Protocol of the Session on June 7, 2012

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bremen setzt sich – das wurde hier schon mehrfach gesagt, aber ich will das an dieser Stelle auch noch einmal betonen – im Bundesrat dafür ein, dass für Bremen keine Steuerausfälle entstehen und dass in Deutschland das Verfassungsgebot, nämlich die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, stärker wieder zur Geltung kommt, als das im Moment der Fall ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Von Bremen selbst gehen Initiativen aus, zum Beispiel wie zuletzt bei der Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Viele von Ihnen wissen auch, dass sich Bremen sehr stark bei der Reform des Gesetzes zur Erhebung der Grundsteuer engagiert, damit sie endlich

verkehrswertbasiert geschehen kann, wie es gerecht wäre und auch den Verfassungsvorgaben entspricht.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Was ist ge- recht?)

Gerecht ist es, wenn die Grundsteuer nach dem Wert der Immobilie und des Grundstücks erhoben wird und nicht nach irgendwelchen alten Werten aus Versicherungspolicen aus den Sechzigerjahren.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist ge- recht!)

Steuerfragen sind Fragen, die etwas dazu beitragen. Wie gerecht geht es eigentlich in einem Land zu? Steuerfragen haben etwas mit sozialem Frieden zu tun, und Steuerfragen – das merkt man auch an der Debatte, da geht es dann ganz ordentlich zur Sache – zeigen auch einen Weg dahin, welches Verständnis man eigentlich vom Staat hat, und da gibt es in der Tat Unterschiede hier im Haus.

Der Senat, für den ich hier spreche, möchte gern einen ausreichend ausgestatteten und handlungsfähigen Staat. Steuern erhebt man nicht zum Vergnügen. Gegen eine Welt, in der man sie gar nicht bräuchte, hätte ich auch nichts, leider habe ich keinen anderen Vorschlag gehört, wie wir es schaffen sollen, Kindergärten und Schulen zu finanzieren und ordentliche Straßen bauen. Diejenigen, die glauben, dass das Paradies in den Ländern liegt, in denen man möglichst wenige Steuern erhebt, sind längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Wer mit Unternehmerinnen und Unternehmern spricht, hört, es komme gar nicht so sehr auf den realen Steuersatz an, sondern darauf, dass sie verlässliche Bedingungen, einen funktionierenden Rechtsstaat und einen Sozialstaat mit einem Niveau vorfänden, das den Standort stärkt. Das kann man nur dann erreichen, wenn man ausreichend Steuereinnahmen generiert.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Deutschland im Hinblick auf die Vermögensbesteuerung im OECD-Vergleich ein Niedrigsteuerland sein soll. Diejenigen, die hier den Untergang des Abendlandes an die Wand malen, wenn man sich an der Vermögensbesteuerung zu schaffen macht, bleiben einfach die Antwort darauf schuldig, warum in den Ländern und Gesellschaften, in denen die Vermögensteuer – also Erbschaftsteuer und Vermögensteuer zusammen gesehen – deutlich höher ist als in Deutschland, das Miteinander trotzdem ganz gut funktioniert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Rupp hat den Eindruck gehabt – das bedauere ich auch –, dass wir einer Ermahnung oder eines Anstoßes zur Erarbeitung einer Vermögensteuerinitiative der Länder bedürften. Das ist nicht der

Fall, sondern wir haben uns auf der Ebene der Finanzminister verständigt – Bremen hat da seine Aufgaben –, dass wir uns dort die verschiedenen Tätigkeiten teilen. Wir sind im Bereich der Grundsteuer tätig und haben vorher die Fragen des Spitzensteuersatzes bearbeitet. Das war auch wieder unter Federführung Bremens, jetzt hat Rheinland-Pfalz die Federführung bei der Erarbeitung von verschiedenen Modellen zur Vermögensbesteuerung.

Die verschiedenen Modelle liegen meinem Hause wie auch den anderen A-Ländern im Entwurf zuzüglich eines konkreten Gesetzesentwurfs vor, und zwar seit dem 11. April. Jetzt hat die Finanzverwaltung begonnen – auch die in meinem Hause, und wir können auch gern darüber berichten, das ist alles gar nicht geheim –, die Parameter in den Gesetzesentwürfen kleinzuarbeiten sowie steuerfachlich und verteilungspolitisch zu bewerten.

