Protocol of the Session on October 17, 2012

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines will ich vorwegschicken: Eines ist sicher, die Intensität einer Beratung oder die Qualität eines Gesetzes ist nicht proportional zur Anzahl der Abgeordneten, die zum Zeitpunkt der Abstimmung im jeweiligen Plenarsaal sind. Das kann so oder so ausgehen. Es ist durchsichtig zu sagen, wenn wenige da sind, dann wird es ein schlechtes Gesetz. In diesem Fall ist es so, und die Kritik an diesem Gesetz ist allgemein zugänglich. Man kann sie überall erhalten, und eines ist auch klar: Dieses Haus ist sich dieser Kritik umfänglich bewusst.

Deswegen haben wir auch in der letzten Sitzung einen entsprechenden Antrag verabschiedet, dass das Gesetz im Bundesrat abgelehnt werden soll. Das ist jetzt der Fall, das Gesetz wird neu beraten. Die Bürgerinnen und Bürger in Bremen können sich sicher sein, dass über die Parteigrenzen hinweg Dinge, wie die missbräuchliche Nutzung von Meldedaten, in diesem Haus keine Mehrheit finden und wir alles dafür tun werden, dass das nicht der Fall sein wird. Deshalb brauchen wir diesen Antrag heute nicht mehr zu verabschieden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD – Abg. T i m k e [BIW]: Ein Schwall ins All!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Timke, BIW, mit der Drucksachen-Nummer 18/500 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Moratorium für unkonventionelle Erdgasförderung mit hydraulischen Risserzeugungen (Fracking) – Verbot der Technologie in Trinkwasserschutzgebieten

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 3. Juli 2012 (Drucksache 18/486)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Staatsrätin Friderich.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren jetzt einen Antrag, der sich mit der unkonventionellen Erdgasförderung, dem sogenannten Fracking, beschäftigt. Fracking ist in Deutschland mehr als umstritten. Bei der Methode wird ein Gemisch aus Sand, Wasser und Chemikalien – zum Teil sehr giftigen und krebserregenden Chemikalien wie Benzol – in das Gestein gepresst, um es aufzubrechen und das Erdgas freizusetzen. Kritiker fürchten die Verschmutzung der Umwelt und die Verunreinigung des Grundwassers. Dazu gibt es auch Anlass, so ist zum Beispiel krebserregendes Benzol aus Frackingabwässern auch schon in das Grundwasser gelangt.

Das Umweltbundesamt hat gerade vor einigen Wochen eine neue Studie zum Fracking präsentiert und warnt vor dem Einsatz der umstrittenen Erdgasfördermethode in Deutschland. Sie soll nur unter strengsten Umweltauflagen infrage kommen und in Trinkwasserschutzgebieten komplett verboten werden, und das finde ich sehr richtig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man sich die Landkarte anschaut, dann gibt es Erdgasvorkommen, die sich für das Fracking eignen, vor allem in Niedersachsen und NordrheinWestfalen, in kleineren Ausmaßen auch in anderen Bundesländern. Jetzt ist es aber so, dass fast das gesamte Trinkwasser Bremens bis auf den Einzugsbereich in Blumenthal, aus dem niedersächsischen Umland kommt. Ein Einzugsbereich ist das Wasserschutzgebiet Panzenberg bei Verden. Gerade dort soll gefrackt werden, und gerade von dort kommt ein Viertel des Bremer Trinkwassers.

Trinkwasser ist ein Lebensmittel, es darf nicht gefährdet werden. Wir Bremerinnen und Bremer erwarten, dass wir auch weiterhin in Bremen die gewohnte 1-a-Qualität an Trinkwasser bekommen, die es jetzt hat. Das darf nicht durch diese umweltunfreundliche Technologie gefährdet werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist nicht nur für uns Bürgerinnen und Bürger oder Verbraucherinnen und Verbraucher ein hohes Gut, sondern – das möchte ich auch in dem Zusammenhang erwähnen – es gibt gerade in Bremen natürlich sehr viel Lebensmittelindustrie, die auch auf sauberes Trinkwasser angewiesen ist, und wir haben die Bierherstellung, die Brauereien in Bremen. Brauwasser – das habe ich in dem Zuge gelernt – ist noch etwas anders zusammengesetzt als Trinkwasser, es werden noch viel höhere Ansprüche daran gestellt, und es wird auch aus diesem Gebiet gezapft. Insofern, glaube ich, haben wir in Bremen ein sehr großes Interesse daran, dass unser Trinkwasser und das Brauwasser aus diesen Gebieten in Niedersachsen weiterhin sauber bleiben.

