Protocol of the Session on April 25, 2012

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Frehe.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! DIE LINKE hat einen Dringlichkeitsantrag bezüglich des Bildungs- und Teilhabepakets gestellt. Was liegt hier an? Was gibt es hier zu berichten? Warum haben wir das getan?

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Das haben wir uns auch gefragt!)

Das kann man sich bei jedem Antrag zu Recht fragen, und dann, finde ich, muss man das auch begründen können!

Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, wie eigentlich alles angefangen hat. Viele erinnern sich vielleicht noch, das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Hartz-IV-Sätze zwar nicht unbedingt zu ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

niedrig sind, aber die Errechnung doch sehr fehlerhaft oder sehr willkürlich erschien. Es gab dann lange Diskussionen zwischen den Parteien, auch in der Öffentlichkeit, wie damit umzugehen ist. Dann gab es letztendlich Verhandlungen im Bundesrat, und da hat sich dann, wie zu erwarten war, allerdings auch mit Unterstützung der SPD, die Version durchgesetzt, dass man den Hartz-IV-Satz zunächst einmal um fünf Euro erhöht, aber gleichzeitig ein sogenanntes Bildungsund Teilhabepaket auf den Weg bringen will.

Dieses Bildungs- und Teilhabepaket sollte dafür sein, dass die Teilhabechancen von eher bildungsfernen Familien und deren Kindern erhöht werden. Dazu gibt man jetzt die Möglichkeit und hat dafür Beträge eingestellt, von denen auch wieder viele gesagt haben, nun ja, vielleicht sind sie gar nicht besonders hoch oder zu niedrig – circa 10, 15 Euro –, davon kann man nicht einmal eine halbe Klavierstunde nehmen. Es ging ja immer um den Musikunterricht! Es ist auf den Weg gebracht worden, es wurde von Anfang an – das ist auch von vielen kritisiert worden – ein bürokratisches Monstrum, bei dem alle gefragt haben: Mensch, wie bekommt man das überhaupt hin? Ich denke, dass sich natürlich auch in Bremen die Sozialbehörde gefragt hat, wie man aus diesem Monstrum vielleicht noch etwas Sinnvolles machen kann. Da bin ich mit den Akteuren in Bremen auch ganz d’accord!

Ein wichtiger Aspekt, den ich an der Stelle auch noch einmal deutlich nennen will, ist, bei diesem Bildungs- und Teilhabepaket und dieser Idee von Frau von der Leyen darf man nicht vergessen, dass es ganz deutlich so etwas ist, wie der materialisierte, der fleischgewordene Thilo Sarrazin. Thilo Sarrazin hat im Grunde genommen den Takt vorgegeben und immer so schön geschrieben, dass man der Unterschicht nach Möglichkeit kein Geld in die Hand geben sollte, weil sie es sonst sowieso nur versaufen. Frau von der Leyen hat es dann aufgegriffen, denn sie hat genau das Gleiche gemacht und gesagt, wir machen ein Bildungs- und Teilhabepaket. Wir sprechen den Kindern im Rahmen von Hartz IV nicht etwa einen eigenen Beitrag zu oder fördern nicht einfach bestimmte Institutionen, sodass sie dann für alle ein besseres Angebot machen können, sondern man ist einfach hingegangen und hat gesagt: Geben Sie ihnen Bildungsund Teilhabegutscheine, die können sie nicht versaufen. Das ist im Grunde genommen die Parallelität. Ich finde, darauf muss man immer und auch noch einmal ganz deutlich hinweisen.