Ich habe auch zu einigen Teilen des ausgearbeiteten und vorgeschlagenen Entwurfs – ich glaube, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hamburg waren vor allem die federführenden Länder – noch eine ganze Menge Diskussionsbedarf. Wir wollen dann schauen, dass wir uns auf der Länderebene möglichst weitgehend einigen. Sie können ganz sicher sein, wenn es eine Initiative ist, von der wir fachlich überzeugt sind – und bei der wir uns auch mit unseren Änderungsvorschlägen und unserer Kritik einbringen werden –, dass Bremen dann selbstverständlich dabei sein wird. Es entspricht nämlich unserer Auffassung, dass die Vermögensbesteuerung in Deutschland verbessert werden muss.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Glocke)

Frau Bürgermeisterin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Ja, sehr gern!

Bitte, Herr Rupp!

Frau Bürgermeisterin, der Kollege Herr Dr. Kuhn hat gesagt, Sie hätten die Frage geprüft, ob man auf Landesebene eine Vermögensteuer einführen kann. Gibt es die Möglichkeit, dass Sie zumindest unsere Fraktion und vielleicht auch den Haushalts- und Finanzausschuss über das Ergebnis dieser Prüfung unterrichten?

Ja, selbstverständlich! Wir haben das geprüft. Das wollte ich auch gerade sagen.

Erst einmal will ich noch sagen, dass wir an Modellen beteiligt sind, wie man das Debakel, das sich bei der Erbschaftsteuer gerade erwartungsgemäß

abzeichnet – Bremen hat ja im Bundesrat bei dem Modell, das jetzt leider gilt, auch nicht mitgestimmt –, behebt. Wir sind Mitglied in einer Arbeitsgruppe, um zu einer schnellen Lösung zu kommen, falls das Bundesverfassungsgericht erwartungsgemäß die geltende Erbschaftsteuerregelung für verfassungswidrig erklärt. Wir müssen schnell handeln, weil es sein kann, dass dann auf einmal gar keine Erbschaftsteuer mehr erhoben werden kann.

Es gibt einige, die das gern wollen, darauf wollen wir vorbereitet sein, und Bremen ist da auch mit einer wichtigen Rolle beteiligt. Es hat sich herausgestellt – das Stichwort fiel auch schon –, dass massenweise auf einmal privates Vermögen als Betriebsvermögen deklariert wird, um zu verhindern, dass überhaupt noch Erbschaftsteuer gezahlt wird. Auch da spielt Bremen eine wichtige Rolle, darauf können Sie sich verlassen!

Die von Ihnen angesprochene Prüfung, ob es möglich ist, in Bremen eine Landesvermögensteuer zu erheben, fällt ganz eindeutig aus, und ich kann Ihnen auch gern das geben, was die Verwaltung dazu aufgearbeitet hat, und wenn Sie wollen, können Sie das vielleicht im Haushaltsausschuss – das steht Ihnen ja frei – auch besprechen. Die Gründe sind hier auch schon genannt worden, es ist unzulässig, weil es sich in dem Bereich im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung gar nicht um eine Gesetzgebungskompetenz der Länder handelt. Der Bund hat sie und nimmt sie auch wahr. Die Tatsache, dass er das Gesetz dort liegen lässt, gilt juristisch gesehen – moralisch gesehen nicht, das finde ich auch! – als Wahrnehmen seiner Gesetzgebungskompetenz, und deshalb haben wir diesen Spielraum hier ganz eindeutig nicht.

Setzen Sie sich jetzt doch lieber hin!

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Ich habe ge- dacht, die Antwort ist jetzt zu Ende, und jetzt darf ich mich setzen! – Heiterkeit)

Entschuldigung! Natürlich, es war auch ein neuer Gedanke!

Frau Piontkowski hat schon darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit der Föderalismusreformkommission die Möglichkeit erörtert worden ist, ob man den Ländern die Möglichkeit gibt, eine Vermögensbesteuerung mit eigener Gesetzgebungskompetenz durchführen zu können. Ich kann Ihnen sagen, das ist ja so kritisiert worden, Sie hätten das ja haben können oder ähnlich, insofern ist das auch ein ganz tiefgehendes Schiff, wenn man so etwas initiiert. Derjenige, der das macht – die Bundesländer entwickeln sich wie die Gesellschaft auch zwischen arm und reich immer weiter auseinander –, der wird dafür sorgen, dass es Bundesländer gibt, die diese Steuern erheben werden müssen, und dann wird es welche geben, die versuchen werden, die Steuer für sich als Standortfaktor zu nutzen, obwohl ich nicht

glaube, dass die Menschen wegen eines Prozentpunktes umziehen, aber trotzdem wird das zu einer Weiterentwicklung des Auseinanderdriftens beitragen, und deshalb muss man sich ganz genau überlegen, was man da macht.

