Protocol of the Session on September 13, 2012

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie werden sich denken können, dass ich mich sehr freue über die positive Resonanz und die Bereitschaft, an diesem tatsächlich für jeden Menschen sehr wichtigen Themenkomplex hier im Parlament gemeinsam zu arbeiten. Ich freue mich darauf, wenn wir beides tun, was meiner Meinung nach passieren muss, damit wir seelische Gesundheit in Bremen noch stärker fördern, als das bisher der Fall ist.

Das eine ist die Haltung zu wissen, dass Entscheidungen, die wir hier auch treffen und die jeder Einzelne individuell trifft, natürlich einen Einfluss darauf haben, wie sich unsere Gesundheit und unsere seelische Gesundheit entwickeln kann. Das andere sind konkrete Projekte – das hat der Kollege Herr Erlanson wirklich sehr schön ausgeführt –, und da steckt der Teufel manchmal im Detail.

Ich lade Sie ein, und ich freue mich darauf, wenn wir wirklich alle guten Ideen, die es dazu gibt, gemeinsam zusammentragen und uns sowohl die große Haltung anschauen als auch die Details, und dann schauen wir einmal, ob wir etwas Gemeinsames, Gutes erreichen zum Wohl der seelischen Gesundheit von uns allen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass hier so große Einigkeit besteht. Wir müssen uns dann nur noch auf die Konkretisierung werfen, denke ich. Vielfach, auch hier, wird die Zunahme psychischer Störungen und Erkrankungen benannt. Es gibt auch Statistiken der gesetzlichen Krankenkassen und Rentenversicherungen, in denen die Fehltage und die Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dokumentiert werden, aber es gibt eigentlich keine wirklich repräsentative Langzeitstudie; die fehlt. Hier erhoffen wir uns in den nächsten Jahren weitere Erkenntnisse, wenn die laufenden bundesweiten Studien abgeschlossen sind.

Obwohl die Anzahl der Fehltage wegen Arbeitsunfähigkeit in den letzten zehn Jahren – das ist hier, glaube ich, schon von Herrn Bensch erwähnt worden – insgesamt leicht zurückgegangen ist, ist der Anteil der Diagnosen aufgrund psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen im gleichen Zeitraum von 6,6 Prozent auf 13,1 Prozent aller Diagnosen zur Arbeitsunfähigkeit gestiegen, und das ist einmal natürlich ein persönlich schwieriges Problem, aber auch ein wirtschaftliches Problem. Der Anteil von Frühverrentungen aufgrund psychischer Störungen ist im Jahr 2010 auf 39,3 Prozent aller Diagnosen gestiegen.

Ebenso kommen Studien, die sich auf Kinder und Jugendliche beziehen, zu dem Ergebnis, dass in der Altersgruppe von 3 bis 17 Jahren circa 15 Prozent psychische Probleme haben. Das ist übrigens ein Thema, das uns auch im Bildungsbereich durchaus manche Probleme schafft, weil wir nicht nur sozusagen Behinderungen an der Stelle haben, sondern auch zeitweise Störungen, die es zu bearbeiten gilt.

Unbestritten sind die Zunahme psychischer Störungen und Verhaltensstörungen und die Not, die für jeden einzelnen Menschen damit verbunden ist. Ich denke, das ist auch der Sinn dieser Anfrage gewesen, dies einmal deutlich herauszustellen.

In Bremen und Bremerhaven gibt es einen vielfältigen Mix sehr unterschiedlicher Maßnahmen. Eine davon habe ich gerade besucht, den Frauengesundheitstreff Tenever, da merkt man, wie gut so etwas laufen kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich denke, dass wir das Thema nicht allein staatlich betrachten können, sondern es tatsächlich ein gesamtgesellschaftliches Thema ist, und dass wir selbst vielleicht auch etwas für eine Strategie in dem Sinne, wie Frau Dr. Kappert-Gonther es vorgeschlagen hat, tun müssen, um Schwerpunkte zu bilden und zu schauen, was regional eigentlich vorhanden ist und wo Lücken in den Angeboten sind. Das sollte uns meines Erachtens gemeinsam in der Gesundheitsdeputation einmal umtreiben, und wir sollten uns vielleicht auch anschauen, wie der Istzustand ist und wie die regionalen Angebote aussehen.