Das Besondere, das jetzt hier passiert, ist die Tatsache, dass es nicht nur ein bürokratisches Monster ist, das auf den Weg gebracht wurde, sondern es wurde gesagt, um es am Anfang nicht ganz so bürokratisch zu machen – das kann ich auch noch ein bisschen nachvollziehen –, sollten die einzelnen Leistungen zumindest bis zum Jahr 2014 nicht spitz abgerechnet werden. Es wurde einfach berechnet, wie viele Berechtigte es in den jeweiligen Länder gibt, und so

wurden dann Zuwendungen vom Bund einfach überwiesen. Man musste dabei nicht spitz abrechnen, das muss nach den Vorschriften erst ab dem Jahr 2014 erfolgen. Wir, DIE LINKE, aber auch die CDU und die sozial erfahrenen Bürger haben dann in der Deputation immer wieder gefragt, was jetzt passiert ist. Ist das Bildungspaket schleppend angelaufen, weil es so bürokratisch ist? Es gab dann Verbesserungen vonseiten des Ressorts. Ich erkenne durchaus auch an, dass es da Verbesserungen gegeben hat, sodass es mittlerweile besser läuft. Wir haben aber auch immer wieder gefragt: Jetzt wird nicht spitz abgerechnet, das Bildungs- und Teilhabepaket wird nicht so gut anerkannt, wie man es sich eigentlich gewünscht hätte oder es gedacht war, es bleibt ja noch Geld übrig, was passiert denn damit? Ich muss zugeben, wir haben dann gesagt, gut, das wird irgendwie im Ressort zurückbleiben, und dann werden Löcher gestopft. Das war auf der einen Seite zwar unbefriedigend, auf der anderen Seite aber auch in Ordnung, dann bleibt es im Ressort. Mehr, muss ich zugeben, haben wir nicht herausbekommen. Es ist, das muss ich auch deutlich sagen, bei dieser Suche und dieser unklaren Lage sogar dazu gekommen, dass wir im Haushalts- und Finanzausschuss zugestimmt haben, dass die 5,6 Millionen Euro – so viel soll es jetzt wohl sein – irgendwie anders verwendet werden. Weil wir dort zugestimmt haben und es in der Deputation nicht herausbekommen haben, waren wir an der Stelle immer ein bisschen ratlos. Dann haben wir aber Unterstützung von den Medien bekommen. Die „taz“ und auch der „Weser-Kurier“ haben nämlich noch einmal deutlich nachgefragt. Bei dieser Nachfrage hat sich dann tatsächlich herausgestellt, dass von den 16 Millionen Euro, die für das Bildungs- und Teilhabepaket nach Bremen geflossen sind, etwa 7,6 Millionen Euro ausgegeben wurden, es wurden circa 1,4 Millionen Euro für die Verwaltung veranschlagt, und die verbliebenen 5,6 Millionen Euro sollen dann im Endeffekt – nach meiner Rechnung sind es zwar mehr, das wissen wir aber nicht so genau, heute wurde dann aber aus dem Sozialressort bestätigt, dass es sich um 5,6 Millionen Euro gehandelt haben soll – dann wieder in den Gesamthaushalt zurückgeflossen sein.

(Glocke)

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wir haben doch eine Debatte nach der Geschäftsordnung vereinbart, und ich habe eine Redezeit von zehn Minuten. So ist das!

(Unruhe – Zurufe)

Es tut mir leid, ich habe extra nachgeschaut, deshalb habe ich mir auch den Luxus gegönnt, ein bisschen auszuholen.

Entschuldigung! – Bitte, Herr Erlanson!

Um darauf zurückzukommen: Es ist einfach der Punkt, wir haben an der Stelle festgestellt, dieses Geld bleibt jetzt noch nicht einmal im Ressort, sondern es fließt in den Gesamthaushalt, wozu auch immer! Wir haben eine zeitlang vermutet zur Schuldentilgung. Jetzt wird zwischendurch gesagt: Nein, das Geld ist in eine alte Rechnung geflossen, die das Sozialressort noch offen hatte. Das ist aber eigentlich gar nicht der Punkt! Der entscheidende Punkt ist, dass das Geld, das für dieses Bildungs- und Teilhabepaket, also für bedürftige Familien und Kinder, verwendet werden sollte, fließt jetzt wieder, wenn es nicht verwendet worden ist, in den Haushalt. Das empfinden wir, gelinde gesagt, schon als einen Skandal!

