Protocol of the Session on September 26, 2013

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senkal, ich schätze Sie als Kollegen sehr,

(Abg. S e n k a l [SPD]: Ich Sie auch!)

ich muss Ihnen dennoch sagen, das Strafgesetz ist zwar verbessert und verschärft worden, aber das ist hier nicht das Problem. Das Problem ist die Fürsorge für unsere Polizeibeamten, und da sage ich, da sind hier die Schularbeiten noch nicht gemacht worden.

Ich will noch einmal weiter ausführen! 20 000 Polizeibeamte sind über Verletzungen im Dienst befragt worden, die Studie haben wir gemeinsam mit einigen Ländern in Auftrag gegeben, und dort hat sich dann herauskristallisiert, dass bei Hausbesuchen aufgrund familiärer Streitigkeiten genauso viele Beamte schwere Verletzungen erlitten haben wie bei Demonstrationen und Einsätzen im Stadion. Sie wurden oft schon an der Wohnungstür mit Flaschen und Knüppeln empfangen, so berichtet es auf jeden Fall Herr Dr. Pfeiffer. Insgesamt stieg die Zahl der Fälle, in denen Polizisten bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt mindestens sieben Tage lang dienstunfähig waren, zwischen den Jahren 2005 und 2009 um mindestens 60 Prozent.

Laut der Studie wird fast jeder Streifenbeamte öfter im Dienst beleidigt, jeder zweite muss körperliche Attacken hinnehmen, 27 Prozent werden mit Fäusten geschlagen und 8 bis 9 Prozent werden mit Waffen angegriffen. Das ist Fakt. Unsere Beamten bei der Polizei müssen nicht selten den Kopf für politische Entscheidungen, die von einer großen Anzahl von Bürgern nicht mitgetragen werden, hinhalten. Sie werden nicht nur verletzt, sondern manchmal auch getötet. Viele Kollegen fühlen sich bei Verletzungen mit Krankenhausaufenthalt alleingelassen. Herr Senkal, hören Sie bitte zu!

(Abg. S e n k a l [SPD]: Ich höre Ihnen zu!)

Schmerzensgeld und Schadensersatz muss der Kollege selbst einklagen, und falls die Beihilfe nicht schnell genug zahlt, muss er die Krankenhauskosten dann vorstrecken.

Im Jahr 2012 waren in der Bundesrepublik insgesamt 60 000 Beamte Opfer von Gewaltangriffen. Die Gefahr der Polizisten, Opfer eines Übergriffs zu werden, ist in den Stadtstaaten am höchsten. Im Ranking steht Berlin vorn, aber bei den Straftaten pro 100 000 Einwohner steht Bremen mit 75,6 Straftaten an zweiter Stelle.

All das zeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir handeln müssen. Es ist eine zunehmende Respektlosigkeit, die wir nicht dulden dürfen, und ich bin mir sicher, dass wir fraktionsübergreifend, obwohl ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

vielleicht die Sichtweise bei einigen unterschiedlich ist, alle hier im Haus eine große Solidarität mit der Polizei zeigen.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen diese Gewalt gegen unsere Polizeibeamten nicht schicksalsergeben hinnehmen. Ich fordere die Bremer Justiz auf, eine konsequente und schnelle Bestrafung der Täter durch die Gerichte vorzunehmen! Beleidigungen und Körperverletzungen gegen Rettungskräfte der Feuerwehr und natürlich an erster Stelle auch gegen die Polizei, ja, selbst versuchte Gefangenenbefreiungen sind schon Alltag. Die Nachmittagsveranstaltungen vor und nach den Bundesligaspielen sind so nicht mehr hinzunehmen. Das staatliche Gewaltmonopol wird von bestimmten Krawallmachern, aber auch, ich muss das hier noch einmal ganz deutlich sagen, von bestimmten Bevölkerungsgruppen – ich erinnere an den Angriff dieser Leute gegen die Straßenbauarbeiter, an die Versuche der Gefangenenbefreiung, an den Gebrauch von Schusswaffen in der Disco-Szene und an viele anderen Straftaten – nicht akzeptiert. Dies muss man hier öffentlich sagen dürfen, ohne dabei gleich in die ausländerfeindliche Ecke gedrängt zu werden!

