Es ist selbstverständlich nicht so einfach, sich innerhalb von wenigen Tagen in das Thema Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz einzuarbeiten. Zum Glück, das habe ich festgestellt, haben wir mit Frau Dogan eine aktive Wikipedia-Autorin, denn gerade, als sie gesprochen hat, habe ich geschaut und festgestellt, dass sie das bestimmt geschrieben hat. Seitdem weiß ich ein bisschen mehr über das Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung und die Sicherungsverwahrung.
Das Thema ist eigentlich viel ernster. Wir sind in diesen Fällen immer in einer absoluten Spannungs––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
situation. Auf der einen Seite fordern die CDU und Frau Piontkowski vollständig zu Recht, dass insbesondere bei den Vergehen, um die es jetzt hier geht –
bei diesen Verbrechen, dieser Art von Kriminalität –, selbstverständlich das Opfer ein ganz hohes Maß an Schutz benötigt, das ist überhaupt keine Frage. Selbstverständlich muss die Gesellschaft vor Menschen geschützt werden, die, aus welchen Gründen auch immer, andere Menschen überfallen, töten, vergewaltigen und mit ihnen Dinge machen, die so unaussprechlich sind, dass man sie teilweise nicht glaubt.
Auf der anderen Seite dürfen wir auch nicht der Neigung nachgeben, dass man einfach sagt – ich glaube, Gerhard Schröder hat es sogar irgendwann gesagt –, wegschließen für immer, weil wir dabei auch erstens das Recht eines Menschen auf Resozialisierung und zweitens das Recht eines Menschen, wieder in Freiheit zu gelangen, akzeptieren müssen, wenn er die ihm zugedachte Strafe verbüßt hat. In diesem Spannungsverhältnis leben wir. Wenn man sagt, wir brauchen so etwas wie die Sicherungsverwahrung, dann ist es relativ wichtig, ein Gesetz zu verabschieden. Ich bin auch dafür, dass wir so etwas wie eine Sicherungsverwahrung haben, weil ich relativ genau zu wissen glaube, dass es Menschen gibt, die nur sehr schwer oder gar nicht therapierbar sind. Die Opfer müssen vor diesen Menschen, nachdem sie die Strafe verbüßt haben, geschützt werden. Das ist eine Tatsache, um die man nicht herumdiskutieren kann.
Der Europäische Gerichtshof hat gesagt, die Sicherungsverwahrung muss etwas anderes sein als der Strafvollzug. Es darf nicht so sein, dass man einfach an der Tür die Bezeichnung ändert und die Menschen, die ihre Strafe verbüßt haben und somit formal unschuldig sind und entlassen werden müssten, einfach weiter so weggeschlossen werden wie bisher. Soweit mir bekannt ist, hat das Bundesverfassungsgericht das im Übrigen bestätigt, und ich finde das insbesondere in diesem Spannungsverhältnis richtig.
Unsere Herausforderung ist jetzt, ein Gesetz zu schaffen, das einerseits die Opfer schützt und andererseits Täterinnen und Tätern eine Chance gibt, durch weitere Resozialisierungsmaßnahmen auch wieder in Freiheit zu kommen, wenn sie ihre Strafe verbüßt haben. Wir sind der Meinung, das habe ich mit meinem Kollegen Herrn Erlanson lange diskutiert, dass dieses Gesetz dem nicht gerecht wird, weil auf der einen Seite formale Ansprüche und Bedingungen genannt werden, aber auf der anderen Seite die Realität so ist, dass relativ wenigen dieser Menschen ein vernünftiges Angebot zur Resozialisierung gemacht werden kann.
Deswegen sagen wir, dieses Gesetz entspricht nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, dass es einen Abstand zwischen Strafvollzug und Si
cherungsverwahrung gibt, und es kommt dem Recht des Täters oder der Täterin auf eine Resozialisierung nur ungenügend nach. Deswegen werden wir dem Gesetz auch in der zweiten Lesung nicht zustimmen, sondern wir werden es ablehnen. Ich betone noch einmal ganz deutlich, das bedeutet überhaupt nicht, dass wir dafür sind, die Sicherungsverwahrung abzuschaffen. Wir sind dafür, wo es nachweislich notwendig ist, die Gesellschaft vor bestimmten Menschen zu schützen, aber wir sind auch der Meinung, dass auch diese Menschen eine Chance brauchen, und diese wird ihnen mit diesem Gesetz meines Erachtens nicht gegeben. – Danke!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich generell festhalten, dass wir uns mit diesem vorgelegten Gesetzentwurf im Länderkonzert bewegen, sodass wir keine gravierenden Abweichungen zu anderen gesetzlichen Vorschriften vornehmen. Wir lehnen uns sehr stark an das niedersächsische Gesetz an.
