Protocol of the Session on February 21, 2013

(Beifall bei der CDU)

schon gar nicht in der Form, wie es einige führende Vertreter der SPD und Grünen auf Bundesebene machen, den doppelmoralischen Zeigefinger heben und die eigene Regierungsverantwortung insbesondere ihrer Spitzenkandidaten versuchen auszublenden oder von mangelnden Prinzipien und Verantwortung sprechen. Die mangelnde Glaubwürdigkeit von RotGrün aus der Vergangenheit ihrer Regierungsverantwortung in diesem Zusammenhang wird nicht durch noch so viel Wirbel verschleiert werden können.

(Beifall bei der CDU)

Die Rolle des Senats – sie ist ja hier angesprochen worden – ist wie so oft: Schweigen, das inzwischen ja auch prominent aus den eigenen Reihen kritisiert worden ist. Pragmatisch und politisch müssten Sie unserer Auffassung nach Unterstützung signalisieren, das würde aber nicht Ihrem Selbstbild als möglichst gute Menschen entsprechen, also lautet die Lösung abtauchen. Ich finde, die Menschen, die Beschäftigten, das Unternehmen Lürssen haben ein Recht darauf zu wissen, wie der Senat zu diesem Geschäft steht.

(Beifall bei der CDU)

Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, und beziehen Sie hier eindeutig Stellung! Wir schlagen Ihnen als CDU-Fraktion deshalb mit einem, wie wir meinen, abgewogenen Antrag vor, dass die Bremische Bürgerschaft eine Unterstützung für die Lürssen Werft und ihre Mitarbeiter signalisiert, die Besonderheiten von Rüstungsexporten insbesondere in

dieser Region aber sehr wohl im Blick hat. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kottisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war 15 Jahre alt, als das Thema NATO-Doppelbeschluss in aller Munde war. Anfang der Achtzigerjahre herrschte das absolute Wettrüsten, ich kann mich gut entsinnen, der Warschauer Pakt hatte seine SS-20-Raketen, der Westen drohte mit den Pershing-II-Raketen. Auch ich habe Schilder getragen, auf denen „Frieden schaffen ohne Waffen“ stand, und ich hatte große Angst vor einem Atomkrieg. Ich kann mich daran heute noch entsinnen, und ich war sehr froh, als, insbesondere unter der Einflussnahme Michail Gorbatschows, dann die Entspannung stattfand und der Kalte Krieg beendet wurde. Sicherlich lässt sich die Zeit damals nicht mit der heutigen Zeit vergleichen, aber aus heutiger Sicht kann meines Erachtens festgestellt werden, dass damals nicht die Waffensysteme ursächlich für die drohende militärische Auseinandersetzung waren. Dazu möchte ich später aber noch mehr sagen.

Zunächst möchte ich hier noch einmal sehr deutlich die pazifistische Haltung der SPD, meiner Fraktion und auch meiner Person betonen. An dieser ändert sich auch dann nichts, wenn unsere Partei auf Bundesebene auf verfassungsrechtlicher Basis der Entsendung von Soldaten in Krisengebiete – im Moment sind es über 6 000, die im Ausland im Einsatz sind – oder dem Export von Rüstungsgütern zustimmt, solange dabei die gesetzlich verankerten Menschenrechtskriterien berücksichtigt werden. Selbstverständlich streben wir eine friedlichere Welt an, aber die Realität ist nun einmal nicht immer so friedlich, wie wir es uns wünschen. Der Nahe Osten ist ein prototypisches Beispiel dafür, wie Völker es, zumindest seit etlichen Dekaden, nicht hinbekommen, friedlich miteinander zu leben.

Solange wir eine verfassungsrechtlich legitimierte Bundeswehr haben, kann ich es mir auch nicht vorstellen, dass diese Bundeswehr mit Waffen ausgestattet wird, die außerhalb Deutschlands produziert werden. Frau Vogt, ich weiß nicht, ob Sie vielleicht Waffen aus dem Kongo oder aus Nordkorea importieren wollen, um diese gesetzlich legitimierte Bundeswehr auszustatten?

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Wir reden über Exporte!)

Insofern bedeutet das – und ich möchte versuchen, einen Argumentationsfaden aufzubauen, der vielleicht ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

auch nachvollziehbar ist – im Umkehrschluss auch, dass es eine deutsche Rüstungsindustrie geben muss, ob man sie nun mag oder nicht, ob man sie nun will oder nicht, aber solange wir diese Verfassung haben, wird es sie geben, und es wird sie auch geben, indem sie sich Absatzmärkte im Ausland sucht und international konkurriert, um mit ihren Produkten wettbewerbsfähig zu bleiben.