In Ländern, in denen schon länger diese unkonventionelle Erdgasförderung betrieben wird oder gefrackt wird, zum Beispiel in den USA, weiß man, dass diese Form der Energiegewinnung eine hohe Umweltbelastung und ökologische Schäden mit sich bringt. Wie immer liegen bisher noch keine Ergebnisse über Langzeitwirkungen vor. Was passiert mit den Chemikalien, die in den Untergrund hineingepresst werden? Gelangen sie am Ende doch in das Grundwasser? Was passiert mit womöglich entstehenden Hohlräumen im Untergrund? Da müssen wir uns nur in Deutschland umsehen, zum Beispiel beim Bergbau, wo nach Jahrzehnten doch Stollen einstürzen können, oder es gibt noch ein anderes Beispiel, die Salzstöcke, wie die Asse, wo man dann nach etlichen Jahren mit einer Grundwasserproblematik zu tun hat, von der man vorher nichts wusste. Deswegen finde ich es unverantwortlich, eine solche Technologie ohne eine saubere Technologiefolgenabschätzung anzuwenden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aus diesem Grund fordern wir Grüne mit der SPD in diesem Antrag ein Moratorium von mindestens zwei Jahren, mindestens insofern, als wir wollen, dass eine saubere Technologiefolgenabschätzung erfolgt. Dafür braucht man, glaube ich, mindestens diesen Zeitraum, aber auf jeden Fall soll das Moratorium so lange dauern, bis eine ordentliche Risikoabschätzung vorliegt. Es könnte also auch länger dauern.

Andere Länder wie Großbritannien, die Schweiz und die Niederlande haben bereits solche Moratorien gegen Fracking ausgesprochen, in Südafrika ist das Fracking inzwischen komplett verboten worden. Ich finde, eine gesicherte Risikoabschätzung darf überhaupt erst die Voraussetzung für die Genehmigung von Frackingprojekten bilden, oder wenn eine Langzeitrisikoabschätzung ergibt, dass die negativen Folgen viel größer sind, dann sollten wir, glaube ich, auch noch einmal zusammenkommen und überlegen, ob wir nicht dem Beispiel Südafrikas folgen und das Fracking in Deutschland komplett verbieten.

Ich finde, entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfungen müssen zudem an jedem einzelnen Standort durchgeführt werden, um die jeweiligen geologischen Bedingungen in der Prüfung berücksichtigen zu können. Solange es keine sicheren Erkenntnisse über mögliche Umweltauswirkungen und Trinkwassergefährdungen sowie Abschätzungen über die Langzeitfolgen durch den Einsatz der Frackingtechnologie gibt, dürfen meines Erachtens derartige Projekte in Deutschland nicht genehmigt werden.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen muss aus den Studien, die Exxon in diesem Jahr im April und die das Umweltbundesamt jetzt vorgelegt haben und die beide besagen, dass in Trinkwassereinzugsgebieten nicht gefrackt werden darf, Konsequenzen ziehen. Das heißt für mich, dass im Wasserschutzgebiet Panzenberg das Fracking untersagt werden muss. Wir brauchen ein Moratorium, um nicht irreparable ökologische Schäden durch das Fracking zu produzieren, weil wir heute noch nicht die Langzeitfolgen abschätzen können. Deshalb bitte ich Sie, diesen Antrag zu unterstützen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Schaefer hat die Risiken, die mit dem Fracking verbunden sind, ausführlich beschrieben, und ich will dem nichts hinzufügen. Ich habe allerdings einen kleinen Dissens mit Frau Dr. Schaefer gehabt, den wir auch im Vorfeld nicht ausräumen konnten.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Zoff in der Koali- tion! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Megazoff!)

Ich halte es nämlich für verfehlt, wie es auch in dieser Überschrift zum Ausdruck kommt, diesen englischen Begriff Fracking mit „unkonventioneller Erdgasförderung“ zu übersetzen.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Was allerdings die Wissen- schaftswelt so macht!)

Selbst wenn sich das eingebürgert hat, gibt es übersetzungstechnisch eigentlich keinen Grund dazu. Der Punkt, an dem wir den Dissens hatten, war der Begriff unkonventionell. Das klingt so wie ein wenig anders, unangepasst und vor allen Dingen kreativ.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Wie heißt das denn auf Plattdeutsch?)

Das überlasse ich gleich Ihnen!

