kann sich eigentlich einer inhaltsgleichen Übernahme der Tarifabschlüsse auf die Beamten nicht entziehen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte kann man sicherlich in zweierlei Hinsicht bestreiten: Man kann zum einen den Versuch unternehmen, die bereits innerlich gefestigte Auffassung hier im Parlament mit Nachdruck in einer politischen Debatte zu vertreten und gegen Angriffe anderer politischer Mitbewerber oder gegen Angriffe von außen zu verteidigen. Das haben der Kollege Dr. Kuhn und der Kollege Liess gemacht, und ich behaupte einfach einmal, bescheiden, wie ich bin, das könnte ich auch. Zum anderen kann man diese Debatte, die ja nur die erste Lesung des Gesetzes beinhaltet, zum Anlass nehmen, noch einmal anzuregen, über die bereits gefassten Beschlüsse nachzudenken,
also zu versuchen, bereits gefasste politische Beschlüsse vielleicht auch noch einmal selbstkritisch zu hinterfragen.
Ich habe mich in dieser Debatte für den zweiten Weg entschieden, weil ich der festen Überzeugung bin, dass sowohl die Argumente, die ich gleich vortragen werde, als auch insbesondere die Argumente, die wir in den letzten Tagen als Abgeordnete von vielen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aus tiefer Betroffenheit bekommen haben, bei Ihnen noch einmal ein Nachdenken auslösen müssen.
Deswegen will ich vielleicht – und die Grünen mögen mir das nachsehen – insbesondere in dieser Debatte an das Gerechtigkeitsgefühl der Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion appellieren.
Zu den Grünen will ich eigentlich nur zwei kurze Bemerkungen machen, und ich will beginnen mit einem Zitat aus einer Bürgerschaftsdebatte vom 13. Juli 2006. Da waren Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der Grünen, in der Opposition, und wir, sehr geehrter Herr Bürgermeister Böhrnsen, haben damals schmerzvoll miteinander verabredet, das Weihnachts- und Urlaubsgeld für alle Beamten zu kürzen und für einen bestimmten Anteil wegfallen zu lassen. Das war eine quälende Debatte. Der Vorschlag des Finanzsenators damals war, es ganz zu streichen, und wir beide haben uns darauf verständigt, es wenigstens in den unteren Einkommensklassen zum Teil noch zu gewähren.
Passen Sie genau auf! Damals hat der Kollege von Bündnis 90/Die Grünen – in der gleichen Fraktion wie
Herr Dr. Kuhn und Frau Linnert – gesagt, ich zitiere: „Bis dahin war es immer so, und das war auch richtig, dass die wesentlichen Bestandteile der Tarifeinigung zwischen den öffentlichen Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften im Beamtenbereich nachvollzogen wurden. Das ist deshalb sinnvoll, weil wir keine Auseinanderentwicklung zwischen Angestellten, Arbeitern und Beamten haben wollen. Beamte dürfen aus gutem Grund keinen Arbeitskampf machen. Wenn jetzt durch einseitige Veränderungen bei den Beamten, gegen die sie sich öffentlich nicht wehren dürfen, die Latte für den künftigen Tarifabschluss gelegt wird, den man als öffentlicher Arbeitgeber abzuschließen bereit ist, dann ist Tarifautonomie dahin.“
Das war damals die Auffassung der Vertreter vom Bündnis 90/Die Grünen, von Herrn Dr. Kuhn und Frau Linnert: Keine Spaltung zwischen den Beschäftigungsgruppen des öffentlichen Dienstes!
Wieso sehen Sie das eigentlich heute anders? War damals die Haushaltslage rosig, dass man sich das leisten konnte, und heute ist die Haushaltslage angespannt, dass man sich das nicht leisten könnte? Nein, Bremen geht schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, durch angespannte Haushaltssituationen, und deswegen ist das, was damals richtig war, auch heute richtig.
Deswegen, Herr Bürgermeister Böhrnsen, haben wir in den Zeiten unserer gemeinsamen Regierungsverantwortung zwar bei dem Weihnachtsgeld einen massiven Eingriff gemacht, aber eines haben wir nie gemacht, wir haben die Tarifentwicklungen im öffentlichen Dienst zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern nie auseinanderfallen lassen. Aus guten und überzeugenden Gründen war das richtig, und das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten, auch heute noch richtig.
Sie begründen Ihren Vorschlag, das Tarifergebnis nur für einen Teil der Beamten zu übernehmen, mit der öffentlichen Haushaltsnotlage. Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen, wie die tatsächlichen Verhältnisse sind: Wir haben im gesamten Bereich des öffentlich finanzierten Beschäftigungssektors, also alle Beschäftigten in Eigengesellschaften und GmbHs, die nach Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes bezahlt werden, rund 47 000 Beschäftigte. Von denen werden etwas über 4 000 von jeglicher Tarifanpassung ausgenommen. Sie werden also über 90 Prozent der öffentlich Beschäftigten eine Tarifanpassung geben und nur knapp zehn Prozent nicht.
