Protocol of the Session on December 13, 2012

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ausgangspunkt für die Große Anfrage der CDU-Fraktion ist die Dunkelfeldstudie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen über die Viktimisierungserfahrungen im Justizvollzug. Erst einmal möchte ich der Bremer Justizvollzugsanstalt von hier aus meinen Dank aussprechen, da sie an dieser Studie freiwillig teilgenommen hat. Sie, Frau Piontkowski, haben eben unerwähnt gelassen, dass Bremen tatsächlich freiwillig an dieser Studie teilgenommen hat und viele CDU-regierte Länder eine Teilnahme abgelehnt haben.

Das Gesamtergebnis der Studie ist zwar besorgniserregend, aber sowohl insgesamt als auch für Bremen zu relativieren. Die Studie legt einen Schwerpunkt auf Empfindungen der Gefangenen – und das ist gut; aber dadurch werden natürlich auch Mobbing und Ausgrenzungen erfasst. Diese Beeinträchtigungen stellen keine Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuchs dar. Mobbing und Ausgrenzung sind von den Verantwortlichen zu verhindern, allerdings ist die Justizvollzugsanstalt auch ein Ort, an dem kriminalitätsbelastete und gewaltbereite Menschen auf engem Raum zusammenkommen, die eine sozial angemessene Konfliktlösung zum Teil ganz neu erlernen müssen.

Bremen hat im Vergleich zu anderen JVA-Standorten gute Haftbedingungen, um sowohl Mobbing als auch Straftaten einzudämmen, wie zum Beispiel die Einzelzellenbelegung und das Ansprechpartnersystem, das bundesweit sehr anerkannt und einmalig ist. Dass diese Maßnahmen weitgehend greifen, zeigt auch das Anzeigeverhalten der Insassen. Die Studie hat aber tatsächlich auch Schwachstellen gezeigt. Insofern ist es zu begrüßen – darüber haben wir im Rechtsausschuss ausführlich diskutiert –, dass die JVA mit ihren Mitarbeitern unverzüglich versucht ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

hat, die Schwachstellen aufzudecken und gegenzusteuern. Hier noch einmal ein Dank an die motivierten Mitarbeiter der JVA!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Maßnahmen nach der Veröffentlichung der Studie sind unter anderem – das haben wir auch ausführlich erörtert – die Analyse der Ergebnisse der Studie durch die Justizvollzugsanstalt und die Erarbeitung von Verbesserungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel das Ansprechpartnersystem, das nun auch in der Abteilung für Kurzstrafen in Bremerhaven umgesetzt wird. Die Aufsicht während der Aufschlusszeiten wird nunmehr intensiviert, und die Verhängung von Sicherungs- beziehungsweise Disziplinarmaßnahmen gegen Gefangene, die in körperliche Auseinandersetzungen verstrickt sind oder bei denen Betäubungsmittel sichergestellt werden, findet verstärkt statt.

Außerdem wird im Bereich der Drogenabhängigen die räumliche Trennung der Entzugswilligen von den Verweigerern durchgeführt. Ob diese Maßnahmen tatsächlich greifen, müssen wir beobachten. Für uns Grüne ist dabei wichtig, dass der Senat nach einem ausreichend langen Zeitraum über die Wirkung der ergriffenen Maßnahmen berichtet, damit wir prüfen können, ob diese eingeleiteten Maßnahmen ausreichen oder ob weitere eingeleitet werden müssen.

Ich möchte zum Schluss darauf hinweisen, dass es auch bisher Maßnahmen zur Verringerung von Straftaten in der JVA gegeben hat. Die Justizvollzugsanstalt ist bisher verpflichtet gewesen, Strafanzeige zu erstatten, wenn der begründete Verdacht einer Straftat bestanden hat. Straftaten wurden in der JVA nicht toleriert, wie es von Ihnen in den Medien dargestellt worden ist, sondern dagegen wurde bisher konsequent vorgegangen. Das Ansprechpartnersystem in der JVA bedeutet – ich will es noch einmal etwas erklären –, dass jeder Gefangene einen Mitarbeiter als persönlichen Ansprechpartner hat. Ich habe es eben gerade gesagt, das Ansprechpartnersystem hat bundesweit Beachtung gefunden.

Sie sehen, dass in Bremen tatsächlich sehr viel unternommen wurde, um Straftaten in der Justizvollzugsanstalt zu verhindern. Die freiwillige Teilnahme Bremens an der Studie zeigt, dass ein großes Interesse daran besteht, in diesem Bereich im Vergleich zu den anderen CDU-regierten Ländern noch besser zu werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Peters-Rehwinkel.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die uns vorliegende Große Anfrage kann man in die eine oder andere Richtung auslegen. Frau Piontkowski hat die eine Richtung gewählt, ich nehme dann die andere.

(Heiterkeit – Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Es war ja keine andere mehr da!)