Ich habe vorhin im Rahmen meiner Berichterstattung mitgeteilt, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung der bremischen Untergebrachten in Niedersachsen stattfinden wird oder derzeit auch stattfindet. Konkretisiert wurden die Fristen, und das halte ich für eine sehr verlässliche Sache. Wenn jemand nicht mit solchen unbestimmten Rechtsbegriffen konfrontiert wird – das war also ziemlich vage formuliert –, dann muss man die genauen Bezüge herstellen. Wenn darin „unverzüglich“ steht, dann ist das ein ganz klarer Rechtsbegriff, der ohne schuldhaftes Zögern bedeutet, sodass er meines und unseres Erachtens auch darin stehen bleiben konnte.
Dieses Gesetz ist ein Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz – und das sage ich insbesondere noch einmal an DIE LINKE gerichtet – und kein Opferschutzgesetz, das ist eine völlig andere Zielrichtung. Es hat deutlich die Rechte der Untergebrachten gestärkt, denn es wurden Dokumentationspflichten aufgenommen, die den Untergebrachten damit versorgen, dass manifestiert wird, wie er sich und ob er sich geäußert hat. Es wird deutlich auf die Untergebrachten eingegangen.
Eine sehr wichtige Angelegenheit ist das Abstandsgebot. Strafhaft soll etwas völlig anderes sein als eine Sicherungsunterbringung. In diesem Rahmen – an die CDU gerichtet – ist ein Mensch, der sich in Sicherungsverwahrung befindet, nicht jemand, dem die Freiheit entzogen wurde. Er wird zur Sicherheit untergebracht und kann dann seine Wünsche äußern, wie er sein ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Geld verwenden möchte. Insofern halte ich es für richtig, dass man auf den Wunsch eines Untergebrachten eingeht. (Beifall bei der SPD)
Frau Piontkowski, Sie haben soeben gesagt, dass Sie nicht verstehen können, warum eine Lockerung stattfinden soll. Sie sagten soeben selbst, dass Menschen, die sich lange in einer Einrichtung befinden, nicht mehr unbedingt fähig sind, in Eigenregie draußen leben zu können. Daher finde ich eine Lockerung sehr sinnvoll, um einen Menschen dahin wieder zu befähigen. Dies soll ja auch letzten Endes der Hintergrund des Ganzen sein. Die Strafhaft ist beendet, die Strafe wurde abgesessen für Straftaten, die von der Rechtsordnung, von unserer Gesellschaft nicht toleriert werden, gleichwohl muss die Möglichkeit zur Rehabilitation gegeben werden.
Wir sind unserer Umsetzungspflicht nachgekommen, Frau Piontkowski, und können nicht sagen, sofern sich hier ein Mensch in unserer Einrichtung befindet, wir schauen einfach, was die Nachbarn in Niedersachsen machen. Das geht auch gar nicht, weil es sich dabei um ein Flächenland handelt, und da sind einige Formulierungen enthalten, die sich so auf unser bremisches Gesetz, auf unser Land überhaupt nicht übertragen lassen. Daher haben wir einige Modifikationen vornehmen müssen. Wie soeben schon gesagt, haben wir uns doch sehr deutlich an das niedersächsische Gesetz angelehnt. Ich denke, dass wir damit durchaus richtig liegen.
Sie sagten gerade, wahrscheinlich würden die Regelungen nicht angewendet, das ist nicht unbedingt richtig. Als Berichterstatterin habe ich gesagt, es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Personen anderer Bundesländer zu uns in eine Einrichtung kommen können. Insoweit muss hier auch eine eigene gesetzliche Vorschrift gegeben sein. Wir sind insofern unserer Umsetzungspflicht nachgekommen.
