Protocol of the Session on June 7, 2012

Sie wollen hier jetzt, dass Bremen der Initiative Bayerns, Sachsens, Mecklenburg-Vorpommerns, Hamburgs, Schleswig-Holsteins und Niedersachsens folgt, um gemeinsame Abituraufgaben aus einem Pool zu stellen. Sie behaupten, zentrale Abschlussprüfungen machen die Leistungen vergleichbar, sorgen so für mehr Gerechtigkeit, und das würde dazu dienen, die Qualität des Unterrichts und der Leistungen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Diese Debatte ist keineswegs neu. Seit den Siebzigerjahren existieren Einheitliche Prüfungsanforderungen, EPA, die im Rahmen der Kultusministerkonferenz entwickelt wurden, Vorgaben für Lehrpläne beziehungsweise die Kerncurricula der Länder liefern und einen Rahmen für Prüfungsaufgaben festlegen.

Seit dem Jahr 2008 arbeitet das ebenfalls von der Kultusministerkonferenz beauftragte Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an bundesweiten Bildungsstandards. Das, was Sie jetzt vorhaben, führt keineswegs zum Erfolg, das will ich auch noch einmal ganz klar sagen. Wir haben in Bremen nicht trotz, sondern wegen eines landesweiten Zentralabiturs ungleiche Bildungschancen zwischen den Abiturienten in Gröpelingen und Schwachhausen. Es gibt dort nämlich ein enormes Gefälle. Damit ist auch klar, dass einheitliche Prüfungen keineswegs einheitliche Standards und erst recht keine einheitlichen Chancen auf einen qualifizierten Schulabschluss bringen.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Bevor wir hier in Bremen die Hausaufgaben in den armen Stadtteilen nicht erledigt haben, gehen alle Gedanken an ein Sich-messen-Wollen mit Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und wem auch immer an der Realität vorbei. Außerdem kann das Zentralabitur die Hoffnungen der CDU gar nicht erfüllen. Die Pädagogikprofessorin Dr. Katharina Maag Merki von der Universität Zürich hat in Zusammenarbeit mit dem Bildungsforscher Professor Dr. Eckhard Klieme vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung am Beispiel von Bremen und Hessen in einer bis zum Jahr 2012 laufenden Langzeitstudie die Effekte von zentralen Abiturprüfungen untersucht. Das Ergebnis ist ziemlich klar. „Das Zentralabitur“ – ich zitiere – „sorgt dafür, dass alle die gleichen Aufgaben lösen müssen. Wie aber die Ergebnisse dann zu bewerten sind, ist unklar.“ Ein Zitat aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 11. Februar 2011!

Eine Längsschnittstudie der Universität DuisburgEssen analysiert die drei naturwissenschaftlichen Prüfungsfächer Biologie, Chemie und Physik am Beispiel von vier Bundesländern. Hier wird unter anderem festgestellt, dass ungeachtet der aktuellen fachdidaktischen Diskurse, altersnahe oder authentische Probleme und Situationen im naturwissenschaftlichen Unterricht abzubilden, die meisten Abituraufgaben konservativ bleiben und den modernen Kontextbegriff praktisch nicht berücksichtigen.

Auch Aufgaben, die zur Transferleistung und auf die Problemlösung von der Bearbeitung komplexer Fragen zielen, kommen in den Abituraufgaben selten vor. Das ist, ehrlich gesagt, auch vom bayerischen Abitur seit 30 Jahren bekannt. Wir wissen alle, dass es wesentlich höhere Abiturquoten in Bayern gibt, aber wir wissen auch, dass die Aufgaben im Vergleich zu anderen Bundesländern eher, ich sage einmal, konservativ bescheiden sind und Nordrhein-Westfalen eine wesentlich höhere Ausreißerquote nach oben hat, was den Leistungsstandard angeht.