Trotz der Anstrengungen der Aufsichtsbehörden der Länder sowie anderer Akteure im Arbeitsschutz und trotz der Bemühungen vieler Betriebe kann man aber sagen, dass es bisher nicht gelungen ist, die Bedeutung psychischer Beanspruchungen in der Arbeitswelt wirklich so zu bearbeiten, wie das wünschenswert ist. Das Arbeitsschutzgesetz bietet zwar eine ausreichende Grundlage für Beurteilungen aller Gefährdungen, aber es sollte für arbeitsbedingte psychische Belastungen, noch einmal geprüft werden, ob man es nicht doch weiter, unter Umständen in einer Verordnung, konkretisiert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Mit anderen Bundesländern hat Bremen aktuell eine Initiative gestartet, zusammen mit dem Bundesgesetzgeber entsprechende gesetzliche Ergänzungen auf den Weg zu bringen. In der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie haben sich die Länder, der Bund, die Unfallversicherungsträger und die Sozialpartner auf das Ziel Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung verständigt. Für die zweite Periode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie in den Jahren 2013 bis 2018 wird die Umsetzung dieser Zielsetzung gemeinsam verfolgt. Unsere Anstrengungen werden sich unterstützend in die nationale Strategie einpassen können. Ich hoffe, dass wir da zu einer guten gemeinsamen Beratung kommen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/441, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Quelltext für Überwachungssoftware Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 8. Mai 2012 (Drucksache 18/408)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Hamann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Quelltext für Überwachungssoftware klingt nach einem Orchideenthema, das nur ein paar Leute interessiert. Ich möchte kurz erläutern, worum es geht, und um breite Zustimmung für unseren Antrag werben.

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen sich ein Auto, und im Kaufvertrag für das Auto steht, Sie dürfen nur bei der Tankstelle A tanken und den Motorraum nicht öffnen, Sie dürfen also nicht in Ihr Auto hineinschauen! Niemand von uns würde ein solches Fahrzeug kaufen. Bei der Beschaffung von Software ist es im Normalfall aber so, dass man eine schwarze Kiste kauft und gar nicht genau weiß, was die Software macht. Man braucht also, um Software zu verstehen, den Quelltext. Der Quelltext ist die Ansammlung von Programmierzeilen. Da haben sich Menschen viel Arbeit gemacht, um das zum Laufen zu bekommen.

Warum will man das? Welche Vorteile ergeben sich daraus? Wir haben es intensiv diskutiert, und wir sehen drei Vorteile. Vorteil Nummer eins: Man hat einen gewissen Investitionsschutz! Wenn man eine Software kauft, die Firma dann aus irgendwelchen Gründen Bankrott macht und man den Quelltext nicht hat, dann hat man eine Software, für die man viel Geld ausgegeben hat, aber man kann zum Beispiel keine Erweiterungen mehr vornehmen.

Vorteil Nummer zwei: Vertrauen! Wenn man eine Software hat, kann man hineinschauen, man kann sehen, was die Software macht, und man kann verstehen, was die Software macht, man weiß also um die Funktionen. Hier kommt die Tagesaktualität hinzu. Wir hatten das auch schon einmal hier aufgerufen im Rahmen einer Fragestunde, der sogenannte Staatstrojaner! Da ist eine Software für Überwachungsmaßnahmen gekauft worden, und hinterher stellte sich heraus, die Software hat deutlich mehr gemacht, als eigentlich bestellt worden ist.

