Die Gründe für diese Todesfälle sind Risikoschwangerschaften und die sich daraus ergebende Sterblichkeit bei Frühgeburten. Das sind die wesentlichen Gründe der Säuglingssterblichkeit, und deshalb muss man die Zahlen auch differenziert betrachten. Nur dann kann man die richtigen Schlüsse daraus ziehen.
Im Qualitätsbericht des Jahres 2011 ist unter dem Stichwort Frühgeburtlichkeit zu lesen: „Frühgeburtlichkeit (zum Teil unterhalb der 26. Schwangerschafts- woche), zumeist in Verbindung mit schweren Fehlbildungen, sowie ernste Grunderkrankungen begründeten die schweren Verläufe, sodass intensivmedizinische Maßnahmen leider frustran verliefen.“
Auf Initiative der Bremer Neonatologen wurde vor sechs Jahren eine Todesfallkonferenz eingerichtet, in der die Todesfälle von allen Kindern, die im ersten Lebensjahr in Bremer Kliniken versterben, einer Einzelfallanalyse unterzogen werden. Hier ist wieder die Hauptursache die Frühgeburtlichkeit. Diese Ergebnisse sind wichtig, um gezielte Maßnahmen mit anderen Berufsgruppen zusammen zu entwickeln und auch präventive Angebote auszurichten.
Ich habe mich über einen Satz in Ihrer Großen Anfrage sehr geärgert. Richtigerweise sagen Sie dort zuerst, dass die Senkung der Sterblichkeitsquote, die Vorsorgeuntersuchungen und die gezielte Aufklärung im Zusammenhang gesehen werden müssen, aber dann sagen Sie: „Leider werden diese Angebote in Bremen bisher häufig im Rahmen von aktionistischen Maßnahmen durchgeführt.“ Was meinen Sie damit? Sie beleidigen damit die Berufsgruppen, die Vorsorgeuntersuchungen für Frauen durchführen, und auch andere Institutionen! Wenn Sie uns hier vorwerfen, dass wir nicht genug machen, ist es das eine, aber diese Berufsgruppen gleichzeitig zu beleidigen, das finde ich unverschämt, das sage ich hier einmal!
Ich möchte noch zu Bremerhaven ein paar Anmerkungen machen: Ja, wir haben im Gesundheitsamt nur eine Familienhebamme, das ist richtig, aber sie arbeitet mit anderen Kollegen in einem interdisziplinären Team zusammen und macht auch aufsuchende Arbeit. Nach dem Bundeskinderschutzgesetz, mit dem „Frühe Hilfen“ auch dort Anwendung finden, sind das in der Summe 53 000 Euro, die da zu verteilen sind, zur Hälfte an das Ressort Soziales, zur anderen Hälfte an das Gesundheitsamt. Damit werden die Stundenzahlen der Kolleginnen und Kollegen aufgestockt, und es ist auch eine engere Zusammenarbeit mit der Kinderklinik in Bremerhaven geplant.
In Bremen ist beabsichtigt, dieses Geld auch weiter für die Verstetigung von „TippTapp“ auszugeben, das finde ich auch richtig, dieses Bündnis soll die natürliche Geburt fördern. Das begrüßen wir ausdrücklich, weil wir für die Fragen, die wir alle haben und die wir allein nicht beantworten können, auch die anderen Berufsgruppen brauchen, um diese Fragen zu beantworten und auch Gegensteuerungsmaßnahmen durchzuführen, damit zum Beispiel Vorsorgeuntersuchungen besser wahrgenommen werden.
Des Weiteren, warum werden Hebammenleistungen und in diesem Zusammenhang auch besonders in Bremerhaven Leistungen nach dem SGB V nicht ausreichend wahrgenommen? So zeigt es jedenfalls IGES-Studie, die durchgeführt wurde. Ich denke, für eine wirksame Prävention brauchen wir diese Berufsgruppen. Wir können das nur im Zusammenspiel mit ihnen machen, und daher habe ich große Hoffnung, dass wir diese Fragen dort auch beantworten können. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst der CDU für diese Große Anfrage danken. Ich glaube, es ist wichtig, dass dieser Gesichtspunkt des sozialen Umfelds auch noch einmal unter besondere Beobachtung gerät. Die Zahlen der Säuglingssterblichkeit zeigen auch, dass wir in Bremen damit ein Problem haben.
Interessant und auch sehr gut daran finde ich, dass in der Beantwortung dieser Großen Anfrage durch den Senat auch unumwunden zugegeben wird – was Sie manchmal ja schon in der Debatte bestritten haben, ich zitiere –: „Darüber hinaus bestehen zahlreiche weitreichende und nachgewiesene Zusammenhänge zwischen Einkommen, sozialen Verhältnissen und gesundheitlichen Problemen. Hiervon ist auch die Säuglingssterblichkeit betroffen.“ Das ist immer schon eine Position der LINKEN gewesen, und ich finde es gut, dass der Senat das an der Stelle auch einmal so verdeutlicht. Wenn man das so deutlich sagt, dann finde ich – das wurde ja von meinen Vorrednerinnen schon gesagt, es gibt die verschiedensten Projekte, Hilfestrukturen –, muss eigentlich auch allen klar sein, dass es hier noch weitere Verbesserungen geben muss.