Ist es eigentlich gerecht, dass der leitende Arzt an einem städtischen Klinikum mit einem Einkommen von über 8 000 Euro 4,6 Prozent mehr Gehalt in zwei Jahren öffentlich finanziert bekommt, und dem jungen Gymnasiallehrer in Besoldungsgruppe A 13 mit einem Einkommen von monatlich 3 200 Euro, der weniger als die Hälfte verdient, wollen Sie sagen, er bekommt nichts? Ist das, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten, Ihr Ausdruck der Wertschätzung?
(Beifall bei der CDU und bei der LINKEN – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das sind zwei völlig verschiedene Systeme!)
Sie sagen jetzt, dass das ja Tarifverträge sind. Ja, das sind Tarifverträge, Herr Dr. Güldner, denen wir zugestimmt haben. Sie haben als Vertreter dieses Bundeslandes und der Kommunen zugestimmt, dass wir Tarifanpassungen im Bereich der öffentlich Beschäftigten vornehmen: Die Kommune und die Krankenhäuser bekommen 6,3 Prozent in zwei Jahren. Sie haben zugestimmt mit der Verhandlungsteilnehmerin Frau Linnert, dass die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes eine Tariferhöhung von 5,6 Prozent bekommen. Sie haben zugestimmt, dass die Ärzte in den Krankenhäusern – mit dem Marburger Bund verhandelt – eine Tariferhöhung von 4,6 Prozent bekommen. Sie schlagen jetzt vor, den Beschäftigten bis Besoldungsgruppe A 12 teilweise eine Gehaltserhöhung zu geben. Warum wollen Sie eigentlich einem jungen Gymnasiallehrer, der 3 200 Euro verdient, diese Gehaltserhöhung nicht geben?
Es ist doch – ich will nicht Lug sagen – eine Verdrehung der Tatsachen, der Öffentlichkeit weismachen zu wollen, dass nur Spitzenverdiener nichts bekommen. Nein, Sie zahlen den Spitzenverdienern in anderen Tarifverträgen eine mächtige Gehaltserhöhung, und Menschen, die 3 200 Euro im Monat bekommen, verweigern Sie sie. Das ist nicht meine Auffassung von sozialer Gerechtigkeit, und das kann eigentlich auch nicht Ihre Auffassung von sozialer Gerechtigkeit sein.
Warum haben wir für die jetzt anstehende Tarifanpassung eigentlich nicht genug Geld? Wir haben nicht genug Geld im Jahr 2013, weil dieser Senat und diese Finanzsenatorin dem Parlament vorgegaukelt haben, wir kämen mit der Annahme einer einprozentigen Tariferhöhung hin. So haben Sie den Haushalt aufgestellt. Wir haben damals schon gesagt, das reicht doch nie! Schauen Sie sich doch an, was außerhalb von öffentlichen Haushalten für Tarifabschlüsse vereinbart werden! Dieses eine Prozent haben Sie im Übrigen bei den Lehrerinnen und Lehrern genauso abgebildet wie bei den Polizistinnen und Polizisten. Jetzt verteilen Sie das um: Das, was Sie eigentlich für die
Lehrer mit einem Prozent vorgesehen haben, verteilen Sie jetzt auf Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes, vom Arzt, den ich eben genannt habe, bis zu anderen.
Ist das denn sozial gerecht, wie die Sozialdemokraten sich diese Welt vorstellen? Ich sage, es ist ungerecht, das so zu machen, und deswegen war es falsch zu sagen, wir planen nur ein Prozent Tariferhöhung ein. Ich meine, wenn Sie wenigstens aus dem Fehler lernen würden, aber der Eckwertebeschluss des Senats sieht für die nächsten Jahre wieder ein Prozent vor! Sie stellen sich hierhin und sagen, das machen wir nur einmal, das darf nie wieder passieren, aber den Fehler, der dazu geführt hat, dass Sie es jetzt machen wollen, den machen Sie wieder und wieder!
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wird doch nicht mehr Geld, auch wenn Sie es auf Papier schreiben!)
Herr Dr. Güldner, Sie gaukeln den Menschen vor, dass Sie Geld für andere politisch gewollte Maßnahmen haben, indem Sie unrealistische Personalkosten veranschlagen. Natürlich ist Geld bei 4,3 Milliarden Euro Ausgabevolumen vorhanden. Es ist die politische Schwerpunktsetzung, wofür ich das Geld ausgebe.
Wenn Sie meinen, Ihre Schwerpunkte seien Standesamtssanierung, Siemens-Hochhaus, Universitätsbad, Fahrradwege und was weiß ich noch alles, dann sind das Ihre Schwerpunkte, aber dann sagen Sie den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes doch nicht, Sie hätten für sie kein Geld, dann sagen Sie ihnen, dass Sie das Geld anders ausgeben, das ist die Wahrheit!
