andersetzung, die kritische Diskussion und die Frage, wen man unterstützt, und wo man dann doch Bedenken, Sorgen, Vermutungen in den Vordergrund stellt. Ich möchte mich bei allen Fraktionen dafür bedanken, dass wir in der heutigen Debatte alle gemeinsam die Solidarität mit den Menschen in Syrien in den Vordergrund gestellt und betont haben, was wir hier in Bremen tun können, was wir tun sollen, und dass wir das gemeinsam machen. Das möchte ich hervorheben, weil ich glaube, das ist das Wesentliche an der heutigen Debatte! – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zuständigkeit für die Außenpolitik liegt in der Bundesrepublik bei der Bundesregierung. Aber die Sorge um die Menschenrechte, der Schutz, die Achtung und der Kampf um die Menschenrechte liegt, und das ist hier heute mehrfach zu Recht gesagt worden, bei uns allen, bei jedem und jeder von uns!
Deswegen ist es nicht nur legitim, sondern es ist auch richtig und notwendig, dass wir uns hier und auch gerade im Parlament mit der Situation in Syrien befassen. Es ist aus meiner Sicht ein guter Teil der bremischen politischen Kultur, dass wir uns an vielerlei Stellen nicht nur mit uns beschäftigen, sondern den Blick weiten, gerade auf die Fragen von Solidarität. Das tun wir zum Beispiel, indem wir den Bremer Solidaritätspreis verleihen, auch da kümmern wir uns, wie kürzlich mit Blick auf Myanmar, Burma oder Birma genannt, um die Oppositionsbewegung. Wir sind als Stadt Bremen Teil des großen weltweiten Städtebündnisses „Städte gegen die Todesstrafe“ und an vielerlei Stellen mehr. Deswegen teile ich alles, was hier heute zur Einschätzung der Lage in Syrien gesagt worden ist.
Mir geht es wie Ihnen allen auch, eine gewisse Ratlosigkeit macht sich breit. „Spiegel Online“ – Frau Dr. Mohr-Lüllmann hat auf die jüngsten schrecklichen Meldungen über den Tod von zwei Journalisten hingewiesen – hat heute auch andere Berichte zur Lage in Syrien, nämlich auch zur Angst von Minderheiten in Syrien mit Blick darauf, was nach dem Sturz Assads kommt beziehungsweise was sich im Rahmen dieses doch schon zur humanitären Katastrophe entwickelten Konflikts tut. Das vergrößert doch die Ratlosigkeit. Umso mehr ist zu bedauern, dass die internationale Staatengemeinschaft es nicht vermocht hat, Handlungsfähigkeit zu beweisen.
Es ist ein schlimmes Zeichen, dass eine Position, die nur unter einer großen Überschrift hätte gefunden werden müssen, nämlich Wahrung, Schutz, Achtung der Menschenrechte, am 4. Februar im Sicherheitsrat nicht zustande gekommen, sondern am doppelten Veto von Russland und China gescheitert ist. Wir wissen, dass nach der Konstruktion der Vereinten Nationen Entscheidungen in der Generalversammlung zwar nicht mit Veto verhindert werden können, sie haben aber nicht die völkerrechtliche Verbindlichkeit, die der Sicherheitsrat mit seinen Entscheidungen bewirkt. Deswegen kommt es auf den Sicherheitsrat an, und die Handlungsfähigkeit entscheidet sich dort. Deswegen kann man nur hoffen – ich wage nicht, von hier aus zu appellieren –, dass die Einsicht in die Notwendigkeit des Eingreifens der internationalen Staatengemeinschaft wächst. Das ist die Hoffnung, die wir haben.
Was unsere Verantwortung betrifft, die sich aus der Solidarität speist, so bezieht sie sich selbstverständlich auch auf die Frage der Syrerinnen und Syrer in Deutschland und in Bremen. Wir werden unserer humanitären Verantwortung auch in der Frage der Ausgestaltung von Aufenthalt sicherlich gerecht werden. Das kann ich ganz sicher auch im Namen von Senator Mäurer hier sagen.
Ich danke auch im Namen des Senats für diese Debatte. Unsere Hoffnungen, unsere Sympathie, unser Mitgefühl, unsere Solidarität gehen zu den Menschen in Syrien. – Vielen Dank!
Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des nichtständigen Ausschusses „Ausweitung des Wahlrechts“
Herr Präsident, meine Damen und Herren! 1990 hat das Bundesverfassungsgericht zum staatlichen und kommunalen Wahlrecht geur
teilt, dass das Wahlrecht direkt an die deutsche Staatsbürgerschaft gekoppelt sein muss. 1990 war das Jahr der Wiedervereinigung. Der eiserne Vorhang war gerade gefallen. Das Schengener Abkommen wurde erstmals beraten. Die Europäische Union umfasste Teile Westeuropas. Schweden, Finnland, Österreich hatten gerade ihren Antrag gestellt und waren noch nicht Teil der Europäischen Union. Anderes, um sich in die Zeit zurückzuversetzen: Matthias Reim hat sechs Monate lang mit „Verdammt ich lieb‘ dich“ die Charts in Deutschland angeführt. 1990 war das Jahr, in dem die Bonner Republik Urstand feierte, die DDR war Beitrittsgebiet. Migranten gab es damals übrigens noch nicht, die hießen Gastarbeiter, Asylanten und Aussiedler. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war ein Kind seiner Zeit, wie es jedes Urteil ist. Schon 1992 war die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts teilweise überholt. Angestoßen durch das Europarecht änderte der Bundestag Artikel 28 des Grundgesetzes und führte das Kommunalwahlrecht für EU-Bürger ein. Später folgte dann das Wahlrecht für die 96 deutschen Europaparlamentarier, die allerdings sehr wohl von allen EU-Bürgern in Deutschland mit gewählt werden dürfen. Mit anderen Worten, ob jemand wahlberechtigt ist, richtet sich eben nicht nach der Staatsbürgerschaft, sondern es richtet sich sehr unspektakulär – zumindest bei den EU-Bürgern – danach, ob er seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Ein EU-Bürger ist nämlich nicht mehr Deutscher, als ein Drittstaatler das sein kann.
Wenn aber die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, dass die Staatsangehörigkeit eine notwendige Vorraussetzung für das Wahlrecht ist, entfällt, dann taugt es auch nicht mehr länger als Argument dafür, dass wir anderen nicht dieses Wahlrecht einräumen. Im Übrigen ist das auch nichts Neues. Drittstaatler dürfen in vielfältiger Weise in unserem Gemeinwesen wählen, ohne dass auf ihre Staatsangehörigkeit abgestellt wird. Selbstverständlich ist die Wahl zu Betriebsräten, gleiches gilt für die Wahlen bei Arbeitnehmer-, Handels- und Handwerkskammern, bei weiteren berufsständischen Kammern und den Versorgungswerken. Selbstverständlich ist das Teilnahmerecht an den Sozialwahlen der gesetzlichen Krankenversicherungen und der Rentenversicherung. Das Wahlrecht in Vereinen, Parteien, bei den Gewerkschaften und bei Arbeitgeberverbänden jeglicher Größe ist im Übrigen auch nicht von der Staatsangehörigkeit abhängig, sondern ausschließlich von der Mitgliedschaft. Noch ein Gedankengang: Das gesellschaftsrechtliche Wahlrecht für die Wahl von Aufsichtsräten in Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften setzt nicht einmal den Wohnsitz in Deutschland voraus. Nur bei der Kommunal-, bei der Landtags- und der Bundestagswahl unterscheiden wir kunstvoll zwi
schen Deutschen, EU-Bürgern und Drittstaatlern. Mir fällt es immer schwer zu erklären, warum ein hier seit 40 Jahren lebender Kroate sein Wahlrecht dann bekommt, wenn Kroatien vielleicht in den nächsten Monaten in die Europäische Union aufgenommen wird, obwohl er alle anderen Wahlrechte schon vorher hatte. Die Frage, die sofort auf der Hand liegt, ist die: Warum hat eigentlich ein Slowene seit 2004 das Wahlrecht zu den Beiräten? Die Frage, die sich weiterhin stellt, ist: Warum wird vermutlich ein Serbe sie in den nächsten zehn Jahren nicht erhalten, wenn vielleicht doch alle drei zusammen vor 40 Jahren mit demselben Zug aus Belgrad nach Deutschland gekommen sind?
