Diese Alternativen haben nur ein wesentliches Manko: Es gibt dafür in Deutschland derzeit keine Mehrheit. Mehrheitsfähig war einzig und allein der ESM, und auch dessen Mehrheit war bedroht, und zwar durch massiven Widerstand der schwarz-gelben Koalition und den massiven Widerstand in dieser Koalition, die mittlerweile völlig irritiert ist über die Erzählungen ihrer eigenen Bundeskanzlerin. Die Bundeskanzlerin hatte in der Abstimmung über den ESM, wie das Ergebnis gezeigt hat, keine Kanzlermehrheit im Bundestag.
Genau aus diesem Grund, weil sich das vorher auch schon abgezeichnet hat, hat sie zuerst einmal sehr lange gezögert und gezaudert und dann das Junktim zwischen dem ESM und dem Fiskalpakt herge
stellt mit dem klaren Kalkül, dass sie nur mit diesem Junktim der gleichzeitigen Zustimmung zu ESM und Fiskalpakt die Mehrheit für den ESM in der eigenen Koalition finden wird.
Ohne die Zustimmung von SPD und Grüne zum Fiskalpakt wären der Kanzlerin die eigenen Abgeordneten scharenweise von der Fahne gegangen, und es hätte wahrscheinlich auch keine Zweidrittelmehrheit für den ESM gegeben. Was dann? Feuerfrei für die Spekulanten? Hilflos zuschauen? Darauf hat, Herr Rupp, DIE LINKE, soweit ich das sehe, bislang keine realitätstüchtige Antwort, sondern sie hat nur die Forderung nach Alternativen, für die es derzeit erst recht keine Mehrheit in Deutschland gibt. Das ist in meinen Augen Realitätsverweigerung, und die kann sich zwar die Partei DIE LINKE erlauben, aber nicht die SPD, die Grünen und die von ihnen regierten Bundesländer. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen! – Danke!
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 29. Juni haben Bundestag und Bundesrat mit klarer Mehrheit die Gesetze zur Einführung des Fiskalpakts und des Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, beschlossen und damit wichtige Weichen für die Stabilität des Euro gestellt. Der Fiskalpakt ist für die Stabilität des Euro und Europas und für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung. Der Fiskalpakt ist ein starkes Signal für ein starkes Europa, und ein starkes Europa brauchen wir gerade in Zeiten der Krise besonders.
Ich freue mich deshalb, dass nach schwierigen Verhandlungen auf nationaler und europäischer Ebene – und da haben es sich wirklich nicht alle leicht gemacht – mit den Gesetzentwürfen zur Schaffung einer Fiskalunion und eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus ein überparteilicher Kompromiss gefunden wurde, den auch die Bremische Bürgerschaft mittragen kann. Die Überwindung der Vertrauenskrise an den Finanzmärkten und die nachhaltige Verbesserung der Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Europa wird die Folge dieser Gesetzgebung sein.
Dass Sie, Herr Rupp und Frau Vogt – ich will gar nicht weiter darauf eingehen, Sie sind hier in diesem Haus schon ausreichend gewürdigt worden –, diesen
Konsens nicht mittragen, gut, das verwundert uns nicht, insbesondere deshalb auch schon nicht, weil Herr Gysi ja auf Bundesebene sogar die europäische Schuldenkrise leugnet, also was konnten wir mehr erwarten? Es bleibt aber trotzdem sehr unverständlich.
Die Europäische Union mit unserer gemeinsamen Währung, das will ich sagen, ist die größte politische Errungenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, dafür tragen wir gemeinsam die Verantwortung, und dieser gilt es auch gerecht zu werden.
Was bedeuten aber – und das habe ich hier heute noch gar nicht gehört – der Fiskalpakt und der ESM eigentlich nun für Bremen? Für die Bürgerinnen und Bürger von Bremen und Bremerhaven bedeuten die beschlossenen Gesetze vor allem – ebenso übrigens wie für 500 Millionen Einwohner der Europäischen Union –, dass sie sich weniger Sorgen um ihr Erspartes machen müssen. Die Stabilität unserer Währung wird durch beide Gesetze deutlich gestärkt.