Das beste Beispiel ist der Einsatz von Familienhebammen, bei dem wir doch eigentlich alle der Überzeugung sind, dass das eine ausgesprochen gute Maßnahme ist, dass es eigentlich auch eine der zukünftigen Maßnahmen sein könnte. Die personelle Ausstattung in dem Bereich ist dann natürlich ein Problem, da könnte man sicherlich mehr machen.
Lassen Sie mich eines sagen: In der gestrigen Bürgerschaftsdebatte zur Armutsgefährdung haben wir im Grunde genommen doch konstatiert, dass es in Bremen eine sehr hohe Armutsgefährdungsquote gibt. Wir sind eigentlich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bildung in Bremen wiederum von der sozialen Herkunft abhängt. Wir müssen feststellen, dass ganze Straßenzüge oder auch sogar Stadtteile überschuldet sind, dass es in Bremen eine große Kinderarmut gibt, und jetzt stellen wir fest, dass die Säuglingssterblichkeit in Bremen aus sozialen Gründen auch noch besonders hoch ist. Da würde ich einfach sagen – wie gestern auch schon aufgezeigt wurde –, eigentlich zeigt sich hier doch ein totales Versagen der Sozialpolitik der jetzt regierenden Koalition. – Danke!
(Beifall bei den LINKEN – Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grünen]: Seien Sie doch ein- mal in der Lage, das differenzierter zu be- trachten!)
Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf zwei Punkte eingehen. Frau Hoch, hätten Sie mir in meinem ersten Redebeitrag zugehört – –.
(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich habe sehr genau zugehört! – Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist eine gemeine Unterstel- lung!)
Man hat gemerkt, dass Sie es nicht getan haben, denn sonst hätten Sie bemerkt, dass ich genau diesen Satz ausführlich erklärt habe. Ich will es aber gern noch einmal für Sie tun. Ich habe deutlich gesagt, dass wir einen bunten Blumenstrauß an verschiedenen Aktivitäten –
doch, im positiven Sinne – und verschiedenen Initiativen haben, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Was uns fehlt, ist der verbindende rote Faden, und dafür ist Politik zuständig, dafür sind Sie zuständig, weil Sie derzeit die Regierungsverantwortung tragen. Sie sagen selbst, Ihr eigenes Fachressort sagt – in der Anlage vier, ich glaube, es war Frau Schoppe aus der Sozialbehörde, ich kann es gern einmal nachschauen, wer es war –, ich zitiere wörtlich: „Das Netzwerk ‚Frühe Hilfen‘ räumt ein, dass eine altersspezifische Jugendhilfe- und Gesundheitsplanung als geschlossenes Fachkonzept ‚Frühe Hilfen‘ bis heute konzeptionell nicht vorliegt.“
Was heißt das denn im Klartext? Ich will es für Sie übersetzen, weil Sie ja an der Stelle gern einmal die Ohren geschlossen haben. Das heißt, Soziales und Gesundheit mögen sich bitte einmal miteinander an einen Tisch setzen, das Ganze abstimmen und einen verbindenden roten Faden auf den Weg bringen.
Das haben wir angeprangert. Wir haben nicht angeprangert, dass die einzelnen Initiativen, die hier wirklich gute Arbeit leisten, auf einmal schlechte Arbeit machen, wie Sie es uns eben gerade versucht haben zu unterstellen. Das ist falsch!
Ich will Ihnen noch etwas sagen. Sie haben ja jetzt so schön alle Deputationsvorlagen in das Netz gestellt. Ich habe also eben noch einmal ganz schnell nach „TippTapp“ geschaut. „TippTapp“ haben wir damals für einen kleinen Teil der betroffenen Personen ein––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
geführt, das sind 15 Prozent. Ich habe mir daraufhin – ich habe es leider vorher nicht gehabt – auch noch einmal angeschaut, was wir damals im Jahr 2007 in der entsprechenden Deputationsvorlage zu den Familienhebammen aufgeschrieben bekommen haben.
Familienhebammen – nur zur Erläuterung für Sie alle – betreuen ausschließlich extrem schwierige Familienlagen. „Sie sind derzeit“, im Jahr 2007, „mit 5,5 Vollzeitkräften“ – ich zitiere aus der Vorlage – „maximal in der Lage, 180 bis 200 Geburten an der untersten Grenze der verantwortbaren Besuchshäufigkeit zu betreuen, und sind selten in der Lage, die öffentlich geforderten zwei Hausbesuche pro Woche tatsächlich durchzuführen.“ Das stand in der damaligen Vorlage. Ich glaube, das ist an Deutlichkeit kaum noch zu überbieten.