(Beifall bei den LINKEN)

Mensch, ich bin in einer schwierigen Lage, ich will diese U3-Plätze schaffen, aber ich bekomme vom Senat nicht genügend Geld. Dann kann man sagen, ja gut, da sind 5,6 Millionen Euro gewesen, die nicht in Ihrem Ressort geblieben sind. Sie sind nicht dazu verwendet worden, um zum Beispiel weitere U3-Plätze zu generieren, sondern sie gingen wieder in den Haushalt zurück und wurden für irgendetwas anderes vermanscht. Wir sagen da: Das ist erst einmal ein Skandal! Am Ende haben wir in unserem Dringlichkeitsantrag drei Punkte formuliert. Erstens: Wir fordern den Senat auf, einen Bericht zu den tatsächlichen Zahlen zu erstellen, auf den man sich dann beziehen kann, denn wir kennen den einen Teil nur aus der Zeitung, und wir wissen ein bisschen etwas aus dem Haushalts- und Finanzausschuss.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ein bisschen etwas? Frechheit!)

Ich sage, ein bisschen etwas! Das hätten wir gern ganz eindeutig! Zweitens: Wir würden gern wissen, wie viele Mittel bisher verwendet worden sind, wie viele übrig geblieben sind und wohin die übrigen Mittel tatsächlich gegangen sind. Drittens: Wir würden natürlich auch gern eine Festlegung dazu haben, dass zumindest für den zukünftigen Zeitraum, denn erst ab dem Jahr 2014 wird ja für das Bildungs- und Teilhabepaket spitz abgerechnet, garantiert wird, dass die Mittel dann tatsächlich im Sozialressort bleiben. Das war unser erster Beitrag zu diesem Thema! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei den LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn, da Herr Erlanson auf die Historie Wert gelegt hat, noch einmal betonen, dass seitens der Koalition hier und auch seitens der Sozialdemokraten im Bund das bürokratische Verfahren für das Bildungs- und Teilhabepaket nie das Ziel gewesen ist, wie wir es hier erlebt haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

In dem Punkt sind wir uns dann einig! Ich komme jetzt zu den Punkten, bei denen wir uns nicht einig sind und bei denen ich auch Ihre Wortwahl der Skandalisierung als den eigentlichen Skandal empfinde!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie zeigen hier deutlich, dass Sie von der Finanzpolitik nach wie vor nichts verstehen.

(Erneuter Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie verstehen nach wie vor nicht, dass, wenn Sie Mehrausgaben haben, Sie die Ausgaben an anderer Stelle kompensieren müssen. Sie haben nach wie vor die Grundsätze der Haushaltskonsolidierung nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eines sollte Ihnen doch auch klar sein, oder zumindest sollten Sie darüber informiert sein, wenn Sie solch einen Antrag stellen: Es liegt keine Zweckbindung für diese Mittel vor. Dieses Geld hat keine Bänder.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber sie hatten eine moralische Zwecksbindung!)

Über die Moral können wir reden, und die Moral heißt, dass wir die Moral in Politik gießen wollen. Auf den Punkt komme ich! Nun zur Sache: Wir haben insgesamt 16 Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen, davon sind Mittel im Bereich Soziales wie auch im beteiligten Bereich Bildung nicht ausgegeben worden. Diese Mittel sind im Übrigen nicht zur Auszahlung gekommen, weil aufgrund des bürokratischen Verfahrens das Ganze nur auf Antrag funktioniert. Dass Bremen dabei gut dasteht, sehen Sie doch an Ihrem eigenen Antrag, wenn Sie selbst schreiben, dass die Antragsquote in Bremen mit 66 Prozent deutlich höher ist als mit 20 Prozent im Bundesdurchschnitt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das heißt, die Regierung hat hier gut und richtig gearbeitet, und wenn das so ist, dann haben wir einen Rest. Jawohl, wir haben einen Rest, aber wir haben den Rest doch nicht einfach genommen und damit Schulden getilgt. Daher sollten Sie sich die Haushalte wirklich ansehen! Sie sollten sich ansehen, dass es im Bereich Bildung Mindereinnahmen gab, die zum Teil damit abgedeckt worden sind. Es gab Verlustvorträge, die aus den vorangegangenen Jahren im Bereich Soziales gekommen sind, die damit abgedeckt worden sind.