(Beifall bei der CDU)

Neu ist auch der offene Angriff auf Polizeibeamte ohne Anlass, deutlicher kann man die Missachtung einer Gesellschaft und eines Staates nicht mehr zum Ausdruck bringen. Polizeibeamtinnen und -beamte verkörpern den Staat und die Gesellschaft. Wer unsere Polizei angreift, greift hier in Bremen unseren Staat an, und somit greifen die Störer und Randalierer uns alle an. Wenn das zur Normalität wird, dann regiert hier demnächst das Faustrecht, und Folgendes wollen wir alle nicht: Wer am schnellsten und härtesten zuschlägt, hat das Recht auf seiner Seite.

Polizisten beklagen, dass die Uniform keinen Schutz mehr bietet, sondern vielmehr Provokation für Partygäste oder Fußballfans ist. Es geschieht regelmäßig, dass Kontrahenten, die gerade noch aufeinander losgegangen sind, sich plötzlich verbrüdern, wenn die Polizei eingreift. Ich will es auch nicht noch näher erörtern, Fakt ist nur, ich habe den Bericht im „Spiegel“ gelesen, darin steht: „Nicht mehr die Polizei ist dein Freund und Helfer, sondern dein Feind und Gegner“. So weit ist es gekommen, meine Damen und Herren!

Unser Innensenator verurteilt diese Taten auch, und wir als Politiker stehen hier alle in der Pflicht. Herr Mäurer hat im Jahr 2009 als Vorsitzender der Innenministerkonferenz – das war er damals ja – öffentlich gesagt, dass die Polizeibeamten mittlerweile die Prügelknaben der Nation sind. Dagegen müssen wir ansteuern. Ich rufe alle Fraktionen hier in der Bremischen Bürgerschaft auf: Helfen Sie mit! Alle hier ver

tretenen Parteien, das weiß ich, fordern genau wie ich den Respekt für unsere Polizei ein. Diese einzelnen Taten, die ich hier aufgeführt habe, grenzen an Anarchie und Verwahrlosung, gepaart mit staatlicher duldsamer Hilflosigkeit, und wenn wir nicht aufpassen, wird unsere Lebensqualität hier in Bremen dabei schwinden.

Hier ist aber auch die Justiz gefordert. Ich bin selbst auch ein Freund von Haftvermeidungs- und Sozialisierungsprogrammen bei jugendlichen Tätern und Bagatelldelikten, aber bei Widerstandshandlungen und Körperverletzungen gegen Polizeibeamte reichen bei vielen Tätern keine Arreststrafen oder Verurteilungen auf Bewährung. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu, oder, wie schon gesagt, wenn Sie erlauben, dass wir das noch einmal in der Bürgerschaft beziehungsweise in der Innendeputation aufrufen, wäre ich Ihnen sehr verbunden! – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Knäpper, auch ich schätze Sie sehr, und darum habe ich mich noch einmal gemeldet, weil ich das Gesagte ein bisschen sortieren möchte.

Das es Gewalt gegen Polizeibeamte gibt, ist von uns natürlich auch nicht bestritten worden, vieles haben Sie aufgezählt, aber Sie haben vieles durcheinandergebracht. Ich glaube, wir haben vieles beschrieben, und die Studie, die Sie gerade zitiert haben, ist von uns initiiert und in dem Antrag dargestellt worden. Somit ist es auf dem Weg.

