Der größte Teil der Einrichtungen reagiert auf akute Situationen und vermittelt weiter, während die längerfristige psychosoziale Begleitung und Beratung eben die Angelegenheit der Fachstellen ist. Der Bericht beschreibt nach wie vor die Notwendigkeit einer ersten Anlaufstelle. Leider ist die Telefonhotline des Bundes, die uns ja bereits im letzten Jahr in Aussicht gestellt wurde, immer noch nicht freigeschaltet, ich habe es ausprobiert. Jetzt wird man auf März verwiesen, schauen wir einmal, wann sie dann tatsächlich erreichbar sein wird.
Außerdem zeigt der Bericht auf, dass es bei den Einrichtungen eine hohe Sensibilität gegenüber dem Thema häusliche Gewalt gibt. Es fehlen allerdings insbesondere Angebote für Migrantinnen, darüber haben wir hier im Hause bereits einige Male gesprochen. Das bezieht sich einerseits auf Dolmetscherdienste, damit die Sprache, in der beraten wird, tatsächlich dann auch die Heimatsprache sein kann, es bezieht sich aber auch auf die zur Verfügung stehende Zeit, weil ich glaube, allen ist klar, wenn es mit der Sprache nicht ganz so glatt läuft, dann ist mehr Zeit notwendig.
Darüber hinaus gibt es aber auch einen Bedarf für behinderte Frauen und Mädchen. Untersuchungen aktuellerer Art zeigen sehr deutlich, das insbesondere Frauen und Mädchen, die hör- oder sehbehindert sind, aber auch diejenigen, die geistig behindert sind, deutlich stärker unter Gewalt leiden, als es bei anderen Frauen der Fall ist. Es fehlt eine Unterbringung in entsprechenden Wohnformen, beziehungsweise es fehlen Schutzräume für Frauen mitgeistiger Behinderung.
Dank der Aufstockung der Mittel, Frau Hoch hat es ausgeführt, sowohl für Notruf als auch für Schattenriss und Neue Wege, konnten Wartelisten abgebaut werden, allerdings steigt die Anzahl der Frauen, die Unterstützung brauchen. Das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass mehr Frauen Gewalt erleiden, aber je mehr wir in die Öffentlichkeit bringen, dass es hier Unterstützungsangebote gibt, desto mehr werden diese natürlich auch nachgefragt. Das heißt, wir stehen in der Verpflichtung, in den nächsten Haushaltsberatungen dafür zu sorgen, dass diesen Frauen dort auch entsprechende Angebote gemacht werden, die sie nutzen können, damit es nicht wieder dazu kommt, dass sich Wartezeiten aufstauen.
Allgemeine Beratungsstellen haben zwar ständig mit Opfern von häuslicher Gewalt zu tun, beklagen aber nach diesem Bericht, dass die notwendige Ausund Vorbildung ihrer Beraterinnen häufig nicht gegeben ist und entsprechende Qualifikationen nach wie vor unzureichend ausgeprägt sind. Dort – da sind wir einer Meinung – muss nachgeholfen werden. Selbstverständlich muss es einerseits in den Curri
cula der entsprechenden Fachberufe verankert werden, andererseits müssen aber auch denjenigen, die bereits im Dienst sind, in diesem Themenkomplex entsprechende Fortbildungen angeboten werden.
Bei den Frauenhäusern ist die Versorgungsquote in Bremen bundesweit am besten, allerdings sind die Finanzierungsprobleme insbesondere für Kurzaufenthalte oder bestimmte Personengruppen – Frau Hoch hat eben darauf abgehoben, bei Studentinnen, Auszubildenden, aber auch EU-Ausländerinnen beziehungsweise Frauen ohne Ausbildungserlaubnis – nach wie vor vorhanden, die Finanzierung wird nicht vorgenommen. Hier ist ein freier Zugang für alle Frauen in die Frauenhäuser eine Forderung, die wir, denke ich, absolut stellen und erheben müssen, die aber auch auf Bundesebene entsprechend dadurch umgesetzt werden muss, dass eine Sockelfinanzierung durch den Bund stattfindet. Das System, das wir zurzeit haben, dass die Finanzierung die Bundesländer in eigener Regie eigenständig lösen, ist aus meiner Sicht nicht optimal, dort gibt es Veränderungsbedarf.