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Machen Sie einen Vorschlag! Sie wollen bei allem mehr Geld!)
Die Finanzsenatorin hat ja in der Aktuellen Stunde hier im Parlament gesagt, die Zahl, die ich genannt habe, die 27 Millionen Euro Reserve, gäbe es in ihrer ganzen Vorlage nicht. Ich würde vorschlagen, Frau Senatorin, Sie lesen Ihre Vorlage noch einmal, sie steht darin, nämlich mehrfach. Sie bilden für das nächste Jahr eine Reserve von 27 Millionen Euro, im Übrigen aus Mitteln, die wir vom Bund zusätzlich bekommen haben, damit wir die sozialen Unwuchten, die Grundsicherung nämlich, erstattet bekommen. Sie wollen das Geld beiseitelegen, dann sagen Sie den Beamtinnen und Beamten aber auch, dass kein Geld für sie vorhanden ist, weil Sie das Geld beiseitelegen wollen, um irgendwelche Manöver noch im Vorfeld der
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das sind Taschenspielertricks, das ist eine virtuelle Welt, kein echtes Geld!)
8 000 Euro für einen Arzt im kommunalen Krankenhaus sind keine virtuelle Welt, Herr Dr. Güldner, das ist Realität, die mit Ihrer Zustimmung passiert!
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Er hat ei- nen Tarifvertrag, dieser Mann!)
Der Mann hat einen Tarifvertrag und die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch! Die Beamten haben einen Anspruch darauf, dass sie anständig bezahlt werden und für ihre geleistete Arbeit auch einen anständigen Inflationsausgleich bekommen, das ist eben auch die Wahrheit, sehr geehrter Herr Dr. Güldner.
Ich will abschließend ein weiteres Beispiel nennen: Ist es eigentlich gerecht, dass ein Kommissariatsleiter eines kleinen Kommissariats bei der Bremer Polizei mit 12 bis 13 Beschäftigten im letzten Lebensabschnitt seiner beruflichen Tätigkeit mit rund 4 000 Euro eine Tarifanpassung bekommt, und der junge Staatsanwalt, der weniger Geld verdient, der am Anfang seiner beruflichen Karriere steht, der von seinem Geld vielleicht noch eine Familie finanzieren muss und ungefähr genauso viel verdient, sie nach Ihren Beschlüssen nicht bekommt? Es ist ja nicht so, dass Sie sagen, wer mehr als 3 500 Euro bekommt, erhält keine Gehaltserhöhung, sondern es ist ja so, dass Sie sagen, wer ab Besoldungsgruppe A 13 verdient, bekommt keine Besoldungserhöhung. Das fängt bei 3 200 Euro an, Herr Dr. Güldner, es sind nicht nur die Spitzenverdiener, die Sie ausnehmen, es ist eine ganze Beschäftigungsgruppe, die Sie von dieser Besoldungserhöhung ausnehmen. Das ist nicht gerecht.
Es ist richtig, wir müssen uns auf dem Pfad der Sanierung, auf den wir uns begeben haben, anstrengen. Das bedeutet, wir müssen natürlich gegenüber dem Bund und den anderen Ländern mit Eigenanstrengung nachweisen, dass wir in der Lage sind, die
ehrgeizigen Vorgaben einzuhalten. Das wird nur gelingen, wenn wir als Politik auch sparen, aber, meine Damen und Herren, das wird auch nur dann gelingen, wenn wir das größte Kapital, das wir als Staat haben, nämlich das Wissen in den Köpfen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so einsetzen, dass dieser Kurs gelingt. Die Sanierung unseres Bundeslandes wird nur gelingen und macht nur Sinn, wenn wir sie mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gehen, (Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Mit allen Bürgern!)
und nicht, wenn wir sie gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gehen. Die Zumutungen, die in den nächsten Jahren noch vor uns liegen, werden wir nur mit dem Können, dem Wissen, dem Engagement und der Leistungsbereitschaft unserer Beschäftigten erreichen können.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat sich bei Ihnen auch schon einmal anders angehört!)
Das, Herr Dr. Güldner, können Sie nicht allein, dazu brauchen wir alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, und deswegen dürfen wir sie auch nicht in Reich und Arm, Tarifbeschäftigte und Beamte spalten. Alle haben einen angemessenen Anspruch darauf, von ihrem Arbeitgeber und Dienstherrn gleichbehandelt zu werden. Deswegen werden wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen, und wir werden die Gesetzesvorlage des Senats in erster Lesung ablehnen.
Wir beantragen eine namentliche Abstimmung und haben die Hoffnung und Erwartung, dass wir bis zur zweiten Lesung den einen oder anderen von Ihnen davon überzeugen können, dass das, was Sie machen, nicht gerecht ist, sondern dass das, was Sie machen, ein Ausbund an Ungerechtigkeit ist. – Vielen Dank!