Ich begrüße auf der Besuchertribüne recht herzlich Vertreter des Bündnisses für Bildung sowie Mitglieder der Seniorenunion der CDU Bremerhaven. – Herzlich willkommen!
Für die Aktuelle Stunde ist von der Abgeordneten Frau Vogt und Fraktion DIE LINKE folgendes Thema beantragt worden:
Protest von Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern ernst nehmen – Die Forderungen vom Bremer Bündnis für Bildung jetzt umsetzen!
Kollegen! Vor zweieinhalb Stunden waren ungefähr 2 500 Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt und haben sehr eindrucksvoll bewiesen, dass die Schulen, die Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer, nicht mehr länger hinnehmen wollen, dass die Politik dieser Stadt auf ihrem Rücken ausgetragen wird.
Sie haben recht! Wenn man sich das alles einmal anschaut – ich gehöre der Bürgerschaft seit Juni 2011 an –, in fast jeder Plenarsitzung debattieren wir hier über Bildungspolitik, und zwar immer unter dem Vorbehalt und der Einschränkung, dass zu wenig Mittel für angeschobene Projekte vorhanden sind. Wenn man sich einmal erinnert, im August 2011 haben wir die Situation gehabt, dass die gymnasiale Oberstufe umstrukturiert werden musste, weil für Inklusion und Oberschule nicht genügend Mittel zur Verfügung standen. Das ganze System wurde auf den Kopf gestellt. Die Eingangsphase hat mittlerweile kein Kurssystem mehr, sondern wird in Klassenverbänden unterrichtet. Die Kursfrequenzen wurden erhöht, und das, obwohl sie im bundesweiten Schnitt sowieso schon am schlechtesten sind. Damals hatte unsere Fraktion beantragt, diese Kürzungen und diese Umstrukturierung zurückzunehmen und stattdessen Oberschule und Inklusion ausreichend auszustatten. Das wurde abgelehnt.
Wir haben hier im Mai debattiert, und wir haben drei Anträge gestellt. Wir haben Lern- und Lehrmittel, also die Sachmittel für die Inklusion und für die Oberschule, in Höhe von fünf Millionen Euro gefordert. Wir haben zusätzliche persönliche Assistenzen beziehungsweise Schulassistenzen – also Sozialpädagogen – für die Inklusion gefordert, das waren 100 an der Zahl, und wir haben für beide Haushaltsjahre die Einstellung von 300 zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern gefordert. Das alles war nicht aus irgendwelchen Scheindebatten heraus berechnet worden, sondern wir haben uns mit Lehrerinnen und Lehrern und den Personalräten hingesetzt und einmal umgerechnet, wie viel diese Schulreform kostet. Wir haben auch damals schon – diese Diskussion führen wir hier auch nicht das erste Mal – diese demografische Rendite infrage gestellt, weil, auch das hatten wir hier schon öfter diskutiert, sie nicht in dem Umfang vorhanden ist, wie das immer prognostiziert wurde, und aus deren Mitteln man meinte, diese Schulreform refinanzieren zu können.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das sind die wenigen Dinge, die man in Zahlen nachlesen kann!)
Ehrlich gesagt, als es im August 2011 die erste Debatte um Kürzungen im Bildungsbereich gab, hat Frau Jürgens-Pieper in der Bildungsdeputation bereits zu
gegeben, dass die demografische Rendite nicht so reicht, wie man sich das erhofft hätte. Spätestens da hätte man gegensteuern müssen, allerspätestens da! Das ist nicht erfolgt. Nach den Haushaltsdebatten kam es dann zum Schwur, wir wissen das. 110 Lehrerstellen konnten akut nicht besetzt werden. Im August sagte Frau Jürgens-Pieper in der Personalversammlung der Lehrerinnen und Lehrer, es werden eigentlich 174 Stellen. Wir haben nachgefragt, sie wurden durch Umstrukturierung, Umschichtung, Abordnung von anderen Schulen besetzt, aber eben zum Teil aus der Stadtteilschule oder auch aus dem Vertretungspool der Schulen.