Für Bremen bedeuten die Verhandlungsergebnisse der Länder mit dem Bund auch, dass Bremen mehr Geld für soziale Projekte vom Bund erhält, für den Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen, für Menschen mit Behinderungen und die Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung. Das entlastet den angespannten Haushalt von Frau Stahmann, entbindet Bremen allerdings nach wie vor nicht von dem sparsamen Umgang mit den Geldern. 580 Millionen Euro erhalten die Länder als einmalige Zahlung für den Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen.
Allerdings muss ich an dieser Stelle sagen, hat es mich schon sehr verwundert, sehr geehrter Herr Bürgermeister Böhrnsen, dass Sie in einer Pressemitteilung am letzten Freitag den Vorwurf geäußert haben, Frau Schröder, die Bundesfamilienministerin, wolle die Gelder nach ihrem freien Gusto verteilen. Da bin ich gespannt, denn völlig klar ist auch, dass das Bundesfamilienministerium vor einer Herausforderung steht, diese zweckgebundenen Mittel für den Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen nicht nach einem alten Verteilungsschlüssel wie in der Vergangenheit zu verteilen. Es gibt schließlich auch Länder, die keinen Bedarf haben, und umgekehrt gibt es Länder wie Rheinland-Pfalz oder Sachsen, die man für ihre Ausbaubemühungen erst einmal nicht bestrafen darf, und dann gibt es Länder wie Bremen, die bis heute den Ausbau noch nicht ausreichend geschafft haben.
Es ist doch völlig klar, dass hier die Gelder nach einem neuen, aktuellen Verteilungsschlüssel verteilt werden müssen. Insofern finde ich die Kritik sehr voreilig. Wir sollten erst einmal warten, wie gerecht und nach welchen Kriterien nun die Gelder verteilt werden. Ich bin mir sehr sicher, dass Bremen, weil der Ausbau bis heute nicht gelungen ist, ganz sicher auch Geld erhalten und nicht benachteiligt werden wird.
Auch die angekündigten Reformen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen und die Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung werden die Kassen der Kommunen von Bremen und Bremerhaven doch deutlich entlasten. Dadurch entstehen neue Spielräume in diesem Bereich, die Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, politisch klug nutzen sollten.
Des Weiteren entstehen für Bremen keine Anforderungen – das ist auch ein Verhandlungsergebnis –, die über die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zur Begrenzung der Neuverschuldung in den Haushalten der Länder hinausgehen. Die Haushaltsautonomie wird nicht berührt, und der Bund haftet für den Fiskalpakt im Außenverhältnis.
Ich denke, dass wir Bremer, Deutsche und Europäer mit den beschlossenen Gesetzen zufrieden sein können, auch wenn die Verhandlungen von allen Seiten nicht leicht waren. Europäische Solidarität, wenn auch nicht als Einbahnstraße, ist ein Fundament der Europäischen Union, das wir mit dem Fiskalpakt und ESM deutlich gestärkt haben. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Dr. Kuhn, Sie dürfen mich gern dumm, dreist, unbelehrbar und Ähnliches schimpfen, damit habe ich überhaupt kein Problem.
Ich hatte aber gedacht, bisher vermeiden wir das Niveau, Argumente des jeweils anderen dadurch zu diskreditieren, dass man diese mit Rechtsextremisten oder rechten Parteien gleichsetzt. Das finde ich schwierig, dieses Niveau bin ich hier nicht gewohnt. Alle anderen persönlichen Beleidigungen können Sie sich ausdenken, wie Sie wollen, damit habe ich überhaupt kein Problem. Das ist für mich immer nur ein Zeichen, dass es möglicherweise auf der inhaltlichen Ebene mangelt.