(Zuruf des Abg. R u p p [DIE LINKE])

Herr Rupp, Sie sollten doch auch wissen, dass wir lange vor dem Bildungs- und Teilhabepaket hier in Bremen genau das gemacht haben, was das Bildungsund Teilhabepaket wollte. Das heißt, wir haben dafür in der Vergangenheit schon massiv bremische Eigenmittel eingesetzt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das, was wir dann haushaltstechnisch tun, ist, dass wir die zusätzlichen Bundesmittel, die wir haben, nutzen, um die bremischen Eigenmittel zu reduzieren, und das Ganze passiert im Rahmen der Einhaltung des Konsolidierungspfads. Daher kann ich überhaupt nicht verstehen, dass Sie hier von einer Skandalisierung sprechen. Dies ist ein korrektes Haushaltsgebaren, und dies ist auch ein Gebaren, das sich an den politischen Zielen orientiert, nämlich Kinder und Jugendliche für mehr Bildung und Teilhabe zu erreichen. Nun zu den Punkten, die in Ihrem Antrag stehen! Sie sollten zumindest aus dem Haushalts- und Finanzausschuss wissen, dass festgelegt worden ist, dass im Rahmen der Berichterstattung über die Sozialleistungen insbesondere das Bildungs- und Teilhabepaket ein gesondertes Kapitel bekommt, und Sie werden diese Informationen dort finden. Daher ist es eine Forderung, die ins Leere geht, weil es sowieso schon gemacht wird. Auf den zweiten Punkt, die Verwendung, habe ich soeben hingewiesen! Ich finde, das, was Sie hier heute deutlich machen, ist nichts anderes als Ihre Unkenntnis in den Haushaltsangelegenheiten und leider auch noch die Fehldeutung in der Sache.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich kann für die Koalitionsfraktionen, zumindest für unsere Fraktion, eines deutlich sagen, wir werden die Mittel des Bildungs- und Teilhabepakets, so, wie das in diesem wahnsinnig bürokratischen, von uns nicht gewollten Verfahren nur möglich ist, nämlich auf Antrag, weiterhin zur Verfügung stellen. Wenn

100 Prozent erreicht werden, ist es umso besser, dass dies geschieht, weil dies auch genau der politischen Zielsetzung entspricht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir werden uns aber auch nicht der finanzpolitischen Verantwortung entziehen, und deshalb können wir Ihren Antrag nur ablehnen! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Liess hat die Pointe schon entfaltet: DIE LINKE will einen Bericht, den sie mehrfach – ich betone mehrfach – schon bekommen hat, und sie kritisiert einen Beschluss, dem sie selbst zugestimmt hat. Man selbst kann es jetzt einen Skandal nennen, daraus einen Antrag zu machen, man kann es aber auch ein bisschen lächerlich finden. Den Bericht haben Sie unter anderem am 2. März in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses mit der Vorlage „Bericht über die Entwicklung der Sozialleistungen 2011“ bekommen. Auf den Seiten 36 und 37 ist es detailliert aufgeführt. Das, was Sie hier mit großen Worten einfordern, ist auf zwei Seiten ganz genau dargelegt. Das Gleiche gilt auch in zusammengefasster Form für den Abschlussbericht des Produktgruppenhaushalts 2011. Sie haben diese Informationen, und wenn Sie da nicht hineinschauen, dann ist das nicht unser, sondern Ihr Problem, das muss ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)