Sie sagten, der Opferschutz müsste stärker aufgenommen werden. Ich kann mich daran erinnern, dass wir im Rahmen der Anhörung darüber gesprochen haben, ob einem Opfer mitgeteilt werden soll, wann Lockerungsmaßnahmen, zum Beispiel Ausgang, gewährt würden. Ich bin klar der Ansicht gewesen und sah mich dann auch durch die Sachverständigen im Rahmen der Anhörung bestätigt, dass es für die Opfer eines Verbrechens gerade nicht gut ist, permanent damit konfrontiert zu werden, dass ihnen dieser Name, dieser Mensch wieder ins Gedächtnis gerufen wird. Insofern, würde ich sagen, ist der Opferschutz auf jeden Fall klar distanziert von diesem gesetzlichen Regelwerk zu sehen.
An die LINKE gerichtet möchte ich noch einmal sagen, wobei Herr Erlanson bei der Arbeit mitgewirkt hat und Herr Rupp jetzt gerade etwas dazu gesagt
hat: Ich halte es für – das sage ich jetzt rein persönlich! – nicht so trefflich, Frau Dogan zu einer Wikipedia-Schreiberin zu degradieren.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. K u h n [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Eine Frechheit war es!)
Ich finde, es war noch einmal ein guter ergänzender Beitrag dazu, auf welchem Hintergrund ein solches Gesetz basiert. Damit möchte ich schließen und bitte auch für unsere Fraktion um Zustimmung zu diesem vorgelegten Gesetzentwurf! – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fühle mich doch noch einmal herausgefordert durch das, was gesagt wurde, insbesondere durch das, was Frau Peters-Rehwinkel soeben gesagt hat, dass es für die Opfer nicht gut sei, wenn sie ständig mit dem Täter konfrontiert würden. Jetzt stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Das Opfer geht auf der Straße oder durch den Supermarkt und begegnet völlig unvorbereitet dem Täter, der versucht hat, es vor einiger Zeit umzubringen. Was meinen Sie, was das Opfer in einer solchen Situation fühlt und denkt? Dazu fällt mir, ehrlich gesagt, nichts mehr ein.
Nicht zu Unrecht wurden in Paragraf 406 d Strafprozessordnung entsprechende Benachrichtigungspflichten aufgenommen, nämlich dass Opfer oder Verletzte von Straftaten die Möglichkeit haben, benachrichtigt zu werden, wenn sie dies denn wünschen. Das ist eine durchaus sinnvolle Regelung, und deswegen hatten wir angeregt, entsprechende Regelungen auch in das Bremische Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung aufzunehmen. Wir müssen doch aufpassen, dass Opfer nicht durch solche Situationen, in die sie unvorbereitet kommen, erneut retraumatisiert werden.
Die Opfer haben keine Möglichkeit, sich vor solchen Menschen zu schützen, denn die Rückfallgefahr können wir letzten Endes nie ausschließen, sie können noch so gute psychiatrische Gutachten haben, und ich habe viele dieser psychiatrischen Gutachten gelesen. Das eine sagt dieses, das andere sagt jenes, und dann kommt noch jemand zu einer anderen Auffassung. Das kann immer passieren, und deswegen müssen wir alles tun, was im Sinne des Opfers ist, denn für die CDU geht Opferschutz vor Täterschutz.
