Zweitens: Die Gesetzesinitiative, mit der die Einführung des erweiterten Führungszeugnisses und die Verlängerung der Tilgungsfristen eingeführt worden ist, stammt aus den Häusern von Frau Dr. von der Leyen und Frau Zypries aus dem Jahr 2009. Während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens wurde nicht von einer einzigen Stimme aus der CDU kritisiert, dass die Tilgungsfristen länger gefasst werden müssten, im Gegenteil, in der Gesetzesbegründung heißt es:
„Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Einführung eines erweiterten Führungszeugnisses als zielgerichtete Maßnahme für alle kinder- und jugendnahen Tätigkeiten vor und etwa keine Erweiterung
des Straftatenkataloges für alle Führungszeugnisse, unabhängig von der in Blick genommenen Tätigkeit. So wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Straftätern zielgenau sichergestellt, und zugleich werden Belange der Eingliederung von Straftätern nicht aus den Augen verloren.“ So heißt es in der Gesetzesbegründung, und daran haben Ihre Kollegen in Berlin mitgewirkt, Herr Hinners.
Die Heraufsetzung der Tilgungsfristen auf zehn Jahre wurde von der Bundesregierung weiterhin wie folgt begründet: „Um einen umfassenden Schutz von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, wird die Zehnjahresfrist für erweiterte Führungszeugnisse ausgedehnt. Bei der Fristenregelung ist zu berücksichtigen, dass die Dauer der Freiheitsstrafe“ – das möchte ich noch einmal betonen, es darf nicht der Eindruck entstehen, dass nach den zehn Jahren die Frist abgelaufen ist! – „hinzugerechnet wird und die Frist nicht abläuft, solange beispielsweise eine Maßregel der Besserung und Sicherung noch nicht erledigt ist.“
Sie sehen, meine Damen und Herren, der Gesetzgeber hat bereits weitreichende Regelungen zum Schutz der Öffentlichkeit insbesondere durch die Einführung des erweiterten Führungszeugnisses und mit einer erheblichen Verlängerung der Tilgungsfristen eingeführt. Eine längere Fristenregelung verstößt nach Auffassung aller Beteiligten, auch der CDU, gegen die Verfassung, aber auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Deswegen ist Ihr Antrag abzulehnen, und das wurde im Rechtsausschuss mit allen Stimmen so gesehen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hinners, die Frage, die Sie aufgeworfen haben, ist ja nicht neu, das haben wir gerade gehört, und sie ist auch nicht hier in der Bürgerschaft zu entscheiden, sondern sie ist auf Bundesebene zu entscheiden.
Ich glaube, es ist vollkommen klar, dass es sich hier um Straftaten handelt, die schwerstes Gewicht haben, da gibt es überhaupt keine Diskussion, das haben hier auch alle so gesehen. Es geht darum, ob man Tilgungsfristen für diesen Bereich völlig streicht. Es besteht das Problem, dass eine Relation zu allen möglichen anderen Straftaten hergestellt werden muss. Es muss sich ein Gesamtgefüge ergeben, das ist eigentlich der zentrale Gesichtspunkt. Wenn wir das nicht machen würden, dann wäre es unverhältnismäßig, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine völlige Abschaffung würde genau an dieser Stelle auflaufen. Das ist der Punkt. Dieser Punkt ist gerade entschieden worden, das ist das zweite Argument. Ich glaube, es würde keinen Sinn machen, wenn wir jetzt mit einer Bundesratsinitiative kommen, die wieder in die gleiche Richtung geht.
In der Bewertung der Straftaten sind wir uns völlig einig. Ich habe mich intensiv dafür eingesetzt, dass zum Beispiel die Verjährungsfristen bei Sexualstraftaten verlängert werden. Gegen erheblichen Widerstand in der Justizministerkonferenz haben wir den Beginn der Verjährung auf das 21. Lebensjahr nach hinten verschoben, und da ist sehr differenziert argumentiert worden, es wurde sehr genau abgewogen.
Ähnlich ist es bei den Tilgungsfristen. Es ist zwar unangenehm, wenn man abwägen muss, es ist sehr unangenehm, wenn man angesichts solcher schweren Straftaten das in Relation zu etwas anderem setzen muss. Ich verstehe es, dass man dafür wenig Verständnis hat, aber es geht auch um die Relation zu solchen Straftaten wie vollendeter Totschlag. Wenn wir Ihrem Antrag folgen würden, dann würden exhibitionistische Straftaten länger im Führungszeugnis verzeichnet bleiben als ein vollendeter Totschlag.
Das alles sind sehr unangenehme Abwägungen, aber es muss sich ein Gesamtgefüge ergeben. Genau diese Abwägung hat der Bundesgesetzgeber angestellt und hat gesagt: Verlängerung ja, zehn Jahre! Das ist der Punkt, und ich glaube, das ist jetzt eine Regelung, die in Ordnung ist und die diese Abwägung auch vernünftig trifft.
Wir wehren uns nicht gegen Initiativen, aber sie müssen Sinn ergeben. Sie müssen vertretbar sein, sie müssen auch vorzutragen sein. Hier ist es eben so, dass wir dies in der Relation nicht vernünftig begründen können. Daher, glaube ich, ist diese Einschätzung, die hier gegen Ihren Antrag vorgetragen wurde, richtig. – Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/582 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht und Antrag des Rechtsausschusses, Drucksache 18/754, Kenntnis.