Alles in allem macht der Bericht sehr deutlich, wie ausdifferenziert das System in Bremen ist, er zeigt aber auch den Handlungsbedarf auf, der sowohl auf Bundesebene als auch in Bremen besteht. Wir sind gehalten, gemeinsam dort Abhilfe zu schaffen, wo die Notwendigkeiten bestehen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ist Ihnen schon einmal eine Frau begegnet, die als Kind fünf D-Mark von ihrem Vater bekommen hat, damit sie niemandem erzählt, dass dieser Vater sie zwei- bis dreimal in der Woche vergewaltigt? Verbunden war diese Bezahlung mit der Drohung, dass sie etwas erleben könne, wenn sie darüber spricht. Diese Frau konnte erst lange nach diesen traumatischen Erlebnissen darüber reden, die Tat ist verjährt, der Vater lebt auch heute noch in Norddeutschland.
Hat vor Ihnen schon einmal eine traumatisierte Frau gestanden, die brutal von ihrem Partner zusammengeschlagen wurde? Haben Sie schon einmal einen Brief von einer 81-jährigen Frau bekommen, die ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
schreibt, ich zitiere, „ich zittere heute noch in dem Gedanken, dass mein Vater mich mit zehn Jahren vergewaltigt hat“? Ich könnte diese Liste fortsetzen.
Wenn man das persönlich erlebt, dann ist es auf einmal kein theoretisches Problem mehr, sondern es rückt sehr nahe an einen heran. Wenn Sie dann versuchen, zu helfen und zuzuhören, dann merkt man sehr rasch, wie schnell man an Grenzen stößt. Dazu gehören viel Professionalität, viel Erfahrung und eine umfangreiche Ausbildung, und das kann man nicht mit unseren schlichten menschlichen Qualitäten und noch nicht einmal mit meinen seelsorgerischen Fähigkeiten bearbeiten, die ich im Theologiestudium erlernt habe.
Warum sage ich das? Ich sage es, weil die Finanzierung und Ausstattung der Einrichtungen – wir haben es ja eben von Frau Böschen gehört –, dieser Hilfesysteme, der Frauenhäuser nur dann auskömmlich sein wird, wenn Sie verstehen, wie schwerwiegend das Problem der häuslichen Gewalt ist, über das wir hier reden. Weil es so ist, will ich jetzt gar nicht über die Hilfesysteme reden, sondern in den fünf Minuten Redezeit, die ich habe, über das eigentliche Problem sprechen.
Häusliche Gewalt ist jede Art von versuchter oder vollendeter körperlicher, seelischer und sexueller Misshandlung innerhalb einer häuslichen Gemeinschaft. Opfer sind vornehmlich Frauen und Kinder, in Einzelfällen auch männliche Personen. Gewalt in der Familie ist in unserer Gesellschaft die am häufigsten ausgeübte Gewalt.
Wissenschaftliche Studien besagen, dass jede vierte Frau in der Republik, aber auch bei uns Bremen mindestens einmal in ihrem Leben diese Gewalt erfährt – viele Frauen erleben sie wiederholt –, sie passiert im sozialen Nahraum, es sind relativ selten fremde Täter. Männer setzen in Beziehungen eine breite Palette von Kontroll- und Beherrschungsmitteln ein, und Frauen erleiden in der Regel nicht nur eine einzige Form der Gewalt. Ich formuliere es hier so, wie es ist: Frauen werden geschlagen, getreten, gewürgt, bedrängt, eingesperrt, festgehalten und von sexualisierten Tätern vergewaltigt.
Die Folgen dieser Gewalt sind gravierend, und das Schlimme ist, dass Kinder, die Zeugen dieser Gewalt werden, oft die gleichen traumatisierten Folgen wie die Frauen selbst zu tragen haben. Folgen sind Angstzustände, Angstträume, Schlafstörungen, Minderwertigkeitsgefühle, Selbstmordgedanken, Essstörungen oder Drogenkonsum.
Wenn Sie das hören, wird Ihnen klar, dass das so schlimme Folgen sind, dass sie natürlich aufgefangen werden müssen. Wohin soll denn eine Frau gehen, wenn sie kein Frauenhaus und keine neuen Wege in die Institutionen hat? Wenn am 8. März 2013 das Telefon in Berlin von der Bundesfamilienministerin freigeschaltet wird, dann wird von dort aus die Emp
fehlung an diese Bremer Einrichtungen gehen. Wenn sie die zunehmenden Fälle gar nicht auffangen können, wohin sollen diese Frauen dann gehen?
ich bin sofort fertig, Herr Präsident! – auch die Kinder treffen, die dann Angst vor dem Verlassenwerden oder dem Getötetwerden haben, die misstrauisch, nervös, schreckhaft und so weiter sind. Ich habe hier eine lange Liste von Folgen allein für Kinder, die diese Gewalt in der Familie miterleben.
