Protocol of the Session on June 30, 2011

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Warten Sie einmal ab! Schauen Sie ein- mal!)

Jetzt einigt sich die Koalition, nachdem sie vehement dieses Ansinnen der Opposition abgelehnt hat, wenige Wochen später darauf, das zu machen. Ich sage, das ist aus meiner Sicht richtig, es ist gut, dass Sie sich unserer Auffassung mittlerweile angeschlossen haben.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt auch für den Bereich der Evaluation der Arbeitsmarktförderung. Da kommt auf Herrn Senator Günthner eine Menge Verantwortung zu. Zugegeben, er wird auch viele alte Bekannte treffen, da gerade im Bereich der Arbeitsmarktförderung mit der Bremerhavener Beschäftigungsgesellschaft „Unterweser“ oder mit dem Arbeitsförderungszentrum in Bremerhaven viele Sozialdemokraten auch im operativen Geschäft Verantwortung haben. Ich kann mir nur wünschen, meine Damen und Herren, dass die schwierige Balance zwischen den Erfordernissen des Arbeitsmarktes, den freien Stellen und der viel zu großen Schar derjenigen, die dringend darauf warten, Ausbildungsplätze zu bekommen und Arbeitsplätze zu erhalten, in Zukunft besser gelöst wird, als es in der Vergangenheit der Fall war. Wir brauchen eine Qualifizierung für den Arbeitsmarkt und keine Qualifizierungsmaßnahmen für Träger der Arbeitsmarktförderung. Wir haben eine Verantwortung für den Menschen und keine Verantwortung für irgendwelche Trägerstrukturen. Das wird eine große Aufgabe für den neuen Senator werden.

(Beifall bei der CDU)

Gleichwohl, obwohl in diesem Koalitionsvertrag vieles richtig ist, vermisse ich in Anbetracht der starken Kraft, die sich in diesem Parlament aus dem Wahlergebnis herleitet, den Mut, auch die wichtigen Ent

scheidungen zu treffen. Ich will es an vier kurzen Beispielen deutlich machen! Mir fehlt in dem Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. Ich finde viele Bekenntnisse zur sozialen Wirtschaft, ich finde eindrucksvolle Bekenntnisse zur Staatswirtschaft mit Rekommunalisierung und viele anderen Themen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Wachstum und Beschäftigung können in Bremen und Bremerhaven aber nur entstehen, wenn auch diese Koalition sich dazu bekennt, dass der Schlüssel für einen Sozialstaat darin liegt, dass immer mehr Menschen, möglichst alle, in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse kommen, und das wird uns nur gelingen, wenn neue Arbeitsplätze und wenn Wirtschaftswachstum in Bremen und Bremerhaven entstehen, und dazu enthält der Koalitionsvertrag keine oder die falschen Antworten, das ist Auffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion!

(Beifall bei der CDU)

Wo ist die Zielrechnung? Wo ist das wirtschaftspolitische Konzept? Welche Unternehmen sollen angesiedelt werden? Welche Investitionen sollen angereizt werden? Wo sollen neue Arbeitsplätze entstehen? Auf alle diese Fragen gibt der Koalitionsvertrag keine Antwort. Der ehemalige Wirtschaftssenator der letzten Legislaturperiode, Ralf Nagel, hat gesagt: Als ich mein Amt angetreten habe, habe ich leere Schubladen vorgefunden. Das ist ein Vorwurf an die Opposition seinerzeit gewesen. Das Problem ist aber auch: Nach vier Jahren sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik sind diese Schubladen immer noch leer. Es gibt kein einziges Konzept, wie in Bremen und Bremerhaven Wachstum und Beschäftigung und damit eben auch sozialer Wohlstand gesichert werden soll. Die Antwort im Koalitionsvertrag ist eine Nullnummer, das ist die Auffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben sich in der Vergangenheit natürlich auch noch über die Zeit retten können, weil Sie sogar bis kurz vor der Wahl noch von Entscheidungen der Vorgängerregierungen profitieren konnten. Ja, Herr Dr. Kuhn hat gesagt, die Party ist zu Ende, aber die Koalition hat weiter gefeiert. Ich sage nur CT 4, Kaiserschleuse,

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Offshore-Terminal, Fertigstellung der A 281, Überseestadt, das sind alles Maßnahmen, die noch zu Zeiten der alten Regierung eingeleitet worden sind, die Sie alle noch eröffnet haben in dieser Legislaturperiode, werden Sie aber nicht mehr von der Vorvorgängerregierung profitieren können, Sie müssen eigene Leistungen zeigen, und das wird die große Aufgabe in der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der nächsten Jahre sein, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Heiterkeit! Mal sehen!)