Das sieht dann folgendermaßen aus: Dass es natürlich Delikte innerhalb der JVA gibt – das sind die Drogendelikte, die Körperverletzungsdelikte –, können wir hier nicht schönreden, und das will auch keiner. Die Überschrift der Großen Anfrage heißt „Konsequentes Vorgehen“, und genau das findet statt.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann aus der Antwort auf diese Große Anfrage jedenfalls nichts anderes ableiten.

Aus der Antwort des Senats ergibt sich auch, dass es ein gutes Anzeigeverhalten gibt, Frau Dogan hat dazu gerade schon einiges ausgeführt, das mache ich jetzt nicht noch einmal. Bei Drogendelikten wird zum Beispiel vielfach im Wege eines Strafbefehlsverfahrens darauf reagiert, und es werden Geldstrafen verhängt. Bei Körperverletzungsdelikten findet entweder das Strafbefehlsverfahren statt, oder es kommt zu weiterreichenden Folgen, und zwar abhängig vom Umfang und der Qualität des Delikts. Zumindest passiert etwas, und es ist, finde ich, immer sehr wichtig, dies auch festzuhalten.

Sie sagten gerade, dass das Dunkelfeld sehr groß wäre. Dann erlaube ich mir jetzt doch, einen Satz aus der Antwort zu Frage 9 zu zitieren: „Das Hellfeld scheint demnach einen erheblichen Teil der Gesamtbelastung des Vollzugs auszuweisen.“ Das halte ich für eine sehr positive Auskunft. Das heißt, dass das Dunkelfeld nicht so erschreckend hoch ist, wie Sie das jetzt gerade dargestellt haben.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Ver- gleichen Sie doch einmal die Studien!)

Die Antwort auf die Große Anfrage beinhaltet, dass es im besten Fall zu Optimierungen kommen soll, aber bereits jetzt gibt es – wie Frau Dogan es gesagt hat – das Ansprechpartnersystem. Es ist sehr wichtig, dass jeder Insasse eine Vertrauensperson hat, an die er sich mit allen Belangen wenden kann, und das passiert auch. Wenn es zu pflichtwidrigem Verhalten kommt, dann wird es natürlich Konsequenzen haben. Es werden zum Beispiel vorrangig Verweise erteilt.

Weitere Maßnahmen, die dann die Insassen treffen, sind die Kürzungen des Hausgelds, der Einkauf –––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ist nicht mehr möglich, das Fernsehgerät oder das Radio werden weggenommen – mit der Wegnahme des Fernsehers trifft man die meisten doch sehr deutlich –, oder es werden getrennte Freizeiten durchgeführt. Es gibt weitere Disziplinarmaßnahmen, aber es wird vorrangig auf die geschilderten Maßnahmen zurückgegriffen. Weitere Auswirkungen haben pflichtwidrige Verhaltensformen natürlich auch auf Dinge wie Lockerung, offenen Vollzug oder vorzeitige Entlassung. Der Aussage, dass nichts passiert, möchte ich damit hier entgegentreten.

Ich habe mir einige Stichworte, Frau Piontkowski, zu dem Punkt Rauchgeräte aufgeschrieben. Bei einem Hausgeld von 25 Euro ist es vielen Insassen nicht unbedingt möglich, zum Tabak immer Blättchen zu kaufen. Deswegen werden die Zigaretten oftmals mithilfe einer Flasche geraucht. Es sind also keine harten Drogen, die damit konsumiert werden. Ich finde, es ist auch ein bisschen weit hergeholt, wenn gesagt wird, Drogen sind nicht die besten Partner. Sie werden den Insassen nicht absichtlich an die Seite gestellt. Ich finde es sehr übertrieben.

Wenn Sie jetzt wieder auf die rosa Zelle eingehen, finde ich es den Mitarbeitern gegenüber, die sich das ausgedacht haben, ein bisschen anmaßend. Die Mitarbeiter haben sich nämlich etwas dabei gedacht.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Ha- ben Sie die Satiresendung gesehen?)

Ja, ich weiß nicht! Wenn Sie Ihren Nachbarn anschauen, und der trägt etwas Rosafarbenes, dann ist er deswegen auch nicht gleich in einer Satiresendung!

(Heiterkeit – Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Wollen Sie bestreiten, dass da Dro- gen konsumiert werden?)

Wenn es nur auf die Farbe Rosa ankommt, ist es, finde ich, sehr übertrieben!

(Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: Sie sind aus Bremen-Nord, das können Sie nicht ma- chen!)

Ich fahre jetzt einfach einmal fort!

Sie forderten ein Konzept. Die Antwort auf die Große Anfrage hat, wie ich meine, schon einige Antworten gegeben, die ich so negativ, wie Sie sie dargestellt haben, nicht sehe. Damit möchte ich meinen ersten Redebeitrag beenden. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon spät, und ich finde es, ehrlich gesagt, wirklich ein bisschen die Nerven strapazierend. Liebe Abgeordnete der CDU, ich verstehe einfach nicht, was Sie eigentlich wollen. Es gab diese Dunkelfeldstudie, und wir haben sie in zwei Sitzungen im Rechtsausschuss besprochen. Sie haben damals schon versucht, sie, sagen wir einmal, lächerlich zu machen, weil die Justizbeamten eine Zelle rosa oder in einer ähnlichen Farbe gestrichen haben.