Was heißt das im Klartext? Wir haben viel zu wenig für eine Klientel – Sie haben es so schön genannt, Herr Brumma –, die sozial Benachteiligten in den Hochhäusern am Stadtrand. Das ist zwar schon fast stigmatisierend, insofern greife ich jetzt nur Ihr Bild an dieser Stelle auf, damit es hier für alle Damen und Herren tatsächlich deutlich wird, das zeigt aber, dass wir da zu wenig Personal haben. Wissen Sie, wie viel wir jetzt derzeit haben? In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN steht es, es sind 5,69 Vollzeitkräfte, damals 5,5 Vollzeitkräfte. Wir schaffen es nicht, wir schaffen nicht einmal die von der Politik geforderte Vorgabe. Heute 5,69 Vollzeitkräfte, und jetzt machen Sie sich einmal Gedanken, wie wir das steigern können! – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin ein bisschen traurig, dass es solch einen schrillen Ton bei dieser Diskussion gibt.
Wir stehen vor einem ernsten Problem, das gebe ich gern zu, aber im Grunde genommen führen viele Ansätze, die Sie eben gebracht haben, an dem Thema Säuglingssterblichkeit deutlich vorbei. Es ist keine erhöhte Säuglingssterblichkeit zu vermindern, indem alle Kinder gestillt werden, indem Frühförderprogramme oder Ähnliches ausgebaut werden. Wir sind, um das einmal klar zu sagen, bei der Säuglingssterblichkeit bei dem Problem der Frühgeburtlichkeit. Da, wo Kinder zu früh geboren werden, ist das Risiko zu sterben auch hier in Bremen am höchsten.
Es gibt riesige Großstädte auf der ganzen Welt. In allen diesen Großstädten gibt es leider soziale Ballungszentren, und in diesen Ballungszentren kommt es zu extrem hohen Säuglingssterblichkeiten. Ein Bei
spiel aus Harlem, Manhattan. Dort gibt es eigentlich eine sehr fortschrittliche medizinische Versorgung mit einer Universität und Ähnlichem. In Harlem beträgt die Säuglingssterblichkeit 22,4 Prozent, das heißt also, da gibt es einen Stadtteil in einer riesigen Stadt, wo es eben extrem hohe Frühgeburtlichkeitsraten gibt, und diese Frühgeburtlichkeitsraten lassen sich natürlich auf alle möglichen Probleme in diesen sozialen Ballungszentren zurückführen, nämlich auf Alkohol, Drogen und Tabak und ähnliche Problematiken.
Daher ist es ganz wichtig, zunächst einmal zu sagen, es geht hier nicht um Programme nach der Geburt, das ist zwar auch ganz wichtig, sondern es geht bei der Säuglingssterblichkeit um Programme, die vor der Geburt und unter der Geburt laufen müssen.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Danke schön!)
Der zweite wichtige Punkt, den wir hier noch einmal kurz besprechen wollen, ich ärgere mich so ein bisschen über den Zungenschlag, dass da mehr getan werden müsste. Ich denke, es wird enorm viel getan. Ich bin der Meinung, dass gerade die Menschen, die sich um die Frühgeburtlichkeit herum sammeln, das heißt also die Menschen, die Prävention betreiben, die Ärzte, die Prävention betreiben, und alle medizinisch Tätigen in Krankenhäusern einen enormen Aufwand leisten und eine außerordentliche Zeit aufwenden, um Frühgeborene und Säuglinge am Leben zu erhalten.
Es kommt hier so ein leichter Zungenschlag, und das muss ich noch einmal sagen, herüber, dass da irgendwie zu wenig getan wird. Es geht nicht um Programme nach der Geburt, sondern eben vor der Geburt, und wenn ein Kind geboren wird und extrem unreif ist, dann muss man damit leben können, dass ganz unreife Kinder auch sterben. Das ist in der Gesellschaft nicht so richtig präsent. Man darf als Frühchen nicht sterben. Es ist gerade in der Diskussion auch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gewesen, dass auch der natürliche Tod bei Frühgeborenen eintritt und man nicht an irgendwelchen anderen Sachen stirbt, zum Beispiel an Keimen, sondern die Masse der Todesfälle auf Frühchenstationen basiert auf einem natürlichen Tod wegen der Unreife der Organe.
Ich bin also der Meinung, wir sollten feststellen, es wird hier in den Bremer Krankenhäusern hochprofessionell gearbeitet, und diese hochprofessionelle Arbeit hat nichts mit der Höhe der Säuglingssterblichkeit zu tun. Wenn wir Bremen als ein kleines Bundesland mit großen Flächenländern vergleichen, wie Sie das mit Sachsen oder Thüringen getan haben, ist
das wenig hilfreich. Wir müssen Städte mit ähnlichen Sozialstrukturen und Ähnliches vergleichen, und dann kommen wir unglücklicherweise auf ähnlich hohe Säuglingssterblichkeitsraten. Die Hauptursache ist die Frühgeburtlichkeit.
Der wichtige letzte Satz, den ich jetzt sagen möchte, ist, wir brauchen sicher weitere Bemühungen in die Präventionsleistungen hinein, das ist völlig unbestritten, aber wir müssen auch darangehen, die sozialen Brennpunkte langsam aufzulösen und einzudämmen, denn hier ist die Quelle des gesamten Elends der Frühgeburtlichkeit.