Protocol of the Session on January 23, 2013

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hamann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen und in erster Linie natürlich liebe Teilnehmende des Projekts „Jugend im Parlament!“ Das Projekt Jugend im Parlament fand im Jahr 2012 zum siebten Mal, vom 8. bis zum 13. Oktober, statt. An dieser Veranstaltung haben in diesem Jahr 96 Jugendliche aus Bremen und Bremerhaven teilgenommen, und zwar im Alter zwischen 14 und 18 Jahre, und die Jugendlichen kamen von 26 Schulen aus Bremen und Bremerhaven. Einige von ihnen sind heute hier. Ich begrüße Sie noch einmal ausdrücklich, freue mich, dass Sie die Zeit gefunden haben und hoffe, dass Sie keinen Unterricht schwänzen mussten, um heute hier bei uns zu sein!

(Beifall)

Es ist das zweite Mal, dass das Konzept umgestellt worden ist. Nach der ehemaligen Verfahrensordnung war es so, dass die Resolutionen in den Deputationen besprochen worden sind. Dieses Mal war es anders, es wurde über Themen abgestimmt. Es gab vier Themenblöcke, die ich kurz nennen möchte: erstes Thema, „Abi-Stress in zwölf Jahren/Einheitsabitur, welche Chancen haben Bremer Schülerinnen und Schüler?“; zweites Thema, „Inklusion, ja wie denn, ohne ausreichend viele Lehrkräfte?“; drittes Thema, „Arme Kinder bringen es nicht! Warum ist deren Erfolg gerade in Bremen und Bremerhaven so schwierig?“; und das vierte Thema, „Verschuldung bei Jugendlichen, Mobilkosten und Wettschulden, wer schützt uns?“.

Im Rahmen der Beratungen sind einige Resolutionen verabschiedet worden. Ich möchte auf einige eingehen, bei anderen befinden wir uns noch im Beratungsprozess. Ich möchte mit dem Thema „Verschul

dung von Jugendlichen durch Mobilfunk“ anfangen. Die Resolution enthält eine Forderung, die ich sehr spannend finde. Die Idee ist, dass Mobilfunkunternehmen 0,9 Prozent ihres Umsatzes ausgeben sollen, um Jugendliche darüber aufzuklären, welche Schulden auf sie durch die Mobilfunknutzung zukommen können. Ich habe mir die Frage gestellt, die aber nicht beantwortet worden ist: Wie kommt man auf 0,9 Prozent, warum nicht 1 Prozent oder 0,5 Prozent? Welche Bedeutung haben die 0,9 Prozent? Die Frage wird unbeantwortet bleiben.

Es wurde weiterhin gefordert, das Thema Verschuldung offensiv im Unterricht zu diskutieren. Hierzu fand eine interessante Diskussion statt, ich war als Parlamentarier als Gast geladen. Die einen sagten, man bräuchte dazu spezielle Fachlehrer, andere sagten, nein, das könne in den normalen Unterricht integriert werden. Andere sagten, manche Lehrer wüssten das nicht, andere sagten, die müssten sich dann eben vorbereiten. Wir finden das insgesamt hochgradig spannend und diskutieren gerade, auf welche Weise Aufklärungsmaßnahmen durchführbar sein können. In anderen Bereichen wird das ja schon gemacht, ich denke beispielsweise an Spielhallen.

Meine Kollegin Frau Ryglewski hat mich aber noch auf einen anderen Punkt hingewiesen, der zurzeit bei dem Thema Verschuldung von Jugendlichen sehr viel deutlicher zum Tragen kommt, nämlich die EC-Karten-Problematik. Wenn man als Jugendlicher eine ECKarte auf Guthabenbasis bekommt, kann man mit dieser EC-Karte trotzdem am Lastschriftverfahren teilnehmen, auch wenn das Konto nicht gedeckt ist. Das wird dann teilweise nicht sofort online abgeprüft. Das führt natürlich im Nachhinein zu vielen Schritten und zu Ärger, weil das Konto dann eben doch nicht gedeckt gewesen ist. Das ist ein Problem, das gerade aktuell ist.

