Protocol of the Session on January 26, 2012

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn ich jetzt vier Jahre dabei bin, fällt es mir immer noch sehr schwer, als Letzter sprechen zu müssen. Ich würde gern vorher in diese Debatte eingreifen.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie hätten Abgeordneter bleiben können! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Werden können!)

Ich nehme aus dieser Debatte Folgendes mit: Es besteht ein breiter Konsens in der Bewertung des Problems Wohnungseinbrüche. Es ist sehr deutlich geworden, dass es keine Kavaliersdelikte sind. Es ist eine massive Beeinträchtigung. Einbrüche akzeptieren wir nicht. Sie treffen zutiefst ins Mark unserer Bürgerinnen und Bürger. Dagegen müssen wir vorgehen! Wir können das aber nur so machen, dass wir zunächst einmal analysieren, was sich überhaupt in den letzten Jahren verändert hat, bevor wir darüber diskutieren, was wir besser machen können. Deswegen erlauben Sie mir auch zur Aufklärung einfach einmal einen kleinen Rückblick auf die letzten zehn Jahre!

Es ist richtig, Wohnungseinbrüche sind ein Problem, aber auch bundesweit. Wenn man sich die Statistik der letzten zehn Jahre anschaut, sieht man, dass die Zahl der Einbrüche bundesweit in dem Zeitraum von 2001 bis 2006 von 133 000 auf 109 000 heruntergegangen ist. Dann kommt bundesweit die Wende. Wir haben einen Einstieg von 109 000 Einbrüchen auf 221 000 Einbrüche im Zeitraum von 2006 bis 2010. Wenn wir uns dann die Entwicklung in Bremen und Bremerhaven anschauen, sehen wir vergleichbare Zahlen. Auch in Bremen ist die Zahl der Einbrüche im Zeitraum von 2001 bis Mitte 2005 deutlich nach unten gegangen, 1 900 Einbrüche war der Beginn mit einem Tiefpunkt von 1 500 Einbrüchen im Jahr 2005. In Bremerhaven ging es von 486 Einbrüchen herunter auf 337 Einbrüche. Dann begann die Wende.

In Bremen gab es im Jahr 2009 einen Anstieg von 1 481 Einbrüchen auf 2 900 Einbrüche. 2 900 Einbrüche waren es im Jahr 2009, das heißt also, wir haben heute nicht den Höchststand. Da irren einige. Das Jahr 2009 war mit 2 900 Fällen bisher das höchste Ergebnis gewesen. Wir hatten dann im Jahr 2010 einen dramatischen Rückgang um fast 30 Prozent. Wir waren dann bei 2 263 Einbrüchen. Jetzt haben wir wieder einen Anstieg. Es gehört zur Fairness, auch zu erwähnen, dass dieser Anstieg von einem ganz niedrigen Niveau aus geschah. Wir haben damals auf der Pressekonferenz erklärt, wir hätten keine einfache Erklärung dafür, warum die Zahl der Einbrüche innerhalb eines Jahres um über 30 Prozent zurückging. Wenn wir uns die Entwicklung in Bremerhaven anschauen, dann sehen wir auch dort, die Entwicklung geht von einem relativ niedrigen Wert von 337 Einbrüchen dramatisch nach oben. Inzwischen

liegen wir in Bremerhaven bei 653 Einbrüchen. Das zeigt, die Zahl hat sich in den letzten Jahren nahezu verdoppelt.

Ich weiche auch nicht aus, der Städtevergleich ist auch immer ein Thema, das man betrachten muss. Wenn ich mir das Jahr 2004 anschaue – ich habe es einmal ausgerechnet –, lag die Stadt Bremen im Ranking auf Platz 15, im Jahr 2005 lag sie auf Platz 14. Wenn man sich die Städte anschaut, die in dieser Statistik vor uns liegen, dann fällt auf, es sind alles Städte nördlich von Frankfurt. Das heißt, wir haben auch in dieser Statistik seit Jahrzehnten ein massives NordSüd-Gefälle. Wenn Sie sich das anschauen, ist unter den 20 oder 30 topplatzierten Städten im Ranking keine einzige Stadt aus Baden-Württemberg und Bayern. Das könnte vielleicht auch ein Hinweis sein, in welche Richtung wir nachdenken müssen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Verurteilungs- quote!)