Das sind keine seriöse Politik und keine seriöse Finanzierung von Lehrerstellen, und das hat die Schulen vor ein riesiges Problem gestellt. Wie Eltern es in einem offenen Brief an die Abgeordneten, der Ihnen morgen zugehen wird, so schön formuliert haben: Man kann es nicht ausgleichen, wenn es an einer Schule zu viel Musikunterricht gibt, weil rein rechnerisch Lehrerinnen und Lehrer vorhanden sind, und diese dann an eine andere Schule abordnen, weil dort zu wenig Französischunterricht unterrichtet wird, da die Lehrkräfte nicht vorhanden sind. Das funktioniert so nicht.
Wir haben hier als Reaktion im Juli bereits den Nachtragshaushalt beantragt. Die CDU ist uns dankenswerterweise gefolgt und hat einen ähnlichen Antrag gestellt. Wir haben als Reaktion darauf, dass bekannt wurde, dass es im nächsten Jahr noch enger wird und das Ressort von 350 Lehrerstellen, die durch Pensionierung, Altersteilzeit et cetera frei werden, nur 260 besetzen kann und die Heizkosten im Budget nicht vorhanden sind, vor drei Wochen einen erneuten Nachtragshaushalt beantragt, die CDU dann ebenfalls, und auch das ist hier wieder abgelehnt worden.
Ich habe in der Debatte vor drei Wochen gesagt, Frau Jürgens-Pieper hat in der letzten Debatte um den Nachtragshaushalt im September gesagt, man werde sich koalitionär einigen, und ich habe gesagt, das klingt für mich wie eine Drohung. Es klingt für mich wie eine Drohung, weil ich es wirklich nicht hinnehmen kann, dass über Selbstverständlichkeiten, nämlich die Tatsache, dass zu wenige Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen vorhanden sind, um die tatsächlichen Bedarfe zu decken – darin sind noch nicht einmal die zusätzlichen Bedarfe enthalten –, in einem Koalitionsausschuss entschieden werden muss. Das, was ich damals gesagt habe, es klingt für mich wie eine Drohung, hat sich bewahrheitet, denn kurze Zeit später – ich glaube fünf Tage später – ist Frau Jürgens-Pieper mit einer Begründung zurückgetreten, wegen der eine hier in Bremen ansässige Tageszeitung mich anrief und sagte, die hätte eins zu eins von meiner Fraktion kommen können, weil auch sie sagt, dass Bildung strukturell unterfinanziert ist.
Ich bin hier ausgelacht worden, als ich das im Mai gesagt habe, aber die Senatorin hat einen logischen Schluss aus dieser Geschichte gezogen. Sie ist zurückgetreten, weil sie gesagt hat, sie kann das nicht mehr verantworten. Dass es so weit kommen musste, muss ich ehrlich sagen, finde ich bedauerlich. Ich kann an dieser Stelle die Tatsache überhaupt nicht mehr nachvollziehen, dass Bildung in Bremen seit 15 Jahren nicht ausreichend finanziert ist, wie gesagt, seit 15 Jahren! Es wurden zu Zeiten der Großen Koalition ungefähr 1 000 Lehrerstellen gestrichen. Dass es so weit kommen musste, dass Bremen die letzten PISA-Plätze abonniert hatte, hatte zur Folge, dass man sich hier im Haus Gedanken gemacht hat, wie wir das ändern können. Man hat eine Schulreform angestoßen, ohne sie mit ausreichenden Finanzen zu hinterlegen. Dass es so weit kommen musste, dass eine Bildungssenatorin sagt, sie kann das nicht mehr verantworten, anstatt dass hier im Haus gegengesteuert wird – denn die Bürgerschaft ist der Haushaltssouverän und nicht der Senat –, finde ich, ehrlich gesagt, beschämend.