Insgesamt hat das zumindest in meinen Ohren einen ziemlich positiven Klang, und da sollten wir sehen, dass dieser positive Klang mit Sicherheit auch beabsichtigt war. Ich denke, wir sollten hier keine Begrifflichkeiten verwenden, die der politische Promoter dieser gefährlichen Technologien benutzt. Wir sollten deshalb nicht von unkonventionell sprechen, sondern von einer ökologisch riskanten Form der Erdgasförderung mit toxischen und radioaktiven Materialien, also die Sache auf den Punkt bringen.

(Beifall bei der SPD – Abg. H i n n e r s [CDU]: Jetzt habe ich es begriffen!)

Wir fordern in unserem Antrag ein mindestens zweijähriges Moratorium für das Fracking. Ich denke, diese Zeit brauchen wir auf jeden Fall, um die Risiken und Folgen des Frackings besser beurteilen zu können, wir brauchen sie aber auch, um eine ganze Reihe von rechtlichen Vorschriften anpassen zu können. Im Kern geht es dabei vor allen Dingen um die Ergänzung des Bergrechts und Vorschriften der Umweltverträglichkeitsprüfung, denn es ist sicherlich unerlässlich, dass eine solche Prüfung auch in jedem Einzelfall vorgenommen werden muss, wenn man schon solche Projekte in Angriff nimmt. Es gibt auch Anpassungsbedarf im Gewässerschutzrecht, im Immissionsschutzrecht, im Naturschutzrecht, im Transportsicherungsrecht und nicht zuletzt auch bei arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften. Das muss man sehen.

Um diese Dinge anzupassen, braucht man Zeit, und eine der großen Gefahren der schnellen Genehmigung solcher Verfahren, solcher Projekte besteht eben darin, dass die notwendige Anpassung solcher Vorschriften jetzt unterlaufen wird und damit Fakten geschaffen werden. Das darf nicht passieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir wissen zudem, immer, wenn es um solche Dinge geht, kommen natürlich auch ökonomische Argumente ins Spiel. Ich denke aber, es ist wichtig festzuhalten, dass es hier aus wirtschaftlichen, aus ökonomischen Gründen überhaupt keinen Grund gibt, der für mehr Eile sprechen würde. Erstens: Wir haben kein Versorgungsproblem mit Erdgas, im Gegenteil! Wir haben zweitens keine politisch gefährliche, strategische Abhängigkeit bei der Versorgung mit Erdgas, wir haben drittens auch kein Loch in unserer Außenhandelsbilanz, sodass wir praktisch Importe durch eigene Produktionen ersetzen müssten, und wir haben auch kein Problem mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich. Das ganze Umfeld spricht deshalb für eine Entschleunigung, für eine sorgfältige Prüfung, für saubere rechtliche Rahmenbedingungen und damit für das geforderte Moratorium.

In einem Punkt sprechen wir uns allerdings nicht für ein Moratorium aus, Frau Dr. Schaefer hat auch das schon angesprochen: Im Einzugsbereich von Trinkwasserquellen muss das Fracking ohne Wenn und Aber auf jeden Fall verboten bleiben! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt hier ein Antrag vor, dass das sogenannte Fracking unter ein Moratorium gestellt werden soll und dass es im Einzugsgebiet von Trinkwasser grundsätzlich verboten ist. Um sich ein Bild davon zu machen, was das eigentlich ist und dass ein solches Verfahren zur Erdgasgewinnung gefährlich ist, muss man sich, glaube ich, nur einmal das Verfahren selbst anschauen: Man muss irgendwo ein Bohrgestänge aufbauen, dann muss man vergleichsweise tief durch unterschiedliche Erdschichten in einer Tiefe von 1 000/1 500 Meter bohren, um dort an ein Gestein zu kommen, in dem Gas noch eingeschlossen ist.

Gas kommt normalerweise auch in Blasen vor, dazu muss man auch tief bohren, aber dann kann man es unmittelbar anzapfen. Das Gas, um das es jetzt geht, ist leider nicht in Blasen in der Erdschicht, sondern es ist gebunden in porösem Gestein. Jetzt kann man dort nicht herunterklettern und mit einem Hammer auf das Gestein schlagen, sondern man muss es auf andere Art und Weise auseinanderbringen. Deswegen presst man dort mit hohem Druck Wasser, Sand und diverse andere Chemikalien hinein und erzeugt Risse in diesem Gestein, und wenn diese Risse groß genug sind, kann man das dann austretende Gas auch fördern.