Ich habe Ihnen gesagt, dass wir in einem Prozess sind und den Abschlussbericht des AK II gerade kürzlich erhalten haben. Wir sind gern bereit – es geht eigentlich um die Frage des Rechtsschutzes, wie wir damit umgehen, dass Polizistinnen und Polizisten im Dienst verletzt werden und wie dann die Versicherung beziehungsweise die Beamtengesetze bezüglich der Beamtenversorgung greifen –, das Thema mit Ihnen und dem Kollegen Fecker in der Innen- und Sportdeputation noch einmal aufzurufen und zu behandeln, das haben wir schon zugesagt. Wenn wir Möglichkeiten haben, Verbesserungen zu finden, sind wir gern bereit, sie vorzunehmen, aber dafür brauchen wir den Antrag nicht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Thema beschäftigt uns zu Recht seit Langem, die Zahlen sind für Bre

men und Bremerhaven nahezu unverändert. Wir zählen aktuell in diesem Jahr bis zum Monat August 238 Straftaten gegen Polizeibeamte, dabei haben wir die Beleidigungsfälle nicht mit eingerechnet, die Tendenz ist relativ stabil. Dazu muss man auch sagen, glücklicherweise sind in 98 Prozent aller Fälle die Beamten nur leicht verletzt, der Eindruck, dass hier schwer verletzte Polizeibeamte die Regel sind, ist nicht richtig. Wir haben auf dieses Thema mit einer Vielzahl von Maßnahmen reagiert, und ich habe den Eindruck, dass vieles, was hier aufgeschrieben wurde, einfach mehr oder weniger mutwillig entstanden ist. Wenn man so viele Fälle hat, muss man natürlich im Bereich Ausund Fortbildung darauf reagieren, aber, Herr Knäpper, Sie haben den Polizeidienst nun schon vor einigen Jahren verlassen, warum werfen Sie nicht einmal einen Blick in unser Fortbildungsprogramm? Wir haben Dutzende von Seminaren, Veranstaltungen, Einsatztrainings – systemisches Einsatztraining ist der Fachbegriff dafür –, und wenn Sie da hineinschauen, steht in jedem dritten Satz, wir üben auch die Selbstverteidigung. Es ist aber völlig klar, heute sieht Fortbildung etwas anders aus. Allein mit Selbstverteidigung und Schusswaffeneinsatz kommt man nicht aus, sondern man muss auf die Situation vorbereitet werden, dass man möglicherweise auch so klug ist, sich erst einmal zurückzuziehen, bis man genügend Kräfte gesammelt hat. Das heißt, die Situation einzuschätzen, einen Eindruck davon zu bekommen, was einen auf der anderen Seite erwartet, das sind die Aspekte, die heutzutage massiv in der Aus- und Fortbildung vermittelt werden. Ich bin gern bereit, Ihnen in der Innendeputation auch einmal einen Bericht unseres Fortbildungsinstituts zu geben. Ich finde, was da in den letzten Jahren geleistet worden ist, ist qualitativ hochwertig, und da brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann zu dem Thema Rechtsschutz! In der Tat, für Rechtsschutz wird von uns das gewährleistet – nicht nur für strafrechtliche Anträge, sondern auch für zivilrechtliche Verfahren –, was auch alle anderen Länder gewährleisten, aber es gibt natürlich auch Grenzen. Schmerzensgeld kann man als Staat eigentlich nicht geben, sondern der Staat hat im Beamtenversorgungsgesetz das Wesentliche geregelt. Was heißt das konkret? Wenn einem Beamten etwas zustößt, dann wird sein Gehalt natürlich weitergezahlt, seine Sachschäden werden ihm erstattet, es gibt eine Unfallfürsorge und so weiter. Das heißt, kein Beamter fällt in ein tiefes Loch, sondern der Staat kümmert sich darum, aber bei der Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen gibt es Grenzen, und dieses Verfahren muss natürlich erst einmal geführt werden. Wenn am Ende des Verfahrens möglicherweise kein Geld bei demjenigen vorhanden ist, der für diese Tat

