespräche mit Trägern werden ebenfalls geführt.
Auch Bremerhaven muss verstärkt in die Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge kooperativ einbezogen werden. Die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ausländische Flüchtlinge in der Steinsetzerstraße, ZASt, ist derzeit voll ausgelastet. Es wurden die pädagogischen Betreuungsstunden ausgeweitet und auch ergänzende Angebote außerhalb der Einrichtungen geschaffen. Die Beschulung der Flüchtlinge ist zurzeit sichergestellt, bei weiter steigenden Zahlen müssen aber Nachsteuerungen vorgenommen werden. Wir müssen jetzt auf die Umsetzung achten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich bin ein bisschen unglücklich über die unterschiedliche Platzierung der beiden Anträge, weil wir heute einen Antrag debattieren, während der andere Antrag am Dienstag in der Stadtbürgerschaft nicht behandelt wurde, er würde dann beim nächsten Mal debattiert. Da müssen wir einmal schauen, wie wir damit umgehen.
Seit April, als die Fraktion DIE LINKE ihren Antrag gestellt hat, hat sich die Verweildauer der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in der zentralen Aufnahmestelle ZASt noch erheblich gesteigert. Die ZASt ersetzt für viele der Minderjährigen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
inzwischen für drei bis vier Monate – Frau Vogt hat sogar noch längere Zeiträume genannt – die Jugendhilfeeinrichtung und damit auch ein neues Zuhause. Eigentlich sollen nach Aussage des Sozialressorts alle Minderjährigen schnell heraus aus der ZASt und in geeigneten Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden. Dies ist allerdings ein Vorhaben, das schon lange nur noch Wunschdenken ist. Es sind mindestens 3 bis 4 Monate, in denen die Betreuung dieser jungen Menschen nicht, wie gesetzlich gefordert, den Standards des Jugendhilferechts entspricht. Das Sozialressort geht aber davon aus, dass das Kindeswohl trotzdem nicht gefährdet ist.
Es wundert mich aber schon, warum in der ZASt die Betreuung der Minderjährigen für die Zeit, die sie dort verbringen müssen, nur auf Sparflamme läuft. Leider ist es aufgrund der Situation in der ZASt auch nicht wirklich machbar, die Frage nach dem Kindeswohl einfach zu überprüfen. Ich kann da nicht mit einem lockeren „Hallo, wie geht es euch denn?“ hereinspazieren, obwohl ich das letzte Mal vor ungefähr drei Wochen dort war, ohne Radio Bremen, Frau Vogt! Ich muss, wie andere auch, damit zurechtkommen, dass die Aussagen über das, was den Alltag der Menschen und besonders der Minderjährigen in der ZASt ausmacht, stark voneinander abweichen.
Auch in der Presse zeigt sich das immer wieder. In einem Zeitungsartikel vom 11. September heißt es zum Beispiel, Vertreter von Flüchtlingsinitiativen meinten, eine Ärztin sei für alle Flüchtlingsheime gleichzeitig zuständig und könne deshalb nur an drei Tagen pro Woche in die ZASt. Das Sozialressort dementierte dies mit den Worten, eine Ärztin sei an jedem Wochentag vor Ort und biete jeweils eineinhalb bis zwei Stunden Sprechstunde an. Das ist nur ein Beispiel, aber so geht es mir an vielen Stellen, so ganz schlau werde ich aus den Angaben manchmal nicht. Ich finde es jedenfalls auch mühsam, ständig mit solchen Aussagen konfrontiert zu werden. Ganz sicher ist jedoch, dass sich die Betreuungs- und Unterbringungssituation für die Minderjährigen in der ZASt in den letzten Monaten nicht verbessert hat, obwohl sie inzwischen länger denn je dort verweilen müssen. Ich sehe zwar durchaus, dass das Sozialressort sich bemüht, die schwierige Situation zu meistern, doch ich habe den Eindruck, dass diese Bemühungen nicht zum Ziel führen, was bestimmt auch an den andauernd steigenden Zugangszahlen liegt.
Wir sind sehr auf das vom Sozialressort für den Monat Oktober angekündigte Konzept zu Erstkontakt und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gespannt. Vielleicht wird es dann möglich sein, manches besser als bisher nachzuvollziehen. Wie ich es verstanden habe, wird an diesem Konzept schon seit Oktober 2012 gearbeitet, und somit finde ich auch, dass die von der LINKEN geforderte Notkonferenz aus diesem Grund nicht mehr erforderlich ist.
Das ist auch der Hauptgrund, warum wir die von der Sozialdeputation geforderte Ablehnung des Antrags der LINKEN mittragen werden.
Im Bericht der Sozialdeputation zu diesem Antrag habe ich allerdings noch eine interessante Aussage gefunden. Da steht, dass auch die psychologischtherapeutische Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge durch REFUGIO und das Kinderschutzzentrum sichergestellt sei. Bis Mitte Mai wurde das Angebot von Jugendlichen zumindest aus der ZASt wohl nicht in Anspruch genommen. Inzwischen werden aber meines Wissens sogar mindestens fünf minderjährige Flüchtlinge vom Kinderschutzbund betreut. Dadurch entstehen natürlich erhöhte Bedarfe, die weder REFUGIO noch der Kinderschutzbund für längere Zeit mit den vorhandenen Ressourcen abdecken können. Ich gehe einfach davon aus, dass das auch im Konzept im Oktober und in der Haushaltsaufstellung Berücksichtigung finden wird.