Beide Studien sagen also, ein Zentralabitur führt weder zu gleichen Chancen, weil die Bewertung ungleich bleibt, noch zu besseren Schulabschlüssen. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab und halten es an dieser Stelle einmal mit der Bildungssenatorin, die vor drei Monaten hier in einer Debatte gesagt hat, wir brauchen eine gezielte Ungleichbehandlung, Verteilung von Ressourcen nicht per Gießkanne, sondern anhand von sozialen Indikatoren! – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. vom Bruch, Sie haben ja schon vermutet, dass es die große Einheitlichkeit der vorangegangenen Debatte bei diesem Thema nicht geben wird, und ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist. Während es sich in der vorangegangenen Debatte tatsächlich um die Behandlung eines Problems handelte, geht es bei Ihrem Antrag um ganz viel heiße Luft.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Zum wiederholten Mal versuchen Sie als CDU, den Eindruck zu erwecken, als wären die Hochschulzugänge in den unterschiedlichen Bundesländern unterschiedlich viel wert. Ich sage ganz deutlich, das ist infam, denn Sie schüren damit Sorgen und Ängste von Jugendlichen und Eltern, und das ohne jeden Grund! ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Selbstverständlich gibt es einheitliche Anforderungen im Abitur in allen Bundesländern, das ist doch gar keine Frage, und das gibt es auch ohne Zentralabitur. Bereits im Jahr 2007 hat das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen von der Kultusministerkonferenz den Auftrag bekommen, entsprechende Bildungsstandards für Deutsch, Mathematik und die erste Fremdsprache zu entwickeln. Im Jahr 2008 wurde beschlossen, dass das Ganze in einen Aufgabenpool mündet, der dann allen Bundesländern zur Verfügung gestellt wird.

Im März dieses Jahres wurde festgelegt, dass den Ländern dann zwischen den Jahren 2013 und 2016/ 2017 dieser Aufgabenpool zur Verfügung steht. Die Arbeitsgruppen, an denen alle Länder beteiligt sind und die mindestens zwei Fächer zu bearbeiten haben, sind tätig. Es geht alles seinen Gang. Herr Dr. vom Bruch! Wenn auch weiterhin alles ungestört seinen Gang geht und Bayern nicht stört, dann werden wir im Herbst tatsächlich die Bildungsstandards verabschieden. Im Moment scheint Bayern das Land zu sein, das irgendwie nicht mehr das Interesse hat. So viel sage ich einmal zu Ihrem Ansatz, wir brauchen unbedingt die Gemeinsamkeit.

Mit Ihrem Antrag fordern Sie nun einen Aufgabenpool vor der Einigung über die Bildungsstandards, das heißt doch, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Sie haben auch im Jahr 2011, wenn ich das richtig sehe, einen ähnlichen Antrag gestellt, in dem Sie eine Beteiligung am sogenannten Mehr-Länder-Abitur gefordert haben. Damals waren es noch acht Bundesländer, die den Schritt, schon vorher einen Aufgabenpool entwickeln zu wollen, gegangen sind; jetzt sind es noch sechs Bundesländer. Auch wenn Sie Hamburg hier an vielen Stellen zitiert haben: Hamburg ist längst nicht mehr so davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist! Daher ist alles auf dem Weg. Ich sage einmal, im Oktober könnte die KMK darüber beschließen, und dann werden wir die Aufgaben in einem Aufgabenpool auch den Bundesländern spätestens im Jahr 2016 zur Verfügung gestellt haben.