Mit dem Integrationsgipfel, mit der Deutschen Islamkonferenz, mit den Integrationsstrategien, die wir hier auch in Bremen haben, die aber viele Kreise, Länder und Kommunen einbezogen haben, hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen. Deutschland ist ein Einwanderungsland, sehr richtig, Deutschland ist auch ein Auswanderungsland. Dieses Land muss gemeinsam mit den Migrantinnen und Migranten und ihren Organisationen gestaltet werden. Das ist deshalb wichtig, damit sich ein Wir-Gefühl dieses Gemeinwesens entwickeln kann und dieses auch in kultureller Vielfalt entsteht. Die politische Partizipation von Migrantinnen und Migranten ist ein Wert an sich, der aus dem Prinzip der Menschenwürde und der Selbstbestimmung in einer demokratischen Gesellschaft hervorgeht.
Zusätzlich zum ideellen Wert hat aber aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft die politische Partizipation der Einwohnerinnen und Einwohner, auch derjenigen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, einen instrumentellen Wert. Dieser instrumentelle Wert liegt darin, dass das Erreichen praktischer Ziele der Integrationsarbeit so wesentlich vereinfacht und erleichtert wird. Grüne und SPD setzten sich für eine bessere Integration durch Partizipation ein. Wer politische Verantwortung übernimmt, identifiziert sich stärker mit der Gesellschaft. Politische Partizipation fördert somit die Integration.
Leider war die CDU bisher auf Bundesebene nicht für eine Grundgesetzänderung zu gewinnen, die ein kommunales Wahlrecht für Drittstaatler ausdrücklich erlaubt hätte. Deshalb wird die Bremische Bürgerschaft voraussichtlich den Weg wählen müssen, eine entsprechende Gesetzesänderung dem Staatsgerichtshof vorzulegen. Dieser wird dann entscheiden, ob der Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum deutschen Staatsvolk aus der Bonner Republik noch weiter trägt oder ob alle Bürgerinnen und Bürger jeder Nationalität in Bremen ein Wahlrecht für die Beiräte bekommen können. Ich in sehr zuversichtlich, dass der Staatsgerichtshof sich dieser Frage sehr ernsthaft anneh
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Willy Brandt – oft bemüht, aber an dieser Stelle wirklich passend – schließen! Willy Brandt sagte über die parlamentarische Demokratie: „Solche demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweisen öffnen.“ – Ich danke Ihnen für das Zuhören!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ausgestaltung des Wahlrechts war schon immer der Gradmesser für die Entwicklung der Demokratie. Unser Maßstab ist, gemeinsam in der Koalition, so viel Recht zu wählen wie möglich und so wenig Einschränkung wie unbedingt notwendig.
Auf dieser Linie – Sie erinnern sich – haben wir in der vergangenen Legislaturperiode das Wahlalter gesenkt, weil wir zu der Überzeugung gekommen waren, das junge Menschen heute ab 16 Jahren eigenverantwortlich Entscheidungen treffen, treffen müssen und deswegen auch wählen können. Auf dieser Linie haben wir Grünen seit Langem – eigentlich seitdem der Vertrag von Maastricht ratifiziert worden ist – Vorschläge für das Wahlrecht für EU-Ausländer und für Ausländer, die in Bremen leben, aber nicht Angehörige eines der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind, gemacht, die wir heute wieder aufnehmen. Wir glauben, dass wir sie heute einen entscheidenden Schritt weiter bringen können.
Wir wollen, dass in Zukunft Bürgerinnen und Bürger aus anderen Staaten der Europäischen Union, die bei uns leben, die bei uns arbeiten und Steuern zahlen, nicht nur die Stadtbürgerschaft und die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung wählen können wie jetzt, sondern in Zukunft auch den Landtag. Wir wollen als ersten Schritt einführen, dass Bremer Bürgerinnen und Bürger aus Staaten außerhalb der Europäischen Union, die schon längerer Zeit hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, zumindest an den Wahlen zu den Beiräten teilnehmen können.