Ein weiterer aktueller Bereich beim Thema Verschuldung sind die sogenannten Abo-Fallen, die dadurch aktiviert werden, dass man im Internet auf irgendwelche Dinge klickt. Es wird auch intensiv auf Bundesebene diskutiert, dass Abmahngebühren zum Beispiel begrenzt werden. Diese Diskussion ist zurzeit aber noch nicht beendet. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion teilt die Forderung, Abmahngebühren zu begrenzen. (Beifall bei der SPD)

Ich möchte auf die Inklusion eingehen. Dieses Thema hat viele Facetten, und wir in Bremen haben uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Die Standards, die festgeschrieben sind, müssen umgesetzt werden, das ist an dieser Stelle vollkommen klar. Es gibt einige Probleme, die auch in den Resolutionen ordentlich beschrieben worden sind. Das Thema Bau ist etwas völlig Einfaches an dieser Stelle. Wenn man die Inklusion einführen möchte, dann ist es schwierig, von heute auf morgen alle Schulgebäude umzubauen, da wir mehrere Hunderte in dieser Stadt und natürlich auch

in Bremerhaven haben. Das ist ein langwieriger Prozess, aber wir arbeiten daran.

Die zweite Problematik, die angesprochen worden ist, ist das Problem, ich nenne es einmal der „alten Lehrer“. Damit ist gemeint, dass die Lehrer, die aktiv unterrichten, vielleicht noch Beratungsbedarf haben und weiter ausgebildet werden müssten. Es wird gefordert, dass man einen Inklusionsstudiengang schafft. Diesen Studiengang gibt es, wir haben in Bremen den Masterstudiengang Inklusionspädagogik, das heißt, die Studierenden, die jetzt ausgebildet werden, haben dann irgendwann diese Qualifikation. Das ist ein Prozess, der noch einige Jahre dauern wird. Das ist ein ambitioniertes Projekt. Auch im Bereich der Finanzierung, das hat der Bürgermeister erklärt, wird noch „eine Schippe draufgelegt“, und wir als Sozialdemokraten stehen vollkommen dahinter.

(Beifall bei der SPD)

Problemkreis „Arme Kinder bringen es nicht!“. Es wurde gefordert, Teile des Kindergeldes auf Gutscheine umzustellen. Mit diesen Gutscheinen kann man dann einkaufen. Wir als Sozialdemokraten sagen: Nein, das geht so nicht! Wir können nicht in die Familien hineinregieren und den Familien vorschreiben, wofür sie das Geld auszugeben haben. Das lehnen wir an dieser Stelle ab. Es muss also so sein, dass die Institutionen vernünftig finanziert werden, und das ist das, was wir wollen.

Eine weiteres Thema, das auch in diesem Bereich diskutiert worden ist, fand ich auch sehr ambitioniert und spannend: Wenn eine Lehrerin oder ein Lehrer merkt, dass ein Schüler Probleme in der Schule hat, und der Schüler irgendwo in einem Sportverein aktiv ist, dann war die Idee, man möge sich bitte mit dem Sportverein oder mit der Trainerin oder dem Trainer in Verbindung setzen und die Problematik thematisieren. Als jemand, der für das Thema Datenschutz verantwortlich ist, habe ich damit natürlich Schwierigkeiten, so einfach geht es nicht. Die Schule kann nicht verpflichtet werden, mit bestimmten Sportvereinen Kontakt aufzunehmen. Das geht nicht.

Als Schüler hätte ich damit auch Schwierigkeiten. Wenn ich zum Beispiel Schwierigkeiten im Fach Mathematik habe, und ich komme dann in meinen Sportverein, in dem ich im Fußball sehr gut bin, dann möchte ich dort nicht im Nachhinein vom Trainer angesprochen werden: Deine Elfmeter hast du heute gut geschossen, aber die binomischen Formeln musst du noch einmal üben! Das ist ein bisschen schwierig, und deshalb können als Sozialdemokraten das nicht mittragen. Das waren einige Beispiele.

Für uns als rot-grüne Koalition ist die Jugendbeteiligung ganz wichtig. Ich möchte das an einigen Beispielen noch einmal herausarbeiten.