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat einen Rahmen vorgegeben, und dieser Rahmen war sehr dezidiert. Man könnte fast sagen, dass das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen in das Urteil hineingeschrieben hat, was im Gesetz zu erscheinen hat. DIE LINKE hat gesagt, dass im bremischen Gesetz – da muss ich das bremische Gesetz dann auch einmal in Schutz nehmen – keine einzelnen Resozialisierungsmaßnahmen stehen und nicht enthalten ist, was im Einzelnen zu tun ist mit den Tätern. Das ist so nicht richtig, Herr Rupp! Vielleicht haben Sie sich nicht ausreichend damit beschäftigen können, aber dort steht etwas von Förderung der Mitwirkungsbereitschaft, von Teilnahme an psychiatrischen, psychotherapeutischen, sozialtherapeutischen Maßnahmen, von Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz, Qualifizierungsmaßnahmen, Beschäftigungsverhältnissen, Sportangeboten, offenem Vollzug, Außenkontakten, Schuldnerberatung und so weiter. Ich könnte Ihnen die Liste weiter vorlesen, aber das würde den Rahmen sprengen. Darin steht schon eine ganze Menge. Nur, wenn man Lockerungen gewährt, und ich habe ja in der Praxis auch damit zu tun gehabt, dann muss man immer schauen, wann man denn bei solchen Lockerungen ansetzt. Gibt man den Sicherungsverwahrten die Möglichkeit, sich in Freiheit zu erproben, wenn zu erwarten ist, dass sie wieder Straftaten begehen? Ich meine, das darf nicht passieren. Dort erst die Schwelle so hoch zu setzen, dass erst erhebliche Straftaten die Grenze sind, damit man dann keine Lockerungen mehr gibt, finde ich, das geht deutlich zu weit. (Beifall bei der CDU)
Es ist von Ihnen gesagt worden, Frau Peters-Rehwinkel, dies sei kein Opferschutzgesetz. Ich meine, wir müssen uns auch mit dem Opfer befassen. Wir können nicht immer nur danach schauen, was mit dem Täter ist, und alles um den Täter herum bereiten und das Opfer schaut in die Röhre. Das Opfer ist Opfer einer Straftat und hat einen Anspruch darauf, dass wir uns auch um das Opfer kümmern.
Nicht zuletzt sind in den letzten Jahren sehr viele Opferschutzvorschriften in die Strafprozessordnung aufgenommen worden, und auch auf der Ebene der EU gibt es entsprechende Richtlinien, die umgesetzt werden müssen. Ich finde, da müssen wir viel stärker ansetzen, nicht immer nur den Täter, sondern auch die Opfer sehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte an dieser Stelle nur noch einmal sagen, dass ich weit davon entfernt war, jemanden zu diskreditieren. Ich benutze selbstverständlich auch Wikipedia bei jeder Sache, die ich nicht genau weiß, und wollte eher Werbung für diese Form von digitalem Lexikon machen und empfehlen, dass sich viel mehr Menschen daran bedienen. Keinesfalls wollte ich irgendjemandem zu nahe treten. Sie wissen aber auch, dass ich hin und wieder eine Form von Humor habe, die ein bisschen darin besteht, sich gegenseitig zu necken, aber wie gesagt, von Diskreditierung ist das weit entfernt. Falls ich den Eindruck erweckt habe, ich habe damit jemanden diskreditieren wollen, bitte ich hier förmlich um Entschuldigung. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch einmal kurz zu dieser Opferschutzproblematik! Ich möchte auf keinen Fall, dass dies hier im Raum so stehen bleibt, als setze sich unsere Fraktion nicht für den Opferschutz ein und ich persönlich auch nicht.
Nein, das hat aber andere Gründe! Darüber haben wir auch schon lange gesprochen, und dabei bleiben wir dann auch.
Ich gehe einmal auf den Aspekt der Retraumatisierung ein. Sie haben gesagt, die Zahl der Unterbringungen geht in Bremen gegen null. Ich würde fast sagen, die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Begegnung geht gegen null, aber nach einer Mitteilung per Brief, in dem ich dann den Namen desjenigen lese, ist die Retraumatisierung hundertprozentig sicher. Ich glaube, die möchte ich nicht haben.
(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Es ist immer noch besser, als wenn Sie ihm ge- genüberstehen!)
Ich glaube, Sie kennen sich mit Opfern weniger aus als ich, das hat bestimmte Gründe. Ich persönlich würde ungern alle paar Wochen oder alle paar Monate einen Brief bekommen, in dem steht, dass Person X wieder in Freiheit ist. Außerdem ist dieser Mensch nicht unterwegs, sondern er wird begleitet, daher ist eine ganz andere Situation gegeben. Das ––––––– *) Vom Redner und von der Rednerin nicht überprüft.
Ich wollte hier vor der jetzt gerade den Raum verlassenden Öffentlichkeit und den anderen Zuhörern nicht im Raum stehen lassen, dass sich unsere Koalition nicht dem Opferschutz verpflichtet fühlt.