Deshalb kann ich zum Schluss ganz schlicht sagen, unsere Frauenhäuser sind unterfinanziert und unsere zu wenigen Hilfsangebote ebenso. Wir brauchen auskömmliche Finanzierungen für diese Einrichtungen. Bitte denken Sie bei den nächsten Haushaltsberatungen an das, was ich heute versucht habe darzustellen! Das Problem ist riesig, die Summen, um die es geht, sind vergleichsweise niedrig. Ich bitte, und ich setze auf Sie! – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar Aspekte aus grüner Sicht hinzufügen. Der Hintergrund der Debatte, die wir jetzt zum Hilfesystem für Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind, führen, war ja ein Antrag, den alle Fraktionen vor einiger Zeit in die Bürgerschaft eingebracht haben. Wir wollten damit deutlich machen, dass wir weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, Frauen, die von Gewalt betroffen sind, und deren Kindern die nötige Hilfe zukommen zu lassen, sodass sie auch erreicht werden können, denn Beratung und auch Hilfe sind sehr wichtig, um die Gewaltspirale zu unterbrechen.
Wir werden nicht müde, immer wieder deutlich zu machen, dass Gewalt keine Privatsache ist und wir Gewalt als Gesellschaft nicht tolerieren. Deshalb wollen wir uns das Hilfesystem noch einmal unter anderen Aspekten anschauen – ich habe es vorhin auch schon ein bisschen angedeutet –, nämlich unter folgenden Kriterien: Kommt die Hilfe dort an, wo sie ankommen soll? Erreiche ich alle Gruppen? Wie ist die finanzielle Ausstattung?
Ich habe vorhin in meinem Bericht auf die Probleme und Lücken hingewiesen. Ich möchte noch ein ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
paar Sätze zur Finanzierung der Frauenhäuser sagen. Seit Jahren beschäftigt uns die Finanzierung auf Bundesebene und auch in allen Bundesländern.
Im Dezember des letzten Jahres hat es eine entsprechende Anhörung im Ausschuss Jugend, Familie, Senioren und Frauen im Bundestag gegeben. Damals haben sich die Expertinnen und Experten einheitlich dafür ausgesprochen, dass es eine bundeseinheitliche Finanzierung geben soll. Es ist also möglich, das zu machen. Es ist auch gesetzlich zu regeln. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung, Frau Motschmann, dass es uns gelingt, eine bundeseinheitliche Finanzierung umzusetzen.
Wir brauchen Frauenhäuser, das zeigt die Auslastung. Die Prognose, die damals einige angestellt haben, als das Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten ist, dass in Zukunft Frauenhäuser überflüssig sind, stimmt so nicht, und auch die Annahmen zum Wegweisungsrecht stimmen nicht. Frauenhäuser sind weiterhin wichtig, denn Frauenhäuser sind auch immer Kinderhäuser, da Frauenhäuser auch immer Frauen mit Kindern aufnehmen. Ich denke, wir haben hier alle deutlich gemacht, dass wir sie weiter brauchen und den Weg gehen könnten, eine bundeseinheitliche Finanzierung in Gang zu setzen.
Da das aber nicht nur ein Problem ist, das den Bereich des Gleichstellungsausschusses und die frauenpolitischen Sprecherinnen beschäftigt, denke ich, dass auch alle in ihren Bereichen dazu aufgefordert werden müssen, alles zu tun, um Gewalt zu verhindern und von Gewalt betroffenen Personen zu helfen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Frau Hauffe! Frau Hoch hat recht, diese Debatte haben wir Ende 2011/Anfang 2012 geführt. Dazu lagen ein Antrag von Frau Bernhard von der LINKEN, die sich heute krankheitsbedingt entschuldigen lässt, und ein Antrag der rotgrünen Koalition zu dem gleichen Thema vor. Mit dem Bericht, den wir hier heute vorliegen haben, richten wir den Blick genauer auf unsere Stärken, aber auch auf unsere Schwächen, das muss man sagen, an denen wir arbeiten müssen. Frau Motschmann hat dies ja auch aufgegriffen. Ich hatte damals auch noch einmal ausdrücklich hier hervorgehoben, dass häusliche Beziehungsgewalt kein Kavaliersdelikt ist, keine Privatsache, sondern dass ihr entschieden entgegentreten werden muss. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Es ist verrückt, weil es den betroffenen Frauen und auch den Kindern unheimlich schwerfällt, diesen Vertrauensbruch, diesen Bruch in der Beziehung und meistens zu einer sehr engen Person, wie dem Vater, dem Großvater, dem Bruder, dem Onkel oder dem Nachbarn, öffentlich zu machen. Kindern wird oft erst einmal nicht geglaubt, wenn sie Entsprechendes vortragen, und Frauen fällt es schwer, denn man lebt in einer Beziehung, hat Kinder, ist verheiratet, kennt den Partner auch aus anderen Situationen, und es kommt dann zu solchen Gewaltexzessen. Die Frauen sind oft hin- und hergerissen, ob sie brechen oder bleiben sollen. Das ist eine ganz schwierige Situation für Frauen, die Unterstützung brauchen, und zwar eine Unterstützung, die aktiv an ihrer Seite stattfindet und für die Frauen Partei ergreift. Hier haben wir immer noch einen Mangel und auch Nachholbedarf.