Hier aber zu sagen, unsere Haltung zum Fiskalpakt oder zum ESM ist deswegen nicht richtig, weil es die Rechten auch machen, das finde ich schwierig.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich habe es nicht gesagt!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Wir können uns unsere Bündnispartner nicht aussuchen. Wir werden nicht verhindern können, dass insbesondere rechtsradikale Parteien einen Teil von verworrener Soziallogik aufnehmen und so weiter. Das werden wir nicht verhindern können, deswegen heißt das noch lange nicht, dass wir mit denen unter einer Decke stecken, dass wir mit denen gemeinsame Sache machen (Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wer hat denn das behauptet?)
oder dass man uns in die gleiche Schubladen steckt. Ich wäre froh, wenn wir dieses Niveau wieder verlassen. Ich würde sagen, dieses Niveau der persönlichen Beleidigung reicht, und das kann ich auch ertragen. Alles andere finde ich schwierig.
Wir haben uns ziemlich genau angesehen, was der Staatsgerichtshof zu der Frage Beteiligung der Bürgerschaft geurteilt hat, als wir gesagt haben, wir wären gern daran beteiligt, als es darum ging, der Schuldenbremse zuzustimmen oder sie abzulehnen. Der Staatsgerichtshof hat sehr ausführlich begründet, dass das Ansinnen der Bürgerschaft und nicht eines einzelnen Ausschusses, sondern der Bürgerschaft als solcher, dass über diese Fragen informiert und beschlossen werden soll, richtig ist.
Wir finden, es gibt hier keinen Beschluss der Bürgerschaft, bei dem wir sagen, wir stimmen diesem Fiskalpakt zu.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Stimmt nicht! – Bürgermeis- ter B ö h r n s e n: Das Letztere stimmt!)
Es gibt einen Beschluss des Ausschusses. Möglicherweise haben wir da andere Rechtsauffassungen, wir müssen das jetzt auch nicht klären. Wir werden unseren Antrag gleich abstimmen, und damit ist es auch geklärt. Ich will nur darauf hinweisen, das als dumm oder dreist zu bezeichnen – –. Lesen Sie doch einfach noch einmal dieses Urteil durch, dann werden Sie feststellen, dieser Vorwurf, dass wir die Landesverfassung zumindest beugen, ist weder dumm noch dreist, das ist wohlbegründet! Wir wollen eigentlich, dass das in Zukunft anders wird.
Wir können gern an dieser oder anderer Stelle noch einmal über unsere Alternativen zum ESM und zum Fiskalpakt diskutieren. Das sprengt hier den Zeitrahmen. Wir haben dreimal fünf Minuten Redezeit.
Zu behaupten, wir hätten keine anderen Lösungen, das ist eine Erfindung von Ihnen, das ist einfach nicht wahr. Wir haben sowohl zum ESM als auch zum Fiskalpakt vernünftige Lösungen. Beim Fiskalpakt haben wir eine Lösung: so nicht! Wenn Sie noch eine Be
gründung brauchen, wiederhole ich das gern: Schauen Sie in das Papier von Herrn Dr. Bovenschulte und Herrn Professor Dr. Fisahn hinein, da bekommen Sie von vorn bis hinten jede Menge Argumente, warum es nicht richtig ist, einen solchen Fiskalpakt abzuschließen. Manchmal ist es auch eine Alternative, einen Fehler nicht zu machen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Mohr-Lüllmann hat hier ein sehr optimistisches Zukunftsbild gezeichnet, was uns künftig erwarten soll. Sehr romantisch, aber leider auch sehr naiv! Man muss der Tatsache ins Auge blicken, dass dieser Fiskalpakt, wie ich es eingangs gesagt habe, mit Risiken verbunden ist, und zwar mit beträchtlichen Risiken. Er ist insbesondere dann mit Risiken verbunden, wenn er in einer einseitigen