Beispiel eins: Wahlrecht! Wir haben das Wahlalter, um an den Wahlen der Beiräte teilnehmen zu können, im Oktober 2006 auf 16 Jahre gesenkt. Wir haben das Wahlrecht für den Landtag im November 2009 auf 16 Jahre gesenkt, und zwar als erstes Bundesland. Dazu gab es viele Diskussionen. Ich sage für die SPD, das ist der richtige Weg, um Jugendliche zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gibt auch seit Kurzem für Erwachsene, aber natürlich auch für Jugendliche die Möglichkeit, die Sitzungen der Deputationen zu besuchen. Sämtliche Deputationen und Ausschüsse, die früher nicht öffentlich getagt haben, tagen jetzt öffentlich. Das ist auch eine Möglichkeit der Beteiligung, obwohl man ja nur Zuschauer ist.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Da ich bis zu dreimal bis zu fünf Minuten Redezeit habe, melde ich mich gleich noch einmal, um auf ein paar weitere Ideen zu sprechen zu kommen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Neddermann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer von „Jugend im Parlament“! Im Oktober letzten Jahres saßen hier im Plenarsaal eine Woche lang 100 Jugendliche, die im Rahmen des Projektes „Jugend im Parlament“ verschiedene Themen debattiert haben. Es wurde viel diskutiert, und die Jugendlichen habe sich intensiv mit den verschiedenen Themenkomplexen auseinandergesetzt. Dafür möchte ich den Jugendlichen erst einmal ein ganz großes Lob aussprechen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich war selbst als Zuhörerin ein paar Mal im Plenarsaal und habe mir die Diskussionen angehört. Die Jugendlichen waren mit viel Engagement und Spaß dabei, und das war für mich wirklich sehr beeindruckend. Zudem kann man anhand der Resolutionen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verabschiedet haben, sehen, dass das auch politisch und inhaltlich eine Menge bedeutet. So ging es zum Beispiel um die Verschuldung Jugendlicher, um Kinderarmut, um Inklusion und um das Abitur in zwölf Jahren. Die Resolutionen zeigen, dass es sich für uns lohnt zuzuhören und Politik nicht nur für Jugendliche, sondern vor allen Dingen auch mit Jugendlichen zusammen zu machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Im Folgenden möchte ich auf die einzelnen Resolutionen eingehen. Die Ansätze zur Verhinderung von Verschuldung Jugendlicher waren für uns sehr interessant und anregend. Jugendliche werden als Konsumentinnen und Konsumenten auf dem Markt zunehmend zur Zielgruppe der Werbung. Darauf sind sie oft nicht ausreichend vorbereitet. Damit junge Menschen mündige Verbraucherinnen und Verbraucher sein können, sind unterschiedliche Kompetenzen notwendig: Konsum-, Medien- und Finanzkompetenz!

Ein zentraler Ort für die Vermittlung ist die Schule. Anstatt neue Fächer einzuführen, wollen wir, dass im Schulunterricht stärker als bisher ein konkreter Bezug zur Lebenswirklichkeit Jugendlicher gesucht wird. Ein neuer fächerübergreifender Bildungsplan Medienbildung ist daher zurzeit in Arbeit. Die Idee der Jugendlichen, zum Beispiel spezielle Kinder- und Jugendtarife für Mobilfunkverträge mit kürzeren Laufzeiten einzuführen, klingt gut. Die Frage, inwiefern Telekommunikationsanbieter hierzu gesetzlich verpflichtet werden können, sollten wir zumindest prüfen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Zum Thema „Arme Kinder bringen es nicht!“ gab es verschiedene Punkte, über die Anrechnung von Nebenjobs, Bildungsgutscheinen und die Zusammenarbeit zwischen Sportverein und Schule. Leider ist in Deutschland der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg besonders stark ausgeprägt. Eine Aufgabe des Bildungssystems ist es daher, Benachteiligungen möglichst früh auszugleichen. Für uns Grüne kommt es auf den Anfang an. Schon in der frühkindlichen Entwicklung wird der Grundstein für einen späteren Bildungserfolg gelegt. Darum setzen wir uns für gute Betreuung, Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten ein. Der Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren soll die sozialen Brennpunkte besonders berücksichtigen, damit möglichst alle Kinder schon bei der Einschulung die gleichen Startbedingungen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Zu der Gleichbehandlung bei Nebenjobs! Die Idee des Ansparens für die Ausbildung der Jugendlichen, die in Familien leben, die Arbeitslosengeld II bekommen, ist auf den ersten Blick wirklich sehr gut, aber nach genauerer Überprüfung stellt sich das als sehr kompliziert heraus. Es wäre ein zu hoher bürokratischer Aufwand, da überprüft werden müsste, ob die Jugendlichen das angesparte Geld wirklich für ihre Ausbildung ausgeben.