Obwohl wir auf das Konzept sehr gespannt sind, rechnen wir aber, ehrlich gesagt, aktuell nicht mehr mit Verbesserungen für die Jugendlichen in der ZASt, weil dort keine Entspannung in Sicht ist. Meldungen von Menschen, die auf den Fluren schlafen, und die mehr denn je fehlende Privatsphäre für die Minderjährigen führen dazu, dass wir uns beinahe, aber eben nur beinahe, die Situation vom April, als dieser Antrag gestellt wurde, als Verbesserung zurückwünschen. – Danke!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Grönert, ich wüsste nicht, dass ich mit Radio Bremen in der ZASt gewesen wäre, ich war da ganz privat. Wenn, dann müssten sie mich verfolgt haben, aber es gab auch keine Berichterstattung.
Ich will noch einmal auf einige Aspekte hinweisen. Zum einen muss ich meiner Vorrednerin von der Koalition sagen: Als wir den Antrag im April gestellt haben, war eigentlich gar nichts gut! Es war damals durchaus sinnvoll, eine Notkonferenz zu fordern, und wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat der Senat auch erst am 13. August dieses Jahres das Gesamtkonzept in Auftrag gegeben.
(Abg. Frau G r ö n e r t [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. (A) (C)
Nur ganz kurz! Es ist keine Zwischenfrage, sondern eine Aufklärung. Ich habe damit auf Ihre Bemerkung in der letzten Bürgerschaftssitzung anspielen wollen, dass ich nur mit Radio Bremen in die ZASt gehen würde. Ich war ohne Radio Bremen dort, das meinte ich damit.
Wir haben die Notkonferenz im April gefordert, weil damals überhaupt nichts gut und gar nichts geklärt war, und es gab auch nicht einmal ansatzweise ein Konzept, das zu erkennen war. Die Notkonferenz wurde von ganz vielen Einrichtungen gefordert, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreuen. Diese Forderung war zu dem Zeitpunkt auch berechtigt, und der Senat hat letztendlich auch erst im August gesagt, wir brauchen ein Gesamtkonzept.
Ich will trotzdem noch einmal auf einige Punkte eingehen, und zwar hatten wir vor einigen Wochen auch parallel eine Kleine Anfrage zu den Flüchtlingsunterkünften gestellt, und da würde ich den Senat gern auf ein paar Dinge hinweisen. Wir haben gefragt, und das betrifft die unbegleiteten Minderjährigen, deswegen bringe ich das hier an: Können bei der Situation der Jugendeinrichtungen und der Unterkünfte der Flüchtlinge Mittel aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds abgerufen werden? Dazu sagt der Senat in der Antwort auf die Frage Nein. Ich möchte Sie einmal darauf hinweisen, dass Sie das für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sehr wohl können, weil der Europäische Flüchtlingsfonds eindeutig so geregelt ist, dass den Kommunen und Ländern Gelder zur Verfügung stehen für Maßnahmen zur Zielerreichung unbegleiteter Minderjähriger durch Gewährung eines geeigneten, ihren besonderen Bedürfnissen angepassten Wohnraums inklusive einer ständigen sozialpädagogischen und therapeutischen Betreuung, schulischen Begleitung und Unterstützung der Eltern. Das wäre zum Beispiel einmal eine Antwort auf die Frage, was wir als angemessene Finanzierung sehen. Man kann sich das natürlich ganz einfach machen, aber ich finde, diese Mittel, die man von der EU bekommt, sollte man nicht ganz außer Acht lassen.
Zudem möchte ich hier noch einmal auf die Einzelvormünder und Amtsvormünder zu sprechen kommen. Mir ist, ehrlich gesagt, nie so richtig klar geworden, woran es hapert. Die Amtsvormünder sagen selbst, sie haben zu viele Mündel, und die Einzelvormünder würden in der Regel die besseren Begleiter und Betreuer für die unbegleiteten Minderjährigen sein. Ich habe immer versucht herauszufinden, warum die Einzelvormundschaft in Bremen so wenig eingesetzt wird. Die Amtsvormünder sagen, sie fänden das ganz gut, also am Sozialressort kann es nicht liegen, vielleicht liegt es daran, dass darüber die Familiengerichte entscheiden und die Wege der Justiz in dem Bereich zu lang sind. Ich fände es gut, wenn der Senat bei der Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes diese Frage beachten und sich auch noch einmal die Vertreter der Ressorts zusammensetzen würden, denn wenn die Zahlen in dem Maße weiter steigen, brauchen wir mehr Amtsvormünder. Das wäre an der Stelle aber unsinnig, wenn Einzelvormünder diese Arbeit mit besserer Sorgfalt und einem besseren persönlichen Verhältnis zu den Jugendlichen leisten könnten. Daher bitte ich Sie, dies auch mit aufzunehmen, wenn Sie im Oktober noch einmal neu darüber verhandeln. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte noch einmal zu den Aussagen von Frau Grönert und Frau Vogt etwas sagen, dass die Verweildauer in der zentralen Aufnahmestelle in der Steinsetzerstraße drei bis vier Monate wäre. Meine Information ist, dass die durchschnittliche Verweildauer zurzeit 45 Tage und nicht drei bis vier Monate beträgt. Die Zeit ist viel kürzer, als Sie gesagt haben.
Ich möchte auch gern etwas zu den Gesundheitsfragen sagen, weil ich mich da, meine ich, am besten auskenne.
Ich würde das gern klarstellen. Als ich im August dort war, gab es dort unbegleitete Minderjährige, die da seit März waren, und das ist länger als 45 Tage!
Ich habe die Heimleitung in der Steinsetzerstraße noch einmal gefragt, es gibt auch eine interne Auswertung, und die besagt, dass die durchschnittliche Verweildauer 45 Tage beträgt, das ist meine Information.
Wir sind uns doch in der Frage einig, dass diese Einrichtung auf jeden Fall keine Jugendhilfeeinrichtung ist. Das ist ein Notbehelf, und das ist eine besondere Notsituation.