Diese Haltung, meine Damen und Herren, hat vor zwei Jahren schon der Wahlrechtsausschuss der Bremischen Bürgerschaft eingenommen. Seine Mehrheit hat jedenfalls damals den Senat aufgefordert, im Bundesrat für eine Grundgesetzänderung tätig zu werden, um so den Weg zu öffnen. Die Erfahrungen im Bund, ob es der Bundestag oder der Bundesrat war, sind leider eindeutig. Es gibt weiterhin eine ideolo
Wir schlagen Ihnen deswegen heute vor, einen anderen Weg zu gehen. Wir wollen einen nichtständigen Ausschuss mit dem Auftrag einsetzen, Verfassungs- und Gesetzesänderungen mit dem geschilderten Inhalt für Bremen auszuarbeiten, und dann vor der Beschlussfassung der Bürgerschaft den Staatsgerichtshof fragen, ob er der Auffassung ist, dass unser Vorhaben nach heutigem Verständnis mit der Verfassung vereinbar ist. Die Betonung, meine Damen und Herren, liegt natürlich auf dem Begriff „heutigem Verständnis“, denn seit dem Grundsatzurteil des Verfassungsgerichts – und der Kollege Tschöpe hat das zeitgeschichtliche Panorama der Stimmung und der Atmosphäre von 1990 noch einmal in Erinnerung gerufen – hat sich diese Realität in Europa und in Deutschland erheblich geändert.
Die ganz reale Verflechtung der Gesellschaft in Europa hat ganz stark zugenommen. Die Menschen sind viel mobiler geworden, und damit bestehen auch vielfältige Verbindungen und Anker in einigen Teilen der Gesellschaft, ohne die anderen Teile der Gesellschaft ganz hinter sich zu lassen. Das kommunale Wahlrecht für EU-Ausländer im Vertrag von Maastricht war eine Konsequenz daraus. Für Deutschland war es das erste Eingeständnis, dass das Volk – in Anführungszeichen – als Subjekt der Souveränität und Demokratie eben nicht nur deutsch ist, sondern darüber hinausgeht.
Weil wir in Bremen einen gewachsenen Staatsaufbau mit der Realunion von Land und Stadt Bremen haben, wollen wir dieses Wahlrecht für EU-Ausländer endlich auf den Landtag ausdehnen und damit diese Komplikationen mit andersfarbigen Stimmzetteln, besonderem Status von nur Stadtbürgerschaftsabgeordneten, die wir zwei Legislaturperioden hatten, und so weiter abschaffen. Ich frage mich, was es für negative Folgen haben sollte, wenn bei der nächsten Wahl zum Landtag auch die Bürgerinnen und Bürger aus Italien, aus den Niederlanden, aus Ungarn oder sonst wo den Landtag mit wählen, der schließlich auch mit dem Senat die Bremer Stadtregierung wählt. Ich sehe gar keine negativen, sondern nur positive Auswirkungen. Deswegen wollen wir das so machen.
Anders als vor 20 Jahren dürfte inzwischen bei allen angekommen sein, dass Deutschland wie die meisten anderen europäischen Länder Einwanderungsund auch Auswanderungsland ist und dass dies unsere Gesellschaft auch wesentlich prägt. Schauen Sie
sich die Zahlen mit 80 000 Menschen in Bremen an! Das ist keine kleine Gruppe, die man irgendwie besonders behandeln könnte und im Übrigen vergessen kann, nein, das ist ein großer Teil, ein wichtiger Teil der Gesellschaft, den wir doch nicht mehr länger ausschließen können.
Daraus folgt für uns zwingend, dass auch die Bremer Bürgerinnen und Bürger, die keinen Pass der EU haben, aber seit einiger Zeit in Bremen leben, im ersten Schritt wenigstens das Recht erhalten müssen, die Beiräte mit zu wählen und sich in sie wählen zu lassen.
Eine sehr erfolgreiche Revolution hat vor mehr als 200 Jahren unter dem Slogan „No taxation without representation“ begonnen. Wer also Steuern zahlt, muss auch repräsentiert werden, wählen und mit entscheiden können. Das ist doch wichtig!
Es kann nicht sein, dass Menschen, die hier leben, zum Wohlstand beitragen, ihre Kinder und Enkelkinder in Kindergärten und Schulen schicken, auch zur Mitwirkung am Staat und an der Gesellschaft aufgerufen werden, dann aber keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen haben, die ihr Lebensumfeld, ihre Wohnquartiere und deren Einrichtungen prägen. Das, finde ich, können wir nicht so weitermachen.