Protocol of the Session on June 6, 2012

Herrn Dr. Schuster gebeten – das muss allerdings noch per Senatsbeschluss und Gesellschaftsvertrag nachvollzogen werden –, den Aufsichtsratsvorsitz im Klinikum Bremen-Mitte zu übernehmen, weil wir die Konstruktion nicht gut fanden, dass die Geschäftsführung der GeNo zugleich die Aufsicht und Überwachung der jeweiligen Krankenhausstandorte durchzuführen hat. Sie sind zwar auf der Höhe des Balls, dass Herr Dr. Schuster Aufsichtsratsvorsitzender ist, er ist es aber erst seit Anfang März. Sie können ja einmal einschätzen, was, worüber und wen er in dieser Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender hätte überwachen, sich berichten lassen und auch beraten können.

Natürlich ist er gut informiert, und natürlich versuchen wir auch, Einfluss zu nehmen. Ich kann Ihnen auch inzwischen berichten, dass man manchmal in die Tischkante beißen möchte aufgrund dieser Konstruktion. Die besteht, weil es sich nicht mehr um kommunale Eigenbetriebe handelt und wir keine Möglichkeiten des direkten Zugriffs haben, sondern in der Tat nur überwachen und uns berichten lassen können, so wie Sie es in Aufsichtsräten auch können, und eben auch beraten können. Dazu gehört übrigens auch eine Geschäftsleitung, die sich beraten lässt. Die habe ich jetzt zum Glück. Ich sage das ganz bewusst.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir brauchen gerade jetzt keinen Wechsel, sondern wir brauchen gerade jetzt Kontinuität mit dieser neuen Geschäftsführung, mit uns beiden, die wir uns kräftig eingearbeitet haben. Ich sage es ganz ausdrücklich, wir brauchen die Kontinuität, weil wir das Klinikum Bremen-Mitte aus dem schwierigen Fahrwasser, in dem es ist, in das es auch in manchen Dingen durchaus selbstverschuldet hineingeraten ist, wieder auf Kurs bekommen müssen, denn es ist das Flaggschiff für alle Krankenhäuser der Gesundheit Nord. Wenn es dem Klinikum Bremen-Mitte schlecht geht, dann geht es der ganzen Gesundheit Nord schlecht, und deshalb ist gerade Kontinuität angesagt.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Bericht des Freiburger Instituts – ich habe ihn schon erwähnt, und vielleicht hat Herr Dr. Schuster in der Situation auch eine Zeit lang darüber nachgedacht, ob dieser Bericht gemeint ist – einer Visitation vom 23. und 24. November, das war also vor der Sanierung der neonatologischen Station, vorliegen. Der Untersuchungsausschuss kennt ihn, da ist auf Seite 11 unter Reinigungspersonal zu lesen, ich darf zitieren:

„Die Unterhaltsreinigung sowie die sachgerechte Durchführung der laufenden Desinfektionsmaßnahmen und der Schlussdesinfektion stellen einen wichtigen Bereich der Krankenhaushygiene und Infektionsprävention dar. An den Begehungstagen wurde über Defizite bei der Schulung des Reinigungspersonals und teilweise bei der Kapazität beziehungs

weise im Zeitmanagement berichtet. Hier sollte eine zielgruppenorientierte, leicht verständliche und praxisnahe Schulung in systematischer Form erfolgen, die durch klare piktogrammgestützte Arbeitsanweisungen unterstützt wird. In Risikobereichen sollte möglichst Stammpersonal eingesetzt werden, das mit den Besonderheiten des Bereichs und den spezifischen Anforderungen vertraut ist.“

Jetzt kommen die entscheidenden Sätze: „Im Bereich der neonatologischen Intensivstation ist diese Personalkontinuität bereits gegeben. Die vor Ort beobachtete Reinigungsleistung sowie das eingesetzte Equipment auf dem Putzwagen waren hygienisch einwandfrei.“