Über deren Abschaffung können wir gern diskutieren, das ist aber eine andere Diskussion, und das müssen wir dann sehr gründlich tun und dabei auch die Verflechtungen dieses Sektors genau analysieren. Betriebe der Rüstungsindustrie sind stark verflochten, haben Vorlieferanten im zivilen Bereich, die Produktion wird über Banken finanziert, der Export über Speditionen organisiert, Software und Computertechnik spielt in allen Bereichen eine Rolle, und auch die Bekleidungsindustrie produziert beispielsweise für das Militär. Ich möchte an dieser Stelle nur einmal darauf hinweisen, wie laut es vor Ort wird, wenn ein militärischer Stützpunkt, beispielsweise der US-Armee, geschlossen wird, und was dann in der Gemeinde passiert.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben es hier mit einem wirklich komplexen Thema zu tun, darum danke ich auch dem Kollegen Kastendiek für die ruhige Art, hier zu diskutieren, und ich bitte auch Sie, lassen Sie uns das sensibel und auch ehrlich diskutieren!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Insofern ist natürlich die Überschrift des Antrags der LINKEN „Keine Bremer Waffen für Saudi-Arabien“ schon ein wenig schwierig.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Nein!)

Ich gehe gleich darauf ein, warum ich das schwierig finde. Bereits in der Debatte um die Zivilklausel der Universität haben Sie durch die Aufzählung diverser militärischer Produkte, die rein gar nichts mit der bremischen Forschungslandschaft zu tun hatten – –.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Jetzt wird es lächerlich!)

Ich kann Ihnen den Antrag und die Rede zeigen!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Die ken- ne ich auch!)

Es waren Produkte, die weit entfernt von Bremen waren, sie hatten mit Bremen nichts zu tun, und damit haben Sie versucht, den Eindruck zu erwecken, dass der Technologietransfer hier in Bremen einen Fokus hätte, der da Rüstung lautet. Das ist nicht der Fall. Genauso fordern Sie jetzt „Keine Bremer Waffen für Saudi-Arabien“, und ich kann mich des Eindrucks

nicht erwehren, dass Sie mit dem Wort „Bremer“ hier den Eindruck erwecken wollen, dass das Parlament über Waffenlieferungen entscheiden könnte oder wir gar die Produktion in Auftrag geben. Das ist natürlich nicht der Fall.

Der Auftrag ist im Übrigen noch gar nicht erteilt, das muss man auch einmal festhalten. Es gibt hier eine Anfrage, und wenn der Auftrag dann erledigt wird, dann wissen wir aus heutiger Sicht auch noch gar nicht, ob die Waffen in Bremen oder in Wolgast oder woanders in Norddeutschland produziert werden, also bitte ich auch da um ein bisschen mehr Ehrlichkeit.

Dann sprechen Sie allgemein von Waffen, das ist ein weiter Begriff. Hier geht es, und das gehört auch zur Ehrlichkeit dazu, eben nicht um international geächtete Tretminen und Splitterbomben, sondern – ich will es nicht verniedlichen – um Patrouillenboote. In Ihrem Antrag steht dieses Wort nicht einmal, Sie reden von Waffen, aber darin steht nicht einmal das Wort Patrouillenboote. Ich finde, wenn man ehrlich mit einem Thema umgehen will, dann muss man auch die Fakten nennen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Dazu gehört, dass es hier um Patrouillenboote geht.

Sie schreiben, dass Rüstungsexporte die Grundlage für Krieg, Zerstörung und Tod bilden. Jetzt möchte ich auf meine Eingangsbemerkung zurückkommen und noch einmal betonen, dass es eben nicht Rüstungsgüter sind, die ursächlich für Kriege herhalten, sondern dass Kriege in aller Regel begründet sind über Ressourcenmangel, über imperialistisches Streben, über ideologisches Hegemoniestreben, über ethnische Konflikte, über Nationalismus, über religiösen Fanatismus, über Bevölkerungsexpansion und vieles mehr. In aller Regel lassen sich Kriege nur multikausal erklären, also durch die Kombination vieler dieser genannten Punkte, alles Phänomene, die übrigens seitens der Sozialdemokraten seit 150 Jahren kategorisch abgelehnt werden.

(Beifall bei der SPD)

Der Export von Rüstungsgütern jedenfalls verursacht zunächst einmal keine Kriege, und die, die es behaupten, beschäftigen sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mit den eigentlichen Ursachen.