Lassen Sie mich aber an dieser Stelle auch noch einmal kurz auf die Bedeutung dieser Aufgaben eingehen, von denen Sie ja hier derartig gewichtig reden! Die Abiturprüfungsaufgaben bilden später ein Drittel der Abiturnote. Zwei Drittel des Abiturs resultieren aus dem Unterricht der gymnasialen Oberstufe. Die Grundlage eines solchen Unterrichts sind Bildungsstandards. Damit wird festgelegt, was die Jugendlichen am Ende eines Schuljahres in einem Fach können müssen. Deshalb sind sie von zentraler Bedeutung, und deshalb ist es gut und richtig, dass wir gemeinsame Bildungsstandards haben und sie hoffentlich im Oktober mit Bayern auch verabschiedet werden.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Lassen Sie mich auch ganz kurz auf die zentralen Prüfungen eingehen! Auch in Bremen haben wir in verschiedenen Fächern mittlerweile ein Zentralabitur. Die Erfahrungen zeigen sehr deutlich, dass es sich für die Lehrkräfte – ich habe davon eine ganze Menge in meinem Bekanntenkreis – durchaus als Arbeitserleichterung erwiesen hat, weil die Vorbereitung solcher Prüfungen enorm aufwendig ist. Viele Widerstände, die damit verbunden waren, sind durchaus so gar nicht mehr vorhanden.

Aber es gibt nach wie vor die Sorge, auch aus der ganz konkreten Erfahrung, dass der Unterricht vorher zu sehr auf diese Aufgaben fokussiert, dass es also eine Vorbereitung auf Prüfungen gibt und dass eben viele Dinge, die sonst im Unterricht eine Rolle gespielt haben, hinten herunterfallen. Das passiert nicht böswillig, sondern weil die Lehrkräfte selbstverständlich die Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler haben und sie möglichst gut auf eine Prüfung vorbereiten wollen. Hier müssen wir ganz genau Obacht geben, dass für den zentralen Prüfungspool Aufgaben entwickelt werden, sodass so etwas eben nicht passiert. Das, finde ich, ist eine wichtige Aufgabe, der wir uns stellen sollten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Othmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. vom Bruch, ich glaube, Sie haben am Anfang versucht zu sagen, dass das Ziel ein gemeinsames ist. Ich würde dem gern zustimmen, wenn es wirklich so wäre, denn wir wollen in der Tat ähnliche Ansprüche bei den Abituraufgaben haben. Dafür – das ist von vielen ausgeführt worden – gibt es Arbeitsgruppen, die daran arbeiten. Vor zwei Wochen hat übrigens der Schulausschuss hier getagt und genau diese Standards beschlossen, sodass die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass wir im Herbst auch wirklich alle diese Standards verabschieden können und es dort Vergleichbarkeiten gibt. Das ist eigentlich gar nicht das Problem.

Ich war überrascht, dass Sie sagen, Bremen geht einen Sonderweg. Das ist nicht wahr! Alle 16 Länder haben einstimmig den Beschluss gefasst, Bildungsstandards zu entwickeln und Aufgabenpools zu erstellen. Dann ist von Bayern die Initiative ausgegangen: Lasst uns doch einmal etwas Besonderes machen, wir sind doch die Besten! Sie haben dann gesagt, wir machen noch einmal etwas Schnelleres und wollen dann aussteigen. Dann gab es einige Länder, die mitgegangen sind, am Anfang waren es acht – Frau Böschen hat darauf hingewiesen –, inzwischen

sind es nur noch sechs. Wollen wir einmal abwarten, was in Schleswig-Holstein passiert, und ich bin auch ganz gespannt, was im Januar in Niedersachen passiert! Es werden dann immer weniger, da bin ich ganz sicher. Das ist eine populistische Angelegenheit der „Südschiene“, die eigentlich sagen wollte, es reicht uns nicht, wir wollen ein bundesweites Zentralabitur.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Hamburg und Niedersachsen gehören, glaube ich, nicht zum Süden!)