Vorteil Nummer drei: eine bessere Qualität! Ich weiß, wovon ich spreche, weil ich selbst in diesem Bereich tätig bin. Wenn ich als Programmierer ein Stück Software erstelle und weiß, der Kunde kann darauf schauen, dann muss ich mich ein bisschen mehr anstrengen, als wenn es eine schwarze Kiste ist, die ich ab––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

liefere. Das sind drei Vorteile, die gerade wir als Staat nutzen sollten, wenn wir Geld ausgeben, denn es sind immerhin Steuergelder. Es geht hier teilweise um interessante Summen, die aufgerufen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe eben schon kurz den sogenannten Staatstrojaner erwähnt. Die Debatte haben wir alle noch im Kopf. Zum ersten Mal war die Software, die dann analysiert worden ist – ich möchte mich ausdrücklich beim CCC, dem Chaos Computer Club, bedanken, der das durchgeführt hat –, in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ breit abgedruckt; da konnte man sich das anschauen. Man hat also herausgearbeitet, dass diese Software, weil es eben eine schwarze Kiste ist, deutlich mehr tut, als sie eigentlich soll, und das birgt Gefahren. Aktuell war Anfang der Woche in der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Die Zeit“ zu lesen, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte, Herr Schaar, genau das bemängelt hat, dass das bei der Überprüfung dieser Software nicht festgestellt werden konnte, weil er keinen Einblick in den Quellcode, in die Software bekommen hat. Daher ist das Thema heute aktueller denn je.

Ich möchte also für diesen Programmpunkt Werbung machen und noch kurz unsere Beschlüsse vorstellen, die sie im Text finden. Erstens: Es ist anzustreben, dass bei der Beschaffung von Software für Ermittlungszwecke, für Überwachungstatbestände der Quelltext zur Verfügung gestellt wird. Zweitens – auch das wird nicht ganz einfach sein, aber wir gehen davon aus, dass der Senat sich bemühen wird –: Es ist zu prüfen, wie das bei bisher beschaffter Software ist, dass man das nachholen kann. Drittens: Es ist sicherzustellen, dass Software, die für Ermittlungszwecke eingesetzt wird, keine Funktionen enthält, die nicht hinein sollen, die nicht bestellt worden sind.

Das Problem dabei ist, man kann bei Software leicht prüfen, ob die bestellten Funktionen enthalten sind – das ist relativ simpel –, man kann aber nicht prüfen, ob bestimmte Funktionen nicht vorhanden sind, das geht nicht. Das kann ich nur dann machen, wenn ich diesen Quelltext habe. Daher bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann meinem Vorredner, Herrn Hamann, komplett zustimmen, würde aber gern die Debatte um ein, zwei Punkte erweitern und an dem ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

letzten Punkt anknüpfen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat vor zwei Tagen noch einmal versucht, bei jener Firma aus Hessen, die diesen Staatstrojaner für das Bundeskriminalamt entwickelt hat, den Quelltext erneut einzusehen. Das ist nicht gelungen. Anschließend gab es einen Streit darüber, was denn der Bundesdatenschutzbeauftragte, wenn er das eingesehen hat, der Öffentlichkeit mitteilen darf. Da war die Sachlage völlig klar, nämlich gar nichts! Interessant ist, dass die Firma, die das hergestellt hat, dem Auftraggeber nicht mitteilt, welche Funktionen diese Software enthält, und auf Anfrage nicht einmal bereit sein muss, sie herauszugeben.

Entsprechend gab es vor einigen Jahren das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass bei heimlichen Überwachungen und beim Einsatz von elektronischen Mitteln der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung besonders zu schützen ist. Man muss sich vorstellen, was der Umstand bedeutet, wenn eine Firma eine Software entwickelt und sie dem Auftraggeber verkauft, aber der Auftraggeber nicht in der Lage ist zu wissen, welche Funktionen diese Software noch beinhaltet, oder für den Fall – wie Herr Hamann auch gut dargestellt hat –, dass die Firma Bankrott macht und man Veränderungen oder Erweiterungen an der Software vornehmen möchte, was dann gar nicht mehr möglich ist.