Weise als Freifahrtschein zu einer rigiden und kurzsichtigen Austeritätspolitik interpretiert wird, nämlicher einer Politik der drastischen Ausgabenkürzung, einer Politik des drastischen Sozialabbaus und einer Politik des allseitigen Drucks auf die Löhne. Wohin eine solche Politik führt – wir sehen ja, dass sie praktiziert wird und es in der Tat Akteure gibt, die auch den Fiskalpakt genau in dieser Weise und vorrangig interpretieren möchten –, sehen wir nicht nur in Griechenland und in Portugal, das sehen wir zunehmend und besorgniserregend in Spanien, und es beginnt allmählich auch schon in Italien. Diese Austeritätspolitik, die von den glühensten Verfechtern dieses Fiskalpakts sehr wohl gewollt ist und billigend in Kauf genommen wird, ist ökonomisch verfehlt, sozial brutal und politisch, das sehen wir, wenn Wahlen sind, auch ein Spiel mit dem Feuer. Es ist deshalb richtig, dass bei der Frage der Zustimmung im Vorfeld von der SPD und den Grünen die Zustimmung an ein Investitions- und Wachstumsprogramm geknüpft worden ist, und zwar nicht an eines, bei dem man sagen könnte, es sei nur klein gewesen, und man hätte die Vorhaben ohnehin gemacht. Die Umstände haben gezeigt, es hat zumindest dazu geführt, dass noch einmal ein sehr großes Poker darum gemacht worden ist. Dieses Programm ist gerade jetzt in diesem Umfeld wichtig. Man muss auch sehen, es ist ein punktuelles Programm, während der Fiskalpakt ein langfristiges strukturelles Programm ist. Vor allem in dieser langfristigen Hinsicht drohen Risiken. Man muss es aber so sehen: Es besteht auch kein zwingender Grund, dass die Auswirkungen des Fiskalpakts so kommen werden, wie sie DIE LINKE besonders befürchtet.
Warum? Die Reduzierung der Neuverschuldung und der Abbau der strukturellen Haushalte führen nämlich nicht zwangsläufig über den Weg von Ausgabenkürzungen. Diesen Eindruck möchten die Verfechter dieses Fiskalpakts nachhaltig verankern. Er ist aber nicht richtig, er ist falsch, denn man kann dieses Defizit auch über die Einnahmeseite verringern. Das ist der Punkt, der in den nächsten Jahren verstärkt in den Vordergrund rücken wird.
Der Fiskalpakt wird deshalb nicht automatisch eine chronische Austeritätspolitik nach sich ziehen, er wird vielmehr sukzessive die Frage weniger Ausgaben oder mehr Einnahmen zuspitzen.
Darin ist eine Dialektik angelegt, über die sich auch diejenigen, die jetzt noch dem Fiskalpakt in großem Optimismus applaudieren, noch wundern werden, so wie Frau Bürgermeisterin Linnert es heute angesprochen hat. Mit der Schuldenbremse, mit dem Fiskalpakt wird die Verteilungsfrage in diesem Land sehr viel deutlicher gestellt, und sie wird nicht mehr verdeckt werden, indem man die Schulden in die Zukunft verschiebt.
Wie diese Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann beantwortet wird, ist zumindest offen. Mein historischer Optimismus ist da jedenfalls deutlich größer als bei der LINKEN. – Danke!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal ein Argument von Frau Dr. Mohr-Lüllmann aufgreifen! Sie sagte, für Bremen ist diese Form von Fiskalpakt gar kein Problem, weil es insbesondere bis zum Jahr 2019 für Bremen keine Folgen hat, weil eventuelle Strafzahlungen gedeckt sind. Im Gegenteil, wir haben sogar noch einen Vorteil davon, weil wir jetzt Verhandlungen mit dem Bund aufgenommen haben. Es gibt mehr Investitionen für Kindertagesstätten und vieles mehr. Ich wünschte, dass ich diesen Optimismus teilen könnte.