verantwortlich war, ist das ein Problem, aber wir können nicht sagen, wenn der Täter kein Schmerzensgeld zahlen kann, dann muss die Staatskasse dafür einspringen. Das geht systematisch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen haben wir diesen Rechtsschutz vernünftig organisiert, und die Polizei ist inzwischen viel weiter. Natürlich findet eine systematische Betreuung statt, das ist kein Thema, das uns erst seit wenigen Monaten begleitet, sondern alle leitenden Beamten werden geschult und fortgebildet, wie mit diesen Dingen umzugehen ist, wie man seine Mitarbeiter anspricht, wenn sie in schwierigen Situationen gewesen sind.

Ich sage aber auch, es gibt da noch gewisse andere Dinge. Es ist in unseren Gesetzen alles geregelt, ob es sich um klassische Unfälle handelt oder um Körperverletzungen, das ist alles berücksichtigt. Wir haben aber zum Beispiel ein Problem, wenn es darum geht, diese traumatischen Auswirkungen zu bewerten, und wir haben deswegen gerade auch eine Arbeitsgruppe unter der Leitung eines Psychologen der Polizei eingerichtet, in der diese Gesichtspunkte einmal aufgearbeitet werden, weil das die zentralen Fragen sind, bei denen man nicht sofort erkennen kann, was die Ursache gewesen und was da passiert ist. Das unterscheidet diese Krankheitsform auch von vielen anderen. Deswegen denke ich, dass wir an dieser Stelle weiterarbeiten müssen, und ich bin auch gern bereit, Ihnen dann das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe in einer nächsten Sitzung zu präsentieren.

Deswegen die Analyse: Wir haben ein Problem, wir haben die Gewalt gegen Polizeibeamte, dagegen haben wir sehr viel getan. Ich bitte aber, diese Anträge abzulehnen, weil sie uns überhaupt nicht weiterführen. Das ist in der Tat mit einem Blick in unser Programm nachzulesen, was alles angeboten wird. Wenn Sie mir sagen, was da fehlt, bin ich gern bereit, darauf einzugehen, aber zu sagen, wir brauchen bessere Aus- und Fortbildung, reicht nicht aus.

(Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja!

Bitte, Frau Abgeordnete!

Herr Senator, es gibt ja auch das Adhäsionsverfahren in der Strafprozessordnung. Deswegen meine Frage: Inwieweit machen die Polizeibeamten davon Gebrauch, und inwieweit soll gefördert werden, dass davon Gebrauch gemacht wird? Zur Erklärung: Es geht darum, dass im Strafverfahren gleich zivilrechtliche Ansprüche mit gel

tend gemacht werden, sodass man nicht noch extra ein weiteres zivilrechtliches Verfahren führen muss, und das gilt ja auch für Polizeibeamte.

Ich kann Ihnen dazu keine Zahlen nennen, denn ich glaube, diese Verfahren kann man an einer Hand abzählen. Das ist nicht das Problem.

Herr Senator, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja!

Bitte, Frau Kollegin!

Herr Senator, ist Ihnen bekannt, dass nach der Strafprozessordnung gerade solche Verfahren auch gefördert werden sollen, wenn keine zwingenden Gründe dagegensprechen, und eigentlich in der Regel die Ansprüche gleich mit im Strafverfahren beurteilt werden sollten?

Das ist mir bekannt, aber es ist eine Frage der Praxis, und ich glaube nicht, dass unsere Beamten ein primäres Interesse daran haben, zivilrechtliche Forderungen geltend zu machen, sondern sie wollen, dass diese Straftäter auch angeklagt und verurteilt werden wegen ihrer Taten, das ist das, was Beamte erwarten!

(Beifall bei der SPD)

Herr Senator, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja!

Bitte, Frau Piontkowski!

Eine Anmerkung dazu! Es geht ja auch um Schmerzensgeld, und das eine schließt das andere ja nicht aus. – Danke schön!