Die zweite gewaltige Herausforderung ist die Haushaltskonsolidierung. Darüber haben wir in der letzten Legislaturperiode lebhaft gestritten, und ich hätte gehofft, dass die Koalition mit der neuen Kraft der breiten Mehrheit hier auch den Mut hat, zu mutigeren und nachhaltigeren Entscheidungen zu kommen. Ich finde, in Anbetracht der Haushaltslage und der breiten Mehrheit ist es unverändert enttäuschend, dass Sie sich den enormen Sparverpflichtungen unseres Landes eben nicht konzeptionell, sondern wieder nur mit dem Rasenmäher nähern.

Meine Damen und Herren, sowohl der Präsident des Senats als auch die Finanzsenatorin haben den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl versprochen, dass sie sparen wollen, ohne dass es jemand merkt.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Nein, das stimmt so nicht!)

Die Rendite und die Unredlichkeit dieser Behauptung finden sich in diesem Koalitionsvertrag wieder. Sie wollen die Grundsteuer anheben mit der Folge, dass alle Mieterinnen und Mieter und alle Eigentümer von Wohnungen und Häusern in Zukunft mehr Geld an den Staat abführen sollen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das steht gar nicht darin! Grund- steuer steht gar nicht darin!)

Sie wollen die Gewerbesteuer anheben, Sie wollen eine Straßenreinigungsgebühr prüfen, Sie wollen sich so viel Geld von den Bürgerinnen und Bürgern holen, wie Sie brauchen, um Ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Richtig sparen kann man aber nur, wenn man seine eigenen Ausgaben auf die Notwendigkeit auch wirklich überprüft und nur das durchführt, das wirklich zwingend notwendig ist, meine Damen und Herren, und darauf finden Sie in dem Vertrag, obwohl Sie im Parlament eine breite Mehrheit haben, nicht die richtigen Antworten.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Was machen wir denn?)

In der inneren Sicherheit bleiben die großen Herausforderungen aus Sicht der CDU-Bürgerschaftsfraktion zum einen die Drogenkriminalität und zum anderen die zunehmende Gewaltbereitschaft von Jugendlichen und die sich daraus ergebende Jugendkriminalität.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Zunehmende? Können Sie keine Sta- tistik lesen?)

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Drogenpolitik schon allein deswegen im Mittelpunkt der inneren Sicherheit stehen muss, weil es aus meiner Sicht kein schlimmeres Verbrechen gibt, als Kinder und Jugendliche zum Genuss von Drogen zu verführen und sie von diesen gefährlichen Substanzen abhängig zu machen. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, dass Drogenkriminalität auch deswegen bekämpft werden muss, weil über die Betroffenen hinaus viele Menschen in Bremen und Bremerhaven unter den Folgen der Beschaffungskriminalität durch Einbruchdiebstähle, durch Diebstähle, durch Alltagskriminalität zu leiden haben. Deswegen muss der Schwerpunkt in der Innenpolitik darauf liegen, dass diese Drogenkriminalität mit allen zur Verfügung stehenden Maßnahmen bekämpft wird, das ist unsere Auffassung als CDU- Bürgerschaftsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

Da rächt sich, dass diese Regierung eben nicht den notwendigen Mut hat, aus der Kraft der Mehrheit auch zu den notwendigen Entscheidungen zu kommen.

Entgegen allen Versprechungen vor den Wahlen wird das Personal bei der Polizei gekürzt. Herr Senator Mäurer, wie wollen Sie das eigentlich umsetzen? Sie haben vor der Wahl Revierschließungen ausgeschlossen, Sie haben vor der Wahl Zusagen, was die Stärke der Polizei betrifft, gemacht.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Wie wollen Sie diese Zusagen eigentlich einhalten, wenn mit dem Rasenmäher auch bei der Polizei in Bremen und Bremerhaven gespart werden soll? So funktioniert effektives Sparen nicht! Man muss Schwerpunkte setzen und sich konzentrieren, und dazu hat diese Regierung bisher offensichtlich nicht den Mut gehabt.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vierte Punkt, zu dem ich kurz etwas sagen möchte und der auch in der Debatte schon eine Rolle gespielt hat, ist die Frage der Chancengerechtigkeit! Ich finde, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, wir haben mit dem Bildungskonsens in der letzten Legislaturperiode gemeinsam eine gute Grundlage dafür geschaffen, dass sich die Qualität von Bildung auch nachhaltig in Bremen und Bremerhaven verbessern kann. Ich kann Sie nur ermuntern, diesen Konsens nicht infrage zu stellen, erstens, weil er zwischenzeitlich über Bremen hinaus, zumindest was die CDU – ohne CSU – betrifft, Vorbildcharakter bekommen hat, zweitens aber auch deswegen, weil ich fest daran glaube, dass die Zukunft unserer Kinder, die Befähigung, am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Chancen zu haben und bestehen zu können, auch der Schlüssel dazu ist, die