Wir haben zwar erste Erfolge vorzuweisen, bestimmte Haushaltsmittel sind angestiegen, wir haben einige Einrichtungen durch Umschichtungen im Haushalt finanziell besser ausstatten dürfen und können, aber dieser Prozess muss aus meiner Sicht noch ganz entschieden weitergehen. Es gibt verschiedene gesetzliche Regelungen, die auch immer wieder andere Gruppen ansprechen. Mit dem Wegweisungsrecht haben wir Frauen erreicht, die wir vorher nicht erreicht haben.
Allein durch diese Debatte, in der wir in Bremen über das Thema Gewalt öffentlich diskutieren, fühlen sich Frauen ermutigt, sich zu melden, sich an Frauenhäuser und Beratungsstellen zu wenden. Wir müssen Plätze und Unterstützung anbieten, und wenn am 8. März 2013 die Hotline freigeschaltet wird, dürfen wir gespannt sein. Ich denke auch, dass es zu einer Welle von Frauen kommen wird, die sich über diese Hotline an unsere Einrichtungen und Institutionen wenden werden. Wir müssen dabei genau beobachten, ob an diesen Stellen unsere Angebote dann auch noch einmal verstärkt werden müssen. Darüber müssen wir hier im Hause vor dem Hintergrund der Haushaltsberatungen auch reden.
Die Finanzierung der Frauenhäuser liegt mir sehr am Herzen. Ich finde es ganz unsäglich, dass in jedem Bundesland eine eigene Regelung gilt. Ich finde, wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung.
Es kann nicht sein, dass manche Versorgungslagen an der Finanzkraft eines Bundeslandes scheitern. Es muss wirklich regelt sein, egal ob man nun in Niedersachsen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern oder Bayern wohnt, Frauen müssen sich darauf verlassen können, dass sie Hilfe bekommen und nicht ausgeschlossen sind.
Es ist doch ein misslicher und richtig schrecklicher Zustand, dass wir hier darüber diskutiert haben, dass Studentinnen, die in einer Beziehung leben, Probleme haben, im Frauenhaus aufgenommen zu werden, weil die Finanzierung nicht richtig gesichert ist. Frau Böschen hat es damals auch hier vorgetragen, dass das ein Problemfall ist. Das darf im Jahr 2013 kein Problemfall mehr sein, und wir müssen daran weiter arbeiten. Uns sind aber im Augenblick durch die Regelungen, die der Bund getroffen hat, die Hände gebunden. Daran müssen wir arbeiten. Ich sehe großen Handlungsbedarf.
Wir müssen die Frauen und Mädchen weiter ermutigen, die Täter anzuzeigen. Das ist eine Herausforderung, dort helfen nur Kampagnen, und zwar ganz zielgenaue. Frau Motschmann hat mit den Beispielen soeben deutlich angesprochen, was es heißt, sich zu outen, aber auch, was es heißt, Frauen mit Kindern zu begleiten, die eine Gewalterfahrung gemacht haben. Ich kenne einzelne Mitglieder aus der Bürgerschaft, die das schon getan haben oder im Augenblick tun. Es ist auch eine große Herausforderung für diejenigen, die als Nachbarn oder Freunde Frauen unterstützen und begleiten. Sie brauchen auch Beratung und Unterstützung, denn es ist wichtig, dass es Freunde und Bekannte gibt, die Betroffene damit nicht allein lassen.
Es ist wichtig, dass wir dafür arbeiten, dass das Thema enttabuisiert wird. Gewalt ist ein Thema, über das nicht gern gesprochen wird. Über häusliche Beziehungsgewalt wird oft ein Mantel des Schweigens gelegt, wenn sie passiert. Es ist aber gut, dass die Bürgerschaft genau hinschaut, und dabei hilft auch der Bericht.