Energiezugang ist ein Grundrecht – Stromsperren gesetzlich untersagen – die Energiewende sozial gestalten
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Antrag eingebracht, mit dem wir fordern, dass der Energiezugang zu einem Grundrecht erhoben wird, Stromsperren gesetzlich untersagt werden und dass wir bei der Energiewende ein Augenmerk darauf richten, dass ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
im Zuge der Energiewende Menschen nicht sozial benachteiligt werden, die es nicht verdient haben. Dass durch steigende Energiepreise – unabhängig davon, dass sie nur sehr begrenzt auf die Energiewende zurückzuführen sind –, also durch steigende Strompreise, aber auch durch steigende Gaspreise, im Land Bremen Menschen von der Energieversorgung abgeschnitten werden, ist etwas, das man unseres Erachtens dringend ändern muss.
Im Jahr 2011 wurden nach unserer Information bei 4 857 Haushalten der Strom abgeschaltet. Bis Oktober 2012 gab es weitere 3 700 Fälle. Das bedeutet, heutzutage funktioniert nichts mehr, wenn der Strom abgeschaltet wird. Man kann sagen, dann können sie nicht mehr fernsehen, aber viele Menschen können schon deswegen nicht mehr kochen, weil auch ein Gasherd ohne Strom nicht funktioniert, und eine Heizung funktioniert auch nicht ohne Strom. Man ist dann praktisch von der Welt abgeschnitten und hat keine Möglichkeit, aus seiner Wohnung etwas zu machen, in der man gern ist. Man setzt sich sogar Gefahren aus, wenn man dann versucht, die Wohnung irgendwie zu heizen. Es ist in dem Zusammenhang zu Todesfällen gekommen, auch in Bremen, und wenn es noch eines Zeichens bedürfte, dass es hier Handlungsbedarf gibt, dann ist es dies. Es kann nicht sein, dass aufgrund von Stromsperren Menschen ums Leben kommen.
Es ist auch festgestellt worden, dass die Unterbrechung der Stromversorgung eine Notlage darstellt, die ähnlich ist wie die Wohnungslosigkeit. Das heißt, dass die Politik an dieser Stelle eingreifen muss, um zu verhindern, dass Strom abgeschaltet wird, dass Menschen in eine Situation ähnlich der Wohnungslosigkeit kommen und dass Menschen sich in eine Situation bringen, in der sie aus der Not heraus, da es draußen nämlich sehr kalt ist, versuchen, ihre Wohnung anderweitig zu heizen.
Wir wollen, dass eine Bundesratsinitiative ergriffen wird, die Stromsperren aufgrund von Zahlungsunfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern gesetzlich untersagt. Dies ist ein kleiner Unterschied, denn wenn Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen können, sie es aber aus irgendwelchen Gründen nicht wollen, ist ein Schutz in der Weise eher nicht gerechtfertigt, aber wenn sie tatsächlich zahlungsunfähig sind, dann haben sie unseres Erachtens ein Recht, dass zumindest die Grundversorgung mit Energie gewährleistet bleibt.
Wir wollen auch, dass es für Energiedienstleister eine Mitteilungspflicht an die Sozialbehörden gibt, soweit es im Rahmen des Datenschutzes möglich ist, und dass künftig Gespräche zum Beispiel mit der swb stattfinden, um lokal zu verhindern, dass Stromsperren durchgeführt werden. Wir brauchen natürlich auch
eine Regelung, dass die ALG-II-Regelsätze und die entsprechenden Zuweisungen des Bundes für das Land Bremen an die steigenden Energiepreise angepasst werden, denn sonst sind wir dagegen vergleichsweise machtlos.
Wir wollen auch, dass es eine Wiedereinführung der Strompreiskontrollen gibt. Es gab eine ganze Weile lang in der Bundesrepublik Agenturen, die festgestellt haben, ob die Energiepreise überhaupt gerechtfertigt sind, und ich sage noch einmal: Dies konnte damals und kann auch heute berechnet werden! Wenn wir eine solche Strompreiskontrolle haben, leisten wir einen Beitrag für eine Strompreisgerechtigkeit für viele, und unter anderem senken wir wahrscheinlich damit auch die Anzahl der Abschaltungen.
Wir haben diesbezüglich noch einen Änderungsantrag, die Neufassung des Punktes 3, eingebracht, dass die örtlichen Grundversorger Verabredungen treffen, die dazu führen, dass das Jobcenter von jeder bevorstehenden Stromabschaltung informiert wird, also die Idee, dass wir vorher wissen, dass Stromabschaltungen anstehen und man dann im Konkreten und nicht nur im Allgemeinen handeln kann.
Es liegt jetzt ein Antrag der Koalition vor, der viele der Ideen aufgreift, die wir mit diesem Antrag initiiert haben, dies ist im Ausschuss auch entsprechend verhandelt worden. Wir halten unseren Antrag vor allem aus einem Grund aufrecht: Wir wollen dieses Verbot oder dieses Abwenden von Stromsperren nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer, selbst wenn man dann davon ausgehen kann, dass die Anzahl derjenigen, die dabei erfrieren, eher kleiner ist. Die Tatsache, dass dies einer Situation der Wohnungslosigkeit ähnelt, ist im Sommer aber nahezu genauso schlimm wie im Winter, auch wenn es nicht so kalt ist. Deswegen halten wir unseren Antrag aufrecht, denn wir meinen, eine solche Regelung brauchen wir im ganzen Jahr und nicht nur im Winter. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!