Das ist zu leicht, Herr Hinners!

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Auf- klärungsquote!)

Wir sehen dann ab dem Jahr 2006, dass der Anstieg auch unsere Position im Ranking verändert. Im Jahr 2006 liegt Bremerhaven hinter Köln, Köln auf Platz zwei und Bremerhaven auf Platz drei. Diese Entwicklung verstetigt sich im Jahr 2007 und im Jahr 2008, und dann kommt, wie gesagt, das Ausnahmejahr 2010, in dem wir dann diesen massiven Rückgang haben. Das ist kein Ergebnis, über das man sich freuen kann. Wir sehen aber auch, dass dieses Ergebnis nicht irgendwie temporär vorhanden ist, sondern Bremen und Bremerhaven seit den Jahren 2005/ 2006 das Problem eines massiven Anstiegs haben.

Was können wir zu den Ursachen sagen? Wir sehen, dass dieser massive Anstieg der Wohnungseinbrüche mit einem Rückgang im Bereich der Fahrraddiebstähle und im Bereich der Aufbrüche von Kraftfahrzeugen einhergeht. Wir vermuten, dass es dort eine Veränderung gegeben hat. Es ist heute offensichtlich immer weniger attraktiv, Navigationssysteme aus den Autos herauszureißen. Daher verändern sich möglicherweise auch die Händlerstrukturen. Jedenfalls ist festzustellen, dass es dort einen eklatanten Zusammenhang zwischen dem Rückgang in dem einen Bereich und einem Anstieg in dem anderen Bereich gibt.

Wir wissen auch etwas über die Täter und ihre Strukturen. Wir haben – das ist auch bereits erwähnt worden – die Erkenntnis, dass 50 Prozent aller Fälle so organisiert sind, dass Fenster und Türen aufgehebelt werden, 15 Prozent der Türen und Fenster werden eingeschlagen. Das zeigt also, es geht mit relativ wenigen Mitteln. Es ist sehr schnell gemacht. Wir sehen auch, dass wir ein ganz differenziertes Täter

bild haben. Wir haben die Profis mit Spezialwerkzeugen, die das langfristig planen. Wir haben dann die Spontantäter, die ein Objekt sehen und sagen, ich entscheide mich und versuche, dort hineinzukommen.

Dann haben wir eine Gruppe, die offensichtlich zunimmt. Es ist die Zahl der Plünderer. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie in ihrem sozialen Milieu plündern. Das heißt, sie verlassen ihre Stadtteile nicht. Das sind Randgebiete, das sind sozial benachteiligte Stadtteile. Sie bleiben dort und berauben letztlich diejenigen, die dort auch zu Hause sind. Dann haben wir noch sogenannte Pendler, die von Gröpelingen nach Schwachhausen fahren und versuchen, dort die Wohnungen aufzusuchen.

Wir haben in den Jahren 2010/2011 eigentlich eine konstante Zahl an Tätern ermittelt. Die Zahl liegt bei circa 600. Wir wissen, es gibt ein sehr hohes Dunkelfeld. Wenn man sich aber diese 600 Täter anschaut, dann kann man in etwa auch eine Prognose geben, wie das Feld insgesamt aussieht. Daraus entnehmen wir, wir haben eine große Gruppe von Intensivtätern; 79 Intensivtäter haben wir gelistet. Wir haben eine hohe Anzahl von Personen, die wir als Betäubungsmittelkonsumenten einstufen. Zahlenmäßig sind das nur 118, aber die Praxis sagt uns, dass circa 50 Prozent aller Täter in irgendeiner Form mit Drogen im Zusammenhang stehen. Es sind weniger die klassischen Beschaffungstäter der früheren Jahre, die heroinabhängig sind, sondern wir glauben, dass eine große Anzahl auch im Bereich der mit Methadon Behandelten wiederzufinden ist. Jedenfalls gibt es dort einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen Drogenabhängigkeit und diesen Delikten.