Zu den Bildungsgutscheinen! Die Jugendlichen befürchten, dass bei finanziell schwachen Familien ein zu geringer Teil des Kindergeldes bei den Kindern ankommt. Klar ist, dass der Staat häufig nicht kontrollieren kann, wofür Familien das Geld wirklich ausgeben. Wir gehen aber davon aus, dass alle Familien das Beste für ihre Kinder wollen. Ein Gutscheinsystem lehnen wir daher ab, weil es nicht nur schwer umsetzbar wäre, sondern die Eltern auch unter Generalverdacht stellt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Einen Ansatz, um Kindern aus einkommensschwachen Familien zu mehr Bildungsteilhabe zu verhelfen, bietet das Bildungs- und Teilhabepaket. Es muss aber viel unbürokratischer ausgestaltet werden, damit die Leistungen auch tatsächlich bei den Kindern ankommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Zu dem Punkt Zusammenarbeit zwischen Sportvereinen und der Schule! Eine gute Kooperation zwischen schulischen und außerschulischen Angeboten ist wichtig. Manchmal wollen Jugendliche ihre Schulprobleme aber lieber nicht mit in den Freizeitbereich nehmen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen und im Rahmen der informationellen Selbstbestimmung sollen Schülerinnen und Schüler unserer Meinung nach selbst entscheiden, mit wem sie ihre Probleme teilen und mit wem eher nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Thema Inklusion gab es vonseiten der Jugendlichen Forderungen nach mehr Fortbildung für Lehrkräfte, Inklusivpädagogik als Pflichtfach in Lehramtsstudiengängen und mehr Akzeptanz in der Gesellschaft. Als Grüne finden wir es wichtig, dass die Lehrkräfte verstärkt fortgebildet werden, das ist zentral für das Gelingen der Inklusion. Wenn man es ernst meint zu sagen, alle sind willkommen, sind bei der Umsetzung auch entsprechende Qualifikationen notwendig, damit ein guter Unterricht gelingt. Akzeptanz erlangt man vor allem durch das Machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Erfreulicherweise gibt es in der Gesellschaft eine große Akzeptanz für die Inklusion, und auch die Anwahlen zeigen, dass die meisten Eltern mit behinderten Kindern sich für die inklusive Beschulung und gegen die Beschulung in einem Förderzentrum entscheiden. Die Inklusion muss aus Sicht der Grünen grundsätzlich ein elementarer Bestandteil der Ausbildung

sein. Hierfür müssen auch verpflichtende Anteile im Rahmen des Studiums enthalten sein.

Zu dem Thema „Abitur in zwölf Jahren“ konnte bedauerlicherweise keine Resolution verabschiedet werden. Ich finde, daran sieht man auch, wie schwierig es ist, in diesem Themenbereich einen Konsens zu finden.

„Jugend im Parlament“ ist ein ganz tolles Projekt, das Jugendlichen Politik und politische Prozesse praktisch näherbringt. Das neue Format, im Rahmen dessen die Abgeordneten und auch die Vertreterinnen und Vertreter des Senats direkt nach der Woche mit den Schülerinnen und Schülern hier in der Bürgerschaft diskutierten, finde ich sehr gut. Gern hätten wir Abgeordnete uns insgesamt auch noch weiter und mehr eingebracht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

An dieser Stelle möchte ich mich bei Frau Dr. Eckhardt für die Organisation und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bürgerschaft für ihren Einsatz ganz herzlich bedanken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Schließlich geht es vor allem darum, junge Menschen kontinuierlich zu beteiligen, nicht nur mit diesem besonderen Projekt, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Die Politik muss die Jugend einbeziehen. Das Projekt „Jugend im Parlament“ hat gezeigt, dass die Jugend nicht nur mitreden will, sondern auch kann. – Herzlichen Dank!