Wenn es um die Anschaffung von Überwachungssoftware geht – auch wenn sie für Ermittlungszwecke ist –, stecken darin öffentliche Gelder, und ich denke, die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu erfahren, was so eine Software kann und was nicht. Die Politik ist in der Pflicht, auf Nachfrage und auf eigene Initiative herauszufinden, was diese Software kann und was nicht. Verstößt sie gegen Bundesdatenschutzrichtlinien? Verstößt sie gegen Landesdatenschutzrichtlinien? Liegen eventuell Verstöße vor, die gar nicht mit der Landesverfassung vereinbar sind?

Um all dem vorzubeugen, haben wir diesen Antrag vorgelegt. Die Beschlussteile hatte Herr Hamann schon genannt. Wir Grüne sind strikt dagegen, wenn hoheitliche Aufgaben outgesourct werden und anschließend keinerlei Kontrollen mehr möglich sind. Damit tun wir uns nicht nur schwer, sondern wir sind strikt dagegen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der Datenschutz sowie wirksame Kontrollen von Dritten müssen gewährleistet sein, gerade dann, wenn solch heikle Software bestellt wird. Das kann man entsprechend unterbinden, wenn man in Bremen diesem Antrag, den wir heute auf den Weg bringen werden, Rechnung trägt, dass bei der Bestellung von Software, wenn Verhandlungen mit der Privatwirtschaft stattfinden, die genannten Beschlusspunkte eingehalten werden, damit man jederzeit den Quelltext einsehen, Veränderungen vornehmen, aber auch

der Öffentlichkeit mitteilen kann, was eine Software kann und was nicht. Entsprechend bitte ich um Zustimmung! – Ich bedanke mich an dieser Stelle!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hamann hat schon darauf hingewiesen, der Chaos Computer Club hat im letzten Herbst aufgedeckt, dass es nicht nur diese Bundestrojaner oder den BKA-Trojaner gibt – das wussten wir alle –, sondern er hat eben auch den Funktionsumfang dieser Trojaner untersucht und festgestellt, dass diese Überwachungsprogramme technisch deutlich mehr konnten, als vom Verfassungsgericht erlaubt war. Mit der vom CCC gefundenen Software war es beispielsweise möglich – das haben meine Vorredner eben noch nicht erwähnt –, den vollen Zugriff auf die Rechner von Verdächtigen zu erlangen. Das ist natürlich ein massiver Grundrechtsverstoß, und das ist auch ein illegaler Eingriff in die Privatsphäre, denn eigentlich war bisher nur erlaubt, beispielsweise Telefonate mit Skype mitzuhören, also ähnlich wie bei der herkömmlichen analogen Telefonüberwachung.

Diese Software, die von diversen Landesämtern eingesetzt worden ist und auch in Bremen zum Einsatz kam, hatten die Behörden mit vier Millionen Euro bei der privaten Firma DigiTask angeschafft, und angeblich war den Behörden beim Einsatz nicht bekannt, dass die Software über illegale, verfassungswidrige Funktionen verfügte. Dazu muss man sagen, ähnliche Programme werden von deutschen Unternehmen weltweit ausgeliefert, unter anderem wurden sie auch an Mubarak und Assad geliefert, und sie wussten sehr genau, was sie konnten und was sie nicht konnten.

Ich glaube dem BKA, ehrlich gesagt, nicht, dass in Deutschland nur die wenigen Funktionen, die erlaubt waren, genutzt worden sind, obwohl die Software viel mehr konnte. Ich finde das etwas naiv. Wir vermuten, dass die Sicherheitsbehörden, die eigene IT-Spezialisten haben – und genau sie sind diejenigen, die Überwachungsprogramme einsetzen können – sehr wohl wissen, was sie tun. Dafür spricht auch der interessanterweise unter Verschluss gehaltene Bericht vom Bundesdatenschützer, Herrn Schaar, den Herr Hamann eben erwähnt hat, der den Sicherheitsbehörden genau in dieser Frage massive Versäumnisse vorwirft. Deswegen habe ich das noch einmal erwähnt.

Wir haben uns zunächst gefreut, als Ihr Antrag angekündigt war, aber er greift uns an einem zentralen Punkt zu kurz. In Ihrem Antrag fordern Sie, dass ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.