Wir wissen weiterhin, dass wir einen deutlichen Anstieg in den belasteten Stadtteilen haben. Das ist eine Situation, die man nicht wegdiskutieren kann. Wenn Gesellschaften sozial und wirtschaftlich auseinanderdriften, dann wirkt sich das massiv in den Großstädten aus. Eine Reihe von ungünstigen Sozialfaktoren trägt dazu bei, dass sich dies dann auch in massiver Form auswirkt. In diesem Bereich kommt hinzu, dass die Wohnungen in der Regel sehr schlecht gesichert sind und es auch an der Kontrolle der Nachbarn untereinander fehlt.

Das ist so in etwa die Beschreibung der Situation. Sie zeigt uns, dass wir, wie gesagt, im Jahr 2011 keinen Höchststand haben, sondern im Jahr 2011 sind die Zahlen niedriger als im Jahr 2009 gewesen. Dennoch ist das aber eine Lage, von der man sagen kann, wir sind dort nicht zu beneiden.

Das Thema Schwerpunktsetzung beschäftigt mich seit vier Jahren, denn diese Zahlen sind ja nicht ganz neu. Ich habe diese Position, dass wir auf Platz eins sind, ja nicht erst erkämpfen müssen, sondern das war bei meinem Amtsantritt bereits längst erkennbar. Ich sage noch einmal sehr deutlich, ich glaube, dass diese Entwicklung völlig unabhängig davon ist, welcher Senator den Hut auf hat. Deswegen nehme ich auch

Herrn Röwekamp in Schutz, in dessen Endphase die Zahlen nach oben gegangen sind.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ihr Vorgän- ger war ich ja nicht!)

Ja, aber faktisch!

(Heiterkeit)

Jedenfalls ist es sehr deutlich, wir hatten Mitte des Jahres 2005 die Wende, und seitdem geht es kontinuierlich nach oben.

Deswegen habe ich – das war eine meiner ersten Maßnahmen – die Polizei gefragt: Was tun wir dagegen? Dann haben wir einmal geschaut, was es im Bereich Prävention gibt. Das ist in der Tat ein Bereich, in dem man die größten Chancen hat, Dinge zu verändern, wenn man in eine größere Wohnungssicherheit investiert.

Wir haben dann mit dem DNA-Projekt begonnen. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig war und dass dies überall dort, wo Straßenzüge mitmachen und sich Bürger beteiligen, eine positive Auswirkung hat. Ich sage nur, wir erreichen damit nicht alle Bürger. Es sind in der Regel gutbürgerlich situierte Straßenzüge, die wir ansprechen, wo sich dann Bürger zusammentun und gemeinsam darauf achten, dass ihr Eigentum geschützt wird.

Wir haben dann Konzepte weiterentwickelt. Die Polizeibeamten begehen die Straßen und schauen, wo es Risikobereiche und Tatgelegenheiten gibt. Das hat auch in Bremen-Nord in einigen Bereichen dazu geführt, wie auch in der Neustadt, dass die Dinge sich deutlich verbessert haben. Jedenfalls ist die Zahl der Einbrüche dort rückläufig. Ich sage aber auch, das ist noch ein Strohfeuer, solange wir so wenige Straßen und Bürger in dieses Konzept einbezogen haben.

Wir haben uns dann die Wohnungsbaugesellschaften angeschaut. Diese sehen wir auch in der Pflicht, wenn man sich einmal umschaut, wie die meisten Vermieter ihre Wohnungen übergeben. Ich kenne in meinem Bekanntenkreis oder wenn ich an meine Kinder denke eigentlich nur Wohnungen, in die man so hineinkommen kann. Das, glaube ich, ist nicht zufällig. Es ist auch eine gewisse Verantwortungslosigkeit der Eigentümer, die hier zum Ausdruck kommt und worauf wir reagieren müssen. Wir wollen also mit den Wohnungsbaugesellschaften dafür sorgen, dass die Sicherheitsstandards massiv verbessert werden.