Als ich vor einigen Tagen mit meiner einundachtzigjährigen Mutter darüber gesprochen habe – und es beschäftigt sie als alte Frau –, wie man es eigentlich regelt, einen Staat zu organisieren, der stark und handlungsfähig ist, sodass sie in Frieden darüber nachdenken kann, wie es ihren Enkelkindern geht, da hat sie gesagt: Ich verstehe nicht, warum alle dieses Theater um die Vermögenssteuer machen, ich komme aus der Nachkriegszeit. Das Wort Lastenausgleich fiel schon. Man hat denjenigen, die es geschafft haben, in das freie Deutschland zu kommen oder auch durch die Bombenangriffe ihr gesamtes Vermögen verloren haben, einen Lastenausgleich gewährt.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Deswegen 1952 diese Steuer!)

Dieser Lastenausgleich betrug 50 Prozent des Vermögens, das diejenigen hatten, die es nicht verloren hatten. Den Lastenausgleich konnte man über 30 Jahre lang abbezahlen; 50 Prozent auf das bestehende Vermögen! Wenn Sie das einmal mit dem vergleichen, worüber wir hier heute sprechen, wenn es um die Vermögenssteuer geht, dann weiß ich wirklich – –.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist ein dämlicher Vergleich! Das ist aber mit Bre- men nicht zu vergleichen!)

Nein, es ist nie mit irgendetwas zu vergleichen, das weiß ich auch! Dass es aber möglich ist, in prosperierenden Zeiten Substanz zu besteuern, Vermögen abzuschmelzen – –.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Klar ist das möglich! Wir können auch alle enteignen!)

Wir können auch alle enteignen, ja! Das will hier in diesem Hause aber, glaube ich, niemand.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Doch!)

Sie setzen sich mit dem Argument überhaupt nicht auseinander!

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Doch!)

Sie müssen doch akzeptieren, dass aus Sicht eines Staates, der übergeordnete Gesichtspunkte im Auge haben muss, auch die Frage zu beachten ist, wie gerecht es hier eigentlich zugeht und wie wir denn darauf reagieren,

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Richtig! Was macht er mit meinem Geld?)

dass in den letzten Jahren trotz aller gegenteiligen Behauptungen Reiche reicher und Arme ärmer geworden sind. Welches Rezept haben Sie denn dagegen? Oder ist das Rezept der CDU, wir lassen es weiterlaufen, damit Reiche noch reicher und Arme noch ärmer werden?

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Die reichsten zehn Prozent in Deutschland besitzen über 61 Prozent des gesamten Vermögens. Wollen Sie das denn? Finden Sie das denn richtig? Glauben Sie denn, dass das eine dauerhaft gute und stabile Grundlage für eine Gesellschaft ist? Ich glaube das nicht, und der Senat glaubt das auch nicht. Wenn man sagt, man glaubt das nicht, dann muss man eine Idee entwickeln, wie man sich diesem angeblich ja dem Kapitalismus innewohnenden Effekt entgegenstemmt. Wenn Sie das aber nicht wollen, dass er dem Kapitalismus innewohnt, dann müssen Sie eine Idee entwickeln, wie man etwas dagegen unternehmen kann. Da bin ich gespannt!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das wäre eine tolle Rede für die nächste Handelskammer!)

Das oberste Zehntel der Bevölkerung verdient achtmal so viel wie das unterste. Deutschland nimmt im OECD-Vergleich einen Spitzenplatz bei der Auseinanderentwicklung ein. Noch einmal: Welche Antwort haben Sie darauf? Ich kann nur sagen, man achtet möglichst bei allem, was der Staat unternimmt, darauf, ob es Verteilungswirkungen in die eine oder in die andere Richtung verursacht. Das machen wir. Das Ammenmärchen aber, dass eine Substanzbesteuerung in Deutschland nicht erlaubt sein soll, finde ich, erzählt man möglichst nicht weiter.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Gibt es doch! Substanzbesteuerung!)

Frau Piontkowski hat ausgeführt, es sei keine Substanzbesteuerung möglich, oder es sei nicht statthaft und nicht erlaubt. Natürlich ist das erlaubt! Ich glaube, dass man vor dem Hintergrund der in Deutschland angehäuften, zum Teil sehr hohen Vermögen dazu kommen sollte, eine Erbschaftsteuer zu beschließen, die diesen Namen auch verdient,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)