Daraufhin hat Ihnen der Anstaltsleiter noch einmal erklärt, es gebe psychologische Untersuchungen, die besagen, dass manche Farben positiv auf das Gemüt wirken, und man habe gesagt, wenn man die Zelle sowieso streichen müsse, dann könne man sie rosa streichen, um zu schauen, welche Wirkung entstehe. Darüber kann man lächeln, aber daraufhin ein solches Gerede zu veranstalten und im Grunde die gesamte Justizvollzugsanstalt lächerlich zu machen, finde ich völlig unangebracht, vor allem, weil wir es schon behandelt haben.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Es ist eben Satire!)

Ja, Satire vielleicht!

Wir haben das Thema im Rechtsausschuss mehrfach diskutiert und gesagt, es soll wieder berichtet werden, und Sie stellen jetzt hier eine Große Anfrage, aber in Ihrem Beitrag haben Sie, aus meiner Sicht jedenfalls, keinen einzigen Vorschlag gemacht, welche Schritte nach dieser Dunkelfeldstudie konkret unternommen werden sollten. Wenn Ihnen dazu nichts einfällt, ist es irgendwie sinnlos, das Ganze hier noch einmal zu wiederholen. Das verstehe ich wirklich nicht.

Natürlich, um es deutlich zu machen, suchen Sie sich immer wieder einzelne Punkte heraus, die man immer wieder ansprechen kann, so ein bisschen nach Law and Order, und hinter jedem Satz steckt: Man müsste eigentlich härter durchgreifen, könnte man da nicht noch irgendetwas finden?

Zum einen langweilt es auf Dauer, weil es immer die gleiche Masche ist, und zum anderen bringt es uns doch überhaupt nicht voran. Die Dunkelfeldstudie hat festgestellt, dass es immer fragwürdige Treppenaufgänge und bestimmte tote Winkel gibt, die über Video und so weiter nicht gut genug überwacht werden können, oder dass es Duschen für alle gibt und so weiter. Jetzt ist ein neues Haftgebäude mit 100 Betten gebaut worden, und damit sind diese Unzulänglichkeiten beseitigt worden. Man könnte doch jetzt auch einmal sagen, prima, wir haben zwar eine Dunkelfeldstudie, die besagt, in diesen Bereichen kann es des Öfteren Probleme geben, aber diese Bereiche haben wir geändert, weil wir ein neues Ge––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

bäude haben. Das wäre doch auch einmal eine Maßnahme!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Frau P i - o n t k o w s k i [CDU]: Auch das habe ich angesprochen! Sie haben überhaupt nicht nicht zugehört, Herr Erlanson!)

Wenn Sie sich diese Studie angeschaut haben, warum sagen Sie dann nichts über das Kapitel Kontaktpersonen? Das habe ich mir hier gerade noch einmal herausgegriffen. Wenn sich 47,8 Prozent der Männer, 56,3 Prozent der Frauen und sogar noch 51,8 Prozent der Jugendlichen bei einem schlimmen Vorfall, wie ihn die Studie genannt hat, zum Beispiel von Gewalt oder Mobbing an ihre jeweiligen Ansprechpartner wenden und nicht etwa an Rechtsanwälte oder andere Mitgefangene, dann kann man doch auch da einmal sagen, dass die Ansprechpartner offensichtlich eine gute Arbeit leisten. Die machen nämlich ihre Arbeit, damit Vertrauen aufgebaut wird.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das könnten Sie doch einmal positiv erwähnen, anstatt immer nur zu kritisieren, aber selbst keine konkreten Vorschläge zu machen, was Sie ändern würden. Ich finde, das muss irgendwann einmal aufhören. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, man sollte dieses Thema nicht so lapidar angehen und sagen, es ist immer dasselbe. Wir haben eine gewisse Verantwortung gegenüber den Gefangenen, die dort sitzen, und sollten schon versuchen, ihnen dabei zu helfen, wieder ein Leben innerhalb unserer Rechtsordnung führen zu können.

Ich möchte darauf eingehen, was Frau Dogan gesagt hat. Sie hat ja schon im Vorfeld gesagt, ich würde die Zahlen herunterspielen. Ich habe ganz bewusst nur die Zahlen aufgegriffen, bei denen es um physische Gewalt geht. Die Zahlen zu Mobbing und Ähnlichem – das haben Sie angesprochen – habe ich überhaupt nicht genannt. Wenn wir die Zahlen noch hinzunehmen, dann sieht es doch deutlich anders aus, dann liegen wir bei über 60 Prozent der Gefangenen, die indirekte Gewalterfahrungen in der JVA Bremen gemacht haben. Ich finde, auch das ist besorgniserregend, denn, wie ich bereits sagte, Gewalt erzeugt Gegengewalt.