Das gleiche Institut, ein anderer Mitarbeiter! Beide sind, glaube ich, noch einmal eingeladen worden, zumindest der eine. Wir hätte gern – von unserer Seite, aber sicherlich auch der des Untersuchungsausschusses – über diesen Widerspruch, der eindeutig ist, eine Aussage. Dieses Gutachten, das vorher gemacht worden ist, diente dazu, die Begehung und Vorbereitung der Schulung, die ich vorhin genannt habe, in Auftrag zu geben. Daran sieht man aber, dass wir sehr wohl versuchen, etwas mit anzuschieben, damit Dinge in Gang kommen. Die neue Geschäftsleitung hat ja auch sofort auf die Merkwürdigkeiten reagiert, die einem auffallen, wenn man das liest, was jetzt wiederum die Begehung erbracht hat. Es muss aber, wie gesagt, in Beziehung zu dem gesetzt werden, was vorher an Aussagen vorhanden war und auch was wir an Entnahmen von Proben haben.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keinen Neuanfang in der Behörde, im Gegenteil, dort brauchen wir Kontinuität. Ich will gern mit Herrn Dr. Schuster weiterarbeiten, und ich habe deshalb auch erklärt: Es ist weder mein Stil, jemanden aufgrund einer solchen Angelegenheit zu entlassen, noch sehe ich an dieser Stelle überhaupt einen Grund. Ich finde, er ist an dieser Stelle stark konstruiert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir brauchen allerdings einen Neuanfang für das Klinikum Bremen-Mitte. Es wäre schön gewesen, wenn dies auch in Ihrem Antrag gestanden hätte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es, glaube ich, verdient, die Chance zu erhalten, das verloren gegangene Vertrauen durch gute Arbeit zurückzuholen. Sie haben es verdient, ohne Skandalisierung das Hygienemanagement zu verbessern und jede Schwachstelle, die vorhanden ist, auch aufzudecken, ohne dass sie skandalisiert wird. Sie haben es auch verdient zu zeigen, dass sie nicht schlechter sind als andere Kliniken. In Mainz, Passau, Siegen und Hamburg, überall dort gab es im letzten Jahr Keimausbrüche, leider auch mit Todesfällen. Wir, die Krankenhäuser, kämpfen alle – ich sage jetzt ausdrücklich wir, weil ich mich da mit einbeziehen will, wir

sind ja für die Hygiene im Land zuständig – gegen die Antibiotikaresistenz, insbesondere gegen diese gramnegativen Keime, die die Klebsiellen unter anderem darstellen. Sie sind eine große Herausforderung für alle Krankenhäuser und für alle Gesundheitsakteure.

Sie können sicher sein, das will ich hier versichern, insbesondere für Herrn Dr. Schuster und für mich, wir werden das mit Einsatz, Sorgfalt und wirklich allem, was wir an Zeit haben, tun. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/435 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Entwicklungsplan Partizipation und Integration

Mitteilung des Senats vom 20. März 2012 (Drucksache 18/307)

Wir verbinden hiermit:

Entwicklungsplan Partizipation und Integration als Instrument der Diversitätspolitik nutzen und Schwerpunkte setzen!

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 5. Juni 2012 (Drucksache 18/439)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Böhrnsen.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh.

Herr Präsident, meine Damen und Her––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ren! Ich möchte zu Beginn meinen Dank aussprechen. Ich möchte mich bei Frau Staatsrätin Professor Dr. Quante-Brandt herzlich für das Vorlegen des Entwicklungsplans Partizipation und Integration bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte aber auch dem Rat für Integration, der an dieser Konzeption sehr engagiert mitgearbeitet hat, meinen Dank aussprechen, weil er hier ehrenamtliches Engagement und Zeit für mehrere Stellungnahmen investiert hat. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Um zu wissen, wohin man geht, muss man wissen, woher man kommt. Das ist ein Gedanke, der in der Integrationspolitik eine große Rolle spielt. Integration ist nur möglich, wenn die eigenen Prägungen und die Herkunft einbezogen werden, verdrängen kann man sie nicht. Dieser Leitgedanke lässt sich auch auf den Umgang mit Projekten, Programmen und Maßnahmen der Integrationspolitik übertragen. In der praktischen Arbeit ist es gut zu wissen, woher man kommt, sagt uns die Projektgeschichte. Der Verlauf des jeweiligen Programms und auch die einfache Wahrheit unterstreichen die Bedeutung der Evaluation.

Wenn man sich diesen Entwicklungsplan anschaut, ist man von einer Vielzahl von Angeboten, die es ja im Bundesland Bremen bereits gibt, schon beeindruckt. Dabei ist es aber wichtig zu bedenken, dass wir ohne eine ehrliche Auswertung dieser Angebote ihren Nutzen und ihre Wirkung nicht kennen und damit nicht wissen, ob die Ziele, die angestrebt werden, erreicht werden. Wir wollen deshalb mit unserem Antrag die Schwerpunkte der Bremer Integrationspolitik festlegen.