Wir lehnen den Antrag der LINKEN deshalb ab. Auf den Antrag der CDU werde ich in meinem zweiten Beitrag eingehen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es lohnt sich, am Anfang doch noch einmal auf die Frage einzugehen, wohin diese Waffen exportiert werden sollen, nämlich nach SaudiArabien. Ich bin schon oft sehr erstaunt, welche Blüten eine vermeintliche geostrategische Realpolitik im Westen manchmal so treiben kann, zum Beispiel die Blüte, dass Saudi-Arabien ein fast befreundeter Staat der EU, der NATO, der Bundesrepublik Deutschland, der Vereinigten Staaten ist, obwohl er nach allen Kriterien, die man an diesen Staat anlegen müsste, und zwar außen- und innenpolitische, eigentlich zu denjenigen Staaten gehört, mit denen wir keinerlei freundschaftliche Beziehungen und schon gar keinen Handel mit Waffen betreiben sollten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Es handelt sich im Inneren um eine ganz klare Diktatur, in der alle Menschenrechte und jegliche demokratischen Rechte verweigert werden, in der die Scharia gilt. Dieser Satz hat mich im Antrag der CDU – ich werde später noch auf den Antrag eingehen – sehr verblüfft, dass angeblich Saudi-Arabien der Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus ist. Es gibt alle möglichen Hinweise – und nicht zuletzt kann ich das als Vorsitzender der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz im Lande Bremen sagen, ohne dass ich hier Einzelheiten aus diesen Berichten erwähnen darf –, das ist aber vollkommen klar, dass es auch zu uns hier in Bremen direkte Verbindungen hochrangiger Kreise aus Saudi-Arabien, auch des Regimes zu islamistischem Terrorismus und Extremismus gibt. Das steht meines Erachtens außer Zweifel, und viele gehen ja so weit zu sagen, dass die Entwicklung, die El Kaida in den letzten Jahrzehnten genommen hat, ohne Unterstützung und Finanzierung aus Saudi-Arabien gar nicht möglich wäre. Ich hätte schon gern von der CDU einmal ein Wort gehört, wenn ich an Ihre Beiträge zum Islam-Vertrag hier in Bremen zurückdenke und wovor Sie alles gewarnt haben. Sie haben hier vor Menschen in Bremen gewarnt, mit denen wir einen Vertrag im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag zum Islam schließen, aber Sie scheinen bei dem Land Saudi-Arabien alle diese Bedenken völlig hintanzustellen oder einfach auszublenden, womöglich aus sehr schlichten Interessensgründen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Der Arabische Frühling ist eine Entwicklung, die Saudi-Arabien extrem entgegenläuft. Man hat am ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Beispiel Bahrain – die Kollegin Frau Vogt hat das schon gesagt – gesehen, dass man alles getan hat, um zu versuchen, den Arabischen Frühling zu unterdrücken. Last, not least, es ist ein Land, das wohl in extremster Form die Rechte der Frauen – und da würde ich jetzt gern die Frauen in der CDU-Fraktion direkt ansprechen – mit Füßen tritt.

Lassen Sie mich ein Beispiel, das nicht ganz so bekannt ist wie das mit dem Autofahren, hier kurz erwähnen: Es ist einer erwachsenen, volljährigen Frau in Saudi-Arabien nicht erlaubt, das Land zu verlassen, ohne dass entweder ihr Ehemann oder ihr Vormund, also ihr Vater, ihr Bruder oder wer auch immer für zuständig erklärt wird, eine Einwilligung gibt. Das funktioniert heute im Zeitalter von Hightech so, dass, wenn eine saudi-arabische Frau an einen Flughafen, an einen Hafen oder an die Landesgrenze kommt, eine automatische SMS auf das Handy des Ehemannes oder des Vormunds geschickt wird – bei einer erwachsenen Frau! – und dann die Einwilligung erfolgen muss, dass die Frau das Land verlassen darf. Das ist Grenzsicherung à la Saudi-Arabien, und mit dieser Art von Grenzsicherung wollen wir Grünen nichts zu tun haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich glaube nicht, dass man, wenn man über dieses Geschäft mit Saudi-Arabien spricht, alle diese Dinge einfach beiseitelassen kann, wenn man sie bei anderen Ländern, auf die diese Dinge auch zutreffen würden, berechtigterweise anführt. Ich frage mich, woher diese Ungleichbehandlung kommt.

Wir haben natürlich die Argumentation, dass immer sogenannte geostrategische Gründe angeführt werden. Diese geostrategischen Gründe haben dazu geführt, dass der Westen die Mudschahedin gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan unterstützt und hochgerüstet hat mit dem Ergebnis, das wir in Afghanistan die letzten 20 Jahre bewundern können. Das hat dazu geführt, dass man in der Auseinandersetzung zwischen Irak und Iran einmal auf die eine und einmal auf die andere Seite gesetzt hat mit extremer Hochrüstung, was dazu geführt hat, dass sowohl mit dem Iran als auch mit dem Irak eigene militärische Auseinandersetzungen geführt werden mussten, wo einem die eigenen Waffen, die man vorher exportiert hat, wieder entgegengekommen sind.

Ich finde, dass man diese Dinge zumindest ansprechen muss

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

und dass wir hier in diesem Hause, wenn wir über dieses Thema reden, dann auch über diese Dinge reden müssen.

Ich werde in der zweiten Runde, weil wir in der ersten Runde ja nicht so viel Zeit haben, gern noch auf die beiden Anträge eingehen. – Ich bedanke mich zunächst einmal für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)