Damit sind sie gescheitert, und daher gab es diesen anderen Weg. Bremen und andere Länder haben gesagt, diesen Populismus machen wir nicht mit, wir wollen vernünftige Standards entwickeln, aber wir wollen auch nicht, dass so getan wird, als ob alles ohne Unterschied behandelt wird. Deshalb gibt es den Aufgabenpool, und die Länder können sich da Aufgaben herunterziehen und dann auch als Erleichterung für die Schulen benutzen, aber der Standard wird vom IQB ordentlich geprüft, sodass man nicht mehr sagen kann, es gibt unterschiedliche Standards. Im Übrigen – Frau Böschen hat auch darauf hingewiesen –, ärgert mich richtig, dass hier in der Bürgerschaft von Ihnen vorgetragen wird, unsere Abiturienten seien schlechter. Im Prinzip sagen Sie das, und das ist falsch!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ich rede ja auch mit Bayern und Baden-Württemberg, und gelegentlich habe ich auch ehemalige Abiturienten aus Bremen, die in Bayern und BadenWürttemberg studieren. Sie sagen mir: Uns ist immer gesagt worden, wir seien nicht so gut. Mitnichten ist das der Fall! Ich habe überhaupt kein Problem, in Bayern und Baden-Württemberg jede Art von Studium durchzuführen. Wir lernen anders, wir lernen nicht auswendig, sondern wir werden an das Studium herangeführt, indem wir Kenntnisse und Fähigkeiten entwickeln, die uns in die Lage versetzen, gut zu studieren. Das hat nichts damit zu tun, dass wir einen großen Kanon auswendig lernen. Also hören Sie bitte damit auf, hier so zu tun, als seien unsere Abiturienten schlechter! Häufig wird das sogar noch mit den Ergebnissen der PISA-Studie verbunden, die damit gar nichts zu tun haben, weil es die Fünfzehnjährigen sind, die da untersucht werden. Diese Vermengung und Vermischung hilft uns nichts daher bitte ich Sie ganz herzlich – wir haben schon vor drei Monaten, glaube ich, Ihren Antrag hier diskutiert –: Wir sollten nicht solch eine Debatte führen, weil sie uns nicht hilft! Sie haben mehrfach Ties Rabe aus Hamburg angesprochen. Herr Senator Rabe ist KMK-Präsident, hat sich dieses Themas verschrieben und als KMK

Ich möchte mich dem nicht verschließen, wenn andere das machen, und wir prüfen das. Entschieden ist es noch nicht, dass Hamburg es wirklich macht. Bei genauerem Hinsehen ist Hamburg auch auf dem Weg, sich das noch einmal sehr genau zu überlegen; zu den anderen Ländern habe ich etwas gesagt.

Ich gehe davon aus, dass wir im Konzert der 16 Länder die beschlossenen Verbesserungen erzielen, indem wir es schaffen, dass wir nachweislich ein bestimmtes Niveau für alle 16 Länder haben wie im Saarland, um in der Tat sicherzustellen, dass die Niveaus überall gleich sind. Das wollen wir ja auch, aber wir wollen kein zentrales bundesweites Abitur.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Davon hat doch gar keiner geredet!)

Im Prinzip wollen die Bayern und diejenigen, die diesen Weg gehen, es damit vorbereiten, das steckt in Wirklichkeit dahinter, Herr Dr. vom Bruch. Das wollen wir nicht. Es geht organisatorisch nicht, und es wäre auch Unsinn.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, es ist richtig, dass wir in unseren Schulen und mit unseren Lehrkräften ein Abiturangebot machen sollen, das diese Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt, ordentlich zu studieren, und dazu brauchen wir nicht die „Paukschule“ und das „Paukabitur“ aus den süddeutschen Ländern und auch nicht aus Hamburg. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/305 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

„Legal Highs“ verbieten

Antrag der Fraktion der CDU vom 20. März 2012 (Drucksache 18/306)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Drogenmarkt unterliegt wie andere Geschäftszweige auch einer permanenten Entwicklung, denn immerhin sind auf diesem Feld enorme Gewinne zu erzielen und leider auch immer wieder Menschen, in der Regel – hier zumindest – junge Menschen, zum Ausprobieren beziehungsweise Einnehmen von Drogen zu verleiten. Mit unserem Antrag wollen wir den Senat auffordern, eine neue Droge unter der Bezeichnung „Legal Highs“ in den Fokus zu nehmen und die Aufklärungsarbeit darüber zu verstärken, also die Prävention deutlich in den Vordergrund zu stellen.