Man kann sich schützen, und man kann das mit Bürgerinitiativen verbinden. Wir haben das in Bremen-Nord mit dem Kooperationsrat exemplarisch entwickelt. Was haben wir alles an Kampagnen durchgeführt! Dort, wo eingebrochen wurde, haben die Polizeibeamten die betroffenen Bürger nicht allein gelassen, sondern es gehört dazu, dass man nach der

Tat noch ein zweites und drittes Mal vorbeikommt und mit dem Bürger darüber spricht, wie die Lage ist. Das ist der eine Aspekt, Prävention. Ich könnte das noch beliebig fortsetzen.

Wir haben uns dann natürlich auch den anderen Bereich angeschaut, Repression! Wir wissen, dass wir es hier mit Intensivtätern zu tun haben, die eine hohe Anzahl von Straftaten zu verantworten haben und sehr wahrscheinlich noch erheblich mehr begangen haben, als wir in der Statistik aufbereitet haben. Deswegen ist es wichtig, dass diese Dinge bei der Polizei zusammengefasst und sie als Intensivtäter eingestuft werden, schnell zur Staatsanwaltschaft kommen, wo dann auch unser Pendant sitzt, nämlich eine Schwerpunktabteilung der Staatsanwaltschaft für Intensivtäter. Diese achtet darauf, dass sie diese Akten – sie sind schon an der Farbe erkennbar – schnell durchgeht, zügig die Dinge vorbereitet und anklagt. Nicht, dass man das Problem hat, dass diese Verfahren in den Wald- und Wiesendezernaten, sage ich einmal, zerfleddert werden!

Wir müssen aber sagen, möglicherweise reicht das, was wir bisher entwickelt haben, nicht aus. Wir haben uns deswegen im letzten Jahr entschieden, dass wir im Bereich der Polizei die Ermittlungen für diesen Komplex weiter zusammenfassen und unter einer einheitlichen Leitung durchführen. Wir werden am nächsten Montag mit der Justiz und der Staatsanwaltschaft darüber sprechen, wie wir diese Dinge optimieren können. Ich sehe auch, und das ist auch unsere Erfahrung, dass es bei dieser Anzahl offensichtlich nicht ausreicht. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Kommunikation verbessern und noch schneller werden. Wir haben auch Mitarbeiter in alle Städte geschickt, um einmal zu schauen, wie es andere machen. Das heißt, Best Practice ist keine Sache, die wir erst erfinden müssen, sondern die haben wir.

Ich finde gut, dass die Bürgerschaft dieses Thema angenommen hat. Das begrüße ich sehr, aber wir beginnen nicht bei null. Ich sage aber, es wird noch ein langer Weg werden, denn zu glauben, man könne mit so einfachen Maßnahmen hier und dort einmal etwas machen, klappt nicht. Es ist ein gesellschaftliches Problem, mit dem wir es zu tun haben. Wir können nur zur Lösung beitragen, indem wir unsere Einsätze verbessern. Das heißt, nur das Zusammenspiel von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten führt dazu, dass Täter von der Straße genommen werden. Das ist zu begrüßen. Man darf aber nicht glauben, dass damit das Problem gelöst ist.

Wenn man sich die Akten anschaut, es gibt richtige Kulturen, Täter kommen immer wieder. Sie werden inhaftiert, kommen irgendwann wieder aus dem Gefängnis. Das ist auch logisch. Sie beginnen dann wieder von vorn. Man kann eigentlich schon ein Register anlegen, wann welcher Täter wieder draußen ist, was dann passiert, und dann geht er wieder hinein. Ich kenne Akten von Menschen, die insgesamt

20 Jahre inhaftiert waren. Es waren leichte Wohnungseinbrüche, die aber in der Addition immer wieder dazu geführt haben, dass sie eingesperrt wurden, weil sie offensichtlich aus diesem Kreislauf nicht herauskommen. Es ist also ein komplexes Thema. Ich habe die herzliche Bitte, dass man das auch mit dem notwendigen Ernst angeht, diskutiert und berät. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist von der Fraktion der CDU getrennte Abstimmung beantragt worden.

Zuerst lasse ich über die Ziffer 3 des Antrags abstimmen.

Wer der Ziffer 3 des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 18/207 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

(CDU und DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Ziffer 3 des Antrags zu.

Jetzt lasse ich über die restlichen Ziffern des Antrags abstimmen.

Wer den restlichen Ziffern 1, 2 und 4 bis 8 des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/207 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)