In den nächsten beiden Jahren sollen Beschäftigung, Bildung und Ausbildung im Fokus stehen. Gerade bei den Indikatoren Beschäftigung und Bildung lässt sich messen, wie viel Integration bei den Menschen angekommen ist. Dabei wollen wir auch ehrlich die Frage stellen, worin wir noch besser werden müssen. Ich weiß nicht, ob sich in allen Fällen alle Träger selbst darüber im Klaren sind, wohin sie genau mit ihren Projekten wollen. Generell gibt es zwei Arten von Angeboten. Die eine Gruppe konzentriert sich auf die Vermittlung von Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten, die andere Gruppe stellt die Selbstorganisation und Selbsthilfe in den Vordergrund. Wir meinen, es wäre von Vorteil, wenn diese beiden Ansätze verknüpft und vernetzt, tatsächlich sogar verzahnt werden.

Insgesamt gesehen stellt der Entwicklungsplan ein überzeugendes integrationspolitisches Konzept dar. Er ist überschrieben mit der Selbstbekräftigung: Beteiligung fordern, Gemeinsamkeiten und Vielfalt stär

ken! Damit entspricht die Herangehensweise nicht mehr – wie so oft in den vergangenen Jahren – einer eher einseitigen Integrationsperspektive. Der Grundansatz, der darin erkennbar ist, hat eine diversitätspolitische Qualität. Meiner Ansicht nach kann dies gar nicht genug betont werden, denn es ist fast schon ein Paradigmenwechsel in der Bremer Integrationspolitik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Mit dem Konzept erkennt das Land Bremen gesellschaftliche Vielfalt als Normalität an, und Bremen zieht daraus praktische Konsequenzen. Der Entwicklungsplan geht von der Notwendigkeit aus, Partizipation und Integration unter Einbeziehung aller Ressorts und aller Verwaltungen voranzutreiben. Es ist ein ressortübergreifender Arbeitskreis eingerichtet worden, der diese Verklammerung der landes- und kommunalpolitischen Fachgebiete leistet. Damit konnte auch eine entscheidende Fehlstelle aufgearbeitet werden, die es laut Entwicklungsplan noch gibt. Ich bin sicher, dass es mit dieser ressortübergreifenden Arbeitsgruppe nicht nur organisatorische Effekte geben wird, sondern diese auch Auswirkungen auf die Arbeitsweise haben wird. Es wird auch inhaltliche Veränderungen bewirken und Bremen einen entscheidenden Schritt weiterbringen. Wir müssen aber unsere Aufmerksamkeit in Zukunft verstärkt auf die Bereiche und Handlungsfelder richten, in denen bis heute keine oder kaum konzeptionelle Defizite erkannt wurden. Es müssen aber auch die Bereiche, die in der Durchsetzung der integrationspolitischen Ziele noch nicht weit genug vorangeschritten sind, ehrlich und sorgfältig identifiziert werden, und zwar ohne falsche Scham oder Selbstbetrug. Wir müssen den Mut haben, um wirklich zu wissen, woher wir – integrationspraktisch gesehen – kommen und wohin wir gehen wollen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Tuchel.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Chancengerechtigkeit und Teilhabe für alle und die Möglichkeit, sich mit eigenen Potenzialen einbringen zu können, sind die Voraussetzungen für eine friedliche und gerechte Weiterentwicklung des Bundeslandes Bremen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Aus diesem Grund hat das Land Bremen einen Entwicklungsplan zur Regelung von Partizipation und

Integration verabschiedet. Bald ist es zwei Jahre her, dass das Buch eines ehemaligen Finanzsenators aus Berlin einen heftigen Streit zu den Themen Migration und Integration ausgelöst hat. Zu diesem Buch möchte ich heute nichts sagen, das haben schon genügend andere getan. Eines hat dieser ganze Vorgang gezeigt: Eine gesellschaftliche Diskussion über Erfolge und Misserfolge der deutschen Migrationsund Integrationspolitik war überfällig.

In Bremen hat fast ein Drittel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Es handelt sich um eine große, wachsende und sehr heterogene gesellschaftliche Gruppe. Teilweise leben die Familien der ehemaligen Zuwanderer hier in der dritten oder vierten Generation, und viele von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Es lassen sich persönliche Erfolgsgeschichten erzählen, genauso muss aber auch offen über Misserfolge gesprochen werden. Nach wie vor herrscht hier eine große Ungleichheit, die sich über alle gesellschaftlichen Bereiche erstreckt. Migrantinnen und Migranten sind zum Beispiel im öffentlichen Dienst, in Hochschulen, in Führungsetagen von Unternehmen unterrepräsentiert, aber sie sind bei den Schulabgängern ohne Schulabschluss überrepräsentiert.