Noch viel beschämender finde ich allerdings, dass im Sommer, als die Situation an den Schulen wirklich nicht mehr erträglich war, zum zweiten Mal in Folge gesagt worden ist, wir machen uns Bildung aber weiterhin zur Chefsache, wie wir es im Koalitionsvertrag versprochen haben. Ich habe das in den letzten Monaten vermisst. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Koalitionsausschuss sich damit beschäftigen muss. Eigentlich wäre das Senatssache gewesen, nämlich wirklich Chefsache. Ehrlich gesagt, Geld wäre vorhanden gewesen, und auch die CDU, mit der ich diskutiere, ist mittlerweile der Meinung, man kann einmal darüber nachdenken, ob es wirklich so sinnvoll ist, 150 Millionen Euro Mehreinnahmen, die man im Jahr hat, in eine Zinstilgung zu stecken, wo eine Null vor dem Komma steht und 27 Nullen dahinter, bevor dann irgendwann einmal die eins auftaucht. Bei 19 Milliarden Euro Altschulden merkt das niemand, solange wir im Bund nicht eine Altschuldenregelung haben.
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: „Ich habe da- rüber diskutiert“ ist etwas anderes, als zu sagen, ich bin mit Ihnen einer Meinung!)
Einige von Ihnen sind aber meiner Meinung, Herr Röwekamp! Es ist vielleicht nicht die Meinung der Fraktion.
Aber wir diskutieren untereinander auch persönlich. Es ist durchaus so, dass diese Forderung, die wir hier immer erhoben haben, auch mittlerweile von anderen in Bremen erkannt wird und dass uns viele recht geben bis hin zu ganz hohen Stellen, die sagen, das ist wirklich unsinnig, dieses Geld gehört in den Haushalt.
Das Geld gehört in Bildung, das Geld gehört in Wissenschaft, es gehört in die Krankenhäuser und in die U3-Betreuung.
Man kann auch einmal, Herr Röwekamp, an dieser Stelle darüber nachdenken, wie es um die Investitionen in unserem Haushalt bestellt ist. Ich kann es nicht mehr nachvollziehen. Ich muss Ihnen einmal ganz ehrlich sagen, die Schulen merken jetzt schon, was das bedeutet, was die Koalition im Koalitionsausschuss beschlossen hat. Ich habe eben gesagt, diese nicht ausreichend finanzierten 174 Stellen – Frau Jürgens-Pieper hat einmal von 173 und einmal von 174 Stellen gesprochen – werden zum Teil aus der Stadtteilschule gedeckt. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage hieß es sogar lapidar, die Schulen könnten ja ihr Budget für Vertretungsreserven selbst verwalten und dahingehend nutzen. Das Budget für Vertretungsreserven aber, was die Schulen selbst haben, ist ein Budget für Krankheitsvertretungen, und zwar für kurzfristige, und nicht um dauerhaft Stellen daraus zu finanzieren. Genau dafür ist auch die Stadtteilschule nicht geeignet. Das muss man hier auch einmal festhalten.
Des Weiteren ist der Beschluss, den Ganztagsausbau zu strecken, absolut unsinnig und widerspricht Ihren eigenen Koalitionsvereinbarungen, weil allen klar ist, dass bestimmte Stadtteile, in denen Ganztagsschulen dringend nötig wären – wir hatten die Debatte gestern über Blumenthal, wir hatten sie auch schon ein paar Mal über Gröpelingen und über die Schule Pfälzer Weg –, jetzt dastehen und nicht wissen, wie sie diese berechtigte Forderung, die im Übrigen auch immer die Politik an die Schulen erhebt, überhaupt umsetzen sollen.
Das Dritte, was dort beschlossen worden ist, die Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer um ein Jahr zu verschieben, damit Inklusion funktioniert, ist ja die eine Sache. Jetzt hatten wir aber in der Deputation die Vorlage, dass der Stundenausgleich reduziert worden ist. Es sind jetzt nicht mehr zehn Stunden, es sind fünf Stunden. Auf meine Nachfrage am letzten Freitag in der Deputation hieß es, das müssen die Schulen dann aus ihrem Budget selbst erwirtschaften. Das heißt, auch das wird wieder dazu führen, dass bei Unterrichtsausfall durch kurz