sozialen Schwierigkeiten in den beiden Städten unseres Landes zu überwinden. Deswegen lese ich mit Aufmerksamkeit die Passagen im Koalitionsvertrag, die sich mit der Schulstruktur befassen. Wenn Sie sagen, mit der Schaffung der Oberschule sind wir unserem Ziel, einer Schule für alle, näher gekommen, dann kommt es schon sehr darauf an, mit welcher Betonung man diesen Satz liest.

Ich verlange von Ihnen, dass Sie sich an Geist und Inhalt des Bildungskonsenses halten, und der bedeutet, dass wir in Bremen und Bremerhaven ein gegliedertes Schulsystem behalten, dass wir Vielfalt auch durch freie Träger in der Schullandschaft halten und ausbauen und nicht auf Kosten der Bildung sparen. Das ist die Zusage aus dem Bildungskonsens, und ich erwarte, dass Sie das als diejenige, die es mit unterzeichnet und verhandelt hat, auch durchsetzen. Das ist unsere Erwartungshaltung an Sie, Frau Senatorin Jürgens-Pieper!

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ob daneben noch genug Zeit bleibt, sich auch um den Klinikumbau zu kümmern, ist eine Frage, die die Koalition beantworten muss. Leicht wird das sicherlich nicht! Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesen vier Schwerpunkten wollte ich zeigen, dass es auch Konflikte zur Regierung gibt.

Ich möchte aber auch kurz etwas zur Ressortverteilung des Senats sagen!

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt kommt es!)

Mit der Wahl von Frau Stahmann als künftige Sozialsenatorin zieht das erste Mal in der Geschichte Bremens seit dem Krieg eine Nicht-Sozialdemokratin –

(Zuruf: Falsch! Die CDU hat es einmal regiert!)

ja, ganz kurz! –, also in den letzten 40 Jahren das erste Mal ein Nicht-CDU-Mitglied und ein Nicht-Sozialdemokrat in die sozialdemokratische Herzkammer ein.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Sehr geehrte Frau Stahmann, dort liegen die Netzwerke, die Verpflichtung und die Abhängigkeiten dieser Stadt mit den regierenden Sozialdemokraten, und deswegen haben wir die Erwartungshaltung, dass es einen Kurswechsel in der Sozialpolitik in Bremen gibt, dass in Zukunft nicht mehr die Finanzierung von Trägern im Vordergrund steht, sondern die Übernahme von Verantwortung und die Gewährung von Chancen in den Vordergrund bremischer Sozialpolitik ge

rückt wird. Liebe Frau Stahmann, es geht nicht darum, möglichst viel Geld umzuverteilen, sondern es geht darum, möglichst vielen Menschen wieder eine Chance zu geben, inmitten unserer Gesellschaft anständig leben zu können. Das wird Ihre Verantwortung sein, und dabei wünschen wir Ihnen viel Erfolg und viel Glück!

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden den Senat heute mit den Stimmen der CDU-Fraktion nicht wählen. Das wird Sie nicht überraschen – Herr Dr. Güldner, das haben Sie früher auch nicht getan! –,

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

aber ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass wir, wie in der Vergangenheit auch, diese neue Regierung, wenn sie gewählt wird, mit aller Kraft auch aus der Opposition heraus unterstützen werden,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist ja nicht so viel!)

und zwar durch Konsens, wo Konsens erforderlich ist, Stichwort Bildung, durch Kontroverse, wo Kontroverse erforderlich ist, Stichwort Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik, aber immer an der Sache orientiert.

Ich möchte zum Schluss an Sie, die Abgeordneten aus der SPD-Fraktion und vom Bündnis 90/Die Grünen appellieren: Sie haben durch den Wählerauftrag eine enorme Kraft, die riesigen Probleme unseres Landes zu lösen. Haben Sie bitte auch den Mut, aus dieser Kraft Erfolge zu schöpfen! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)